Atrium | Q. Claudianus Anaxander

  • Wie beschlossen macht sich Anax auf zur Salutatio in die Villa Claudia. Extra früh war er dafür von seiner Wohnung aufgebrochen. Denn je früher man kam, umso einen besseren Platz kriegte man meistens. Und einen guten Platz brauchte Anaxander heute auch, wenn er die Gelegenheit haben wollte, mit seinem Patron zu sprechen und ihm sein Leid zu klagen. Als er vor der Villa Claudia ankam, warteten schon sechs andere Klienten auf Einlass. "Siebter. Das ist nicht schlecht.", sprach Anax sich selbst Mut zu und stellte sich zu den anderen. Dann begann das Warten. Und je mehr Zeit verging, umso voller wurde es vor dem Haus. Denn das hier war ja auch die Villa Claudia des patrizischen Senators Claudius Menecrates und nicht nur das kleine Häuschen irgendeines plebejischen Ritters.


    Irgendwann öffneten sich dann die Pforten zur claudischen Villa und die Klienten konnten bis ins Atrium eintreten. Als Siebter heute ergatterte natürlich auch Anax einen dieser begehrten Plätze im Innern und musste nicht mit einem der billigen Plätze VOR der Haustür Vorlieb nehmen. Joa. Und dann hieß es wieder erstmal warten. Als allererstes mal auf den Patron. Denn der kam ja meistens erst, wenn das Atrium schon gut gefüllt war, und nicht, wenn noch niemand da war oder noch alle vor der Tür auf Einlass warteten. "Ave, patrone.", wurde der Patron dann bei seinem Erscheinen von einem vielstimmigen Chor (darunter natürlich auch Anaxander) gegrüßt. Und dann hieß es ein drittes Mal warten. Jetzt nun darauf, dass Anax irgendwann an die Reihe kam. Und wie gesagt, als Siebter heute morgen war er eigentlich ganz guter Dinge, dass sein Patron auch bis zu ihm kam und nicht die Salutatio aus Zeitgründen (bei den vielen Leuten dauerte die ganze Chose ja, sodass es ganz normal war, dass ein Patron irgendwann keine Lust mehr hatte) schon früher abbrach.

  • Bei den Claudiern gehörte es zur Tradition, dass beim Einlass die unbedeutenden Klienten von den eng mit der Familie verknüpften getrennt wurden. Einlass erhielten nur Letztere, die anderen blieben vor der Villa, wurden aber mit Geschenken und Zuwendungen ebenso bedacht. Aus dem Kreis der eng Verbundenen wählte Menecrates täglich eine Handvoll aus, mit denen er gemeinsam die erste Mahlzeit des Tages einnahm.
    Wie seit längerem gehandhabt, hielt Menecrates die alltägliche Salutatio nicht alleine ab. Zwar richtete er noch persönlich das Wort an jeden einzelnen der eingelassenen Klienten, aber damit er der Menge Herr werden konnte und auch zu seiner eigenen Entlastung unterstützten ihn sein Vilicus und Scriba. Auch heute folgten ihm beide Männer, als er das Atrium betrat.


    Ein mehrstimmiges Ave klang ihm entgegen. Er nickte, murmelte seinerseits Ave und trat näher. Er hörte den Aussagen des ersten Klienten zu, nickte zum Dank für die Informationen und wies eine Sklavin mittel Kopfnicken an, eines der vorgefertigten Körbchen mit Geschenken zu übergeben. Anschließend nahm er Platz und zeigte sich bereit für den zweiten Klienten. Nach der Einleitung richtete er die Hand auf seinen Vilicus, der Klient verstand und wurde vom Vilicus in Empfang genommen, während sich Menecrates bereits mit dem nächsten Mann befasste.
    Weil Menecrates beim siebten Klienten nicht auf Anhieb wusste, woher er ihn kannte, lud er diesen zusammen mit drei weiteren zu einem Imbiss ein. Er hatte Hunger. Die restlichen Anwesenden erhielten Geschenke oder wurden von Vilicus und Scriba draußen weiter betreut. Zwei ausgewählte Klienten erhielten noch eine Einladung zur abendlichen Cena, bevor sie alle das Atrium verließen.


    Sklaven richteten in der Zwischenzeit eine gemütliche Sitzecke her und trugen Speisen heran. Menecrates erhob sich von seinem Salutatioplatz, wählte einen Platz mit dem Rücken zur Wand und guter Aussicht und ließ sich nieder.


    Da er ihn vorhin nicht zu Wort kommen lassen hatte, sprach Menecrates als erstes den siebten Klienten an.
    "Worum geht es Dir?"

  • Da hatte Anaxander ja gerade nochmal Glück gehabt. Denn sein Patron hatte zwar scheinbar Hunger und ließ seinen Vilicus und Scriba sich weiter um den Großteil der Klienten kümmern. Aber zusammen mit drei anderen durfte Anax seinem Patron folgen, um ihm Gesellschaft zu leisten beim Essen. Also folgte er dem Senator und wartete, bis der sich einen Sitzplatz ausgesucht hatte. Erst dann setzten sich auch Anaxander und seine Mitklienten zu Claudius Menecrates.


