Von Langeweile und Denunzianten

  • Streife. Eine beinahe alltägliche Aufgabe der einfachen Soldaten der Cohortes Urbanae hier in Rom. Aber Canus kam dies in der Regel recht. Durch die Straßen der Stadt zu streifen war in seinen Augen wesentlich angenehmer als in der Castra zu versauern. Sicher, dort gab es auch genügend zu tun. Aber jeden Tag Ausbildungsinhalte wiederholen, so wichtig Drill auch sein mochte? Nein, das war nichts für ihn. Jeden Tag in einem Officium versauern? Der Quintilier hoffte nur, dass man ihn niemals in solch eine Position schieben würde. Sicherlich machte er sich auch Aufstiegsgedanken, aber nicht in Richtung der Verwaltung oder Sanität. Er wollte schlicht und einfach Soldat bleiben und erwartete dabei keine Höhenflüge, die wollte er auch gar nicht. Glücklicherweise war es recht ruhig. Sicher war es auf dem Aventin nicht allzu schön, doch es war immer noch eine ganz andere Qualität als in der Subura – aber diesbezüglich hatte Canus ja schon eine Hiobsbotschaft erhalten, mehr oder weniger. Sicher würde in Zukunft der Dienst in der Subura genügend Gelegenheiten für Spannung mit sich bringen, aber dies ging natürlich mit bestimmten Gefahren einher.


    Doch gerade, als er diese Gedanken zu verfolgen versuchte, kam ein Mann auf die Gruppe Urbaner zu. Er schien sichtlich erregt und die Streife stoppte. „Ich... ich habe sie gesehen!“ begann der Mann zu stammeln, er war ein wenig außer Atem. Der Dienstälteste des Contuberniums verzog seine Augen und blickte den Fremden an. „Wen hast du gesehen?“ war schließlich die folgerichtige Frage. „Da vorn! Die jungen Frauen! Christen! Die eine hat von diesem... ihr wisst schon wen ich meine, gesprochen! Das sind diese verdammten Christen!“ erwiderte der Fremde ziemlich nebulös und deutete mit ausgestrecktem Arm, mit seinem Zeigefinger, auf eine Gruppe junger Frauen, die etwas weiter entfernt auf der Straße standen und sich unterhielten. „Ich habe sie zur Rede gestellt, doch sie leugnen es!“ fügte der etwas lebensältere Mann hinzu. Der Älteste des Contuberniums wandte sich an Canus und verdrehte dabei die Augen. „He, Canus, meinst du, dass du mit einer Gruppe Mädchen klar kommst?“ Dies führte dazu, dass der Quintilier wiederum sein Gesicht etwas verzog. „Toller Scherz. Ich schau' mir das mal an, aber nicht, wenn er hier mir die ganze Zeit dazwischen redet,“ erwiderte der Quintilier wenig begeistert und deutete kurz auf den fremden Mann, der allmählich seinen Atem wiedergefunden hatte. Der Dienstälte des Contuberniums nickte und wandte sich dann wieder dem Fremden zu, um dessen Anschuldigung aufzunehmen und sich seine Sicht der Dinge anzuhören, eine ebenso undankbare Aufgabe. Und während die übrigen Kameraden nun ihre Füße ein wenig schonen konnten, setzte Canus sich in Bewegung, um sich mit der Gruppe junger Frauen auseinanderzusetzen. Sicher, die Christen waren ein Übel. Doch das damit einhergehende Denunziantentum war ein ähnlich großes Übel.


    „Salvete,“ begrüßte der Quintilier die Frauen, als er bei dem Grüppchen ankam und sein Scutum vorsichtig auf dem Boden abstellte, um seine linke Hand darauf abzustützen. „Hat dieser Mann euch belästigt?“ fragte Canus und deutete kurz in die Richtung, aus der er gekommen war. Er wählte bewusst einen derartigen Einstieg in dieses Gespräch, doch er glaubte nicht wirklich daran, dass an den erhobenen Anschuldigungen wirklich etwas dran war. Warum auch? Nur weil jemand über das Christentum redete? In dem Falle könnte man vermutlich einen Großteil der Einwohner entsprechend strafen. Mit seinem Blick musterte er kurz jede der Frauen, eine ansehnlicher als die andere, doch dies sollte für ihn gerade weniger von Interesse sein.

