Corvina legte mit kleinen, schlendernden Schritten also das Tempo ihres Spazierganges fest. Die Vögel sangen in den kunstvoll gepflanzten Bäumen, die hier und da mit ihren auslandenden Kronen ein wenig Schatten spendeten, während in der Sonne über den sorgsam gehegten Frühlingsblumen die Schmetterlinge tanzten.
“Deine Prämisse lässt sich wohl nur schwer widerlegen. Vermutlich lässt es sich durchaus so zusammenfassen, dass jeder gute Künstler auch ein guter Handwerker sein muss, aber nicht jeder gute Handwerker auch ebenso ein großer Künstler ist.“ Corvina war weder das eine, noch das andere. Oh, sie hatte schon auch ihre Talente. Ihre gewebten Stoffe unterschieden sich kaum von jenen ausgebildeter Weberinnen, die ihre Stoffe auf dem Markt feilboten. Ihre Stickereien waren fein und akkurat. Sie wusste, wie man Blumen band und arrangierte, konnte sich notfalls selbst die Haare so richten, dass sie vorzeigbar war, man sagte ihr eine schöne Singstimme nach und sie konnte dutzende von Gedichten und Schriften rezitieren. Sie hatte sogar ein leidliches Talent für das zeichnen. Dennoch würde sie sich nie anmaßen, mit auch nur einem Künstler verglichen zu werden, dessen Werk hier zu sehen wär, oder sich irgendwo in den Mittelpunkt zu stellen und mit dem kläglichen bisschen, dessen sie fähig war, anzugeben.
Sie kamen zu einer Niobidengruppe. Ein sterbender Jüngling, über seine tote Schwester gebeugt, beide von Pfeilen durchbohrt, und eine klagende Niobe über ihnen, die um das Leben ihrer Kinder zu flehen schien.
“Auch traurig, nicht wahr?“, meinte Corvinna leise, während sie das Werk betrachtete. “Was meinst du, hat Iulius Caesar und später Sallust dazu gebracht, diesen wundervollen Garten nicht nur mit Statuen der Venus, sondern auch mit solch traurigen Szenen wie dieser oder dem sterbenden Gallier zu füllen?“