    Anschließend wurde Anax als erster angesprochen. "Ich bin Claudianus Anaxander, ein Freigelassener deines gütigen Enkels Claudius Felix." Für den wahrscheinlichen Fall, dass sich sein Patron nicht jeden einzelnen seiner vielen Klienten mit Namen, Gesicht und Bezug zur Gens Claudia merken konnte, fing Anax einfach mal mit dieser kurzen Vorstellung an. "Ich habe seit meiner Freilassung, für die ich deinem Enkel und dir auf ewig dankbar sein werde, jetzt eine eigene Wohnung in der Insula des Caius Fundanius Vulso auf dem Caelimontium gemietet. Und ich habe mir eine Arbeit gesucht, um jetzt selbst meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber egal, ob ich die Betriebsabrechnung für einen wohlhabenden Ritter gemacht habe oder in einer Bibliothek arbeitete oder in einer Fleischerei beim Verkauf aushalf oder der Sekretär eines Anwalt war oder zuletzt der Geschäftsführer in einem Betrieb war" Dass es sich dabei um ein Lupanar handelte, sparte ich lieber erstmal aus. "am Ende haben die äußeren Umständen immer dafür gesorgt, dass ich nach einer Weile wieder ohne Job dastand. Etwa weil der Ritter, für den ich die Betriebsabrechnungen gemacht hatte, verstarb und sein Sohn die Betriebe lieber verkaufte, als das Erbe seines Vaters fortzuführen." Da merkte man eben den Unterschied eines plebejischen Ritters zu einem patrizischen Senator, der da sicherlich mehr auf die Traditionen gab und einen geerbten Betrieb nicht einfach gedankenlos verscherbelte. "Jedenfalls bin ich am verzweifeln, wie ich ohne eine Arbeit meinen Lebensunterhalt bestreiten soll. Denn ich kann es mir einfach nicht leisten, ständig aus irgendwelchen Gründen die Anstellung zu verlieren." Der Vermieter wollte ja jeden Monat seine Miete sehen. Und irgendetwas essen und trinken musste ich ja auch.

  • "Ah", erwiderte Menecrates, denn der Groschen fiel bei ihm erst, nachdem der Klient seinen Enkelsohn zur Sprache brachte. Er folgte den Ausführungen, ohne sich die Mühe zu machen, sich den gesamten Inhalt zu merken. Als sein Gast endete, konnte er sich allerdings nicht des Gedankens erwehren, dass die Götter dem jungen Mann wohl nicht gut gesonnen waren - bisher.

    "Ja, dann bedarf es in der Tat ein wenig Unterstützung für Dich", murmelte Menecrates, griff zu einem Stückchen Brot und überlegte sich eine Lösung, während er kaute. Sein Klient wollte offenbar sein Geld mit Arbeit verdienen, was für ihn sprach. Blieb herauszufinden, für welche Arbeit er sich eignete.

    "Worin liegen Deine Fähigkeiten? Über welche Fertigkeiten verfügst Du?", fragte Menecrates, nachdem er heruntergeschluckt hatte.

  • Anaxander nickte hoffnungsvoll, als auch sein Patron fand, dass er Unterstützung verdient hatte. Anschließend wurde er dann nach seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten gefragt. "Deinem Enkel habe ich damals vor allem als Privatsekretär und Schreiber gedient.", war daraufhin natürlich der erste Satz seiner Antwort. "Ich habe zwar hin und wieder auch irgendwo mit anpacken müssen, aber große Erfahrung mit schwerer körperlicher Arbeit habe ich eigentlich nicht. Dafür beherrsche ich griechisch, die Sprache der Händler. Denn in Griechenland, in Athen, bin ich auch geboren." Auch wenn das bestimmt nur ein nicht so wichtiges Detail am Rande war. "Bei meiner Arbeit mit den Betriebsabrechnungen des Ritters habe ich außerdem auch einiges Neues gelernt über das erfolgreiche Führen von Betrieben." Anders als Anax Vater, dessen unglückliche Hand auf dem Gebiet den heute wieder Freien ja damals erst in die Unfreiheit geführt hatte. "Dazu kenn ich mich auch ganz gut zum Beispiel mit der Lex Mercatus aus. Denn so viel, wie wegen der geklagt wird, hatte ich natürlich auch mit der zu tun, als ich der Sekretär eines Anwalts war." Anaxander kratzte sich am Kinn. "In der Privatwirtschaft könnte ich also bestimmt ganz gut zurecht kommen." Und besonders bei einem Betrieb, der seinen Standort nicht in Italia hatte, sondern weiter im Osten, wäre er mit seinen Griechischkenntnissen auch sicher gut dabei .. ( ;) )


    Fiel ihm noch etwas ein? "Als Sekretär und Schreiber habe ich natürlich auch häufig Briefe schreiben müssen. In griechisch. Oder in lateinisch." Anax biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. "Und den Rücken hab ich natürlich immer versucht erst deinem Enkel ein bisschen freizuhalten. Später dann zum Beispiel auch dem Anwalt, für den ich gearbeitet habe. Also so Termine koordinieren, nichtsolvente Leute abweisen." Denn der Anwalt wollte ja Geld verdienen mit seinem Job. "Und sowas eben.", hoffte Anaxander, dass sich sein Patron so halbwegs etwas darunter vorstellen konnte. Kurz suchten seine Augen noch auf dem Tisch nach einer weiteren Sache. Dann fokussierte er wieder das Gesicht seines Patrons. Denn mehr fiel ihm jetzt irgendwie nicht ein. Hoffentlich reichte das....

  • Während Anaxander sprach, blickte Menecrates ihn unverwandt an. Doch sein Interesse galt nicht den Gesichtszügen oder der Mimik, sondern er wollte nicht anderweitig abgelenkt sein, weil er das Gehörte sogleich verarbeitete. Er mochte inzwischen alt sein, aber sein Verstand arbeitete reibungslos.

