• Tiberios sah seine domina kurz bewundernd an. Sie war eine hochgebildete Herrin und hatte in der Schola Atheniensis gearbeitet, und ihre Freundin, die so nett zu ihm gewesen war, ebenso.


    „Mir fiel auf, dass domina Clara sich die Hände säuberte, bevor sie nach den Schriftrollen griff., domina“, sagte er:
    „Das macht nur jemand, der den Wert von Büchern schätzt, nicht wahr.“


    Dass Tiberios immer alle Leute genau beobachtete, hatte er seiner domina bisher nicht gezeigt.


    Als Furia Stella von der bemalten Kriegerin sprach, lächelte er einen Moment lang: Wie wäre es, wenn Eireann auch bemalt wäre? Ob die Bemalung wohl von Kopf bis Fuß ging?
    Aber nein, Eireanns Volk hieß Silurer, nicht Pikten picti bedeutete ja „Die Bemalten“.


    Dann kam die Frage, warum Tiberios denn überhaupt Bücher verkauft hatte – und die nächste Hürde:
    Dieser Kyriakos besaß ein Lupanar. Nur – wie sprach man davon zu seiner domina? Die recht freien Damen Alexandrias hätte das amüsiert, aber einer griechischen kyria vom Mutterland gegenüber wäre solch eine Andeutung sehr unschicklich gewesen - wo standen hier die Römerinnen?
    Das waren die Feinheiten, die der furische Sklave immer noch nicht kannte:


    „Domina, ich danke dir, dass ich mit dir sprechen darf ,und ich habe hier alles bestens“, begann er:
    „ Doch Aischylos hat mir berichtet, dass ein übler Mensch namens Kyriakos hier aufgetaucht ist und versucht hat, von dominus Cerretanus Geld zu erpressen. Ich denke, dieser Mann ist der Mann, der die Wahrheit über Eireann kennt. Aber ich glaube nicht, dass er mit mir spricht, wenn ich ihm seine Zeit nicht bezahle, denm Kyriakos hat ein Haus…..“


    Wie sage ich das?, dachte Tiberios: Alle reden von lupo oder lupa, aber ist das gutes Latein? pornoi auf Griechisch klingt auch nicht besser:
    „Ein gewisses Haus“, sagte Tiberios schließlich und wurde sehr verlegen.

  • Als Tiberios seine Absichten schilderte, zu Kyriakos zu gehen und ihn dafür zu bezahlen, dass er ihm die Wahrheit über Eireann erzählt, dachte Stella sie hört nicht richtig! Sie schaute den jungen Mann verblüfft an, der etwas verlegen vor ihr stand,


    "Du willst von diesem dreisten Mann die Wahrheit erfahren? ..." , war Tiberios wirklich so naiv, von einem Lupanarbesitzer irgendwelche Wahrheiten zu hören? Stella schüttelte den Kopf, "Er wird dir, wenn überhaupt, das Gleiche sagen, was er schon an der Porta klar stellte, nämlich, dass Eireann eine offene Rechnung bei ihm hatte und er wollte nun das Geld für seine Dienste haben. "


    Sie nahm ihren Fächer, den sie immer dabei hatte und wedelte mit dem hin und her.


    "Und ich glaube, es wird mal wieder Ärger geben, denk daran, was du schon mit den Urbanern wegen Eireann erlebt hast, ", sie trank noch einen Schluck Tee und fügte hinzu,


    "Und warum willst du überhaupt das wissen? Denn Eireann, anstatt sich zu freuen, dass Dominus Furius Cerretanus sie gekauft hat und sie mit dir in einem Haushalt wohnen würde, denn ich weiß, dass sie, als noch Iulische Sklavin, dich hier in der Casa besucht hat, NEIN!, sie verlangte von ihrem Dominus, dass er sie in die Castra mitnimmt und weil es nicht geht, läuft sie weg und landet in einem "gewissen Haus", wie du es nennst! Also denk darüber nach..."


