Cubiculum | Claudia Sisenna

  • Das Anwesen der Claudier prägte den gesamten Nordwesthang des Mons Esquilinus. Nur ein Stück weiter westlich, auch am Westhang des Esquilin, lag das Anwesen der Tiberier. Sisenna kannte das Grundstück, es besaß auch einen schönen Garten.


    Immer wieder lief sie heute zu ihrem Fenster. Ihr Blick hing seit mehr als einer halben Stunde an einer Rauchsäule, die fett und dunkel gen Himmel strebte. Anfangs hielten sich die Rauchschwaden noch in Grenzen, mittlerweile beherrschten sie die gesamte westliche Sicht. Sisenna wusste genau, was da brannte. Die Häuser standen in ihrem Wohnbezirk nicht dicht, denn sie gehörten reichen Familien und besaßen weitläufige Gärten. Um welches Haus es sich genau handelte, wusste sie natürlich nicht, aber dass eine gesamte Villa in Brand stand, musste Sisenna niemand erklären. Da brannte also etwas weg und übrig blieb ein Garten... Als diese Erkenntnis reifte, schrillten ihre Alarmglocken. Ihr Herz fing an zu schlagen, der Atem flog. Jetzt musste sie nur schnell genug handeln.


    "Sofian!" Ihre Stimme kippte fast über vor Aufregung.

  • Nachdenklich hatte ich aus dem Fenster geschaut und auf den Rauch gesehen, der vom Grundstück nebenan aufstieg. Es war ein Aufstand in der Stadt im Gange und zu meiner Überraschung hatte ich mich schon bei dem Gedanken ertappt, mich diesem einfach anzuschließen. Wie sonst konnte man wohl für Gerechtigkeit kämpfen als so? Zu meinem Leidwesen, vielleicht aber auch zu meinem Glück hatte ich bisher nur nicht gewusst, wie ich es hätte anstellen können und dazu kamen dann noch jene Gedanken, dass es mir in der Villa Claudia ja auch keineswegs schlecht ging. Nur kam gedanklich an den Punkt, an dem ich für mich selbst nicht mehr garantieren wollte. Meine Freiheit war noch nicht vergessen und nur zu gerne würde wieder ein Mann sein, der sein Schicksal selbst bestimmen durfte. Mitten in meine Gedanken hinein ertönte allerdings der Ruf der kleinen Domina und ich trat vom Fenster zurück, um in ihr Cubiculum zu gehen. Ich öffnete die Tür, die Tür, trat ein und fragte. “Du hast gerufen?“ Sie schien ganz aufgeregt zu sein, was von den Vorgängen in der Stadt herrührte.

  • Sisenna erwartete Sofian bereits in der Tür. Sie zog ihn ins Zimmer und drückte mit beiden Händen das Türblatt, bis das Schloss schnappte. "Ich habe einen Plan", raunte sie, so als könne irgendwer verbotener Weise mithören. Sie zeigte zum Fenster. "Du siehst doch den Rauch. Da brennt was ganz Großes. Ich denke, es ist ein Haus." Sie sah in verschwörerisch an und nickte.
    "Wir zwei schleichen jetzt aus der Villa und sehen nach, welches Haus da brennt. Du weißt doch, ich suche ein Grundstück, aber ein Garten ohne Haus und dazu ganz in der Nähe wäre noch viel besser. Wenn ich weiß, wem das Haus gehört, dann kann ich..." Was sie genau konnte, wusste sie zum jetzigen Zeitpunkt selbst nicht. Vielleicht konnte sie die Eigentümer fragen, zu welchem Preis sie verkaufen. Eventuell konnte sie auch ihren Onkel fragen, ob der verhandeln wollte. Vielleicht wurde das Grundstück ohnehin verkauft. Auf alle Fälle wollte sie die Erste sein, die wusste, was da los war.


