Es gab Tage, da ließ sich Curio von nichts und niemandem aufhalten. Weder von den Umständen die ihn dazu zwangen, nicht das Pferd zu nehmen, sondern gemeinsam mit seiner Familie den Reisewagen, der für seine Gefühl viel zu langsam vor sich hingeruckelt war, noch von der massiven Tür der Casa Helvetia und dem britischen Ianitor, der gleich Platz gemacht hatt. Ein Pferd hätte er schon angetrieben, um in kürzester Zeit zu Hause zu sein, doch hatte er den unwiligen Blick seiner Frau gesehen, deren Stimmung schon deswegen angekratzt war, weil sie das Landgut bereits jetzt verlassen mussten. Die Nachrichten aus Mogontiacum jedoch, die einen Tag nach den Geschehnissen in der Taberna Medica mit einem Eilboten zum Landgut gebracht worden waren, ließen jedoch keinen Aufschub zu. Dass er erst einen Tag später darüber informiert worden war, würde Curio seinem Sekretär noch ankreiden, aber das spielte jetzt grade alles keine Rolle.
Die zerfurchte Stirn des Helvetier sprach Bände. Erst er, dann Alpina und wie er soeben von Liam erfahren hatte, lag noch ein weiteres Opfer in den Behandlungsräumen der Taberna Medica. An diesem Punkt jedoch war eine Grenze überschritten worden. Was seine eigene Konstitution, seine Gesundheit, sein Wohlergehen und seine Fitness anging, konnte er durchaus nachlässig sein, wenn ihm auch klar war, dass er dies alles brauchte, um langfristig in der Politik tätig sein zu können. Seine Familienmitglieder, und darunter fielen nunmal nicht bloß seine Frau und sein Sohn, sondern alle, die unter dem Dach der Casa Helvetia lebten und damit unter seinem Schutz standen, waren ihm sakrosankt. Es machte da für ihn keinen Unterschied, ob es nun seine Frau oder sein Sohn waren, die angetastet wurden, sei es durch gesellschaftliche Infamierungsversuche und gar körperliche Gewalt, oder Alpina, Ursicina, aber auch Kaeso und die Sklaven und Bediensteten des Haushalts. Vielleicht unterschied sich bei den einzelnen Mitgliedern lediglich die Tiefe des Hasses, die er dem Angreifer entgegenbrachte, aber am Ende standen sie alle unter seinem Schutz, grade weil sein Vater, der eigentliche pater familias weit weg in Noviomagus war und Curio eigentlich insgeheim auch nur noch die Tage zählt, bis er emanzipiert wurde, und Corvinus noch weiter weg, irgendwo im Osten war.
Mit einem großen Satz war er aus dem Wagen gesprungen und klopfte gleich selbst an die Tür, ohne auf den Fahrer zu warten. Der bekam lediglich die Anweisungen, Silvana und Cornutus beim Aussteigen zu helfen und danach dafür zu sorgen, dass die Wäschetruhen hineingeschafft wurden. Nachdem sich die Tür geöffnet hatte, ließ er sich von Liam und dem herbeieilenden Acanthos nochmal vollständig ins Bild setzen, nicht ohne dem Makedonen mit einem Seitenblick klarzumachen, dass er es deutlichst missbilligte, erst am Folgetag informiert worden zu sein. Im Atrium angekommen stockte er jedoch.
Wo sind sie?
lautete die ebenso kurze, wie klare Frage nach Kaeso und Alpina, die er sogleich sehen wollte, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Acanthos schob ihm derweil eine Tabula mit einer Einladung zu den Abschlussübungen der beiden Militäreinheiten der Stadt zu.
Jetzt nicht.
Wieder kurz und prägnant und mit deutlich schlechter Laune. Das konnte ja schließlich warten, ebenso wie er auf die Nachricht über die Vergewaltigung hatte waren müssen.