Besprechungszimmer | Planungen zur Getreideflotte

  • Die Einsatzplanung der Getreideflotte war ein größeres Unterfangen - ein Großteil der Flotte kam hier zum Einsatz, dazu natürlich die zahlreichen Frachterkapitäne, die die eigentliche Ladung transportierten. Die Besprechungen im Plenum konnten somit natürlich nicht im Officium des Subpraefectus stattfinden. Also hatte der Petronier die Männer im großen Besprechungsraum der Principia versammelt.


    Auf dem großen Stabstisch in der Mitte hatten sie eine Karte des Mittelmeers ausgebreitet. Die Küste Africas war besonders sorgfältig vermessen - hier waren die Seekarten immerhin bereits sehr genau. Die Breite des Meeres war dagegen nicht ganz so sicher - die Länge einer Tagesreise hing immerhin maßgeblich vom Wind und der Strömung ab. Aber sie genügte, um die Route der Flotte zu planen.


    Wie gewohnt hielt Lucius sich ein bisschen im Hintergrund, während die Kommandeure eintrudelten. Viele kannte er sowieso nicht persönlich, die anderen waren ihm aber auch ziemlich egal. Das waren fast ausschließlich die Söhne von Habenichtsen und Trierarchi, die sich vom einfachen Matrosen hochgedient hatten - wenn er hoffentlich bald der Flotte den Rücken kehrte, würde er sie nie wieder sehen und nie wieder etwas von ihnen hören. Also war es völlig unlogisch, jetzt geheuchelte Freundlichkeiten oder sonstige Anstrengungen in sie zu investieren. Sie sollten funktionieren, damit alles so funktionierte, wie der Subpräfekt es geplant hatte - alles andere war ihm egal.
    Als Avidius Heliodorus, der Kapitän der Aeternitas, der natürlich alle Kapitäne persönlich begrüßt hatte, ihm zunickte, trat Crispus aber doch vor. Er hatte beschlossen, diese Versammlung persönlich zu leiten und fing direkt an:
    "Meine Herren,
    wir haben uns hier wegen der diesjährigen Frühjahrspassage versammelt. Ich habe entschieden, dass wir die Nordpassage über Cyprus, Rhodos, Creta, Malta und Messina bis nach Ostia nehmen. Meine Berater-"

    Er sah zu Heliodorus - er hatte natürlich nur erfahrene Seeleute konsultiert, nicht irgendwelche leichtgläubigen Priester, wie es abergläubischere Organisatoren gemacht hätten.
    "-sind der Meinung, dass dieser Weg bei den aktuellen Verhältnissen schneller zu bewältigen ist. Wie gewohnt werden wir in einer offenen Formation fahren, um uns gegenseitig nicht zu behindern. Nach Möglichkeit werden wir die gewohnten Häfen anlaufen und bei Nacht immer vor Anker gehen."
    Er sah ein bisschen nervös auf seine Notizen - vor ihm standen lauter erfahrene Seeleute, er wollte sich nicht blamieren.
    "Wir - äh - haben schon ein leichtes Boot voraus geschickt, um die Häfen vorzuwarnen. Sie sollen auch bereits die Zölle und so weiter absprechen, damit unsere Aufenthalte nicht unnötig verlängert werden."
    Der Subpräfekt hatte gehört, dass in manchen Jahren wertvolle Tage verloren gingen, weil die Hafenverwaltungen sich mit der Bewilligung der Frachtmengen sperrten - so etwas wollte er unbedingt verhindern, wo sie sowieso schon so spät in See stachen!
    "Das Kommando über die Flotte werde ich führen. Wir werden uns jeden Abend auf der Aeternitas - äh -, dem Flaggschiff, zu einer Stabsbesprechung treffen. Ich erwarte von euch, dass alle Probleme und Besonderheiten des jeweiligen Tages dort gemeldet werden."
    Er seufzte - hatte er irgendetwas vergessen? Im Grunde war es ja sowieso jedes Jahr dasselbe...
    "Fragen?"