    Sofian musste ja eigentlich machen, was sie ihm auftrug. Ein Restzweifel blieb jedoch, ob er ALLES mitmachen würde. "Komm!", flüsterte sie und öffnete vorsichtig die Tür. Sie lugte in den Gang und wartete, dass Sofian nachkam.

  • Ich war ein wenig überrascht, dass die kleine Domina nun sehr schnell darum bemüht war, die Tür hinter mir zu schließen und ich überlegte schnell, was das denn für ein Plan sein konnte, den sie hatte. Dann folgte ich ihrem Deut zum Fenster hinaus und nickte. “Das Nachbarhaus,“ murmelte ich, rechnete aber keine Sekunde damit, dass sie vorhatte, dort hin zu gehen. Das hatte sie doch vor oder nicht? Etwas erschrocken schaute ich ihr entgegen, denn ich konnte mir schon denken, welche Intention hinter ihren Worten steckte. Sie wollte sich davon überzeugen, ob das Grundstück für ihre Bienen taugte. Zwar hatte sie den Satz nicht vollendet, aber doch stand es für mich greifbar in der Luft. Bei ihrem Komm verharrte ich allerdings reglos. Sie wollte doch wohl nicht wirklich in die Nähe eines brennenden Hauses? Wer konnte schon wissen, was dort geschehen war und bestimmt war dies kein guter Ort, an dem ein Kind sich aufhalten sollte. “Domina,“ sagte ich dann ebenso leise wie Sisenna, “Ich halte das für keine gute Idee.“ Dennoch folgte ich ihr. Ich war mir sicher, dass egal was ich sagte, es ihr nicht würde ausreden können. Am Ende würde sie noch alleine hinaus schleichen.

  • Gut so! Sofian hielt sie nicht zurück. "Das ist sogar eine ganz tolle Idee", widersprach Sisenna und nickte aus tiefer Überzeugung. Sie wandte sich dem Gang zu und schlich auf Zehenspitzen Richtung Porta. Begeistert bemerkte sie, wie ihr Herz vor Spannung laut klopfte. Sie liebte Spiele und dies war das bisher beste Abenteuerspiel ihres Lebens.
    "Komm", flüsterte sie Sofian zu.

  • Nachdem Sisenna auf ihr Zimmer geschickt wurde, nahm sie den Weg schlurfend und mit starr nach unten gerichteten Blick. Sie betrachtete die Entlassung nicht als Strafe, sondern als Erleichterung, aber sie fiel auf dem Weg zu ihrem Zimmer in die gerade erst verlassene Trübsinnigkeit zurück. Ihre beschmutzte Kleidung interessierte sie nicht im mindesten. Sie ging zu ihrem Bett, kletterte hinein und legte sich auf den Bauch. Das Bild des reglos liegenden Mannes stand ihr vor Augen - ganz gleich, ob sie die Augen schloss oder ob sie auf ihr Kissen starrte.

    "Hier drinnen stinkt es auch"
    , murmelte sie in ihr Kissen. Sie meinte den Geruch verbrannter Gegenstände und Grundmauern.

  • Cara begleitete Sisenna, wollte ihr beim ausziehen helfen, um sich dann zu ihr zu setzen. Diese bewegte sich wie eine Puppe und legte sich einfach bäuchlings in ihr Bett. Zuerst schaute die Sklavin ein wenig ratlos, schob ihre sklavische Zurückhaltung dann jedoch einfach zur Seite und setzte sich auf den Bettrand zu der kleinen Domina. Sie strich ihr über Rücken und Kopf während sie ein Lied summte. Sie wusste, nur viel Zuwendung und Liebe könnten ihr über den Schock hinweghelfen, nur zur Zeit war keiner da, der ihr dies geben konnte.
    Für Sisenna war ihr Sklave Sofian sehr wichtig, doch der konnte diese Aufgabe nicht übernehmen.
    Cara gab sich einen Ruck legte sich zu der Kleinen, drehte sie zur Seite und zog sie zu zu sich an ihrem Bauch. Einen Arm hatte sie unter ihr geschoben und die andere Hand benutzte sie um sie weiter tröstend zu streicheln.
    Die kleine Sklavin ignorierte die schmutzige Kleidung und den Geruch, sie würde solange liegen bleiben bis die kleine Domina eingeschlafen war. In der Nacht wollte sie auch bei ihr wachen. Wenn Sassia zurückkäme, würde diese sich bestimmt des Problemes annehmen.

