[Im Osten des Reiches] Der Caesar auf diplomatischer Mission

  • Nach seiner Abfahrt aus Ostia hatte der Caesar den Seeweg nach Süden beschritten, entlang der italischen Küste. Die Trireme schoss über die salzigen Wellen, der Wind stand günstig. Es dauerte drei Tage, bis sie Rhegium erreichten. Dort hielt man sich nur kurz auf, auch wenn selbstredend die lokalen Magistrate ein großes Aufsehen um den Zwischenstopp des Caesars machten. Freilich verbreitete sich die Nachricht von seiner Reise zügig gen Osten, so dass er damit rechnete in jeder größeren Hafenstadt überschwänglich begrüßt (und vor allem durch Festivitäten und Gastmähler von der Weiterreise abgehalten) zu werden.


    Von Rhegium aus ging es für Appius Aquilius Bala weiter gen Nordosten Richtung Croton, bevor sie ostwärts schwenkten und Achaia ansteuerten. Dort wollte der Caesar Halt machen in Athenae. Er mochte diese Stadt sehr und die Aura vergangener hellenistischer Zeiten, die sie ausstrahlte. Auch wenn Bala also in diplomatischer Mission nach Armenia unterwegs war, gönnte er sich dennoch zwei Tage Rast in der ehemals bedeutenden griechischen Polis. Natürlich auch diesmal mit ausschweifenden Gastmählern, Schmeicheleien der Magistrate und allerlei Lobpreis. Auch der Proconsul Gaius Granius Silvanus ließ es sich nicht nehmen, aus Colonia Laus Iulia Corinthiensis anzureisen und mit dem Caesar ein Pläuschchen zu halten.


    Als es Bala zu viel wurde, reiste er weiter über das Mare Aegaeum nach Lycia et Pamphylia, wo er in Patara für eine Übernachtung anlegte. Der Legatus Augusti Pro Praetore Marcus Vettius Bolanus war entzückt über seine Einkehr und richtete - oh Wunder - ein Festmahl zu seinen Ehren aus. Verkatert und überfressen bestieg der Caesar tags darauf seine Trireme und musste an sich halten, um nicht seinen Magen in unwürdiger Weise über die Reling zu entleeren.
    Das nächste Ziel war Seleuca Pireiae, wo man final Anker werfen würde. Von dort aus wollte der Caesar gen Antiochia seinen Weg fortsetzen. Denn nach der ganzen Feierei galt es einen Mission zu erfüllen.

  • Antiochia, Perle des Ostens! Die syrische Provinzhauptstadt war eine der wenigen Reichsmetropolen, die an Rom in Größe und Pracht heranreichte. Mit an die fünfhunderttausend Einwohnern war diese Polis für antike Verhältnisse gigantisch. Am linken Ufer des Orontes liegend, erstreckte Antiochia sich nach Osten hin bis auf die Hänge vierer Berge, darunter die Montes Silpius und Staurinus. Die Polis hatte alles zu bieten, was eine römische Metropole ausmachte: Breite Prachtstraßen, Foren und Thermen, ein Amphitheater und einen Circus. Tyche wachte über die Polis und auch dem Göttervater Iuppiter hatte man hier noch zu Zeiten der Diadochen einen Tempel errichtet. Südlich von Antiachia war das Villenviertel Daphne der Stadt vorgelagert, dessen Nymphenhain zahllose Pilger anzog und Bares in die Kassen der hiesigen Geschäfte spülte.


    Appius Aquilius Bala war in Seleuceia Pieriae an Land gegangen und von dort nach Antiochia gezogen. Nun durchquerte er die Prachtstraßen Antiochiens und steuerte auf den Statthalterpalast zu. Die Ankunft des Caesars hatte sich herumgesprochen, so dass Menschen am Wegrand aufliefen und ihm zuwinkten. Manche streuten Blütenblätter auf die Straße. Der Caesar winkte den Leuten huldvoll zu, ehrlich berührt von dem freundlichen Empfang der Menschen. Der Osten des Reiches lag ihm schon immer am Herzen und er mochte, dass sie Herrschern ganz selbstverständlich zugetan waren, wie sie es seit Jahrhunderten gewohnt waren.