    "Ich habe da eine Idee", begann er, überlegte noch einmal kurz, dann fuhr er fort. "Sekretärarbeiten fallen bei mir aktuell nicht viele an, ich könnte Dich dennoch auf Abruf als Privatsekretär einstellen, Dir ein kleines monatliches Gehalt zahlen und geleistete Sonderaufgaben zusätzlich vergüten. Wie gesagt, es wird derzeit nicht viel anfallen, daher müsstest Du Deinen Hauptverdienst über eine andere Quelle beziehen. Traust Du Dir zu, einen Betrieb erfolgreich zu führen?" Menecrates blickte intensiv und fragend, bevor er weitersprach. "Ich meine nicht 'ganz gut', sondern 'erfolgreich'!"


    "Allerdings müsstest Du Dein Auftreten und Deine Wortwahl ein wenig verfeinern, solltest Du tatsächlich die Betriebsführung eines renommierten claudischen Betriebs anvertraut bekommen und solltest Du je über den Schriftverkehr hinaus auch Gesprächsführungen von mir anvertraut bekommen."

    Menecrates hob die Brauen und wartete auf die Reaktion.

  • Erwartungsvoll hing Anaxander an den Lippen seines Patron. Denn der hatte, wie es schien, doch wirklich gleich eine Lösung für ihn parat. "Das wäre fantastisch!", bestätigte Anax enthusiastisch den Vorschlag des Patriziers. Dann setzte er etwas zurückhaltender noch ein "Und es wäre natürlich auch äußerst großzügig von dir." hinterher. Privatsekretär erst als Sklave bei Claudius Felix, dann als Freigelassener unter anderem bei einem Anwalt, und jetzt als Klient bei seinem Patron, dem hohen Senator Claudius Menecrates. Für einen kurzen Moment fühlte er sich an die Geschichte erinnert, von der einige Sklaven manchmal träumten: Als Freigelassener die rechte Hand einer einflussreichen Persönlichkeit sein und dabei am Ende dann auch selbst zu Geld, Macht und Einfluss gelangen ..
    Natürlich hatte Anaxander diesen Weg bislang nie für sehr realistisch gehalten. Und auch heute sah das nicht anders aus. Denn sicher war sein Patron eine so bedeutende Persönlichkeit, dass man sich sowas mal vorstellen konnte. Aber schon der Gedanke, dass Anax als ehemaliger Sklave für jemand anderen plötzlich eine Autorität darstellen sollte, war für den Freigelassenen eigentlich kaum vorstellbar.


    Dann kam die Frage nach der Betriebsführung. "Ja, schon.", nickte Anaxander darauf erstmal und man merkte wahrscheinlich, dass er von dieser so betonten Frage seines Patrons ein bisschen eingeschüchtert war. Dann aber fasste er sich ein Herz. "Ich meine natürlich, ja, auf jeden Fall.", korrigierte er sich und sprach dabei auch mit einer festeren, überzeugten Stimme. Den er hatte ja schonmal einen Betrieb (ein Lupanar) geführt, wenn auch nur kurz. Und er hatte auch schonmal als Verkäufer gearbeitet und Sachen an den Mann (und natürlich die Frau) gebracht, wenn auch nur in einer Fleischerei. Und auch mit dem Marktrecht war er nach seinem Job als Anwaltsgehilfe mittlerweile ja eigentlich ganz gut vertraut.
    Sowieso. Er wollte sich nach der früheren Misswirtschaft seines Vaters auch beweisen, dass ihm selbst sowas nicht passierte. ER würde keine Schulden anhäufen. Und SEINEN Kindern, falls er irgendwann mal welche zeugte, würde er deshalb auch ganz sicher keinen Berg voll Schulden hinterlassen. Ein Versagen konnte er sich also nicht leisten. Ganz ausgeschlossen.


    Beim letzten Teil der Worte seines Patrons nickte Anaxander dann. "Ich verspreche dir, dass ich unbedingt daran arbeiten werde.", gelobte er. Und vielleicht konnte er ja sogar eine Dame des Hauses dazu gewinnen, ihm gerade beim richtigen Auftreten noch ein paar Tipps zu geben. Denn falls er als Privatsekretär eingestellt wurde, dann würde er ja wieder sehr viel mehr hier in der Villa Claudia sein und hätte Gelegenheit, den übrigen Bewohnerinnen und Bewohnern des Anwesens über den Weg zu laufen....

  • Die Angelegenheit bezüglich des Scriba war erledigt, die Klärung, welcher Bbetrieb infrage kam, stand noch aus.


    "Guut", begann Menecrates und überlegte, welche Betriebe sich zur Vergabe anbieten würden. Da sich Verwalter um alle organisatorischen Belange kümmerten, fehlte Menecrates der Überblick. Er winkte seinen Leibsklaven heran, der abseits stand und nicht für die Bedienung zuständig war, und trug auf, ihm sämtliche Betriebsunterlagen zu holen. Nicht die Unterlagen für Verkäufe und Einkäufe, sondern die Eigentumsunterlagen, die den jeweiligen Betrieb beschrieben. Bis zur Rückkehr des Sklaven, wandte er sich an einen der anderen Gäste und hinterfragte dessen Befindlichkeiten. Erst als er diese Angelegenheit zu einem Ende gebracht hatte, nahm er die Unterlagen entgegen. Er blätterte durch die Papiere, schließlich blickte er auf und Anaxander an.


    "Die infrage kommenden Betriebe weisen unterschiedliche Größen und unterschiedliche Einkommensmöglichkeiten auf. Entscheidend für mich ist aber, welche Form von Betätigung Dir liegt. Schließlich will ich genau wie Du einen florierenden Betrieb haben. Zur Debatte stehen: ein Gemüsebauer, eine Pferdezucht, ein Weingut und Jagdrechte. was von all dem traust Du Dir zu? Worin hast Du bereits Erfahrungen?"