  • Das gesummte Lied drang irgendwann in Sisennas Bewusstsein und legte sich wie ein erster zarter Schutzschleier auf ihre Seele. Ein Anfang für die kleine Claudia, der sich jedoch zur Stärke einer Rüstung würde aufbauen müssen, wollte er die verwundete Seele nachhaltig schützen. Willenlos ließ sie sich auf die Seite wenden und heranziehen. Kraft zur Gegenwehr besaß sie nicht, außerdem fühlte sich die neue Lage besser an als die alte. Im Rücken fühlte sich Sisenna nun geschützt, fast so als trug sie dort eine Rüstung. Es lag nahe, dass Sisenna viele nachfolgende Nächte nicht ohne diesen Rüstungsersatz würde schlafen können, aber darüber machte sie sich keine Gedanken. Der liegende Mann beherrschte ihr Denken und Fühlen, bis irgendwann die Augen zufielen und sie in einen unruhigen Schlaf sank. Immer wieder schreckte sie auf, manchmal mit einem Schrei. Dann prüfte sie die Nähe des wärmenden Körpers, bevor sie erneut in schlechten Träume fiel.

  • In dieser Nacht kam kein Schlaf zu Cara, denn die kleine Claudia war zu aufgewühlt von den Erlebnissen des Tages. Die Sklavin fühlte sich hilflos, nichts von dem was sie Tat reichte aus um der Kleinen wirklich zu helfen. Sie wusste auch nicht ob ihr wirklich einer helfen konnte. Was sie gesehen hatte, war tief in ihr Bewusstsein eingedrungen. Cara hoffte darauf, dass der Schaden von den Erlebnissen nicht zu groß war. Sisenna wieder erstarken würde und Mut fasste. Sie sollte doch wieder nach draußen gehen, damit sie sich um ihre Bienen kümmern konnte. Wie stolz war sie, als sie der Kaiserin von ihrem Honig schenkte und als die Kaiserin ihre Freundin wurde, schien ihr Glück vollkommen zu sein.
    Wenn Cara, der immer wieder aufschreckenden Claudia nicht über den Kopf strich, ein leises „sch...sch... schlaf meine Kleine, schlaf.“ flüsterte, betete sie inständig zu den Göttern, der Kleinen doch zu helfen, damit bald wieder ihr Lachen in der Villa zu hören wäre. Sie wollte auch sehen, wie sie wieder mit ihrer Ernsthaftigkeit ihre Ziele verfolgte, ohne je wieder solch ein Erlebnis zu haben.

  • Wie sie es versprochen hatte sah sie nach ihrer kleinen Tante. Sie fand sie in den Armen von Cara. Sie trat leise heran, legte Cara ihre Hand auf die Schulter und nickte ihr dankend zu. Ja sie war Cara dankbar, zum einen weil sie hier war und sich um Sisenna kümmerte und zum anderen weil sie hier war und nicht auf der Seite der aufständischen Sklaven. So beugte sich Sassia herunter und gab ihrer Sklavin und Freundin einen Kuss auf die Stirn. „Danke Cara, danke das du immer für uns da bist.“ Ja Sassia hatte heute einiges gelernt. Unter anderen auch, dass so gute Menschen wie Cara auch ab und an eine Würdigung brauchten. Sassi betrachtete Cara ja auch nicht wirklich als ihre Sklavin, dazu waren sie sich zu nah. Immerhin waren sie zusammen aufgewachsen. Aber dennoch stand dieser Standesunterschied immer zwischen ihnen. „Wie geht es Sisenna?“ fragte es schließlich leise.

