Über den Gerichtsstand der iuridicalen Instanzen

  • "Patres conscripti..." , wandte Vala sich als Consular an den Senat, nachdem er das folgende Thema auf die Tagesliste setzen und sich das Rederecht hatte geben lassen, "...ich möchte heute wieder eine eher kleinere Gesetzesänderung anregen. Es handelt sich dabei um eine Korrektur im Zuge des Codex Iuridicalis, der in einem ganzen bestimmten Punkt seit langer Zeit vollkommen an der Realität und der Rechtspraxis vorbeiexistiert.


    Es dreht sich dabei um den allerersten Satz des allerersten Paragraphen..."


    § 1 Gerichtsstand und Geltung
    (1) Der Gerichtsstand für alle Instanzen ist Roma, Provincia Italia.


    "Diese Regelung widerspricht nicht nur dem aktuellen Usus, sie steht auch im klaren Konflikt mit dem Recht der voriulianischen Zeit, in welcher der Gerichtsstand immer der Ort, beziehungsweise die Civitas war, in welchem der oder die Beklagte wohnt. Ich schlage vor, zu dieser Regelung zurückzukehren. Vor allem aus Sicht der Provinzen ist die aktuelle Regelung widersinnig, da sie sie letztlich den Usus überflüssig macht, Statthalter aus den Praetorii des Senats zu rekrutieren... da eine der Grundkompetenzen eines Statthalters nunmal ist, in seiner Provinz verbindlich römisches Recht zu sprechen. Man muss sich nur einmal vorführen, wieviele Fälle ob der aktuellen Regelung nach Rom gelangt sind: mir ist kein einziger bekannt. Kein einziger Mensch ist aus den Provinzen nach Rom gereist um hier Klage zu erheben oder sich einer Klage gegen ihn zu stellen. Das ist nicht genug, um die Regelung nicht in aller Deutlichkeit zu hinterfragen.


    Ich schlage aus diesem Grunde folgende Änderung vor:"


    § 1 Gerichtsstand und Geltung
    (1) Der Gerichtsstand für alle Instanzen ist der Ort, indem der Beklagte wohnhaft ist.

  • "Dieser Antrag hat meine Unterstützung. Das Lex Provincialis hält bereits fest, dass die Statthalter in ihren Provinzen die Rechtsprechung ausüben. Es macht nur Sinn, dass diese Passage im Codex Iuridicalis angepasst wird." meldete sich Modestus kurz zu Wort. In der Praxis sprachen alle Statthalter in ihren Provinzen Recht. Man konnte es einfachen Bürgern auch kaum zumuten für jedes kleine Delikt Wochen und teilweise Monate nach Rom zu reisen. Genauso wenig konnte die gesamte Rechtsprechung des Reichs von einer Hand voll Praetoren bewältigt werden. Allein schon in den größeren Provinzen setzte man neben dem Statthalter einen zusätzlichen Legaten für die Rechtsprechung ein.

  • Grundsätzlich hatte Sextus nichts gegen eine Änderung einzuwenden. Allerdings sah er in der vorgeschlagenen Form ein paar Probleme.


    “An und für sich ist eine Änderung des Paragraphen und eine Angleichung an den Usus sicherlich sinnvoll und nützlich, begann er also, nachdem ihm das Wort erteilt worden war. “Allerdings ist eine Beschränkung auf den Wohnort einer Person nicht weniger problematisch als eine Beschränkung auf Rom. In kleinen Dörfern und Gemeinden unseres Reiches fehlt es meist an Personen mit der passenden Befugnis, als Iudex zu fungieren, so dass in der Folge nun anstelle des Beklagten die Richter herumreisen müssten. Außerdem könnte man so leicht einer Anklage entgehen, indem man sich einfach in die Bürgerliste einer solchen Gemeinde eintragen lässt.
    Daher schlage ich vor, dass die Änderung umformuliert wird in 'Der Gerichtsstand für alle Instanzen ist der Ort, an welchem die Klage erhoben wird' . Dies gewährleistet auch, dass ein Verbrecher in dem Ort oder zumindest nahe des Ortes verurteilt wird, an dem das Verbrechen stattfand, so dass die Bevölkerung das Ergebnis der römischen Rechtsprechung auch erfahren kann.