    Stella war es auf einmal zu doof, sich weiter damit zu beschäftigen und sie wechselte das Thema,


    "Ja, Clara ist eine ordentliche Dame und liebt, wie ich auch die Bücher. Sie hat mich eingeladen, den Sommer mit ihr am Meer zu verbringen, aber zuerst muss ich ja hier die Sklaven Probleme lösen!", sie verdrehte die Augen, zuckte mit den Schultern und sah dann Tiberios direkt an,


    "Ich will keinen Ärger mehr haben, überlege es dir gut, was du tun wirst und vergiss dabei nicht an den guten Namen der Gens Furia zu denken!".

  • Tiberios senkte den Kopf und sagte sofort: „Nein, domina, ich würde nie wagen, etwas entgegen deinen Wünschen tun.“


    Dass sie ihn selbst aufgefordert hatte, offen zu sein und ihm gesagt hatte, er könne ihr alles sagen, entgegnete er nicht, denn das stand ihm nicht zu. Er sah es als Gelegenheit, sich in apatheia und Selbstbeherrschung zu üben.


    Tiberios teilte auch domina Furia Stella nicht mit, dass sein Plan, mit Kyriakos zu sprechen, viel weiter gegangen wäre: Tatsächlich wollte er dem Lupanarbesitzer Geld anbieten, wenn dieser seine Aussage zurücknehmen würde, so viel Geld, wie der Lump noch nie auf einem Haufen gesehen hatte. Hier würde das Geschäft mit dem Tavernenwirt Archias zu tragen kommen. )*


    Diese Tat würde Tiberios unweigerlich ins Unglück stürzen, nämlich dann wenn jemand die Bücher des Handelhauses Furii nachprüfen würde.) **
    Damals noch hatte er jedoch gedacht, die Keltin sei jedes Opfer wert.


    Nun aber zweifelte er daran. Domina Furia Stella hatte Recht: Eireann hatte allen mit ihrem Verhalten geschadet. Wenn Tiberios ihr beistehen wollte, riskierte er jedesmal viel, seine gute Stellung, das Vertrauen der domina, vielleicht sogar sein Leben.


    Was bitte riskierte denn Eireann? Sie folgte einfach nur ihren Launen und hielt sich für den Abklatsch einer Königin Boudicca. War das denn Liebe?


    Tiberios wollte weder jemanden hintergehen noch ein schlechter Diener sein. Das war nicht sein Weg, das stand gegen alles, was er glaubte und hoffte.


    „ Du hast mit allem Recht, domina, was du über Eireann sagst. Verzeih mir bitte, dass ich dich damit erneut belästigt habe. Der Urbaner, der sich durch mich beleidigt fühlte, hat meine Entschuldigung übrigens angenommen“, fügte er an:
    „ Ich werde in der Sache nichts weiter unternehmen.“


    Tiberios fühlte sich erleichtert, als er das sagte. Er hatte gar nicht gewußt, wie groß der innere Druck gewesen war.
    Jetzt war er gelöst und lächelte:
    „ Du wirst im Sommer verreisen, domina ?“, fragte er und welchselte ebenfalls das Thema.



  • Stella nickte zufrieden, als Tiberios sagte, er würde in dieser Sache nichts weiter unternehmen. Ob es stimmte, wird sich dann zeigen.


    "Tiberios, ich habe dir ja nicht verbieten, das zu tun, was du vorhattest, ich habe nur an deine Vernunft appelliert, zu überlegen, wohin das alles fürhren könnte und lletztendlich in einem Desaster enden würde" Bei dem Gedanken wurde ihr schwindelig. ... "Es wird ja eine Untersuchung geben, also werden wir auf die Ergebnisse warten müssen".

    Nun war es an der Zeit, die kleine Unterhaltung zu beenden, denn Stella war auf einmal müde und wollte sich zurückziehen,


    "Ja, Clara wollte schon bald nach Brundisium aufbrechen und ich werde dann später ihr folgen, sobald hier wieder Ordnung herrscht!"


    Tiberios schien sich inzwischen langsam zu entspannen und lächelte sogar,


    "Ach, das ist ja großartig, dass der Urbaner deine Entschuldigung akzeptierte, das freut mich aber sehr für dich!" Stella lächelte ihn an, trank den letzten Schluck Tee und stand auf,


    "So, Tiberios, ich glaube, wir haben alles besprochen, oder hast du noch was auf dem Herzen?"

  • Tiberios schüttelte den Kopf : "Nein, domina, ich habe nichts mehr auf dem Herzen." und griff nach dem Tablett, um es in die Küche zu bringen.