  • Cara hörte Schritte und sie hatte sie sofort erkannt. Sie wusste Sassia betrat Sisennas Cubiculum. Die Sklavin konnte nicht nur die Schritte erkennen, meistens erkannte sie an ihrem Rhythmus und an ihrer Lautstärke Sassias Stimmung. Nur heute nicht. Sie hatte erwartet nach diesem Tag wäre sie müde gewesen, doch etwas anderes lag darin, was Cara nicht genau beschreiben konnte.
    Sie wandte den Kopf in Richtung Sassia und lächelte sie an, ehe sie begann sich vorsichtig von Sisenna zu lösen. Nachdem dies geschafft war stand sie auf und flüsterte, „Nicht gut sie hat schreckliche Albträume. Diese Nacht sollte sie nicht alleine bleiben. Doch sage mir geht es dir gut? Ich hatte schreckliche Angst um dich. Du brauchst jetzt auch deine Ruhe, wenn es dir hilft bleibe ich bei der Kleinen. Eine andere Sklavin wird dir bestimmt beim herrichten für die Nacht helfen.“
    Cara fühlte sich gerade in einer Zwickmühle, die Kleine brauchte Zuwendung und ihre Sassia bestimmt auch. „Vielleicht hilft dir ein Gespräch mit Sabinus, er war doch schon immer dein erster Ansprechpartner.“ Auch wenn Silana mit zunehmendem alter ernster wurde war sie wie Cara fand noch immer recht sprunghaft.

  • Nach den furchtbaren Erlebnissen bei den Brandschanzungen, quälte sich Sisenna über Wochen und Monate mit den Erinnerungen herum. Vergessen würde sie nie, aber die Bilder verblassten. Mit dem neuen Jahr rückte auch der Frühling näher und somit das Erwachen der Bienen. Ihr geschenktes Grundstück musste noch bestellt, Bäume gepflanzt und die Bienenvölker umgesiedelt werden. Zuvor musste jedoch die kleine Herrin restlos gesunden. Was lag da näher als zu einem Wagenrennen zu gehen. Den Tag der Vorläufe sparte sie aus, weil es da auch Hinrichtungen gab, aber den Endlauf wollte sie miterleben.
    Am Vortag des Endlaufes traf sie Vorbereitungen und ließ nach Sofian rufen. Sie hatte ihn während ihrer Erkrankung vernachlässigt und vermutlich das Versprechen gebrochen, sich stets um ihn zu kümmern. Schuldbewusst blickte sie zur Tür.

  • Sofian war in der Küche und hatte an einem Stück Brot herum gespielt, welches er mit ein wenig Olivenöl zu essen gedachte. Seine Laune war in letzter Zeit nicht die beste gewesen, denn er hatte nicht allzu viel zu tun gehabt, was ihm die Gelegenheit gegeben hatte, sich mit seinem Schicksal auseinander zu setzen. Noch immer hatte er keinen blassen Schimmer wo seine Schwester und sein Vater waren und ob diese überhaupt noch lebten. Außerdem hatte begonnen mit seinem Schicksal zu hadern und sich klar zu machen, was es denn bedeutete als Sklaven leben zu müssen. Immerhin hatte sein glückliches, wenn auch hartes Leben als freier Mann recht abrupt ein Ende gefunden gehabt. Er vermisste seine Familie und sein altes Leben, wobei ihm immer deutlicher wurde, dass er er es niemals zurück erhalten würde. Immer mehr wurde ihm auch bewusst, wie sehr die Bildhauerei vermisste, all das kreative und handwerkliche in seinem Leben, welchem er nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr nachgegangen war. Alles in allem hatte es ihn mürrisch und unzufrieden gemacht. Die junge Herrin hatte er ebenfalls nicht mehr sehr oft zu Gesicht bekommen, seit sie sich mit den Erinnerungen an die Brandschatzungen und dem Aufruhr in der Stadt quälte.


