Lucius stand am Pier des Lacus Mareotis. Vor ihm waren eine Menge Schiffe aufgereiht, die er ab heute kommandieren würde. Obwohl es sich hauptsächlich um Liburnen handelte, musste er doch zugeben, dass das beeindruckendste von allen die komplett vergoldete Horus-Barke war, die das Herz dieser Schiffsprozession war - wobei der Anlass natürlich so unlogisch war wie diese ganze Provinz!
Der rationale Kern des Rituals war simpel: Der Pharao reiste den Nil hinab und hielt Gericht. Drumherum war aber ein absurdes Brimborium gebastelt worden, das die ganze Angelegenheit unnötig teuer und kompliziert machte: Zum einen musste der Pharao mit einer altertümlichen Barke reisen, die zwar golden und damit ziemlich beeindrucken war, aber eben auch von stehenden Paddlern bewegt wurde und damit weitaus langsamer war als jedes moderne Schiff. Außerdem mussten ihn nicht nur seine normalen Diener, sondern auch noch Heeresabteilungen - üblicherweise die Provinzmarine - und seltsame Standarten mit Götterbildern begleiten. Da die Ägypter ihre Götter für Tiere hielten - oder zumindest so darstellten und damit zeigten, dass sie selbst wohl auch nicht weit über den Pavianen, Rindern und sonstigen Viechern standen, vor denen sie sich niederwarfen - waren diese Standarten auch mit Tieren geschmückt: Falke, Ibis, Schakal und Wolf.
Zum anderen hatte man die Gerichtsaufgaben aufgeblasen, sodass er Salben verteilen und dafür Geschenke annehmen durfte. Schließlich war - wahrscheinlich von tausenden Jahren, wie bei allem in Aegyptus - noch eine Vieh- und Ertragszählung dazu gekommen. Und gefeiert wurde auch - warum auch immer Steuerschätzungen ein Anlass zum Feiern waren (in anderen Provinzen kam es bei solchen Anlässen eher zu Aufständen, wie Lucius gehört hatte).
Aber im Grunde konnte es Lucius auch egal sein - er musste nur den Geleitschutz befehligen und für jeden Landgang des Vertreters des Pharao (für so einen Quatsch reiste der Kaiser natürlich nicht alle zwei Jahre an!) eine ausreichend beeindruckende Abordnung von Marineinfanteristen vorbereiten.
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Autor: Keith Schengili-Roberts - Own Work (photo)