    Er würde warten, bis sich Furia Stella endgültig zurückzog und dann noch die Bibliothek aufräumen .
    Er mochte es, wenn morgens, wenn man die Räume betrat, schon alles in bester Ordnung war.


    Der junge Grieche hoffte sehr, seine domina wäre nur wegen der späten Stunde müde und nicht, weil er sie ermüdete;
    Auch das lag mithin an Eireann. Tiberios hatte zuvor weder Athenodoros noch Gnaeus Furius Philus je mit eigenen Problemen belästigen müssen. Ein Sklave sollte eine Bereicherung eines Haushalts sein, nichts anderes.


    " Hast du denn noch einen Wunsch, domina?", fragte er.

  • "Nein, Tiberios, ich gehe jetzt in den Garten, Nestor hat den Brunnen wieder repariert und ist nun mit Gartenarbeit beschäftigt ... Ich möchte sehen, wie weit er ist ..."


    Eigentlich hatte Stella vor, als Appius die neue Sklavin ins Haus brachte, dass sie sich um den Garten kümmert und ihn pflegt, aber leider hat es nicht geklappt.


    "Ich bin sehr zufrieden mit unserer kleinen Unterhaltung und hoffe, du bist es auch",


    und mit diesen Worten und einem Lächeln verließ Stella die Bibliothek.

  • Kaum hatte domina Furia Stella die Bibliothek verlassen, löschte Tiberios sorgfältig das Feuer.
    Die Kombination Feuer und Schriftrollen bereiteten ihm Sorgen, trotz aller Feuerschutzgesetze und Vorsicht kam es in Roma immer wieder zu Bränden.
    Wenn Tiberios alleine war, zündete er nicht einmal Kohlebecken an, da fror er lieber. Zumindest aber hatte er genügend Wassereimer bereit gestellt, um einen aufflammenden Brand zu verhüten.
    Dann holte der junge Sklave eine Bürste, bürstete die Liege ab und schüttelte die Kissen auf. Die Wolldecke faltete er und legte sie an das Fußende.
    Die Schriftrollen - den Tacitus und den Pytheas - ordnete er in die richtigen Regale und wischte auch den Tisch ab.
    Die Öllampen machte er mit zwei Fingern aus. Obwohl es in der Casa Furia an nichts fehlte, wirtschaftete er gerne in einfachen Dingen sparsam. Dafür konnte er dann erlesenes Räucherwerk und die beste Tinte kaufen.


    Domina Furia Stella fährt ans Meer, ich hoffe, sie erholt sich gut, dachte er. Wen sie wohl von uns Sklaven mitnimmt? Lyda vermutlich, und wäre Eireann nicht davon gelaufen, hätte sie vielleicht als cubicularia zur Unterstützung von Lyda mitkommen dürfen. Dann hätte die Silurerin endlich mal das Meer gesehen.


    Tiberios, der selbst aus einer Stadt am Meer kam, lächelte, dann verdüsterte sich sein Gesicht. Wie konnte man diese ganzen Chancen wegwerfen?!


    Obwohl schon etwas dämmrig war, blieb Tiberios noch eine Weile in der Bibliothek. Er war einfach gerne hier.

  • Sklavenunterkunft >>>


    Tiberios begab sich in die Bibliothek der Casa Furia.
    Die Räumlichkeit befand sich in dem gleichen tadellosen Zustand, in der er sie verlassen hatte.
    Dennoch öffnete Tiberios ein Fenster, um den Rosenduft aus dem Garten eindringen zu lassen, wischte etwas Staub und füllte die Tintenfäßchen und die Öllämpchen auf.
    Erst dann stellte er sich an seinen Pult um zwei Briefe zu schreiben.


    Der erste Brief war für domina Furia Stella.
    Der zweite Brief war an Sisenna Iunius Scato gerichtet.


    Erst nach einer ganzen Weile legte Tiberios seinen Calamus weg. Er hatte für beide Briefe schwarze, wasserunlösliche Tinte benutzt und sie auf Papyrus geschrieben.


    Mit den Briefen in der Hand ging er zurück in die >>> Sklavenunterkünfte.

  • Officium >>>


    Tiberios lüftete die Bibliothek, schüttelte die Kissen auf und zog den Tisch an den Lesesessel der Domina und schaute, das alles ordentlich war.