    Mit brütendem Blick beschaute er sich also sich also sein Brot, während er nachdachte, bis eine junge Sklavin, die eilig die Küche betreten hatte, ihn ansprach. Sie teilte ihm mit, dass er in das Cubiculum der jungen Herrin zu gehen hatte, da diese nach ihm verlangte. Sofian nickte, doch er machte zunächst keine Anstalten sich zu erheben. Stattdessen tunkte er das Brot in das Öl und kaute gemächlich, was ihm einen bösen Blick vor der Sklavin einbrachte. Diesen ignorierte er gekonnt, aß in Ruhe sein Brot auf und erhob sich erst dann von dem kleinen Schemel, auf dem er gesessen hatte.
    Langsam machte er sich auf den Weg zu Sisenna und brütete dabei noch immer über seinen Gedanken. An der Tür angekommen klopfte er an, öffnete und trat dann dann ein. Eigentlich war er auch neugierig, wie es der jungen Herrin ging und es würde sich zeigen, ob ihre Lebensgeister wieder erwacht waren, was ein wenig Abwechslung im grauen Alltagstrott darstellen würde, dem er gefolgt war, auch wenn es für ihn nicht allzu viel zu tun gegeben hatte. Fast hatte sich ein wenig Müßiggang einstellen wollen, was Sofian noch niemals gut bekommen war. Er wollte etwas schaffen, etwas um die Hand haben. Am liebsten wollte er einen Stein bearbeiten oder aber einen blanken Untergrund bemalen. “Du hast mich rufen lassen?“, fragte er dann, als er den Raum betreten hatte und sein Blick traf die junge Herrin, in deren Gesicht so etwas wie Schuldbewusstsein stand.

  • Das lange Warten bekam Sisenna nicht gut, weil noch mehr Zeit für vorwurfsvolle Gedanken an sich selbst blieb. Sie rutschte auf dem Sessel hin und her, rieb die Hände, kratzte sich am Zöpfchen, räusperte sich und probte schon mal einleitende Worte. Sie zuckte zusammen, als sich Sofian plötzlich meldete. Als erstes legte sie den Kopf ein wenig seitlich, zog zweifelnd die Brauen nach oben und blickte aus niedriger Position schräg nach oben, um zu sehen, wie Sofians Gemütszustand ausfiel.


    "Jaa, das habe ich", antwortete sie langgezogen, um Zeit zu gewinnen. Sie musste wissen, wie er dachte, also fragte sie einfach. "Bist du mir böse, weil ich mich zuletzt nicht gut um dich gekümmert habe?"
    Weil sie etwas Angst vor der Antwort hatte, sprach sie schnell weiter. "Ich habe mir für uns was ausgedacht. Du weißt doch, ich habe selbst Pferde und morgen findet ein gaaanz großes Wettrennen statt. Ich möchte da gerne mit dir hingehen. Es gibt kostenlos Essen und Trinken, wir treffen viele fröhliche Menschen, sehen uns den Wettkampf an und ich habe eine Überraschung für dich." Sie sah ihm mit großen, erwartungsvollen Augen an. Sie wusste, wie sie Sofian eine Freude bereiten konnte und hoffte, er würde nicht mehr böse sein, falls er das war. Sie hatte aufgeschnappt, dass ihr Onkel neu investierte, das brachte sie auf eine Idee. Eigentlich hätte sie selbst darauf kommen können, wenn nur nicht diese Lethargie gewesen wäre. "Möchtest du raten?"