  • Anaxander lächelte leicht, als die Anstellung als Privatsekretär bei seinem Patron unter Dach und Fach war. Denn auch wenn seine letzten Arbeitsverhältnisse durch die äußeren Umstände immer viel zu früh beendet wurden. Sein Patron würde ihn bestimmt nicht im Stich lassen. Genauso wie er seinen Patron bestimmt nicht im Stich lassen würde.


    Anschließend schickte Claudius Menecrates einen seiner Sklaven los, um ein paar Unterlagen zu holen. Angespannt sah Anax ihm nach, da begann sein Patron erneut das Gespräch. Mit einem anderen seiner Klienten. Schweigend verfolgte Anaxander den Wortwechsel und fragte sich, ob er hier jetzt nun schon irgendwelche Notizen machen sollte. Er war sich nicht sicher. Und er war ja auch gar nicht darauf vorbereitet. Er hatte ja nicht wissen können, mit welcher Lösung für sein Problem Claudius Menecrates aufwarten würde. Trotzdem beschloss Anax, dass es sicher nicht falsch sein konnte, jetzt aufmerksam zu sein und in Gedanken einfach schon mal so zu tun, als wenn er nebenbei jetzt noch wichtige Notizen für seinen Patron anfertigen müsste.


    Irgendwann war das Gespräch beendet und der Sklave mit den Unterlagen zurück und Claudius Menecrates wandte sich erneut Anaxander zu. "Mit meinen Erfahrungen im Fleischverkauf denke ich, dass eine Jägerei mir am ehesten liegen würde.", beantwortete er die Frage seines Patrons. Denn bei Gemüsebauer und Weingut, da würde er bestimmt keine gute Figur machen. Da fehlte ihm einfach der "grüne Daumen" für. Und bei der Pferdezucht ging es wahrscheinlich eher um die Zucht und den Verkauf von Pferden und nicht darum, Pferdefleisch zur Weiterverarbeitung zu verkaufen. Hingegen wilde Tiere zu fangen, um dann die lebenden für irgendwelche Spiele an die Arenen im Reich weiterzuverkaufen und die toten zu zerlegen und als Pelze und rohes Fleisch zu verkaufen, das .. so einen Betrieb zu führen, das traute sich Anax zu. Das würde er schaffen.

  • Welchen Betrieb sein Klient übernahm, spiele für Menecrates weniger die Rolle. Allerdings sollte er weiterhin gut laufen. Er hakte daher noch einmal nach.

    "Zwei Dinge gebe ich zu bedenken. Erstens ist der Fleischverkauf erst der zweite Schritt. Der erste erfordert Erfahrung beim Erlegen von Tieren. Das müsstest Du, sofern Du keine Erfahrung hast, an jemand delegieren, der noch einzustellen ist. Zweitens besagt meine Erfahrung der letzten Monate, dass die für die Betriebsführung notwendige ärztliche Behandlung schwer bis gar nicht zu bekommen ist. Aus meiner Sicht wird es notwendig sein, einen solchen Betrieb ins Leben zu rufen. Die genaue Geschäftsbezeichnung lautet: Taberna medica."

    Menecrates blickte gespannt. Er kannte die Vermögensverhältnisse seines Klienten nicht. Vielleicht konnte der sich ja die Gründung eines Betriebes leisten. Ihm in diesem Fall noch einmal unter die Arme zu greifen, kam für Menecrates nicht in Frage. Zwei Hilfeleistungen befand der Claudier bereits als großzügig und ausreichend genug.

  • Anaxander nickte, als sein Patron ihm nochmal ein-zwei Dinge ins Bewusstsein rief. "Richtig, ja. Der Verkauf ist natürlich erst der zweite Schritt.", bestätigte er dann auch nochmal mit Worten. "Aber egal, welchem Betrieb ich mich annehme, würde ich den ersten Schritt immer eher anderen überlassen. Denn ich bin kein gelernter Bauer oder Winzer. Ich bin kein gelernter Züchter oder Jäger." Deshalb war es für Anax auch selbstverständlich, dass er diesen Teil anderen lieber überließ. "Den Schwerpunkt für meine eigene Tätigkeit seh ich da also eher im Verkaufsgeschäft. Und da hab ich ein paar Erfahrungen schon im Fleischverkauf gesammelt.", nahm er nochmal Bezug auf seine eigene Aussage. Die Jägerei sollte es also sein.


    Der zweite Punkt von Claudius Menecrates war dann, dass die lebend gefangenen Tiere natürlich noch ärztlich untersucht und behandelt werden mussten, bevor sie in irgendeine Arena zu irgendeiner Tierhetze verkauft werden konnten. "Da müsste ich mich natürlich selbst erstmal etwas umsehen nach einem Arzt, der für genügend ärztliche Behandlungen zur Verfügung steht.", gab Anaxander zu. Denn er konnte ja vor der Salutatio nicht ahnen, dass er vielleicht bald eine Jägerei führen würde. "Aber ich glaube, dass sich Möglichkeiten finden werden, dass eine Gründung einer eigenen Arztpraxis nicht nötig sein wird." Da war Anax eigentlich zuversichtlich. Denn Rom war groß. Von Britannien bis Ägypten gab es da bestimmt endlos viele Ärzte. Da gab es bestimmt auch irgendwo einen, der sich regelmäßig für eine claudische Jägerei anwerben ließ.


    Sim-Off:

    Ich sehe gerade 73-mal ärztliche Behandlung auf dem Markt .. ;)

  • Menecrates nickte zufrieden, er konnte an den Erfolg glauben. Nichtsdestotrotz handelte es sich um einen verhältnismäßig großen Betrieb, was er berücksichtigen wollte..