    "Und wo liegt deine nächste Etappe, Caesar?", fragte der Legatus Augusti pro Praetore Syriae Servius Genucius Faustulus. Nach einer nicht enden wollenden Begrüßung der Gesandtschaft waren sie endlich zu einem Gastmahl geladen worden. Die üblichen Begrüßungsfloskeln und Schmeicheleien waren ausgetauscht worden und Bala hatte sämtlichen höheren Provinzbeamten fleißig die Hände geschüttelt. Jetzt saßen sie in kleinem Kreis beisammen und tauschten sich über den Stand der Dinge aus. Neben dem Statthalter waren der Legatus Iuridicus, der Flamen Divi Augusti und der Procurator Augusti geladen worden.
    "Ich möchte nach Nordosten zur Grenze und dort die IV. Legion besuchen. Von dort aus werde ich nach Norden reisen und ebenso bei den Legiones XXX und XXIV Halt machen. Über Sebasteia und Salata - und die Legio XV - soll es dann vorangehen nach Armenia. Mein Ziel ist Artaxata."
    Der Statthalter nickte zustimmend. "Du möchtest also die Truppen inspizieren?"
    Bala winkte ab. "Nein, es sollen nur kurze Besuche sein, um die Kommandeure zu sprechen und ein Bild der Lage an der Grenze aus erster Hand zu bekommen. Du wirst mir sicherlich mitteilen, wie die aktuelle Lage ist, aber ich frage auch gerne die Legati selbst nach ihrem werten Befinden." Der Caesar lächelte jovial. Genucius Faustulus konnte dem nichts entgegensetzen, sondern stimmte bloß zu.


    Während sodann die Speisen aufgetragen wurden, erstattete der Legatus Augusti Pro Praetore Bericht über die Lage der Provinz, allem voran über die Beziehungen zu den Parthern: "Aktuell erhalten wir keine beunruhigenden Berichte von der Grenze, mein Caesar", ließ Genucius Faustulus Bala wissen. "Es ist vielmehr so, dass wir aus Parthia nur wenige sichere Informationen erhalten. Unsere Kontaktleute berichten zwar allerlei, aber gerade in Bezug auf manchen Kandidaten für den armenischen Thron machen sich viele Informationen mehr als Gerüchte denn als Tatsachenberichte aus."
    Bala spießte soeben Schnecken in Butter auf, die er sodann genüsslich vertilgte. "Mhmhm. Und was wird so erzählt? Was ist mit Pakoros, Sanatruces, Vologases und... äh... Tiridates?" Weitere Schnecken folgten. Sie mundeten Bala überaus.
    "Über Pakoros wissen wir wenig. Er scheint sich immer noch am parthischen Hof aufzuhalten. So ist jedenfalls mein letzter Stand. Aber womöglich ist er auch schon auf dem Weg nach Armenia, wer weiß? Sein Bruder Vologases soll vor zwei Wochen in Gazaca gesichtet worden sein. Er dürfte mittlerweile in Artaxata eingetroffen sein. Es heißt er sei als offizieller Gesandter des Osroes unterwegs. Sanatruces dagegen ist bereits in Artaxata, wo er sich häufiger im Tempel als im Palast aufhält."
    "Wie war noch gleich der Name des Gottes?", warf der Caesar hier ein.
    "Zarathustra", erwiderte Genucius, der als Kenner seiner Nachbarn keine Probleme mit der Aussprache des Gottesnamens hatte. "Also dieser Sanatruces lebt sehr zurückgezogen und hat bisher wenig Interesse an der hohen Politik gezeigt. Ebenso hat er wenige Unterstützer am armenischen Hof. Über seine Ziele ist uns deshalb auch nichts bekannt. Und Tiridates, zuletzt, lebt auf einem Landsitz bei Caenepolis. Wie man hört, wäre er nicht abgeneigt, seinem Neffen auf den Thron zu folgen."
    Bala hörte aufmerksam zu, nickte hier und dort, war letztlich aber nicht zufrieden mit dem Bericht des Statthalters. "Schade, Genucius. Ich hatte mir mehr Erkenntnisse von meinem Besuch hier erhofft. Nun gut, dann werde ich die Interessen der Kandidaten wohl vor Ort ausloten müssen. Können wir nun zum Lammbraten übergehen?" Süffisant lächelnd sah er Genucius an. Die anderen Anwesenden sahen betreten zu Boden. Eine solche Schelte mochte niemand vom Caesar - oder gar vom Kaiser selbst! - empfangen. Bala hingegen ließ sich gut gelaunt noch etwas Wein nachschenken. Heute würde er noch etwas feiern, bevor er seine Reise über Heerstraßen antrat und in unbequemen Militärbetten schlief!