  • Sofian konnte nicht anders als sich bemustert zu fühlen. Die junge Herrin schaute ihn mit schräg geneigtem Kopf an und sie sah irgendwie nach kindlichen Selbstzweifeln aus. Ganz so, als ob sie irgendetwas verunsichern würde. Sie betätigte, dass sie auf ihn gewartet hatte. Etwas zu gedehnt, um wirklich eine spontane Aussage zu sein. Ob er ihr böse war? Sofian stutzte sofort und zog die Augenbrauen zusammen. Weil sie sich nicht um ihn gekümmert hatte? Er hob schon an zu sprechen, als Sisenna schon weiter redete. Also blieb er noch einen Moment stumm und hörte sich ihre neue Idee an, als Zuschauer zu einem Wettrennen zu gehen, wo kostenlos für Speis‘ und Trank gesorgt wurde. “Hm,“ stieß er aus und kam weiter in den Raum hinein. So weit, dass er schließlich vor ihr stand und fragend auf das Mädchen hinab blickte. Dieses äußerte nun, dass es eine Überraschung für ihn hätte. “Überraschung?“, wollte er wissen. Ihr Blick verriet ihm, dass sie nun eindeutig auf eine Reaktion von ihm wartete. “Ahm…,“ entkam es ihm aber nur. Ob er raten wollte? “Ich weiß nicht. Ich… eine Überraschung… also ich...“ Sofian zuckte mit den Schultern, lachte dann leise auf und ging schließlich vor Sisenna in die Hocke, um in etwas auf Augenhöhe mit ihr zu sein. Irgendwie schaffte sie es immer wieder, dass sie eine eigene mürrische Laune vertrieb, so wie sie es schon vor Wochen immer wieder geschafft hatte. “Ich weiß nicht, junge Domina. Vielleicht eine neue Tunika? Oder soll ich als Wagenlenker bei dem Rennen mitmachen?“ Seine Stimme klang nur sehr sanft und genau so, wie man zu einem Kind sprach. Dann lächelte er ein wenig einseitig.

  • "Oh, nein!", erwiderte Sisenna erschrocken auf die Idee mit dem Wagenlenker. "Stell dir vor, der Wagen kippt um und dir passiert etwas." Alleine die Vorstellung fand sie entsetzlich. "Nein, es ist etwas gaaanz anderes und ich verrate es auch nicht." Sie kicherte und sprang von ihrem Sessel auf, weil sie jetzt sicher war, dass Sofian ihr nichts nachtrug.
    "Eine Tunika fänd ich übrigens langweilig. Sowas denken sich doch nur Großmütter als Überraschung aus." Sie spielte die beleidigte und stellte sich mit verschränkten Armen vor ihn hin. Lange konnte sie jedoch nicht ernt bleiben. Ein Lächeln erschien und sie gab die abwehrende Haltung auf. "Ich möchte, dass du mir Zöpfe flechtest. Damit schlafe ich dann und morgen habe ich die schönsten Wellen. Wir gehen gleich nach dem Frühstück los, denn ..." Sie schlug die Hand vor den Mund. Beinahe hätte sie etwas verraten.
    "Wir machen jetzt die Zöpfe, ja? Am schönsten werden die Wellen, wenn du das Haar etwas anfeuchtest, bevor du flechtest." Sie grinste ihn an, drehte sich um, zog den Sessel mit aller Kraft und doch nur in kleinen Stücken zurecht und setzte sich hin. Ihr Blick zeigte zum Fenster, der Hinterkopf zu Sofian.

  • Sofian schmunzelte, als das Mädchen seine Bedenken äußerte, dass der Wagen umkippen könne. Es tat gut zu wissen, dass es jemanden gab, der das Leben seines Sklaven offenbar wert schätzte und es besänftigte ihn in gewisser Weise, auch wenn er seine Freiheit noch immer schmerzlich vermisste. Zwar hatte er es gut getroffen und mehr oder weniger Glück im Unglück gehabt, aber dennoch konnte er nicht aus seiner Haut. Jahre der Freiheit waren eben nicht immer mit Besorgnis aufzuwiegen. Doch welche Überraschung hatte Sisenna nun geplant? Nun war er doch ein wenig gespannt, während die junge Herrin kicherte und von ihrem Sessel sprang. “Ja, Tunikas sind nicht besonders spannend und du hast recht, eine Großmutter bist du wirklich nicht,“ erklärte er besänftigend, während Sisenna sich nun mit verschränkten Armen vor ihm aufbaute. Sofian erhob sich aus der Hocke und staunte dann nicht schlecht. Zöpfe sollte er flechten? “Ähm,“, ließ er verlauten und bemerkte, dass sich das Mädchen in ihren hastig hervor gebrachten Worten nun selbst ausbremste, ganz so als hätte sie kurz davor gestanden sich zu verplappern. Was war wohl diese Überraschung? Immerhin konnte diese von einem neuen Pony bis hin zu einem Garten für die Bienen reichen. “Gut, machen wir Zöpfe,“ sagte er dann aber und seufzte leise. Diese Art der Betätigung war nun nicht gerade seine Spezialgebiet. Zwar hatte er schon einmal die Haare seine Schwester geflochten als sie noch sehr viel kleiner gewesen waren, doch das war gewiss keine gute Grundlage, um zum Experten zu werden. Sisenna saß auch gleich darauf schon bereit.