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  • "Warum nehmen wir nicht die Südroute an der Küste von Africa entlang?"
    fragte ein braungebrannter Kapitän mit attischem Akzent.
    "Weil die Nordpassage schneller ist."
    antwortete der Subpräfekt und fügte geistig ein "wie ich gerade eben gesagt habe, du Idiot" an. Heliodorus hatte ihm versichert, dass einige der Kapitäne echte Haudegen waren, von denen man noch etwas lernen konnte - Zuhören war offensichtlich nicht dabei! Aber der Kapitän gab nicht auf:
    "Letztes Jahr sind wir auch die Südpassage gefahren und es war einwandfrei!"
    Lucius seufzte - was für ein unlogisches Argument! Natürlich war Empirie grundsätzlich schon logisch, aber die Verhältnisse konnten sich von einem zum anderen Jahr durchaus ändern - deshalb gab es ja zwei Passagen! Warum dieses Jahr die im Norden dran war, wusste er aber tatsächlich auch nicht so genau - er war trotz der Jahre bei der Classis immerhin kein Nautiker, sondern ein Organisator. Genaugenommen war das hier die erste Flottille, die er allein kommandieren durfte.
    "Wir haben uns aber für die Süd - äh - Nordpassage entschieden. Weitere Fragen?"
    Er sah es nicht ein, wegen irgendeinem Meckerfritzen seine Nerven zu strapazieren - und schon gar nicht, vor diesem Typen klein beizugeben. Er war der Kommandeur - er entschied!


    "Bekommen wir Abschlagszahlungen bei der Hälfte der Strecke?"
    fragte nun ein bärtiger Phönizier. Der Petronier sah kritisch zurück.
    "Was?"
    Der Phönizier machte eine eindeutige Handbewegung.
    "Geld! Ich mach' die Überfahrt ja nicht für umsonst!"
    Das "für" war zu viel in dem Satz - vernünftig Griechisch konnte der Kerl auch nicht. Selbst Lucius hatte die Landessprache so gut gelernt, dass er kaum noch Akzent hatte - wie konnte ein Seemann, der sicherlich schon Jahrzehnte den Osten bereiste, so schlecht die allgemeine Verkehrssprache sprechen? Und überhaupt - was wollte er eigentlich? Von Abschlagszahlungen wusste der Petronier nichts! Er sah fragend zu Heliodorus, der leicht den Kopf schüttelte.
    "Es gibt keine Abschlagszahlungen seitens der Classis. Ihr werdet bezahlt, wie es eure Verträge vorgeben."
    antwortete er deshalb mit leicht genervtem Unterton.
    "Aber die Seher sagen, dass die See stürmisch werden wird! Ich muss meinen Leuten etwas bieten, sonst heuern sie mir in letzter Sekunde ab!"
    Da traf der Kapitän ins Schwarze - auf ein Argument mit den Göttern hatte Lucius gerade noch gewartet! Aber er hatte inzwischen eine neue Strategie gelernt, um solchen eingebildeten Einwänden zu begegnen:
    "Unsere Haruspices haben das Gegenteil festgestellt. Deine Männer haben keinen Grund, sich zu fürchten."
    Zumindest nicht, weil irgendwelche Scharlatane ihnen Angst einjagten - das war das Schöne an solchen Quacksalbern: Man konnte leicht berechnen, dass sie gegen Aufpreis das Blaue vom Himmel weissagten - Lucius hatte inzwischen herausgefunden, dass selbst die Staatspriester in dieser Weise korrupt waren! Aber natürlich warf er diesen Spinnern kein Geld in den Rachen - es genügte in der Regel, so eine Weissagung einfach zu behaupten. Immerhin war er der Subpraefectus Classis - wer sollte es wagen, ihm zu widersprechen?

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