Achtung! Der Aedil kommt.

  • Trotzdem es dafür bislang noch keine belastbaren rechtlichen Grundlagen gab, war es für die Märkte doch wichtig, dass ein Aedil mit seinen Leuten regelmäßig auf den städtischen Märkten erschien, um klarzumachen, dass man auch immer ein Auge darauf hatte, dass es auf den Märkten mit rechten Dingen zuging, aber um die Verbindung zu den Händlern zu halten, ob sie nun aus Mogontiacum kamen, aus den übrigen Städten der Provinz oder aus den anderen Ecken des Reiches. Curio hatte sich vorgenommen, mindestens zweimal die Woche ein bis zwei Stunden lang auf den Märkten anwesend und vor allem ansprechbar zu sein, wenn es irgendwelche Themen zu besprechen gab. Natürlich könnten die Händler auch jederzeit in seine wöchentliche Sprechstunde kommen, aber manchmal konnte der Helvetier auch kleinere Probleme oder Konflikte direkt vor Ort lösen und sparte damit sowohl den Händern als auch sich selbst einen Weg.


    Heute fing Curio seinen regelmäßigen Rundgang in der Basilica an und strich dort langsam an den Tabernae und den Marktständen vorbei. Es war wohl einer der angenehmeren Verpflichtungen, denn nebenbei konnte er sich auch wieder ein Bild davon machen, welche Waren grade angeboten, welche vielleicht rar wurden und was es neues zu verkaufen gab. Auch hier konnte der Helvetier bei Bedarf an ein paar Stelschrauben drehen, bei späteren Standvergaben auf ein ausgeglichenes Verhätnis achten und schließlich gezielt Stände an Händler zu vergeben, die eine eher seltene Ware anbieten wollten. Auch das wurde danach natürlich auch bei einem späteren Marktbesuch getestet.

  • Es gab einige Annehmlichkeiten, wenn man als Aedil den Markt besuchte. Schließlich musste er sich dann und wann auch von der Qualität der Waren überzeugen, was besonders an den Lebensmittelständen mit probieren und kurzen Gesprächen mit den Händlern einherging. Doch sorgten diese auch dafür, dass die Marktbesucher stets dermaßen lang wurden, dass dafür meist ein halber Tag eingeplant werden musste. Doch war diese Zeit nicht verschenkt oder verloren, denn Curio erfuhr auf dem Markt auch oft Neuigkeiten, nicht nur aus der Stadt, sondern aus Städten in der ganzen Region, ja der ganzen Provinz, selten aus anderen Provinzen und wenn er viel Glück hatte waren sogar manchmal Neuigkeiten aus Rom dabei. Diese waren zwar nicht mehr wirklich neu, da sie der Reise wegen meist schon einige Wochen oder gar Monate alt waren, aber dennoch einen Einblick erlaubten, was in der Hauptstadt vor sich ging - oder eben vor ein paar Wochen oder Monaten gegangen war. Weiterhin blieb er natürlich während der Marktinspektionen ansprechbar und es war durchaus üblich, bei diesen Inspektionen auch Gesprächstermine anzusetzen, die den Vorteil hatten, dass sich Curio mit einem oder gleich mehreren einflussreichen Stadtbewohnern zeigen konnte, diese aber auch den Eindruck erwecken konnten, dass ihr Einfluss sogar seinen Schatten auf die aktuellen Amtsträger zu werfen vermochte.


    Nach einigen Ständen jedoch wurde Curio überrascht von einem Händler, der einige Blessuren trug, darunter ein blaues Auge, und dessen Begleiter ähnlich zugerichtet waren. Curio kannte den Mann als reisenden Händler und auf seine Verletzungen antwortete er sichtlich aufgebracht.


    Überfallen wurden wir. Meine Männer und ich sind mit dem Leben davon gekommen, aber schau dir meine Waren an, Aedil Helvetius. Hier, und hier und hier... Wie soll ich das jetzt noch verkaufen? Wenigstens haben wir aber noch was zu verkaufen. Ein Freund von mir wurde ebenfalls angegriffen und er hatte nicht so viel Glück. Einen Begleiter haben sie ihm getötet und ihm seine ganze Ware gestohlen.


    Curio runzelte die Stirn.


    Das ist bedauerlich. Aber du weißt auch noch von weiteren Angriffen?


    Der Händler nickte nachdrücklich.


    Ja ja, Helvetius, ja ja. Ich weiß von mindestens fünf Händlern die besonders auf den Viae Noviomaga und Borbetomaga angegriffen wurden. Auch im Norden, aber dort sind es nicht so viele.