    Desweiteren möchte ich noch einen zweiten Satz zu diesem Paragraphen hinzufügen. Denn gerade in den Provinzen ist üblicherweise der Statthalter einer der wenigen Senatoren, die somit als Iudex geeignet sind. Wenn dieser aber aufgrund von Befangenheit, beispielsweise durch Verwandtschaft zum Beklagten, ausgeschlossen werden muss, oder aber, wenn er gar selbst das Ziel einer Klage ist, muss auch ein Verweis an eine höhere Instanz und dies außerhalb seiner Einflusssphäre möglich sein. Oder aber es gibt ein Verfahren, an dem Rom selbst höchstes Interesse hat. Man denke nur an diesen peregrinen Strolch, der vor Jahren eine Römerin entführt und fast ermordet hatte. Oder noch mehr an Aufständische oder Angreifer auf unser Imperium!
    Daher schlage ich einen weiteren Satz vor, der es dem amtierenden Prätor erlaubt, ein Verfahren nach Rom zu verlegen, wenn er es geboten sieht. Ich denke, etwas einfaches wie 'Zweitens: Ein Praetor kann den Gerichtsstand einer Verhandlung nach Rom verlegen.'
    Da hier in Rom selbst genug Senatoren, überdies ehemalige Praetoren oder Consuln, sind, sollte es hier stets im Zweifel möglich sein, einen Iudex zu finden, der neutral Recht sprechen kann.“

  • Nachdem der Aurelier sich zu Wort gemeldet hatte, dachte Modestus einen Moment nach. Dann erhob er sich für eine Replik. Wie immer stützte er sich dabei auf seinen Gehstock, der laut klickte als er auf den marmornen Fußboden traf. Modestus schmunzelte einen Moment, denn das Geräusch erinnerte ihn daran, wie die Liktoren ihre Fasces auf den Boden schlugen, um für Ruhe zu sorgen.


    "Als ehemaliger Statthalter kann ich die Bedenken des Quaestorius Aurelius aus der Welt schaffen. In der Tat ist es längst Praxis, dass die Statthalter durch die Provinzen reisen, um Gericht zu halten. Dabei haben sich gewisse Verfahrensweisen entwickelt und bewährt. Natürlich wird nicht jeder noch so kleine Ort besucht. Man richtet üblicherweise Gerichtsbezirke um eine größere Ortschaft an. An vorher verkündeten Terminen sitzt der Statthalter in diesen Ortschaften zu Gericht. Jedermann aus diesem Bezirk kann während der Gerichtstage Klage erheben. Wie man fast überall im Reich sehen kann, führt das nicht zu rechtslosen Räubernestern. Iudices gibt es in den einzelnen Gemeinschaften nicht und sind auch garnicht notwendig. Daher sehe ich auch keinen Grund vom bisher praktizierten Verfahren abzuweichen."


    Modestus redete ruhig und gelassen über die den Sachverhalt und lies seine Blicke immer wieder über die Gesichter der Senatoren wandern. Den ungehobelten Angriff des Aureliers von vor kurzem hatte er noch nicht vergessen. Doch es war nicht seine Absicht sich nun an dem Mann zu rächen. Diese Art der Politik verabscheute er mit zunehmendem Alter immer mehr. Dabei sagte man, dass das Alter eigentlich streitsüchtig machte. Allerdings es gab nun einmal offensichtliche Probleme mit den Ideen des jungen Mannes, die zur Sprache gebracht werden mussten.


    "Der Vorschlag des Quaestorius ist auch in anderer Hinsicht problematisch. Der Gerichtsstand ist dort, wo ich die Klage einreiche? Nun dann verklage ich meinen Nachbarn vom Esquilin am besten in der Provinz Asia. Hier in Rom schätzt mich der amtierende Praetor nicht, doch der Proconsul von Asia ist mein guter Freund Gaius Flaminius Cilo. Nun sagen wir mein Nachbar ist ein einfacher Bäcker. Er könnte es sich kaum leisten nach Asia zu reisen oder gar einen Advocatus dorthin zu entsenden. Gemäß dem Vorschlag des Quaestorius könnte ich aber so verfahren. Ist das gerecht? Sicherlich nicht. Es würde dem Kläger erlauben den Beklagten zu schikanieren und selbst den zuständigen Gerichtsherren auszuwählen. Das kann nicht in unserem Interesse sein."