    "Gut, machen wir es so: Ich übertrage Dir den Betrieb, allerdings möchte ich ein Vorrecht schriftlich vereinbaren, für den Fall, dass Du seiner überdrüssig wirst. Eine anderweitige Veräußerung, Schenkung, Vererbung als die an mich zurück wird es damit nicht geben."


    Menecrates blickte seinen Klienten unverwandt an, während er bereits seinen Leibsklaven winkte, der ihm Pergament und Schreibzeug bringen sollte. Sein Siegel zückte er bereits.


  • Bei dem Vertrauen, das sein Patron ihm entgegenbrachte, schluckte Anaxander erstmal. Anderweitige Veräußerung, Schenkung, Vererbung, hörte er ihn sagen und fühlte sich fast ein bisschen kriminalisiert. Erst im zweiten Moment verstand er, dass Claudius Menecrates hier nur seine Familienwerte schützen wollte. Und Anax gehörte eben nicht dazu zu dieser Familie. Er war einer von den anderen. Einer von denen, vor denen sein Patron seine Familie schützen musste. "Natürlich.", nickte Anaxander also. "Wo muss ich unterschreiben?" Claudius Menecrates hatte sich Schreibutensilien bringen lassen und sah so aus, als wenn er das angesprochene Vorrecht auch schriftlich festhalten wollte. Wahrscheinlich musste Anax also gleich irgendwas unterschreiben. Dass jeder Besitzerwechsel des Betriebs der Zustimmung seines Patrons bedurfte, egal ob es sich um eine Veräußerung, Schenkung oder Vererbung handelte. Irgendwie sowas. Aber Anaxander war dazu bereit.

  • Nachdem Menecrates bereits zwei Pergamente angefangen und unzufrieden mit dem Geschriebenen wieder zusammengeknüllt hatte, wandte er sich an Anaxander.


    "Die größte Absicherung für mich wäre, wenn der Betrieb in meinem Eigentum verbleibt und ich Dir nur mittels Vertrag den Besitz für eine bestimmte Zeit übertrage. Damit könntest Du produzieren. Damit hätte ich allerdings immer noch einen Betrieb zu viel in meinem Eigentum." Er atmete einmal tief durch, dann hatte er sich entschieden.


    "Wir machen es so: Ich möchte Dir mein Vertrauen aussprechen und werde Dir den Betrieb übereignen - heute und vorab. Dein erster Auftrag als mein Privatsekretär wird es jedoch sein, dass Du mir eine rechtlich saubere Fassung eines Vertrages vorlegst, die mir die Rückführung des Betriebes in vorhin erwähnten Fällen sichert. Für diesen Betrieb würde ich nämlich jeden anderen meinen sonstigen Betriebe aufgeben." Nach einer Atempause fügte er an: "Ich bin gespannt, wie Du Dich als Privatsekretär bewährst."

  • Anaxander sah, wie sein Patron erst zweimal zu schreiben anfing, dann zweimal seine geschriebenen Worte wieder verwarf und sich zum Schluss jetzt an ihn wandte. Dabei stand für den Freigelassenen fest: Sein Patron wollte ihn testen. Zum Einen seine Loyalität, deshalb übergab er ihm schon vorab den eigenen Betrieb. Zum Anderen seine Fähigkeiten als Privatsekretär, darum der Auftrag mit dem Vertragsentwurf. "Vielen Dank.", lächelte Anax glücklich, wobei er nicht weiter ausführte, wofür er sich jetzt bedankte. Das Vertrauen, den Betrieb, die Aufgabe - oder vielleicht auch einfach alles zusammen.


    Er streckte seine Hand aus und griff an den Pergamenten vorbei, um sich erstmal eine leere Wachstafel zu angeln. Denn weil man das Wachs da immer wieder glattstreichen konnte, eigneten sich die für erste Entwürfe immer besser. Darauf hatte wenigstens der reiche Ritter mit den vielen Betrieben immer bestanden, als Anaxander die Abrechnungen für ihn gemacht hatte. "Darf ich?", fragte er vorher noch. Dann nahm er sich eine der Tafeln und einen Stilus.



    Pactum


    zwischen Herius Claudius Menecrates
    und Quintus Claudianus Anaxander


    I. Mit diesem Vertrag tritt Claudius seine Besitz- und Eigentumsrechte über seinen Jäger-Betrieb "Venatores Claudii Felicis" an Claudianus ab. Das umfasst alle Grundstücke, Gebäude und anderen zur Jägerei gehörenden Betriebsmittel.


    II. Im Gegenzug versichert Claudianus, dass er den genannten Jäger-Betrieb nicht ohne die schriftliche Zustimmung von Claudius verkauft, verschenkt oder anders aus seinem Eigentum gibt. Das umfasst auch eine Schließung der Jägerei, zu der unabhängig vom Betriebszustand ebenfalls vorab eine schriftliche Zustimmung von Claudius nötig ist.


    III. Weder eine Namensänderung des Jäger-Betriebes noch eine Verlagerung seines Betriebsstandorts ermöglichen Claudianus, die Vereinbarungen aus Absatz II zu umgehen.


    IV. Falls eine der Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam oder undurchführbar sein sollte, soll die Wirksamkeit der restlichen Bestimmungen hiervon unberührt bleiben. Die Parteien sind jedoch dazu verpflichtet, dabei mitzuwirken, dass die betroffene Bestimmung durch eine solche ersetzt wird, deren Inhalt soweit wie möglich den Zweck der unwirksam gewordenen ersetzt.


    V. Sanctio: Werden diese Vertragsbedingungen von einem der beiden Vertragspartner verletzt, dann ist dieser zu einer Ausgleichszahlung gegenüber der anderen Vertragspartei verpflichtet. Die Höhe dieser Ausgleichszahlung beläuft sich auf 1.600 Sesterzen und kann vor dem dafür zuständigen Magistraten in Rom geltend gemacht werden.