    Sofian seufzte und griff nach einer Bürste und tauchte sie in Wasser, um die Haarpracht zunächst einmal zu kämmen und anzufeuchten. So weit war er also gekommen. Von einem anerkannten und guten Handwerker zu jemanden, der die Haare eines Kindes bürstete. In seinen Augen ein echter Fall, der an ihm nagte. Im Anschluss mühte er sich, einzelne Haarsträhnen zu finden und diese derartig übereinander zu legen, dass es zu einem guten Ergebnis kam. “Ich bin wohl kein guter Frisör,“ stellte er fest. Die Zöpfe waren krumm und schief, aber immerhin hielten sie einigermaßen und sie würden wohl auch ein nächtliches Lager überleben. Er warf die Bürste von sich, sodass sie auf dem kleinen Tischchen landete, von dem er sie genommen hatte. “Fertig!“ Er trat um Sisenna herum, um sie zu betrachten.

  • Sisenna fand, dass ihr Sklave bei fast allem, was sie vorschlug, mitspielte. So auch jetzt beim Zöpfe flechten. Hätte sie ein wenig nachgedacht, wäre ihr bewusst gewesen, dass Sklaven in aller Regel so eingestellt sein mussten. Da ihre kindliche Unschuld bislang nicht zwischen Angestellten und Sklaven unterschied und außerdem Sofian sich noch nicht lange in seiner Rolle befand, wirkte sein Auftreten aus Sicht des Kindes wie das eines ganz normalen freien Mannes, der sie mochte und deswegen lieb behandelte. In Sisennas Vorstellung waren ohnehin alle Menschen frei, etwas anderes konnte sie sich nicht vorstellen. Wäre sie älter, würde es keiner speziellen Vorstellung bedürfen, damit sie zumindest zwischen Sklaven und Freien in ihrer rechtlichen Position unterschied.


    Sie rutschte sich bequem zurecht und wartete darauf, dass Sofian begann. Immer darauf gefasst, dass er beim Frisieren an den Haaren ziehen würde, saß Sisenna mit eingezogenen Schultern auf dem Sessel. Sie atmete teils stoßweise, weil sie vor Spannung die Luft anhielt. Nach einer Weile, wo nichts passierte, entspannte sie sich jedoch.


    "Du kannst das fast so gut wie Cara", stellte sie fest, ohne des Ergebnis sehen zu können. Sie hoffte, nicht allzu entstellt auszusehen. Andererseits wartete nur noch das Bett auf sie und das besaß keine Augen.


    Als Sofian die Bürste wegwarf, zucke sie zusammen. "Fertig?", fragte sie noch einmal und überflüssiger Weise, bevor sie mit den Händen über das Werk auf ihrem Kopf tastete. "Hmmm." Sie verzog den Mund. "Ich weiß, dass ich sonst keinen Eierkopf habe", sagte sie schmollend. "Morgen früh hat hoffentlich Cara wieder Zeit. Es geht ihr nämlich nicht gut."


