• Der Probatus bekam den Stich direkt an die rechte Schulter, weil er kurz seine Deckung fallen ließ. Das hatte er bereuen müssen. Gereizt, wie er ohnehin schon war, wurde er nun noch wütender. Und hier hatte er eine Chance, mal Dampf abzulassen. Über das Schild hinweg versuchte er einen Stich zur Schulter des Centurio.


    Ich stand noch immer im Glied mit den anderen, die wie ich den Kampf beobachteten. Das könnte noch lustig werden. 'Hoffentlich schlittere ich nicht selbst in solch eine Situation', dachte ich mir. Fast musste ich mir das Lachen verkneifen, so lustig sah der Probatus mit seinem hochroten Kopf aus.

  • Der Probatus war wütend, richtig wütend, sein Kopf hochrot, ob vor Anstrengung oder Wut konnte ich nicht genau sagen.


    Beinahe hätte mich aber dieser Gedanke teuer gekostet. Konzentrier dich! Ich darf mir keine Blösse geben! Im letzten Moment riss ich den Schild hoch und blockte damit den Stich des Probatus. Dann drang ich vor, mit kleinen und gut balancierten Schritten drängte ich auf den Probatus ein.


    An der Kante des Schildes entlang stach ich zu, traf auf einen Widerstand, dann drängte ich mit hoch erhobenem Schild nach und überrannte den Probatus.

  • Der Probatus wusste nicht, wie ihm geschah. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen das Scutum des Centurio, doch der drückte ihn einfach weg. Sein Scutum wurde zur Seite gedrückt, der Probatus selbst wurde niedergedrückt und lag nun auf dem Rücken, schwer atmend. der Aufprall hatte seinen Brustkorb kurzzeitig gequetscht und die Luft aus ihm herausgepresst. Langsam konnte er wieder Luft schnappen und sich aufrappeln.
    Ich hatte das ganze Schauspiel angesehen. Warum konnte der Centurio ihn einfach so überrennen? War das Gewicht vielleicht falsch verlagert? Ich hatte in diesem Augenblick nur Vermutungen und machte mir Gedanken, wie ich es selbst besser machen konnte.

  • Auch ich atmete etwas, aber doch war es noch lange, bis die Probati mir wirklich Mühe machen würden.


    Wie ihr seht, geht nichts über Erfahrung! Wer sagte mir, wann ich wie angreiffen muss? Mein Gefühl!


    Hat der Probatus etwas falsch gemacht? Wohl kaum! Hat er im Moment als ich angriff einen Schritt gemacht? JA! Und das reicht schon!


    Also, ich will jetzt Kämpfe sehen! 1 gegen 1 und zwar mit voller Kraft! Ihr sollt ja besser werden, nicht euch schonen!

  • "JA, CENTURIO!!!", sagten wir alle, sichtlich angeregt von dieser kleinen, aber sehr lehrreichen Lektion. Schließlich ging ich wieder zu Titus, meinem vorherigen Übungspartner.


    "In Ordnung, Titus, du hast ihn gehört! Keine Schonung!", sagte ich verschlagen grinsend.


    "Naja, zeig erstmal, was du draufhast, Probatus Pictor!" :D


    Nachdem das also geklärt war, nahmen wir Kampfbereitschaft ein und sahen uns grimmig an. Schließlich machte er den ersten Angriff. Sein Gladius kam schnell mit der Spitze über die Oberkante meiner Scutums. Ich musste schnell reagieren und tat einen festen Schritt nach hinten und machte gleichzeitig die standardmäßige Parade nach oben. Er nutzte die Gelegenheit um mich nach hinten zu drücken. Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen sein Scutum. Das Blatt begann sich langsam zu wenden. Wir beide stöhnten vor Kraftanstrengung. Schließlich nutzte ich einen unbedachten Schritt von ihm, um einen gezielten Stich mit dem Gladius zu versuchen. Ich traf seine Schulter. Kurz sah ich, wie sein Gesicht schmerzverzerrt zuckte. Ein Gefühl von Hochmut durchdrang mich und ich grinste ihn an. Der Kampf war für uns beide aufregend und lehrreich, weil jeder beim anderen abguckte und adaptierte. Immer wieder schossen Gedanken durch unsere Köpfe: was würde er wohl als nächstes tun? Wie pariere ich am besten?
    Dabei schauten wir uns starr in die Augen und wendeten nie auch nur einen Augenblick den Blick voneinander ab.

  • Nun gaben die Probati sich schon viel mehr Mühe! Natürlich waren die Bewegungen noch nicht rund, noch liessen sie sich nicht vom Gefühl leiten sondern hingen an den bereits geübten Abläufen fest, was sie natürlich einschränkte. Aber es sah wenigstens schon in etwa nach Kampf aus.