    In vollständiger geistiger Tüchtigkeit,


    Unterschriften der beiden Vertragspartner



    Kurz kratzte sich Anax mit dem Stilus hinterm Ohr. Dann schob er seinem Patron die beschriebene Wachstafel über den Tisch. "Wäre das hier so zu deiner Zufriedenheit?", fragte er mit nervösem Blick. "Das sichert dir nicht direkt ein Recht zur Rückführung des Betriebs. Aber du hättest ein Vetorecht, wann immer ich den Betrieb aus meinem Eigentum wieder entlassen will. Ohne deine schriftliche Zustimmung ginge da also gar nichts." Oder falls ich doch die Jägerei ohne seine Zustimmung weggab, dann könnte er sich aber mit diesem Vertrag den Gegenwert des Betriebs jederzeit in bar von mir auszahlen lassen.


    Verkauf, Schenkung und Schließung waren damit also schonmal abgedeckt. "Ob damit jetzt auch die Vererbung des Betriebs sicher abgedeckt wäre, ist nicht ganz sicher. Du könntest also bei Dezemvir oder Prätor dein Glück damit versuchen und dich auf den zweiten Absatz dabei beziehen." Denn ein Toter konnte ja kein Eigentum haben. Darum gab ich mit meinem Tod also zwangsläufig den Betrieb aus meinem Eigentum. Wahrscheinlich auch ohne meinen Patron vorher zu fragen. Denn ich wusste ja nicht, wann ich mal starb. "Aber nach Gewohnheitsrecht würde man dir wahrscheinlich sagen, dass es nicht möglich ist, schon zu Lebzeiten einer Person unwiderrufliche Rechte an deren Nachlass zu erwerben." Und das war ja der große Unterschied zwischen einem Testament und so einem Vertrag. Ein Testament war nur mein letzter Wille, sodass ich es ständig widerrufen konnte, wenn sich mein Wille änderte. Im Unterschied dazu spielte bei einem Vertrag nicht nur allein mein Wille eine Rolle, sodass er sich nicht einfach ändern ließ, wenn nicht alle Vertragsseiten der Änderung zustimmten. "Der Anwalt, für den ich gearbeitet habe, hat immer gesagt: Solche Klauseln haben keine verbindliche Rechtskraft, weil sie sonst lebensgefährliche Folgen für den Erblasser haben könnten .. wegen dem leidenschaftlichen und verderbten Charakter des Volkes.", lächelte Anax schief. Er musste wirklich noch an seinem Ausdruck feilen. Denn bei dem Anwalt hatte diese Erklärung immer irgendwie besser geklungen.

  • Texte verfassen konnte der gerade gewonnene Sekretär offensichtlich recht gut. Menecrates verfolgte, wie gelenk die Hand mit dem Stilus über das Wachs der Tafel glitt. Anaxander verfügte zudem über nennenswerte rechtliche Kenntnisse. Zumindest nahm das der Claudier an, weil der Sekretär sofort losschrieb, ohne zunächst Recherchen zu betreiben. Mit einiger Erwartung griff Menecrates zu der entgegengeschobenen Tafel, lehnte sich zurück und las.

    Die Vertragspunkte waren korrekt formuliert. Beim Überfliegen stellte Menecrates noch nicht einmal Schreib- oder Formfehler fest. Er blickte auf und nickte, was Zufriedenheit ausdrückte, nicht jedoch volle Zustimmung.

    "Du sagst es, die Rückführung des Betriebes wäre mir wichtig... zum einen. Ich werde Dir also über den Vertrag hinaus das mündliche Versprechen abnehmen, dass Du bei schwerer Krankheit und in allen anderen im Vertrag erwähnten Fällen, mir den Betrieb zurückübereignest. Wir müssen für diese Fälle einen konkreten Gegenwert benennen, damit es nicht zu Missverständnissen kommt, und da Du den Betrieb von mir ohne jede Gegenleistung erhältst, soll die Rückführung ebenfalls ohne Gegenleistung stattfinden. Das ist das eine..."

    Ein Blick traf Anaxander, dann sprach Menecrates weiter, während er wieder auf die Wachstafel sah.

    "Das andere wäre eine Änderung von Punkt V. Ich überlasse Dir den Betrieb ja ohne Gegenleistung. Ich denke, es ist nachvollziehbar, dass ich mich nicht zu einer Ausgleichszahlung verpflichten werde, denn warum sollte ich so eine Verpflichtung unterzeichnen?" Er sah wieder auf. "Ich zeige mich Dir gegenüber großzügig. Ich könnte gänzlich ohne solche Verpflichtungen den Betrieb behalte und stattdessen einen meiner geringwertigeren Betriebe verschenken oder zum Verkauf ausschreiben und damit im günstigen Fall noch Geld verdienen. Gleichzeitig habe ich natürlich ein Interesse daran, dass Du die Punkte des Vertrages nicht verletzt."
    Bei aller Fürsorgepflicht, die ein Patron gegenüber seinen Klienten hat, es gab ein Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien und vor allem lag kein regulärer Verkauf vor, sondern eine Betriebsüberlassung ohne jede Gegenleistung.

    "Wie kommst Du übrigens auf die Summe von 1.600 Sesterzen?" Gedanken musste sich Anaxander ja gemacht haben, und Menecrates wartete gespannt, sie zu erfahren.