    Sie stand auf und strich ihr Kleid glatt. "Ich gehe jetzt schlafen und du kannst dir bis morgen einen Namen einprägen. Wir werden morgen einen Jungen finden müssen. Er ist Fahrer im Rennstall meines Onkels und heißt Ma-r-sya-s." Schon grinste sie wieder, weil es ihr Spaß machte, Sofian mit Ungewissheit und Fragezeichen zu verabschieden.

  • Sofian bezweifelte, dass er die Haare so gut flechten konnte wie die gute Cara. Deshalb verzog er ein wenig den Mund zu zuckte dann mit den Schultern, während der Zweifel ihm ins Gesicht geschrieben stand. Irgendwie wirkte das Mädchen nun wie eine Medusa, der wild gewordene kleinen Schlangen vom Kopf wuchsen. “Ja, fertig,“ bestätigte er noch einmal und grinste dann schief, als sie auf den Eierkopf zu sprechen kam, den sie ansonsten nicht hatte. “Ja, morgen ist Cara wieder da.“ Seine Worte klangen ein wenig beruhigend und in der Tat wäre er froh, wenn dem so sein würde. Er wusste nicht genau, was mit der Sklavin war und ob sie sich gut fühlte oder nicht, denn so oft war er mit ihr nicht in Kontakt gekommen. Überhaupt ging Sofian seinen Mitsklaven gerne aus dem Weg, weil er glaubte, dass ihre servile Art auf ihn abfärben würde, was bestimmt auch schon geschehen war. Außerdem war er eher ein Eigenbrödler, der es vorzog zu beobachten, als mitten im Geschehen zu stehen.


    Dann trat er zurück, als Sisenna verkündete, dass sie nun zu schlafen gedachte. “Marsyas,“, wiederholte er noch einmal und nickte dazu. Das würde er sich gewiss merken können und wenn nicht, so war er sich sicher, dass das Kind ihn ebenfalls nicht vergessen würde. Aber warum wollte sie einen Wagenlenker treffen? Diese Frage spiegelte sich kurz in seinen Gesichtszügen, doch er sprach sie nicht aus. “Dann wünsche ich eine gute Nacht, kleine Domina,“ sagte er stattdessen und wartete noch einen Moment, nicht sicher darüber, ob er nun entlassen war oder ob Sisenna noch etwas bemerken wollte.

  • Am Abend nach jener Rücksprache.


    Sich auf das Gespräch mit Sisenna vorzubereiten, fiel Menecrates schwer und auf eine Vorbereitung zu verzichten, konnte er sich nicht leisten. Kinder stellten viel schwierigere Verhandlungspartner als Erwachsene dar. Sie argumentierten unter Einsatz von Gefühlen und weniger mittels Verstand. Für sie gab es kaum Zwänge und sie lebten im aktuellen Moment. Im Grunde agierten sie klüger als viele Erwachsene, denn sich eine Zukunft auszumalen, ob nun voller Sorgen oder Glück, basierte zum Teil auf Fantasie. Jene Vorstellungskraft wurde von Erwachsene gern als Weitblick verkauft. Garantie für erwartete Wendungen gab es aber nie.


    Menecrates seufzte im Vorfeld, bevor er das Zimmer seines Mündels betrat.

    "Na, mein kleiner Sonnenschein, dein Onkel muss mit dir reden." Während er das auf dem Boden spielende Mädchen betrachtete, schallt er sich einen Feigling. Er konnte die Aufgabe nicht an irgendeinen Onkel abtreten. Er hätte besser sagen sollen: 'Ich muss mit dir reden.'

    Wieder seufzte er. "Der Apollon ist ja gestürzt." Er hoffte, sie fragte nicht, wann. Dann hätte er zugeben müssen, dass er diese Information schon seit Wochen zurückhielt. Um einer Zwischenfrage zuvorzukommen, sprach er schnell weiter.

    "Er kann nur noch schlecht laufen. Wir müssen überlegen, ob wir ihn erlösen." Ein Zugeständnis, was nicht auf seiner Agenda stand. Eigentlich wollte er die geplante Tötung ankündigen. In weiser Voraussicht hatte er selbiges noch nicht ausführen lassen.

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