    Modestus machte eine kurze Pause um das Gesagte Wirken zu lassen. Unter diesen Voraussetzungen würde es reichen oder einflussreichen Männern noch leichter Fallen einfache Bürger um ihr gutes Recht zu bringen. Als Plebejer sah sich Modestus hier in der Pflicht. Wobei er sich nicht darüber hinwegtäuschte, dass er selbst keine weiße Weste hatte.


    "Daher halte ich den ersten Änderungsvorschlag des Quaestorius Aurelius für ungeeignet. Nun will ich auf seinen zweiten Vorschlag zu sprechen kommen. Ich halte diese Änderung nicht nur für redundant, sondern auch für einen gefährlichen Eingriff in die Befugnisse des Imperator Caesar Augustus."


    Wieder folgte eine kurze Pause, um seinen Worten die richtige Wirkung zu geben. Immerhin ging es um nichts weniger als den Princeps selbst. Doch er darauf zu sprechen kam, würde er die Spannung erst noch etwas aufbauen und andere Dinge thematisieren.


    "Quaestorius Aurelius, nennt zwei Begründungen für seinen Vorschlag. Zum einen will er damit Fälle regeln, bei welchen Statthalter befangen sein könnten, sowie Klagen gegen amtierende Statthalter. Darauf muss ich antworten, dass das Recht keine Klagen gegen amtierende Statthalter erlaubt. Wie alle Inhaber des Imperiums genießen sie während ihrer Amtszeit rechtliche Immunität. Daher kann dies auch kein Anlass für eine Gesetzesänderung sein. Sollte ein Statthalter wegen seiner Befangenheit tatsächlich Rechtsbeugung begehen, dann ist es nach wie vor üblich ihn nach seiner Amtszeit vor Gericht zu bringen. Auch kann sich ein Bürger stets an den Senat oder den Imperator Caesar Augustus wenden. Dafür müssen wir kein Gesetz ändern. Davon abgesehen halte ich es für übertrieben alle Statthalter unter den Generalverdacht der Rechtsbeugung zu stellen."


    Fuhr Modestus fort. Alle schlugen herzlich gerne auf die ach so korrupten Statthalter ein. Die Tatsache, dass man nach jeder Amtszeit sofort verklagt werden konnte, war für die meisten Abschreckung genug. Zumindest für die, die nicht schon von sich aus ehrlich waren. Dann fuhr er gelassen mit seinen Ausführungen zur Coercitio fort.


    "Der zweite Punkt, den der Quaestorius anführt, sind besondere Fälle von öffentlichem Interesse. Wenn die Öffentlichkeit es verlangt, soll ein solcher Fall in Rom verhandelt werden. Dazu kann ich nur sagen, dass es bereits eine Regelung dafür gibt. Die Coercitio Extraordinaria erlaubt es dem Imperator Caesar Augustus solche Fälle an sich zu ziehen und von Richtern seiner Wahl verhandeln zu lassen. Wofür brauchen wir also noch eine zweite Regelung?"


    Die Frage von Modestus verhalte im Raum, bevor er mit dem letzten Thema und vielleicht auch aufregendsten Thema begann. Und zwar warum der Vorschlag des Aureliers im Hinblick auf den Kaiser so problematisch war. Im selben, gelassenen Tonfall fuhr er fort.


    "Viel problematischer ist jedoch, dass dieser Änderungsvorschlag die Befugnisse des Imperator Caesar Augustus in Frage stellt. Die proconsularische Amtsgewalt des Imperator Caesar Augustus ist eine Grundlage des Kaisertums. Die Rechtsprechung in den ihm unterstellten Provinzen ist damit untrennbar verbunden. Eine Einmischung des Senats oder der Praetoren in die Vorrechte des Imperator Caesar Augustus ist nicht hinnehmbar. Der Senat hat Tiberius Aquilius Severus Augustus sein Vertrauen ausgesprochen. Ich sehe daher keinen Grund, warum er nun bei der kaiserlichen Rechtsprechung intervenieren sollte."