  • Fast ein halbes Jahr lang hatte Anaxander als Sekretär eines Anwalts gearbeitet. Darum gab es da Dinge, über die er mittlerweile schon gar nicht mehr groß nachdachte. Dinge, die er einfach tat, weil sich die automatisiert hatten. Manche freiwillig, weil er sie einfach so oft gemacht hatte. Manche eher unfreiwillig, wo ihn der Anwalt einfach gezwungen hatte, Sachen auswendig zu können. Ein bisschen wie beim Einmaleins. Das zu können war ihm früher auch aufgezwungen worden, bevor er irgendwann später erst die Nützlichkeit davon erkannt hatte.


    Anax nickte also erstmal wegen dem Versprechen. Dann ging er auf die anderen Fragen seines Patrons ein. "Um ehrlich zu sein, hab ich beim Schreiben ab dem vierten Punkt gar nicht mehr so groß nachgedacht.", gestand er ein. "Ich kann den Punkt also gern auch nur einseitig formulieren .. auch wenn es eigentlich auch so nichts gibt, wo du den Vertrag verletzen könntest." Selbst wenn er wollte. Denn den ersten Punkt hatte er ja schon erfüllt. Und die anderen Punkte schrieben ihm ja nichts vor. Die schrieben ja nur Anaxander etwas vor. Also konnte natürlich auch nur Anax gegen die anderen Punkte verstoßen und so den fünften Absatz auslösen. Ob sein Patron das erkannt hatte? Das wusste Anaxander nicht. War aber auch egal. Denn wenn sein Patron eine andere Fassung wollte, dann gab der Privatsekretär seinem neuen Arbeitgeber eben eine andere Fassung. So einfach.


    Anax kratzte sich hinterm Ohr. Woher hatte er die 1.600 Sesterzen genommen? "Äh .. ein Erfahrungswert?", war seine unsichere Antwort. "Der Anwalt, für den ich gearbeitet hab, hatte vor allem mit Erb- und Marktrecht zu tun." Weil da halt am meisten geklagt wurde. Oder ein Anwalt um Rat gefragt wurde. Gerad das komplizierte Erbrecht war ja auch nicht ganz leicht zu blicken. "Und bei meinen Recherchen für ihn waren so Jägereien eigentlich immer irgendwas zwischen 400 und 1.600 Sesterzen wert gewesen." Gerad so für den Wert einer Erbmasse mussten ja Waren, Betriebe, Häuser, Grundstücke, Schiffe, und und und geschätzt werden. Wenn da dann immer wieder ähnliche Werte in den Gutachten auftauchten, davon hatte eben auch Anaxander gelernt, Werte grob einzuschätzen. "Da bin ich einfach davon ausgegangen, dass eine claudische Jägerei natürlich mit dem höchsten Wert anzusetzen ist.", erläuterte er dann. "Und ich dachte, wenn ich dir also einen Schaden in dieser Höhe zufüge, indem ich gegen diesen Vertrag verstoße, dann musst du einen finanziellen Ersatzanspruch gegen mich haben, der genauso groß ist." Das war die ganze Überlegung.

  • "Ja, den Punkt hätte ich gerne einseitig formuliert, weil ich ihn erstens unpassend finde und weil er zweitens, so wie er ist, auch keinen Sinn macht", bestätigte Menecrates, bevor er den Ausführungen zum Schätzwert folgte.
    Er nickte. „"n der Tat ist es so, dass der claudische Betrieb zu den größten Jägereien des Reiches gehört. Soweit so gut, nur wenn Du schon einen passenden Ersatzanspruch bezifferst, dann sollte der auch der tatsächlichen Betriebsmasse entsprechen. Der claudische Betrieb besitzt einen Wert von 2.000 Sesterzen und ich weiß das deswegen so genau, weil ich mir gerade erst sämtliche in meinem Eigentum befindliche Betriebe sehr genau angesehen habe, weil die Entscheidung ansteht, mich von einem zu trennen. Wie gesagt, die Jägerei ist nicht nur der größte aller meiner Betriebe, sondern auch landesweit einer der größten. Sein Wert beträgt 2.000 Sesterzen."

    Das musste sein Sekretär und Klient im Moment hinnehmen, wobei ihm freistand, später die Zahlen zu überprüfen. Sie würden einer Überprüfung standhalten.

    "Wenn Du den Vertrag noch einmal überarbeitest, dann hätte ich gern außer diesen beiden Korrekturen noch einen Passus, aus dem hervorgeht, dass eine Rückführung in mein Eigentum in gleichem Maße ohne Gegenleistung erfolgen soll wie Du heute den Betrieb kostendfrei übereignet bekommst."

  • Anaxander unterdrückte das Bedürfnis, zu widersprechen, als sein Patron davon redete, dass der fünfte Vertragspunkt, wie er war, keinen Sinn machte. Denn nur weil von zwei möglichen Fällen nur ein einziger eintreten konnte, verlor der ganze Absatz ja nicht seinen Sinn. Und nur weil einer der zwei Fälle nicht eintreten konnte, war dieser unmögliche Fall auch noch lange nicht sinnlos. Eher umgekehrt. Er wahrte den Schein. Und er schützte damit gerade vor dem Verdacht der Übervorteilung, der im schlimmsten Fall einen ganzen Vertrag komplett unwirksam machte. Dass der fünfte Vertragsabsatz, wie er war, keinen Sinn machte. Das hielt Anax nach seiner Arbeit als Anwaltsgehilfe darum auch nur für eine leere Worthülle. Wahr war: Sein Patron fand den Punkt einfach unpassend. Nicht mehr, nicht weniger.