    Auf jeden Fall nicht schlecht für die erste Trainingseinheit.


    Los, weiter!! Nicht schlapp machen! Zeigt dem Gegner, was ihr könnt!

  • Wir hörten den Befehl des Centurio und sahen uns noch verbitterter in die Augen. Dampfwolken stoben aus unseren Mündern und der Schwieß rann uns über die Stirn. Alles um Titus und mich verschwomm und wir konzentrierten uns nur noch aufeinander. Die Geräusche um uns herum wurden gedämpfter. Dann setzte er zum Schlag von oben an. Ich machte einen Ausfall zur Seite und schlug dabei seinen Gladius hinweg. Er rannte fast ins Leere und bekam mich am Schild zu treffen. Ich drehte meine Hüfte weg und bot ihm keine Trefferfläche mehr. Dann ging ich schnell hinter ihn und stieß ihn mit dem Schild, sodass er fiel.

  • Einer der Kämpfe hatte endlich das gewünschte Ende gefunden. Ein Gegner lag am Boden.


    Genau so! Das ist es! Lasst gut sein für heute! Die Schilde und Schwerter wieder da nach drüben. Dann noch 5 Runden lockeres Laufen, damit ihr nicht steiffe Muskeln bekommt!

  • Ich hörte nicht ohne Befriedigung, wie der Centurio mich leicht lobte. Doch dann ging ich zu Titus und bot ihm die Hand an. Er zog sich daran hoch und schnaufte ausgiebig.


    "Mensch, Pictor! Wie hast du das hinbekommen? Das musst du mir irgendwann mal zeigen! Aber nicht heute, ich leg mich jetzt aufs Ohr und werde erst morgen wieder aufstehen!", sagte er lachend.


    "Ja, mach das!", sprach ich ebenso lachend.


    Dann nahmen wir alle unsere Ausrüstung und verstauten sie, wo wir sie hergenommen hatten. Der Weg zurück zur Kaserne war beschwerlich, da ich bleierne Beine vom Tragen des Scutums hatte. Aber das war normal. So ging ich langsam, aber mit glücklichem Gesicht zu den Unterkünften, machte aber vorher noch einen Abstecher zur Cantina, um dort zu speisen.

  • Wir drehten uns um und sahen den Centurio, dessen Gesicht hochrot war. Hatten wir etwas vergessen? 'Die 5 Runden!', sprang es uns allen in die Köpfe. Mit geduckten Kopfen liefen wir über den Platz und fünfmal um ihn herum. Dann standen wir vor dem noch immer hochroten Centurio. Keiner wagte etwas zu sagen. Ich würde die Strafe auf mich nehmen:


    "Centurio, es ist meine Schuld. Die anderen sind nur auf mein dümmliches Wort hin schon vorher gegangen! Nur mich trifft die Schuld!"

  • Probatus Pictor, oder? HALT DIE KLAPPE!!


    Ich hatte ja schon viel erlebt, auf dem Schlachtfeld und daneben, aber so etwas, in Friedenszeiten, in den ersten Tagen der Ausbildung, das musste SOFORT abgestellt werden!


    Was glaubt ihr eigentlich, wen ihr da vor euch habt? Alle zusammen! Bin ich etwa bloss ein dämlicher Hampelmann hier? Und wehe einer von euch masst sich noch einmal an zu sprechen, wenn er nicht gefragt wurde!!


    Ich kann mich noch deutlich erinnern, dass die erste Lektion lautete, ihr seid eine Manschaft! Ihr kämpft zusammen, ihr siegt zusammen, ihr sterbt zusammen und ihr tragt auch alle zusammen die Schuld!!


    Und wenn ihr eine Schlacht verliert, dann ist es auch scheissegal, wer nun was getan hat! Dann habt ihr verloren, und heute verliert ihr gegen mich!


    Und jetzt lauft! Lauft bis der erste umfällt, auf dass ihr lernt auf euren Centurio zu hören!

  • "JA, CENTURIO!!!!", riefen alle niedergeschlagen. Die Angst vor der nächsten Strafe gab uns regelrecht Flügel. Wir rannten plötzlich ohne Mühe 10 Runden und waren schon bei der Elften, als neben mir plötzlich Quintus umkippte. Ich brach sofort den Lauf ab und kniete mich neben Qunitus. Er war bewusstlos, weil er nichts getrunken hatte seit dem Morgen. Die anderen wurden auch langsamer und bildeten eine Traube um uns.


    "Wir brauchen etwas Wasser! Schnell!"


