Gute Zeiten, schlechte Zeiten

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…a_arbeitszimmer_klein.png "DAS", polterte Witjon, "ist eine Katastrophe!" Es war mehr als deutlich zu sehen, wie sehr den Curator Consortii die derzeitige Situation verärgerte. Er stand hinter seinem Schreibtisch und wedelte mit einem Schriftstück vor den Augen seines Sekretärs Marcus Caesius Tucca herum. "Wie kann es sein, dass uns seit Wochen kein Marmor mehr erreicht? Eh? Wie geht das? Sag es mir, Caesius!"


    Der junge Mann schluckte. Ihm hatte es die Sprache verschlagen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Curator Consortii an und wusste offensichtlich nicht, was er sagen sollte. Er konnte ja auch nichts dafür, dass es Lieferängpesse gab. Dies ergab sich aus dem Schriftstück in Witjons Händen, das eine Aufstellung der kürzlichen Produktionsmengen enthielt. Und da haperte es an einigen Stellen, wie sie hatten erkennen müssen.


    "Und wo bleibt das Gold? Wie soll ein Goldschmied arbeiten ohne Rohstoff?" Witjon knirschte sauer mit den Zähnen, schnaufte und war kurz davor die Produktionsaufstelleung quer durch den Raum zu schmeißen. Schließlich riss er sich aber zusammen und knallte sie nur lautstark auf den Schreibtisch. Caesius zuckte dennoch zusammen.
    "Das geht so nicht mehr weiter", entschied Witjon. "Verus hat lange genug den Schlendrian geübt. Seit er sich wieder auf's Land verzogen hat, sind die Zustände unhaltbar. Ich werde das nicht länger tolerieren."


    Marcus Caesius Tucca nickte. Vorsichtig wagte er eine Nachfrage: "Was schwebt dir also vor?"


    Witjon hielt angesichts dieser Frage kurz inne und überlegte. Es wirkte als würde er verschiedene Möglichkeiten abwägen, aber eigentlich hatte er sich schon vor der Frage seines Sekretärs entschieden. "Jemand anderes wird seinen Platz im Consortium einnehmen", sagte er grimmig.


    Sein Sekretär nickte. Ihm war es egal, dass Witjon gerade seinen Vetter faktisch aus dem Consortium schmiss. Hauptsache er wurde nicht weiter angemeckert. "Wer soll ihn ersetzen?"


    Auch auf diese Frage hatte Witjon bereits eine Antwort. "Bestelle Amon für morgen ein. Er wartet lange genug auf eine Beteiligung an den Geschäften." Dafür war es nun so weit. Amon war seit gefühlten Ewigkeiten Vorsteher des Verkaufs, hatte aber nie selbst Anstalten gemacht, einen eigenen Betrieb zu führen. Witjon fand, dass es jetzt endlich an der Zeit war. Er konnte einen neuen tüchtigen Socius Consortii gebrauchen. Amon war seines Erachtens genau der richtige Mann hierfür.

  • Der Curator Consortii hatte ihn in die Villa Duccia gebeten. Amon hatte dieser Bitte selbstverständlich Folge geleistet. Wenn der Chef rief, verlor man lieber keine Zeit. Besonders in diesen Tagen, da die Geschäfte in Teilen eher schleppend liefen. Soweit Amon wusste, waren die landwirtschaftlichen Betriebe des Handelskonsortiums nicht betroffen. Alles im Bereich des Bergbaus und daran anschließender Produktionsstätten hingegen litt unter Rohstoffmangel. Amon hatte das im Verkauf spätestens dann gespürt, als ihm die Blancostücke für Weihesteine ausgegangen waren und das Pelzlager leer gewesen war. Ein unhaltbarer Zustand, so viel stand fest! Aber weshalb er heute in der Villa Duccia antanzen sollte, das war Amon schleierhaft.


    So oder so, er würde sich überraschen lassen. Und so folgte er an diesem Morgen zu früher Stunde dem Ianitor - dem knurrigen alten Albin - zum Arbeitszimmer des Hausherrn und trat ein. "Salve Duccius", begrüßte er den Curator Consortii. Ein Gähnen unterdrückend erwartete er nun den Grund seines Herkommens.

