Wieder einmal war Lucius auf dem Nil unterwegs - was um diese Jahreszeit weitaus angenehmer war als auf dem Meer, auf dem man im Winter nur in Landnähe operierte und hoffte - oder betete, wenn man an die Götter glaubte - dass keiner der hässlichen Winterstürme aufkam. Für den jungen Petronier, dem noch immer regelmäßig schlecht wurde, wenn er auf See war, war es der pure Horror. Aber er war nunmal leider bei der Flotte und die Flotte fuhr zur See - solange also noch Schiffe in Alexandria ankamen, musste auch die Flotte Patrouillen durchführen.
Heute hatten sie aber eine andere Aufgabe: Es ging um die Einsammlung von Getreide. Der Procurator Neospolensis hatte nämlich gemeldet, dass Lieferungen ausgeblieben waren. Natürlich hatte er an den zuständigen Sitologos geschrieben, der für die lokalen Getreidespeicher zuständig war. Nur im Gau Letopolites hatte er zuletzt einfach gar keine Antwort mehr erhalten - ein Fall für die Classis! Und so war der Subpräfekt losgeschickt worden, nach dem Rechten zu sehen.
Inzwischen hatte er sich einigermaßen an die ägyptische Hitze gewöhnt und hielt es bei den winterlichen Temperaturen ganz gut aus - er hatte sogar trotz der hellen Haut, die er wahrscheinlich seiner Mutter verdankte, eine gewisse Bräune bekommen. Und heute war er ausnahmsweise sogar ganz gut gelaunt - so gut, dass er das sogar seinem Sklaven, der wie immer dabei war, mitteilte:
"Arminius, was für ein schöner Tag!"
"Schon, schon - warum hat's nicht das ganze Jahr so angenehme Temperaturen?"
Der Germane litt fast noch mehr unter der Hitze des Südens als sein Herr - obwohl er es natürlich gewohnt war, nicht zu jammern.
Seine leicht dahin gesagte Bemerkung ließ seinen Herrn allerdings sofort aufhorchen - das ganze Jahr?
"Weil die Planeten - allen voran die Sonne - je nach Jahreszeit einen unterschiedlichen Weg um die Erde nimmt und manchmal näher, manchmal ferner ist. Im Sommer ist sie näher und heizt daher alles stärker auf."
klugscheißerte er sofort drauf los und Armin verdrehte die Augen - natürlich nur dezent, um nicht den Ärger seines Herrn auf sich zu ziehen.
"Aha. Jedenfalls wäre es schön. Meine Haut ist gerade wieder einigermaßen regeneriert vom Sommer."
Armin hatte eines Tages einen furchtbaren Sonnenbrand bekommen, bei dem seine Haut an manchen Stellen richtig aufgeplatzt war - Lucius hatte ihn für einige Tage krank machen lassen müssen. Glücklicherweise gab es bei der Armee ja immer irgendeinen Tiro, der für die Offiziere als Dienstbote herhalten konnte!
"Schön wär's auch, wenn wir irgendwann aus dieser verfluchten Provinz wegkämen!"
Er diente nun schon eine ganze Weile bei der Classis und konnte nicht behaupten, dass er sie inzwischen mehr mochte. Er hatte natürlich durchaus dazu gelernt, wusste seit seiner Strafarbeit, dass man sich lieber öfter seinen Teil dachte, als das eigene Umfeld ständig zu korrigieren. Aber weder Alexandria - die Stadt war riesig, unübersichtlich und voller stinkender Peregrini - noch Aegyptus - die Provinz bestand aus einem Grünstreifen, der jedes Jahr vollgeschlammt wurde, und Wüste - oder die Classis - eine lächerliche Provinzflotte, die sich etwas darauf einbildete, Getreidetransporte zu eskortieren! - hatten in den letzten Jahren sein Herz erobert. Insofern hatte er sich vorgenommen, seinen Patron in Rom zu bitten, für ihn ein gutes Wort einzulegen - es war höchste Zeit für eine Beförderung!
"Ja, wie wahrscheinlich ist es auch, ausgerechnet bei einer Flotteneinheit in Africa zu landen?"
erwiderte Armin und blickte nachdenklich in die Ferne.
Lucius dagegen begann zu rechnen: Es gab etwa 39 Auxiliareinheiten im Imperium, die im Durchschnitt wohl ca. ein Einstiegsamt für die Tres Militiae anboten. Davon standen acht am afrikanischen Limes - also:
"Etwa 1:5. Oder 1:39, wenn du nur die Classis Alexandrina meinst."
Als Armin auf diese Erklärung nicht reagierte, fügte er hinzu:
"Die Classis Alexandrina ist die einzige Flotteneinheit in Africa."