    Er hatte mittlerweile drei Codices aus dünnem, mit glatter, weißer Farbe überzogenen Buchenholztafeln verfasst.
    Ein Codex enthielt das Autorenverzeichnis der Furischen Bibliothek, der zweite die Titel der lateinischen Werke oder falls sie namenlos waren die ersten drei Worte, der dritte das gleiche in griechischer Sprache.


    Jeder Codex war ein Polyptychon, ein Klappbuch aus mehreren Seiten.
    Man konnte das Klappbuch neben sich auf den Tisch legen oder auf Grund des festen Materials sogar stellen. Im Gegensatz zu einer Schriftrolle konnte man es mit nur einer Hand öffnen und schließen. Auch das Blättern war mit nur einer Hand möglich.


    Tiberios legte eine Schriftrolle auf den Tisch und legte den Codex mit den Autorennamen links daneben.


    Die Schriftrolle war die Trostschrift an Marcia,von Seneca.
    Diese Marcia war die Tochter des Geschichtsschreibers Cremutius Cordus gewesen.


    Wollte man nachschlagen, ob auch von Cremutius Cordus ein Werk in der Bibliothek vorhanden war, konnte man sozusagen nur mit ihrer linken Hand das Klappbuch bedienen und sehen, dass es im Regal zwischen Cicero und Didymos Chalkenteros zu finden war.



    ...Catullus, Valerius: Carminae (Gedichte)
    Chariton von Aphrodisias: Chaireas und Kalliroe
    Cremutius Cordus, Aulus:Geschichte Roms
    Didymos Chalkenteros: Sprichwörter....

    .




    Da domina Furia Stella Tiberios angeordnet hatte, ihn später in der Bibliothek zu sehen, wollte er ihr seine Arbeit zeigen.
    Er war neugierig, wie die Domina seine Idee finden, und ob sie Verbesserungsvorschläge haben würde.

  • Stella kam etwas später in die Bibliothek und war froh, Tiberios hier zu treffen. Sie schaute sich um und war sichtlich positiv überrascht, die Bibliothek in diesem Zustand zu beschauen.


    "Tiberios, ich habe nicht einmal in der Schola Atheniensis solche perfekte Ordnung erlebt! ", Stella lächelte und blickte anerkennend den jungen Mann an.

    Dann setzte sie sich in den Lesesessel neben dem Tisch und betrachtete eine Weile aufmerksam, was Tiberios da alles hingelegt hat.


    "Es ist erstaunlich, wie du diese drei Codices in so kurze Zeit als Bibliothekar gefasst hast, ich werde mir später die genauer anschauen .... Auf jeden Fall hast du eine enorme Arbeit geleistet"


    Dann entdeckte Stella auch noch die Schriftrolle, las den Titel: "Ad Marciam de consolatione " und seufzte tief, "Ach, ich habe das gelesen, es ist sehr traurig ... " und nach einer kleinen Pause fuhr sie fort.


    "Tiberios, ich bin tief beeindruckt, was du hier alles geschafft hast, du bist ein sehr begabter junger Mann und eine Bereicherung für die Casa Furia!", und Stella nickte bestätigend.


    "Nun, ich möchte, dass du jetzt Wachstafel und Stilus nimmst und schreibst genau, was ich zu berichten habe". Stella holte eine kleine Rolle aus ihrem Beutel und las vor:


    "Die Regeln des Hauses Furia:


    1. Die Sklaven haben einmal in der Woche einige Stunden Ausgang. Sie sollen aber nach Einbruch der Dunkelheit zurück sein. ", Stella schaute Tiberios direkt in die Augen, "ALLE Sklaven", betonte sie...


    2. Der Hausverwalter Tiberios bekommt als Entlohnung 25 Sesterzen am Ende des Monats


    2. Die Sklaven bekommen 5 Sesterzen für ihre Bedürfnisse auch am Ende des Monats. "


    Stella legte die Rolle wieder in den Beutel, "Falls dir noch etwas einfällt, kannst du dann die Liste ergänzen. So, für heute ist es alles... Fragen?"