    Manch anderer hätte dem Aurelier deshalb vielleicht Hochverrat angedichtet. Aber auf dieses Niveau wollte sich Modestus nicht herablassen. Dies war der Senat. Jeder sollte seine Meinung kund tun können. Und wenn die eigene Meinung einmal von der Mehrheit abwich, dann war dies auch kein Weltuntergang. Oder Grund einem anderen den Kopf abzureisen. Er hoffe, dass man bald wieder zur Gravitas früher Generationen zurückfinden würde und wandte sich ein letztes Mal an die Senatorenschaft.


    "Ich rate daher dringend von den Änderungsvorschlägen des Quaestorius Aurelius ab und empfehle dem Senat die Version des Consular Duccius zu verabschieden."

  • Auch Macer erhob sich von seinem Platz, um das Wort zu ergreifen, denn er glaubte, in den Worten seines Vorredners eine gute Vorlage für einen Einwurf entdeckt zu haben.


    "Gehen nicht beide Vorschläge ein wenig an der Praxis beziehungsweise geltendem Recht vorbei?", fragte er in die Runde. "Senator Annaeus befürchtete gerade, dass es einen Eingriff in die Rechte des Imperator Caesar Augustus darstellt, wenn der Praetor Prozesse an sich ziehen kann. Wäre es nicht viel mehr ein Eingriff in die Rechte des Imperator Caesar Augustus, wenn durch eine Festlegung des Gerichtsstandes - egal ob auf den Wohnort des Beklagten oder den Ort der Klage - ihm diktiert wird, wohin er zu reisen hat? Oder würden wir nicht uns selber vor riesige Probleme stellen, wenn es um eine Klage geht, die vor dem Senat verhandelt werden soll, wie es der Codex Iuridicialis ja explizit zulässt?", präzisierte er dann seine Frage und ließ den Senatskollegen eine kurze Zeit zum Nachdenken.


    "Ich glaube, es ist klar, dass der Senat wegen einer Klage gegen einen von ihm eingesetzen Magistraten wohl kaum geschlossen Rom verlassen wird, um an welchen Ort auch immer zu reisen, um dort eine Verhandlung durchzuführen. Und noch viel mehr gilt dies zweifellos für den Imperator Caesar Augustus, der wohl kaum wegen jeder Klage Rom verlassen kann, noch eine Reise oder gar einen Feldzug unterbrechen wird, um an den Ort einer Verhandlung zu reisen. Nein, ich denke, Gerichtsstand ist in allen diesen Fällen ganz einfach der Ort, an dem das zuständige Gericht die Klage annimmt oder den es für die Verhandlung benennt. Und was für diese Iudicia Extraordinaria gut ist, sollte für die anderen ja nicht schlecht sein. Denn auch hier möchte ich auf die Ausführungen meines Vorredners zurückgreifen, der ja bereits die gängige Praxis in den Provinzen darlegte: Der Statthalter führt regelmäßige Rundreisen durch und benennt dabei Orte, an denen er Gerichtstage abzuhalten gedenkt. Wer Klage einreichen möchte, reist zu einem dieser Orte. Mithin ist es also auch dort bereits so, dass Gerichtsstand jener Ort ist, an dem der Statthalter die Klage entgegennimmt und verhandelt. Ich schlage daher vor, den besagten Passus so zu ändern, dass sich der Gerichtsstand aus der Zuständigkeit des Gerichts ergibt beziehungsweise von diesem festgesetzt werden kann", fasste er dann seinen Vorschlag zusammen.