    Der junge Helvetier erschauderte. Er war damals selber auf der Via Noviomaga Opfer von Straßenräubern gewesen, aber dass sich diese Überfälle nun so häuften, gab ihm zu denken. Er wusste von seinem Freund Othmar, dass die Händler meist kampferprobte und wehrhafte Begleiter hatten und kleinere Banden normalerweise nur Alleinreisende attackierten. Wenn jetzt aber sogar die kleinen Handelskarawanen angegriffen wurden, war da unten was im Busch, was untersucht werden musste. Zwar fehlten ihm die Befugnisse, über die Stadtgrenzen hinaus tätig zu werden aber zum Glück hatte sich der Helvetier ja mittlerweile ein kleines Netzwerk von einflussreichen Menschen aufgebaut, darunter auch den iunischen Alapraefectus.


    Ich werde dem nachgehen. Allerdings möchte ich dich noch bitten, dass du mit allen Opfern, von denen du weißt, bei mir in der Casa Helvetia vorbeikommst. Dort möchte ich nochmal jeden einzeln anhören, bevor ich dafür sorge, dass Ermittlungen eingeleitet werde.


    Der Händler nickte zufrieden, wusste er doch auch, dass die Befugnisse des Aedils an den Stadtgrenzen endeten. Curio jedenfalls würde das Gespräch abwarten, bevor er sich dann einen Termin bei dem Iunier geben lassen würde.

  • Malleus musterte die zerbeulten Gestalten mit unverhohlenem Argwohn. Zwar schien Curio mit einem von den beiden persönlich bekannt zu sein, aber was hieß das schon. Der Helvetier kannte einen Haufen Leute. Schon von Amts wegen. Hätte Malleus allein seinem ersten Instinkt nachgegeben, wären die sichtlich mitgenommen Vögel nicht näher als drei Armlängen an den Aedilis herangekommen. Allerdings – und das hatte er in den vergangenen Monaten lernen müssen – bedurfte der Dienst bei Helvetius Curio weit mehr an Fingerspitzengefühl als er bis dato gewohnt war. Sein junger Schützling war kein halbseidener Lupanarbetreiber, dem man einfach nur alles aus dem Weg zu prügeln brauchte, was ihm nicht freiwillig Platz machte, sondern ein gewählter Amtsträger, dessen Bild in der Öffentlichkeit einen nicht unwesentlichen Teil seiner Wahlerfolge ausmachte. Ein Custos Corporis, der zu aggressiv auftrat, erwies seinen Dienstherren letztlich einen Bärendienst. Stets darauf achten zu müssen, Curio nicht in einem negativen Licht erscheinen zu lassen, machte Malleus’ Arbeit nicht eben einfacher, dafür allerdings interessanter. Zudem lag ihm nichts an einer einfachen Arbeit, wer einfache Arbeit suchte, sollte irgendwo Löcher graben. So hatte er also die beiden Kaufleute – wenn auch widerwillig – herantreten und ihre Klagen vorbringen lassen. Freilich nicht, ohne sich unter dem Mantel seinen bewährten Lederriemen so weit vom rechten Handgelenk zu wickeln bis die massive Bronzeschnalle frei baumeln konnte. Volksnähe hin oder her, sollte einer der übel zugerichteten Händler sich unmanierlich benehmen, würde er das Gespräch erheblich schneller beenden als die Beiden rennen konnten. Schließlich schund er sich mit seinen tagtäglichen Übungen – eineinhalb Horae vor Sonnenaufgang, zwei weitere nach Dienstschluss – nicht aus Lust am Schmerz. Außerdem kribbelte es ihm schon seit geraumer Zeit in den Fäusten, und nicht nur da. Der mittlerweile zu seiner ganzen Pracht entflammte Frühling trieb unermüdlich den Saft in die Bäume, auch in solch knorrige alte Eichen wie Malleus.


    Möglicherweise waren die Überfälle, von denen die Händler berichteten, ebendiesem Phänomen geschuldet. Nach harten Wintern, zumal nach derart katastrophalen wie dem vorangegangenen, kam es immer wieder vor, dass sich übermütige Jünglinge aus den verschiedensten Stämmen zusammenrotteten, um ihr Glück in Raub und Plünderung zu suchen. Das war schon immer so gewesen. Zumeist brachten es diese Trupps gerade einmal auf ein Paardutzend Speere. In manchen Jahren aber war die Zahl der jungen Marodeure so hoch, dass sich daraus mit der Zeit neue Stämme bildeten, und diese stellten dann sowohl für Rom wie auch für ihre einstigen Brüder und Nachbarn eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Ob die Kaufleute solchen Horden in die Finger geraten waren oder schon länger operierenden Banden, vermochte Malleus den Erzählungen der Opfer natürlich nicht zu entnehmen, um das zu beurteilen, hätte er schon selbst dabei gewesen sein müssen. Die Vorstellung ließ fast so etwas wie Bedauern in ihm aufsteigen. Es war viel Zeit vergangen, seit er seine letzte Attacke geritten hatte. Irgendwie verrückt, was einem über die Jahre so alles abgehen konnte

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