Sisennas Bienenweide

  • Am Stadtrand Roms lag ein Grundstück, das ab sofort Sisenna ihr eigen nennen durfte. In Begleitung ihres Sklaven Sofian und einer Abordnung an Leibwächtern und sonstigen Begleitpersonen besuchte sie ihr Land heute zum ersten Mal. Eher durfte sie nicht aus dem Haus, die Unruhen mussten erst vollständig abklingen.


    Lange vor Erreichen der Stelle lugte sie aus der Sänfte. Sie mutmaßte oft falsch, aber schließlich wurde die Sänfte vor einem der Landstücke abgesetzt. Anders als vorhergehende Flächen stand hier kein Haus, auch keine Hütte, kein Brunnen oder sonst etwas. Die Fläche war von irgendjemand frei und sauber gehalten worden, bereit für eine Nutzung, welche auch immer.


    Sisenna rutschte vor und stellte die Füße auf den Boden.


    "Komm, lass uns einmal drüberlaufen und Schritte zählen“, forderte sie Sofian auf. Sie fasste seine Hand und zog an ihm, als sie losging. Da sie ihn aber nur in Bewegung bringen wollte, ließ sie bald los. "…dreiundzwanzig, vierundzwanzig, fünfundzwanzig.“ Sie blieb abrupt stehen. "Hier“, sie wies zu ihren Füßen, "soll ein Baum gepflanzt werden. Hier ist eine schöne Zahl.“ Sie blickte zu Sofian. "Wir müssen diese Stelle markieren. Du könntest ein Stöckchen in die Erde stecken.“ Die Grasnarbe war dicht und es müsste schon ein größeres Stöckchen sein, damit es über das Gras hinausragte und beim Einstecken nicht zerbrach. Bäume gab es auf ihrem Grundstück nicht, nur einzelne Büsche und viel Gras.

  • Natürlich hatte ich immer noch Zeit um mich um persönliche Belange zu kümmern und so machte ich mich auf um vor den Toren Roms meinen Landbesitz in Augenschein zu nehmen. Fast war ich an der bezeichneten Stelle, als ich innehielt um mich zu vergewissern, dass sich meine Augen nicht täuschten. Nein es war kein Irrtum, ein Stück von mir entfernt sah ich die kleine Claudia, welche ebenfalls Land von ihrem Onkel, dem Senator Claudius Menecrates geschenkt bekam.
    Schmunzelnd betrachtete ich den Eifer mit dem sie zugange war. Einzelne Wortfetzen drangen zu mir. Ich war mir nicht sicher ob sich das ganze mir richtig erschloss und ging langsam auf sie zu.
    Salve Claudia Sisenna,
    grüßte ich sie aus geringer Entfernung, damit ich sie nicht erschrak wenn ich sie plötzlich in unmittelbarer Nähe ansprach.

  • Wie immer war ich meiner kleinen Domina gefolgt. In den letzten Tagen hatte ich mir viele Gedanken gemacht, die allesamt um meine Familie gekreist waren, doch wie sollte ich diese Gedanken mitteilen? Der Aufstand um die Sklavin Varia hatte mich beschäftigt und irgendwie war ich betrübt darüber, dass er nieder geschlagen worden war. Wer konnte schon wissen, ob ich mich ihm angeschlossen hätte? Doch das war unfair von mir. Eigentlich hatte ich nichts auszustehen und ich mochte die kleine Sisenna. Aber auf der anderen Seite hielten mich die Umstände davon ab, meiner Berufung nachzugehen. Ich wollte auf meinem Gebiet arbeiten und glücklich werden, ohne den Launen eines Kindes folgen zu müssen. Dennoch stapfte ich neben der Sänfte her, bis diese abgesetzt wurde. Offenbar ging es um ein neues Grundstück. Natürlich für die Bienen. Welches Haus hätte man hier errichten können? Für eine arbeitende Familie. Ein Heim für Träume, dass nun würde für Bienen herhalten müssen. Ja, ich war verbittert, doch konnte man es mir verdenken?


    Sisenna wollte darüber laufen und ich folgte ihr wie immer. Die Schritte zählte ich nicht, sondern ich setzte nur einen Schritt von den anderen. Bei fünfundzwanzig blieb ich stehen. Genau hier sollte also ein Baum gepflanzt werden. Ich seufzte. Den Blick meiner Herrin begegnete ich mit einem gezwungenen Lächeln, bis ich angewiesen wurde, diese Stelle zu markieren. Nur womit? Meine Blicke grasten über das Gelände, doch außer einige Büschen war nichts zu sehen. “Ja, Domina,“ sagte ich nur knapp und hielt dann auf die Büsche zu. Es würde wohl reichen, eine Ranke abzureißen und sie in die Erde zu rammen, damit ein verdammter Baum dort Platz finden konnte. An den Büschen angekommen machte ich mich daran ein ganzes Büschel abzureißen, was ohne Messer nicht ganz einfach war. Die Säfte unter der Rinde waren frisch und das Gehölz erwies sich als überaus biegsam. Dann aber schaffte ich es. Ich drehte mich herum und bemerkte einen Fremden, der sich der Domina genähert hatte. Einen Moment lang war ich alarmiert, doch dieses Gefühl ließ bald nach. Bestimmt war es einer dieser Speichellecker, die sich über die junge Domina einen Zugang zu ihrem Vormund erhoffte. Langsam ging ich wieder auf die beiden zu, mit Stück Busch in der Hand. Bei ihnen angekommen machte ich mich daran, den abgebrochenen Ast in den Boden zu befördern.