    Aber Anaxander schluckte die Worte seines Patrons. Ohne etwas dazu zu sagen. "Dann ändere ich das auf 2.000 Sesterzen ab." Mehr sagte er auch zum zweiten Teil nicht. Denn da hatte er sich scheinbar geirrt. Gut möglich, dass es nicht der Betriebswert war, der zwischen 400 und 1.600 Sesterzen bei Jägereien lag, sondern die durchschnittlichen Erhaltungskosten für Gebäude, Jagdutensilien und das alles. Bei so vielen Branchen und immer die zwei Zahlen zu jeder Branche, hatte er so aus dem Stegreif scheinbar einfach zwei dieser Zahlen verwechselt.


    Dann hatte Anax Patron noch einen letzten Wunsch, der Anaxander erstmal mit einem kleinen Fragezeichen im Gesicht zurückließ. Dass sein Patron wieder die Wortgruppe "ohne Gegenleistung" benutzte, überraschte ihn nicht. Denn das eingeräumte Vetorecht bei Betriebsveräußerung hatte sein Patron auch eben schon unter den Tisch fallen lassen. Dafür aber: "Äh .. wenn ich das so sagen darf, dann sehe ich den Sinn dahinter irgendwie nicht.", redete jetzt umgekehrt Anax von fehlendem Sinn. "Denn wenn ich dir jetzt die Jägerei zurückgebe und dafür von dir etwas haben will .. einen Geldbetrag oder ein Mitspracherecht bei weiteren Betriebsveräußerungen oder irgendwas anderes .. dann zwingt dich ja niemand, das so anzunehmen. Du kannst es auch einfach ablehnen. Ohne dass dir davon dein Mitspracherecht, das hier in dem Vertrag drin steht, verloren geht. Und ohne dass sich sonst irgendwas ändert." Es tat also keine Not, sowas jetzt hier mit festzulegen. Eher umgekehrt. "Der Vertrag hier soll regeln, unter welchen Bedingungen dein Betrieb in mein Eigentum wechselt. Und wenn der Betrieb dann irgendwann mal von meinem zurück in dein Eigentum wechseln soll, dann sollten wir dazu eh weder einen Vertrag aufsetzen. Einen Vertrag, in dem dann halt die Bedingungen für den Wechsel dann drinstehen." Man konnte natürlich auch jetzt sowas festlegen. Etwas, was vor dem Abschluss eines Vertrags zur Rückübereignung sowieso irrelevant war. Etwas, was in dem zukünftigen Vertrag dann eh im Zweifel neu und anders geregelt werden konnte. Aber wirklich sinnvoll fand der ehemalige Anwaltsgehilfe Anaxander das nicht.

  • Das Gespräch verlief weniger geschmeidig als wünschenswert. Von seinem Sekretär hätte sich der Claudier vorhin schon eine rechtlich saubere Fassung eines Vertrages gewünscht, der ihm die Rückführung des Betriebes in zuvor besprochenen Fällen sichert. Der vorgelegte Vertragsentwurf enthielt aber nur ein Vetorecht. Darauf wies auch Anaxander hin und Menecrates schluckte zunächst die Pille.


    Auf einen Passus, aus dem hervorgeht, dass eine Rückführung in sein Eigentum ebenfalls ohne Gegenleistung erfolgen sollte, wollte er aber nicht verzichten und sprach es im Rahmen seiner Änderungswünsche aus. Die Abnahme eines mündlichen Versprechens war schon nicht rechtsverbindlich genug, weil die Beweisbarkeit ein Problem darstellte. Da sollte es wenigstens eine Art schriftlich vereinbartes 'Vorkaufsrecht' mit geregelter Preis- bzw. Nichtpreiszahlung und nicht nur ein Vetorecht geben.


    Was aber dann kam, verdutzte Menecrates, bevor es ihn verärgerte. Niemand hatte Anaxander gefragt, ob er einen Sinn in allem sah. Als Sekretär hatte er Anweisungen zu befolgen. Sicher, einen Beraterstab kannte Menecrates aus Militärzeiten, aber wenn er entschieden hatte, dann wurde das respektiert. Hinzu kam, dass Anaxander kein hochrangiger Offizier war, sondern Klient und Sekretär. Der Claudier folgte dessen Ausführungen, ohne dass sich seine Laune besserte. Ihm ging es nie um ein Mitspracherecht. Wenn es das zusätzlich gab, gut. Allein allerdings genügte ihm das nicht.
    Und als wäre das alles nicht schon genug, erklärte ihm sein gerade eingestellter Sekretär, welchen Zweck der Vertrag erfüllen sollte. Menecrates empfand die Situation als absurd und fühlte sich bevormundet.



    "Einen zweiten Vertrag wird es nicht geben", stellte Menecrates klar, nachdem er von Anaxander hörte, was der für richtig hielt. Er atmete einmal durch, dann griff er zu Pergament und Schreibgerät. Sein Entschluss stand fest und er würde sich auf keine weitere Diskussion einlassen.









    Schenkung


    Hiermit übereigne ich den Betrieb Agriculae Olera Claudii Felicis (Gemüsebauer) mit all seinen Ländereien und Gerätschaften mit heutigem Datum an



    Quintus Claudianus Anaxander



    [Blockierte Grafik: http://up.picr.de/25959729rn.gif]
    gez. H. Claudius Menecrates


    ANTE DIEM III ID IUL DCCCLXVI A.U.C. (13.7.2016/113 n.Chr.)






    "Gut, wenn es also nicht möglich ist, schon zu Lebzeiten einer Person die unwiderrufliche Rechte an deren Nachlass zu erwerben und um diese überaus schwierige Vertragsfindung zu beenden, habe ich jetzt folgendermaßen entschieden."
    Menecrates reichte das inzwischen gesiegelte Papier seinem Klienten.



    "Was Du mit diesem Betrieb anstellst, bleibt vollständig Dir überlassen."

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