    Ein Probatus war mir eine Wasserkaraffe zu. Ich goss etwas davon über Quintus' Gesicht. Etwas davon träufelte ich in seinen Mund. Plötzlich wachte er hustend aus der Ohnmacht auf und riss die Augen auf.


    "Mann, Quintus, mach mir keinen Ärger! Wenn du kannst, lauf mit uns weiter. Wenn nicht, setz dich erstmal dort in den Schatten.", sagte ich leise zu ihm und zeigte zu einer Ecke, die unter einer Pappel lag.


    "Ich glaub ich schaffs!", sprach er und wollte sich aufrichten. Doch schon übermannte ihn Schwindel und er musste sich wieder hinsetzen.


    "Komm, ich bring dich dahin!", sagte ich freundlich zu ihm und brachte ihn zusammen mit einem anderen Probatus zu der Ecke und legte neben ihn die Wasserkaraffe.


    Schließlich sah ich ihm noch etwas zu, wie er langsam das Wasser trank. Dann rannte ich weiter.

  • Verdammt, habt ihr denn keine Ohren? Ich sagte BIS DER ERSTE UMKIPPT!! Das ist hier ja wohl geschehen, also bleibt endlich stehen, wenn ihr nicht dasselbe erleben wollt!


    Da drüben in einer Reihe aufstellen! LOS!


    Während ich noch völlig ausser mir diese Befehle brüllte, rannte ich hinüber an den Ort am andern Ende des Platzes, wo der Probatus hingefallen war und nun, von seinen Kollegen weggetragen etwas abseits lag.


    Geht's Soldat? Hier nimm erst mal einige Schlucke Wasser, aber langsam!

  • Zitat

    Original von Tiberius Classicus
    Da drüben in einer Reihe aufstellen! LOS!


    "JA, CENTURIO!!!", riefen wir alle. Ich badete förmlich in meinem eigenen Schweiß. Die Tunika klebte mir am Körper und die Haare hingen klatschnass herunter. Dennoch nahmen wir alle in einer Reihe Haltung an und sahen dem Centurio nach, der zu Quintus gegangen war, um ihm Wasser einzuflößen.


    Zitat

    Original von Tiberius Classicus
    Geht's Soldat? Hier nimm erst mal einige Schlucke Wasser, aber langsam!


    "Danke, es wird schon gehen. Meine Kameraden haben mich ja zum Glück in den Schatten gebracht.", sagte Quintus leise und mit erschöpfter Stimme. Immer wieder nahm er einen langsamen Zug aus der Karaffe. Es kehrte wieder Leben in ihn ein.


    Ich sah besorgt zu ihm, wusste aber, dass er wohl über den Berg war. Zuviel Sonne, zu wenig Flüssigkeit. Aber das würde schon werden; da war ich mir sicher.

  • "Ich denke, dass es geht.", sagte Quintus lächelnd.


    Er stand langsam auf und ging zu uns anderen. Ich nahm ihn "in Empfang" und hielt ihn leicht, sodass er sich an mir abstützen konnte. Ich hoffte, dass das in Ordnung ginge. Dann sah ich, wie der Centurio aus der Ecke zu uns herüber kam. Gemischte Gefühle hatte ich in diesem Augenblick. Einerseits dankte ich ihm dafür, dass er sich um meinen Kameraden und Freund gekümmert hatte, andererseits war ich noch etwas wütend auf ihn, dass er alle so hatte rennen lassen. Doch das war allein unsere Schuld.

  • "JA, CENTURIO!", riefen wir erschöpft.


    Quintus ging wieder normal neben mir einher. Zwar noch etwas entkräftet, aber wieder voll auf den Beinen redete er mit mir. Der Centurio hatte sich gut um ihn gekümmert. Wenn es hart auf hart kam, konnte ich mich auf meinen Centurio verlassen und das gab mir ein gutes Gefühl. Ebenso konnte ich mich auf meine Kameraden verlassen.
    Alle gingen zu dem Brunnen, der im Westen des Stützpunktes stand und gossen sich das kühle Brunnenwasser über Kopf und Körper. Ich tat es ihnen gleich und nahm mir auch eine Kelle. Das Wasser lief mir wohltuend frisch den Körper hinunter und tränkte den Platz zu meinen Füßen. Dann trockneten wir uns ab und machten uns auf den Weg zu unseren Unterkünften, denn jeder musste sich erst einmal ausruhen.

  • Gut gestärkt und ausgeruht machten wir Probati uns auf den Weg zum Exerzierplatz. Der Kommandeur wartete schon auf uns. Er war von normaler Statur und hatte braunes Haar. Er hatte eine Militärtunika an und trug einen Gurt darüber, der alles zusammenhielt. Schließlich formierten wir uns wieder zu einer Reihe und standen augenblicklich stramm.

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