  • Des Caesars Leibwache hatte das Lager einige Meilen östlich von Satala aufgeschlagen, nur einen halben Tagesritt von der armenischen Grenze entfernt. Es hatte den klassischen Charakter eines römsichen Militärlagers im Quadrat, von behälfsmäßigen Palisaden umringt und im Inneren von Zelten gesäumt. Natürlich entbehrte es aber nicht einer gewissen Pracht, auf die der Caesar auch im Gelände nicht verzichten wollte. Vor allem nicht, da er hier immerhin wichtige politische Persönlichkeiten zu empfangen gedachte. Oder jedenfalls solche, die zukünftig erhebliches politisches Gewicht haben könnten, je nach Ergebnis der Verhandlungen.


    Appius Aquilius Bala hatte sich schließlich dagegen entschieden, bis nach Artaxata zu reisen. Er hatte zunächst gemeint, Verhandlungen auf neutralem Boden wären am sinnvollsten. Nachdem ihm aber sowohl die Kommandeure der vierten und vierundzwanzigsten Legion sowie auch der Legatus Augusti Pro Praetore Cappadociae - den er in Sebasteia getroffen hatte - davon abgeraten hatten, hatte der Caesar sich umentschieden. Es war klüger, die möglichen Kandidaten für den armenischen Thron auf römisches Territorium einzuladen. Allein, um Stärke und Machtbewusstsein zu demonstrieren. Er vertrat immerhin das Imperium Romanum, das stärkste Reich der bekannten Welt!


    So hatte er seine Reise von Antiochia zunächst wie geplant über Zeugma, Samosata und Melitene fortgesetzt, wo er die jeweils stationierten Legionen inspizierte. Mit seinen Beobachtungen war er sehr zufrieden gewesen, so dass Bala gut gelaunt nach Cappadocia weiterzog, wo er über Sebasteia nach Satala strebte. Dort hatte er die fünfzehnte Legion inspiziert und anschließend mehrere Boten nach Armenia ausgesandt. Sie sollten den Kandidaten für den armenischen Thron die Einladung zu Gesprächen überbringen, die der Caesar nahe der Grenze führen wollte.


    Und hier war er nun, in einem geräumigen Zelt auf einem bequemen gepolsterten Stuhl, in seiner Rolle als Legatus Augusti, als kaiserlicher Gesandter. Ihm gegenüber saß Vologases, Prinz aus parthischem Königshaus und jüngster Bruder des Pakoros. Etwas abseits saß ein Schreiber mit überkreuzten Beinen auf dem Boden und hielt fest, was gesprochen wurde.
    "Ich danke dir für den Regen Gedankenaustausch", leitete Bala soeben die Verabschiedung des Vologases ein. "Der Imperator Caesar Augustus weiß sehr zu schätzen, dass du dem römischen Volk so viel Sympathie entgegenbringst."
    "Ich bin ein Freund des beiderseitigen Interessenausgleichs", entgegnete Vologases. "Es gereicht unser aller Völker nur zum Vorteil, wenn ein Ausgleich zwischen Rom und Parthia stattfindet."
    Sie sprachen Griechisch. Wein war gereicht worden und das Ausloten der gegenseitigen Interessen hatte in entspannter Atmosphäre stattgefunden. Diese konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sowohl der Caesar als auch Vologases angespannt waren und darauf lauerten, dass der jeweils andere bestimmte Interessen zu erkennen gab. Letztlich verabschiedete Appius Aquilius Bala Vologases mit höflichen Worten und wünschte ihm eine gute Reise zurück nach Armenia, wo er ein zeitweiliges Domizil beziehen wollte.


    Entgegen seiner anerzogenen Abneigung mochte Bala den jungen Parther. Er hatte eine freundliche Art, die auf seine Mitmenschen abstrahlte. Sie hatten sich nicht nur über Politik unterhalten, sondern zum Aufwärmen auch nett über Weinbau, Frauen, Festlichkeiten und Spiele geplaudert, wobei sie schnell gemeinsame Interessen festgestellt hatten.
    Nichtsdestotrotz war der Caesar als Legatus Augusti Pro Regno Armenia hergekommen und hatte einen Auftrag zu erfüllen. Vologases war der letzte Kandidat gewesen, den er treffen sollte. Pakoros hatte gleich abgesagt, die restlichen Kandidaten waren allerdings erschienen. Mit allen hatte er aufschlussreiche Unterredungen gehabt. Manche waren erfreulicher, manche weniger erbaulich gewesen. Am Ende jeder Unterredung hatte er nach Verabschiedung des Kandidaten seinen Bericht an den Senat über die Gespräche ergänzt. Nun konnte er den letzten Teil des Berichts fertigstellen und absenden. Dann stand seiner Heimkehr nach Rom nichts mehr im Wege.

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