Obwohl der Consul es ihm geraten hatte, war der Kaiser seit seinem Amtsantritt den Sitzungen des Senates fern geblieben. Wahrscheinlich hatte er einfach viel zu tun gehabt, bis sämtliche Amtsantrittsangelegenheiten erledigt gewesen waren.
Heute jedoch stand ein beachtliches Thema auf der Tagesordnung, die Severus persönlich vortragen wollte. Und so hatte man heute eine dritte Sella Curulis auf das Podest der Consuln gestellt und neben den Liktoren dieser erschienen kurz vor Beginn der Sitzung weitere zwölf Liktoren, die den Aquilier, angetan mit der Toga Praetexta, sonst aber gekleidet wie ein gewöhnlicher Senator, in der Curia Iulia.
Nach dem Vollzug der üblichen Zeremonien vor Beginn der Sitzung, die der Kaiser schweigend verfolgte, wurde er aufgerufen und erhob sich, um dem Senat seinen Antrag vorzulegen:
"Senatoren, Patres conscripti. Voller Freude sehe ich seit Antritt meines Amtes, wie Leben in diese ehrwürdigen Hallen kommt. Wie in alten Tagen diskutiert ihr Gesetze, stimmt über Anträge ab und belebt den Leib des Staates, dass es mich mit Stolz erfüllt, aus eurer Mitte in mein Amt gewählt worden zu sein.
Gerade weil ich sehe, wie ihr weise Entscheidungen trefft und mir jenes Vertrauen entgegen bringt, bin ich der Meinung, dass eines in der Verfassung unseres Staatswesens der Reform bedarf, die die alten Strukturen der Republik betont. Und dabei möchte ich bei mir selbst und meinem Amt beginnen:
Seit mehr als hundert Jahren beherrscht ein Princeps, ein Erster unter Gleichen, den Staat, angefangen bei Divus Augustus über große Namen wie Claudius, Flavius oder Ulpius. Sie alle waren unbezweifelbar die Kapitäne des Staatsschiffes, doch herrschten sie stets im Konsens mit uns, dem Senat und dem Volk von Rom. Das unbestreitbare Zeichen dafür war, dass sie niemals über der Verfassung der Republik standen, sondern sich eingliederten: Jedes einzelne Recht, das sie benötigten, um ihrer Herkulesaufgabe gerecht zu werden, beantragten sie beim Senat und der Volksversammlung. Alles wurde ihnen stets ad personam, oftmals nur jährlich zugesprochen, denn sie waren keine Könige und Tyrannen, sondern die ersten Diener des Staates.
Schlichtweg aus Pragmatismus wurden diese Rechte bald zusammengefasst in einer Lex de Imperio, die zum Amtsantritt eines jeden Princeps durch den Senat und das Volk verabschiedet wurde.
Einen Einschnitt gab es erst unter Divus Iulianus, diesem großen Kompilatoren des Rechts. Vor allem um das Staatsschiff in seinem Kurs zu stabilisieren und die Unsicherheiten des Bürgerkrieges zu überwinden, schuf er den Codex Universalis mit den wohlbekannten Abschnitten über den Augustus, den Caesar und die Augusta. Darin versuchte er eine Nachfolge zu regeln und schuf das Amt eines Imperator Caesar Augustus, das über den Gesetzen und der Verfassung stand und das mehr an einen König aus den Kindertagen unseres Staatswesen denn an einen ersten Mann der Republik erinnerte.
Mochte in Tagen der Unsicherheit und des Chaos dies notwenig sein, so sehen wir doch heute, dass diese Gesetze nur in stabilen Zeiten ihre Wirkung entfalten und im übrigen die Gefahr einer Tyrannis in sich bergen." Wo der Kaiser diese Tyrannis bei seinen Vorgängern sah, ließ er bewusst offen. Es ging heute immerhin nicht um Vergangenheitspolitik. "Aus diesem Grund halte ich es für erforderlich, zur Mos Maiorum zurückzukehren und eine pragmatische Lösung zu wählen, die die Strukturen der Republik wiederherstellt und dem Senat und dem Volk von Rom jene Autorität wieder zugesteht, die sie einst besaß.