  • Modestus lauschte seinem Patron aufmerksam und begann zustimmend zu nicken. Der Consular stellte einen sinnvolle Alternative vor und brachte Modestus zum nachdenken. Während er sich das Gesetz in Erinnerung rief, bemerkte er, dass weitere Reformen notwendig sein würden, um die Rechtsprechung durch die Statthalter in den Codex Iuridicialis zu integrieren. Daher erhob er sich, um diesen Punkt einzubringen und die Meinung seines Patrons dazu einzuholen.


    "Consular Purgitius, macht einen sehr guten Vorschlag, den wir in Betracht ziehen sollten." begann Modestus, um dann gleich die Sache mit der Zuständigkeit anzusprechen. "Die Formulierung 'zuständiges Gericht' bringt mich allerdings zu einem anderen Punkt. Neben den Iudicia Extraordinaria, egal ob es sich dabei um den Senat oder ein von Imperator Caesar Augustus bestelltes Gericht handelt, kennt das Gesetz als zuständige Gerichte nur das Iudicum Privatum und das Iudicum Publicum. Diese werden vom Praetor mit Iudices aus den Reihen der Senatoren besetzt."


    "Da es in den Provinzen sowieso nur den Statthalter und den einen oder anderen Legaten gibt, lassen sich diese Gericht auch nicht auf die Provinzen übertragen. Will man also die Praxis Rechtsprechung in den Provinzen also kodifizieren, müsste man ein neues Gericht mit der Zuständigkeit für die Provinzen entwickeln. Ein Iudicum Provincialis, dem der Statthalter oder Legatus Iuridicus der jeweiligen Provinz vorsteht. Würdest du mir da zustimmen oder siehst du eine andere Lösung?"

  • "Es scheint nicht ganz klar zu sein, worin die Wesenszüge der Coercitio Extraordinaria bestehen." , wandte Vala sich vor allem an den Purgitius, der hier gewisse Dinge durcheinander gebracht hatte, "Man kann dem Kaiser nicht vorschreiben wo er Gericht zu halten hat wenn er durch die Coercitio das Recht hat Fälle an sich zu ziehen und deren Gerichtsstand selbst zu bestimmen. Das widerspricht sich selbst und ist durch das geltende Recht bereits sichergestellt. Eine Änderung des Gerichtsstands auf den Wohnort des Beklagten hat also keinerlei Einfluss auf den Kaiser und seine Kompetenzen in der Rechtssprechung."


    "Weiterhin ist die Frage, ob die Festlegung des Gerichtsstands auf den Wohnort des Beklagten eine strafliche Ahndung von tadeligen Statthaltern verhindert, eigentlich in sich selbst beantwortet. Als kaiserlicher Statthalter ist man dem Kaiser Rechenschaft schuldig, der Verfehlungen seines Legatus in den ihm gegebenen Kompetenzen der Rechtssprechung ahnden kann. Ein senatorischer Statthalter wird jedoch niemals vor einem einfachen Iudicum Privatum oder Publicum zur Rechenschaft gezogen, sondern immer vor dem Iudicium Extraordinarium Senatus. Diesem sollte man das Recht einräumen, ebenso wie der Kaiser den Gerichtsstand selbst zu bestimmen. Sowohl Kaiser als auch Senat müssten also im Falle von Prozessen höher Art nicht einen Fußtritt tun.


    Ich sehe deshalb also keinen Grund, den von Praetorius Annaeus vorgebrachten Fakten Änderungen hinzuzufügen. Statthalter besitzen das Imperium und sind deshalb rechtlich immun und können nicht mit dem Vorwurf der Befangenheit versehen werden. Besitzen sie das Imperium nicht mehr, können sie vor einem Iuridicium Extraordinarium Senatus oder Principis belangt werden... und diese sollten den Gerichtsstand selbst bestimmen. Keine Frage des Gerichtsstands für Senat und Kaiser - kein Problem.