  • Das Lob von domina Furia Stella freute Tiberios zutiefst, er strahlte, während er sich verbeugte.
    Er hätte der Domina gerne sofort die Handhabung der Codices demonstriert, doch wenn sie „später“ sagte, war es so; vor Übereifer musste man sich genauso hüten wie vor fehlendem Eifer.


    „Diese Arbeit war mir auch eine große Freude, Domina!“, sagte er nur.


    Dann griff er zu einer mit hellem Wachs beschichteten tabula und benutzte Ciceronische Notae, die von Ciceros Sekretär Tiro erfundene Kurzschrift. (Traditionell schlug man Erfindungen von Sklaven ihren domini zu.)
    So konnte er schnell notieren, was domina Furia Stella vorlas; nachher würde er die Hausregeln ins Reine schreiben:



    „Fünfundzwanzig Sesterzen, o danke Domina Stella für deine Güte.“, sagte Tiberios überwältigt. So ein hohes peculium war ihm noch nie gewährt worden.


    Als ihm die Domina jedoch in die Augen schaute und ihm sagte, dass die Ausgangsregeln für alle Sklaven gelten würde, senkte er verlegen den Blick.
    Der junge Grieche wusste, dass er ein Talent dafür hatte, ab und zu in Schwierigkeiten zu geraten und sehr spät nach Hause zu kommen. Jetzt aber würde er eine hohe Stellung riskieren, und das durfte einfach nicht mehr geschehen.


    Daher sagte er:
    Keine Fragen, jedoch eine Bitte hätte ich:
    Ich bräuchte an einem der folgenden Abende bis in die Nacht Ausgang. Ich habe einem Freund versprochen, ihn zu begleiten, und ich möchte mein Versprechen ungern brechen.
    Es bliebe eine Ausnahme und soll ansonsten nicht mehr vorkommen. Selbstverständlich werde ich den Morgen danach in aller Frühe meinen Dienst beginnen."

  • "Ja, natürlich, ein Versprechen muss man halten, das verstehe ich, aber es muss, wie du selbst sagst, eine Ausnahme sein." Tiberios hat hart gearbeitet und Stella wollte ihm diesen Gefallen tun.


    Sie hatte noch ein wenig Zeit, und weil sie nicht in Eile war, wollte sie nun diese drei Codices genauer untersuchen,


    "Zeigst du mir bitte, wie man dieses Klappbuch bedienen kann?" fragte Stella und schaute Tiberios neugierig an.

  • "Ich danke dir vielmals, Domina Stella , für die Erlaubnis, noch einmal abends wegzugehen“, sagte der neue Maiordomus, und einen Moment lang hob er den Blick, bevor er ihn wieder senkte. Da domina Furia Stella ihm nicht erlaubt hatte, sie direkt anzusehen, tat er es aus Höflichkeit nicht.


    „Bitte setz dich, Domina. Lies wie du es gewohnt bist, und du wirst bemerken, dass du beide Hände benötigst, um eine Schriftrolle auszurollen und zu lesen. Das erschwert es, wenn man in einer anderen Schriftrolle etwas nachschlagen möchte.
    Daher habe ich als Beispiel "Ad Marciam de consolatione " hingelegt, und wenn du vielleicht wissen möchtest, ob von Marcias Vater hier Werke vorhanden sind, so kannst du das Klappbuch mit einer einzigen Hand bedienen und findest Cremutius Cordus „Geschichte Roms“ zwischen den Autoren Chariton und Didymos.


    Dieser Codex ist aus durch Messerschnitt hergestellten sehr dünnen weiß beschichten Holztafeln, den non-ceratae, als Polyptychon angefertigt und mit schwarzer Eisengallustinte beschrieben.
    Durch das feste Material ist es auch möglich, ihn aufgeklappt aufrecht hinzustellen, beispielsweise, wenn wenig Platz vorhanden ist.“

    Tiberios stellte das geöffnete Klappbuch an das Kopfende der Schriftrolle, wobei er sorgfältig aufpasste, domina Furia Stella nicht aus Versehen zu berühren.


    Dann zögerte er einen Moment:


    „Da ich nicht wusste, ob dir diese Art Verzeichnis gefallen wird, Domina, habe ich die Platten selbst anfertigen lassen. Ich ändere es sofort um, wenn du es wünschst.“, sagte er etwas scheu.
    Der Alexandriner wusste schon, dass er nicht hier war, um sich Sachen auszudenken.