Aus diesem Grund beantrage ich eine Streichung der Partes Secunda und Quarta des Codex Universalis. Stattdessen möchte ich dem Senat heute eine Lex de Imperio vorlegen, die die Rechte des Princeps neu zusammenfasst und mir ad personam verleiht:" Er blickte auf die Bank der Magistrate, von wo sich der amtierende Quaestor Principis erhob, der als Privatsekretär des Kaisers heute die Ehre hatte, den kaiserlichen Gesetzesentwurf zu verlesen:
Lex Aquilia de Imperio
Auf Beschluss des Senats und des Volkes von Rom werden dem Imperator Caesar Tiberius Aquilius Severus Augustus folgende Rechte und Vollmachten zugesprochen:
I. Er erhält das Imperium Proconsulare Maius über alle Provinzen des Reiches und führt das Oberkommando über das gesamte Exercitus Romanus. Außerdem amtiert er ständig als Proconsul für die Provinzen Alexandria et Aegyptus, Alpes Cottiae, Alpes Graiae et Poeninae, Alpes Maritimae, Aquitania, Belgica, Britannia, Cappadocia, Cilicia, Dacia, Dalmatia, Epirus, Galatia, Gallia Lugdunensis, Germania Inferior, Germania Superior, Hispania Tarraconensis, Iudaea, Lusitania, Lycia et Pamphylia, Mauretania Caesariensis, Mauretania Tingitana, Moesia Inferior, Moesia Superior, Noricum, Pannonia Inferior, Pannonia Superior, Raetia, Syria und Thracia und hat das Recht dort nach seinen Wünschen Statthalter einzusetzen.
II. Es erhält alljährlich die Tribunicia Potestas für die Stadt Rom. Damit stehen ihm alle Rechte eines Tribunus Plebis zu, ohne dass ein Veto gegen seine Maßnahmen durch die amtierenden Tribuni Plebis möglich ist.
III. Er amtiert ständig als Censor ohne Amtskollege. Insbesondere obliegen ihm damit die Aufnahme von Personen in den Senat oder unter die Equites und ins Bürgerrecht. Auch erhält er das Recht, Familien unter die Patricii Gentes zu erwählen, wie es Divus Augustus und seinen Nachfolgern erlaubt war.
IIII. Es hat das Recht Verträge im Namen des Senats und des Volkes von Rom zu schließen, so wie es Divus Augustus und seinen Nachfolgern erlaubt war.
V. Es hat das Recht, Senatssitzungen abzuhalten, Anträge zu stellen und zurückzuweisen, Senatsbeschlüsse durch Antrag und Abstimmung herbeizuführen, so wie es Divus Augustus und seinen Nachfolgern erlaubt war.
VI. Die Personen, die sich um ein ziviles oder militärisches Staatsamt bewerben und die er dem Senat und dem römischen Volk offiziell empfiehlt, sollen bei allen Wahlen außer der Reihe berücksichtigt werden.
VII. Er erhält das Recht, die Grenzen des Pomerium und des Imperium Romanum auszudehnen und vorzuschieben, wenn es nach seiner Ansicht im Interesse des Staates liegt.
VIII. Er erhält das Recht und die Vollmacht, alle Maßnahmen einzuleiten und durchzuführen, die nach seiner Ansicht im Interesse des Staates liegen und angemessen sind, so wie es Divus Augustus und seine Nachfolger hatten.
VIIII. Er ist von der Beachtung der Gesetze und Plebiszite entbunden, an die Divus Augustus und seine Nachfolger nicht gebunden waren, und ihm soll alles erlaubt sein, was Divus Augustus und seine Nachfolger erlaubt war.
X. Alle Entscheidungen, die vor diesem Gesetzesantrag durch den Imperator Caesar Aquilius Augustus, auf seinen Befehl oder in seinem Auftrag erfolgten, ausgeführt, beschlossen oder befohlen wurden, werden für rechtmäßig und gültig erklärt, wie wenn sie durch den Senat und das Volk von Rom erfolgt wären.
Sanctio:
Verstöße gegen die Leges, Plebiscita und Senatus Consulta, die aufgrund dieser Lex erfolgten oder erfolgen, können nicht rechtlich verfolgt werden.
Nachdem der Entwurf verlesen war, strich Severus sich durch den Bart und blickte in die Runde. "Ich bitte um Anmerkungen, Fragen oder Korrekturvorschläge."