  • Etwas bewegte sich im Gras, was Sisennas Aufmerksamkeit band. Während Sofian für die Platzmarkierung nach einem Stöckchen suchte, beugte sie sich hinab und untersuchte mit den Händen die Halme. Als sie etwas Glibberiges fühlte, zuckte sie erschrocken zurück und stellte sich aufrecht hin. "Ihh", entfuhr ihr, dann schüttelte sie sich. Doch die Neugier siegte. Sie hockte sich hin und begann erneut - dieses Mal vorsichtiger - die Grashalme zu untersuchen. Auf der Unterseite machte sie schließlich eine Entdeckung. Eine Schnecke mit Haus stülpte gerade ihre eingezogenen Fühler wieder aus und tastete sich mit dem Kopf nach vorn.
    "Du warst das also", sagte sie zu ihr und kicherte über sich selbst. Eine Schnecke stellte keinen Grund dar, sich zu erschrecken. Sie nahm das Haus vorsichtig zwischen zwei Finger und zog die Schnecke vom Halm. Dann setzte sie das Wesen auf ihren Handrücken, richtete sich auf und betrachtete es. Die zarten Fühler mit dem schwarzen Punkt am Ende interessierten sie besonders. Wenn sie einen berührte, zog er sich ein, um kurz darauf wieder zum Vorschein zu kommen. Obwohl es Spaß machte, beschloss sie, das Spiel zu unterlassen, denn sie wollte die Schnecke nicht ärgern.
    Gerade kam Sofian zurück und sie hielt ihm den Handrücken mit der Schnecke entgegen.
    "Sieh mal." Sie strahlte. "Wir müssen aufpassen, dass wir keine Schnecken zertreten."

    Als sie ihren Namen hörte, wandte sie sich der Stimme zu. Mit der freien Hand strich sie die vom Wind gelösten Haarsträhnen zur Seite, dann lächelte sie, weil sie den Mann erkannte.

    "Salve Fausti", erwiderte sie. Sie befand sich in einer Phase, wo sie Namen und Begriffen eine individuelle Note gab. Allerdings bei Personen probierte sie es zum ersten Mal aus. Sie wartete gespannt auf die Reaktion, doch zuvor hielt sie auch ihm die Schnecke auf ihrem Handrücken zur Betrachtung entgegen. Wieder lächelte sie.
    "Hab ich hier gefunden", erklärte sie lächelnd.

  • Fausti? Hörte sich lustig, verniedlichend an.
    Fausti freut sich das Sisenni gefallen an Schnecken findet, obwohl sie zur Plage werden können.
    Lächelnd kam der erste Teil meiner Antwort, ehe ich ernst fortfuhr
    Faustus hingegen hat ein Problem und würde gerne mit Sisenna darüber sprechen. Es ist etwas eher geschäftliches, ob sie dafür Zeit findet?
    Während ich die kleine Claudia beobachtet hatte war mir tatsächlich eine Idee gekommen. Mir war aber auch Aufmerksamkeit des Sklaven nicht entgangen. Als was sah er seine Herrin, als beschützentswertes oder als leicht zu steuerndes Objekt?

  • Sisenna legte den Kopf schief, weil sie so besser überlegen konnte. Sie wusste nicht, wieso Schnecken zur Plage werden konnten. Sie fand die Tierchen einfach nur süß, wenn sie ihr Köpfchen hoben und nach einer neuen Landestelle suchten. Einmal gefunden, zogen sie sich soweit es ging hinauf, bis schließlich der Griff reichte, damit sie hinten loslassen konnten. Durch das Gewicht des Hauses rauschte die Schnecke samt Halm nach unten, aber sie hielt sich immer gut fest und stürzte niemals ab.

    "Geschäftliches?", fragte Sisenna und überlegte, was das wohl sein könnte. "Ein bisschen Zeit habe ich, solange Sofian noch das Stöckchen sucht. Was ist das denn für ein Problem? Wenn du willst, kannst du mit mir auch zusammen die nächsten Schritte für das zweite Stöckchen zählen." Sie konnte sich kaum vorstellen, die Probleme von Erwachsenen zu lösen. Es gab nicht viel, was sie besser konnte als die Großen.

  • Nun, ja ich würde es schon als geschäftliches bezeichnen.
    Ohne dass ich es wirklich wahr nahm hatte ich mich den Schritten der kleinen Claudia angepasst, wobei ich überlegte, wie ich ihr meine Idee schmackhaft machen konnte. Ich kannte sie nur flüchtig und wusste nicht, denn schließlich war sie ja noch ein Kind, wie ausdauernd sie war. Dies war natürlich wichtig für mich, denn sonst stand ich im nächsten Jahr vor dem gleichen Problem.
    Entschuldige meine vielleicht dumme Frage, aber was macht ihr hier? Die Stöckchen haben haben aber bestimmt nichts mit den Schnecken zu tun oder?
    Wenn ich mich an unser erstes Zusammentreffen erinnere, war da die Rede von Bäumen und Blumen, für die jetzt die richtige Pflanzzeit ist. Außerdem bekam ich mit, dass du Besitzerin von Bienenvölkern wärst und sogar der Kaiserin Honig schenktest.
    Ich hielt inne und musterte sie aufmerksam.
    Hast du schon Bäume ausgewählt? Büsche, Sträucher und Blumen die über das ganze Jahr verteilt blühen?
    Es sollte nicht Schulmeisterlich klingen, mich interessierte aber schon, wie sehr die Kleine mit den Bedürfnissen der Bienen und der Imkerei vertraut war.

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