    Zu den Reisetätigkeiten innerhalb einer Provinz: die Statthalter orientieren sich seit je her an der civitalen Struktur einer Provinz bei der Festlegung der Gerichtsbezirke. Als Gerichtsstände werden dabei die Hauptorte einer Civitas bestellt, was sowohl für Kläger als auch Beklagte keine größere Reisetätigkeit erzwingen wird als sie ohnehin mehrere Male pro Jahr leisten.. und die Civitas gilt gemeinhin als Wohnort einer Person, selbst wenn diese in einem dieser zugerechneten Vicus zwei Tagesreisen entfernt wohnt.
    Den Ort der Klagerhebung zum Gerichtsstand zu erklären würde die Statthalter befähigen, keinen Fuß mehr außerhalb der Hauptstadt ihrer Provinz zu setzen... und alle Prozesse eben dort zu verhandeln. Das ist allerdings nicht der Fall, so kann man für diese Darstellung beileibe nicht den Usus als Argument für sich beanspruchen. Denn der beweist genau das Gegenteil. Es spricht also viel dafür und nichts dagegen den Passus der Realität anzupassen und den Wohnort des Beklagten als Gerichtsstand festzulegen.


    Als Kompromiss könnte man anfügen, den Begriff auf die heimische Civitas auszuweiten... diese können mithin Territorien umfassen die mehrere Tagesreisen zu Fuß umfassen und ohnehin von den Statthaltern als Schablone für ihre Gerichtsbezirke nutzen. In Sonderfällen könnte man den Statthaltern ebenso eine Transferratio Extraordinaria einräumen." , sprach's und ließ eine erneuerte Version des Vorschlags anfertigen.


    § 1 Gerichtsstand und Geltung
    (1) Der Gerichtsstand für alle Instanzen ist die Civitas, in welcher der Beklagte wohnhaft ist.
    (2) Dieser kann in außerordentlichen Fällen durch eine Transferratio Extraordinaria der in der jeweiligen Provinz zuständigen Instanz verlegt werden.


    Als der Annaeus dann allerdings ein Iudicium Provincalis ins Spiel brachte, ließ Vala sich mehrere Momente des Nachdenkens Zeit bevor er zu einer Antwort ansetzte: "Ich halte die Idee eines Iudicium Provincalis ebenfalls für sinnvoll. Als Statthalter verhandelt man auch Fälle für Verbrechen und Schwerverbrechen, die allerdings laut Codex Iuridicalis einem stadtrömischen Iudicium Publicum mit drei Iudices vorbehalten sind. Gemäß des statthalterlichen Imperiums ist er zwar historisch gesehen zur Verhandlung von solchen Fällen befähigt, allerdings ist dies eine Lücke im Codex die man durchaus schließen sollte... allerdings ist dies Sache einer neuen Diskussion."

  • Modestus lauschte den Worten des Ducciers und nickte zustimmend. Durch die Verbindung des ursprünglichen Antrags mit dem Vorschlag seines Patrons war in Modestus' Augen eine gute Lösung gefunden worden. Gespannt sah er zu den Reihen der Consular. Es interessierte ihn was Purgitius Macer dazu sagen würde. Und natürlich wie er auf die Frage zu den Instanzen antworten würde.

  • Macer hörte sich die Gegenrede an, nickte zuweilen und schüttelte manchmal den Kopf. Da man ihn anschließend gespannt anschaute, antwortete er auch sogleich. "Ich kann mich den Worten des Consulars Duccius nicht gänzlich anschließen, denn ich halte es für unnötig kunstvoll, eine Regelung zu kodifizieren, die gleich eine Ausnahme mit sich bringt und zudem auf andere Fälle von vorne herein nicht anwendbar sein soll. Noch dazu, wenn die Regelung selber unpräzise ist", begann er dann und machte klar, dass er noch nicht zufrieden war.