  • Stella setzte sich und hörte Tiberios aufmerksam zu, dabei beobachtete sie seine Vorführung des Klappbuches, das seinesgleichen suchte...


    "Tiberios, hast du das wirklich alles selbst ausgedacht und fertiggestellt?", Stella war völlig überfordert mit dieser Tatsache! "Das ist ja großartig!"


    Sie versuchte nun das Klappbuch mit einer Hand zu bedienen, wie Tiberios ihr zeigte, um Aulus Cremutius Cordus zwischen den Autoren Chariton und Didymos zu finden und war dabei so ungeschickt gewesen, dass es zu Boden fiel!


    "Ach, Tiberios, es tut mir sehr leid, vielleicht ist es einfach zu schwer für mich, hoffentlich ist dem Klappbuch nichts schlimmes passiert!... " Stella sah Tiberios mit großen Augen an, "Ich glaube, ich muss zuerst richtig üben, diese Codices zu bedienen", sie ärgerte sich über ihr Missgeschick, dann stand sie abrupt auf und schaute sich um,


    "Wo ist mein Fächer?"

  • „Ja, das habe ich mir selbst ausgedacht.“, sagte Tiberios und sah dann, dass domina Furia Stella Schwierigkeiten hatte, das Klappbuch zu bedienen; es fiel zu Boden.


    Der junge Grieche erschrak und hoffte, dass die Domina nicht böse werden würde, sie blieb jedoch liebenswürdig und äußerte nur, dass das Buch zu schwer war.


    Sofort griff Tiberios diesen Einwand auf:
    „Dem Codex ist nichts geschehen, das Material ist unverwüstlich.“, sprach er:


    „Doch, Optima Domina, deine Beschwerde trifft es genau: Das Buch ist ZU schwer.
    Du bist eine Dame und solltest es mit einer Hand öffnen können.
    Das Buchenholz selbst wiegt wohl zuviel, obwohl der Tischler versucht hat , den feinsten Messerschnitt anzuwenden, den er handwerklich beherrschte. So ist Holz nicht der richtige Werkstoff, und ich muss mir etwas anderes überlegen.


    Tiberios räumte die Codices und die Schriftrolle weg. Mit einer Verbeugung legte er den Fächer, den Furia Stella immer in der Bibliothek liegen hatte, vor sie auf den Tisch.


    „Ich habe natürlich auch eine gewöhnliche Schriftrollenkopie der Verzeichnisse angefertigt.“, sagte er:
    „Bitte verzeih mir, dass ich deine Zeit mit einer unvollkommenen Arbeit vergeudet habe.“


    Tiberios hoffte, dass sich die domina nicht allzu sehr über ihn ärgerte.

  • Stella setzte sich wieder und nahm ihren Fächer, der Tiberios auf den Tisch legte, öffnete ihn und wedelte sich den Luft zu.


    "Danke dir!" Stella hat sich langsam beruhigt, dieses Missgeschick war ihr peinlich...


    Und auch Tiberios war erschrocken, obwohl es war ja nicht seine Schuld.


    "Ach, Du hast eine Vollkommende Arbeit geleistet, es war etwas schwer ja, aber ich werde schon damit fertig werde. Nun, eine Schriftrollenkopie der Verzeichnisse wäre mir natürlich lieber!" und sie lächelte den jungen Mann an.


    "Also, ich schlage vor, wir gehen jetzt zusammen in den Garten, nimm Deine Codices mit, ich werde dort üben und versuchen, die zu bedienen. Die frische Luft wird mir gut tun! "


    Stella stand auf und ging direkt in den Hortus. "Komm, Tiberios!"

  • Tiberios packte etwas verlegen die Codices zusammen ,um sie domina Furia Stella nachzutragen:
    "Ich komme, Domina Stella"


    Der Hinweis der domina war wichtig: Ein leichteres Material musste es sein.
    Er war froh, dass er auch die Schriftrollenverzeichnisse auf herkömmliche Art gemacht hatte. Um weiter über dieses Problem nachzudenken hatte er seine Freistunden.


    Er eilte voran und hielt der Herrin die Tür auf, dann blieb er zurück und folgte ihr in den Garten.



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