  • "Guten Morgen Amon", erwiderte Witjon den Gruß seines tüchtigen Angestellten. Er wies auf einen bereitstehenden Stuhl. "Setz dich." Dann kam er direkt auf den Grund dieser Unterredung zu sprechen: "Du weißt, wir haben momentan akute Lieferengpässe bei Marmor, Pelzen, Wildbret, Gold und noch so manch anderer Ware. Ich will ganz offen sprechen: Mein Vetter lässt seine Geschäfte schleifen und schadet damit dem Handelskonsortium. Ich entziehe ihm deshalb seinen Geschäftsbereich - was ihn im Übrigen kaum betrüben dürfte - und übertrage ihn dir."


    An dieser Stelle hielt Witjon kurz inne und gab Amon Zeit, diese Verkündigung zu erfassen, zu verstehen und zu verarbeiten. Nach einem Augenblick fuhr er aber schon wieder fort: "Amon, ich ernenne dich hiermit zum Socius Consortii des Handelskonsortiums Freya Mercurioque. Dir werden vier Betriebe übertragen, die zuvor in Phelans Zuständigkeit lagen: Der Jäger, die Goldmine, der Marmorbruch und der Steinmetz. Ich werde dich mit den nötigen Kapital ausstatten, um unverzüglich wieder mit einer geregelten Produktion fortzufahren."


    Witjon erhob sich nun und reichte Amon die Hand. "Herzlichen Glückwunsch." Nun gestattete er sich auch ein breites Lächeln, denn er freute sich für seinen langjährigen und tüchtigen Angestellten. Amon hatte es verdient.

  • Dankbar nahm Amon den Sitzplatz an. Er ließ sich nieder und hörte zu. Nickend nahm er zur Kenntnis, was Duccius über die Lieferengpässe sagte, die ihm ja bereits selbst aufgefallen waren. Amon ließ selbstverständlich die Bewertung von Duccius Verus' kürzlichen (Nicht-) Leistungen für das Konsortium unkommentiert. Es stand ihm seiner Meinung nach nicht zu, den Vetter des Curators in irgendeiner Weise zu kritisieren. Und das war ja offensichtlich auch nicht notwendig, denn Marsus hatte das Problem ja selbst erkannt.


    Was dann jedoch kam, verschlug Amon die Sprache. Hatte er richtig gehört? Er bekam den gesamten Geschäftsbereich übertragen? Vier Betriebe? Vier auf einmal? Und es kam noch besser. Konsequenterweise ernannte Marsus ihn zum Socius Consortii. Amon wusste gar nicht, wie ihm geschah. Auf einen Schlag erfüllten sich all seine Wünsche.


    "Danke!", sagte er letztlich. Man merkte ihm seine völlige Überraschung deutlich an. "Das ist äußerst großzügig..."

  • Witjon winkte ab. "Du hast langejährig gut Arbeit für das Konsortium geleistet. Es ist höchste Zeit, dass du nicht mehr bloßer Angestellter bist, sondern selbst Verantwortung übernehmen kannst." Er lächelte aufmunternd. Natürlich war Amon jetzt erstmal baff. Witjon hatte selbst erlebt wie es ist, wenn man vom einfach Schreiber zum Betriebseigner aufsteigt. Schließlich hatte er es ja sogar an die Spitze des Handelskonsortiums geschafft.


    "Wir werden einfach einige Monate lang sehen, wie die Betriebe unter deiner Führung laufen. Sollte sich der Bedarf nach weiteren Umstrukturierungen zur Optimierung der Produktionsabläufe und Transportprozesse ergeben, können wir dann immer noch einmal Handeln", erläuterte Witjon weiter. "Die entsprechenden Urkunden wird mein Sekretär dir morgen aushändigen. Ich schlage vor, dass du dann einen Rundgang durch deine neuen Betriebe machst und eine Stellenausschreibung auf dem Forum anbringst. Wir brauchen dann immerhin einen Nachfolger für dich bei unseren Verkaufsständen." Er grinste schief und zwinkerte Amon zu. Witjon war zuversichtlich, dass Amon mit der neuen Aufgabe zurechtkommen würde.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!