    "Was steht jetzt dort geschrieben? Die Civitas des Beklagten soll Gerichtsstand sein. Das heißt, wenn ein Händler aus Africa ein Schiff entsendet nach Ostia, um dort in seinem Namen Waren zu verkaufen und einer der Käufer fühlt sich betrogen, so ist der Gerichtsstand die Civitas in Africa, in der der Händler wohnt? Nun, das finde ich unpraktisch und dem Geschädigten gegenüber ungerecht, aber belassen wir es erst einmal dabei. Weiter lesen wir, dass in außergewöhnlichen Fällen der Gerichtsstand durch die in der jeweiligen Provinz zustänsige Instanz verlegt werden kann. In welcher Provinz? In Africa? Welches Interesse sollte der Statthalter dort daran haben, den Gerichtsstand zu verlegen? Und wohin kann er ihn überhaupt verlegen? Vermutlich ja nur innerhalb der Provinz, nicht wahr? Damit wäre dem Kläger aus Ostia nicht geholfen. Und schließlich stellt sich die Frage, wozu dient diese ganze Regelung überhaupt? Um zu verhindern, dass ein fauler Statthalter seine Hauptstadt nicht verlässt und auf Gerichtsreisen verzichtet? Nun, genau das lässt das Gesetz aber doch zu, indem er jeden Fall zu einem außerordentlichen erklären kann, um ihn in der Hauptstadt zu verhandeln. Dem Kläger nützt es nicht, wenn er lange Reisen auf sich nehmen muss. Ganz zu schweigen von jenen, die Opfer mehrerer Täter wurden, die in verschiedenen Civitates wohnen. Wo reicht er dann Klage ein? Und wird ein kluger Statthalter dann nicht ohnehin die Prozesse zusammenlegen, um gegen alle Beteiligten gleichzeitig an einem Ort zu verhandeln?", stellte Macer eine Menge Fragen, von denen er einige auch gleich beantwortete.


    "Ich komme daher zu dem Schluss, dass die Regelung eines Gerichtsstandes in dieser Form keinerlei Vorteile bringt. Wenn ich ehrlich bin, muss ich mich fragen, was die Regelung eines Gerichtsstandes überhaupt bringt. Reicht es denn wirklich nicht, wenn wir sagen, dass Klage am permanenten oder temporären Sitz des zuständigen Gerichts erhoben werden muss und dass das Gericht den Verhandlungsort festsetzt? Eventuell ergänzt um den Zusatz, dass dazu nach Möglichkeit der Ort der Tat oder der Wohnort des Klägeres zu wählen ist. Aber den Wohnort des Beklagten zum Gerichtsstand zu machen lehne ich ab", fasste er dann seine Meinung zusammen, die sich im Fazot gegenüber seiner letzten Wortmeldung nicht geändert hatte.

  • "Hmhmhmhmmmmmmmmmmmmmmh..." , brummte Vala vernehmlich, als er über das Beispiel und die Argumente des Purgitius nachdachte. Seine Antwort bestand schließlich darin, sich mit auf die Knie zu schlagen und laut bekannt zu geben: "Japp... du hast mich überzeugt. Belassen wir es dabei, dass der Gerichtsstand von der zuständigen Instanz festgelegt wird."


    § 1 Gerichtsstand und Geltung
    (1) Der Gerichtsstand wird von der zuständigen Instanz festgelegt.



    Dass es letztlich doch auf das hinauflief, worauf er eigentlich hinauswollte, nämlich die Sicherung der provinziellen Rechtsprechung vor anderweitigen Begehrlichkeiten, stellte letztlich die zusätzliche Initiative des Annaeus sicher: "Ich bitte zusätzlich also Praetorius Annaeus, seinen Vorschlag zum Iudicium Provincialis auszuformulieren und dem Senat vorzulegen, um den Statthaltern endlich fixierte Rechtssicherheit zu gewähren."

  • "Selbstverständlich gerne, wenn mir die Redezeit dazu gegeben wird." entgegnete Modestus. Sein Patron hatte sich nicht weiter zu seinem Vorschlag geäußert, weshalb Modestus davon ausging, dass er ihn nicht ablehnte.

  • Auch Sextus nickte. “Dem jetzigen Vorschlag kann ich ebenfalls zustimmen“, ließ er sich noch abschließend vernehmen.Ihm war es mit seinem Vorschlag ohnehin nur darum gegangen, nicht jede Waldhütte und jeden kleinen Weiler gleich zum Gerichtsort zu erklären und die Möglichkeit eines Verweises an einen anderen Ort zu haben, so dass vor allem geeignete Richter nicht erst monatelang herumreisen mussten, nur um nach Kleinbonum in Gallia zu gelangen, weil dort ein Gallier einen Römer verprügelt hatte.

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