  • Caerellia wirkte von außen wie eine ganz normale junge Römerin. Nichts wies auf die Strapazen vor wenigen Wochen hin. Keine Spuren waren mehr davon zu sehen. Auch ihre Wunde am Hals war verheilt. Doch sie war nicht gesund, denn ihre Seele war noch immer schwer verwundet. Ihre Familie konnte ihre körperlichen Wunden versorgen, doch ihre Seele blieb unversorgt. Albträume plagten sie so sehr, dass sie schweißgebadet nachts aufwachte. Sie hatte vor der Dunkelheit und vor der Einsamkeit Angst. Und doch konnte sie sich niemanden öffnen. Sicherlich hatte sie ihre Familie über den Inhalt des Verhörs in Kenntnis gesetzt, doch vieles hat sie unerwähnt gelassen. Weil sie Böses getan hatte und niemand würde ihr das verzeihen. Wer würde sie schon verstehen können. Caerellia war sich eines bewusst, wenn sie ruhig und verschlossen sein würde, dann würden die Fragen nicht aufhören. Sie musste so tun, als wäre sie wieder auf den Weg der Besserung, dass alles wieder gut werde könnte. Doch schon den Schritt, welchen sie heute machte zeigte, dass nicht alles in Ordnung war.


    Sie befand sich auf dem Aventin in der Nähe des Tempels der Iuno. Weit weg also von der Domus Iunia. Natürlich war sie nicht alleine. Ein neuer Custos stand ihr zur Seite. Sie hatte auch zu diesem Mann keine wirkliche Beziehung. Nicht so wie sie es zu dem ehemaligen Gladiator in Mogontiacum hatte. Das war auch besser so. Es wurde ihr dadurch noch mehr Schmerz erspart. Carellia trug eine lavendelfarbige Tunika und schritt mit ihren Custos gerade am Tempel entlang. In der Nähe des Tempels befanden sich Händler, die Blumen oder Weihrauch als Opfergaben an Iuno verkauften. Zwei junge Frauen standen in der Schlange vor einem der Stände, welcher Blumen verkaufte. Ein kleiner Junge war bei ihnen und zappelte nervös herum. Dabei stieß er an eine der beiden junge Frauen und ihre Münzen vielen auf den Boden. Caerellia bemerkte dieses Missgeschick und blieb stehen um der junge Frau zu helfen die Münzen aufzusammeln. Auch ihre Freundin half. Nicht das ein Langfinger schneller war. Das Mädchen wirkte sichtlich nervös und dankte Caerellia. So kamen die drei Mädchen ins Gespräch und sprachen nur über den lieblichen Duft dieser exotischen Schätze auf dem Stand. Aber alles änderte sich, als ein Mann und eine weitere Frau auf den Stand zukamen und anscheinend eine der Gesprächspartnerinnen von Caerellia kannten. Worte kamen nun über die Lippen dieser Frau, die alles andere als freundlich waren. Schlimme Dinge hatte sie über sie zu sagen und ja man bezeichnete das junge hellbraune Mädchen bei Caerellia als Christin. Scaevina, so lautet ihr Name, zuckte zusammen und der Mann, der mit dieser tratschenden Frau kam, war dadurch so aufgebracht, dass er begann Scaevina zu drohen und dann davon lief um Soldaten zu holen. Das tratschende Weib machte sich dabei aus dem Staub. Sie wollte auf keinen Fall da hineingezogen werden. Caerellia sah dem Mann nach, glaubte aber nicht mehr daran, dass er zurückkommen würde. Sie hoffte es jedenfalls. Nein, es interessierte sie nicht. Das was sie hörte, war viel interessanter. Innerlich musste sie schmunzeln. Sie konnte nie glauben was sie da gehört hatte. Sie war doch tatsächlich einer Christin in die Hände gelaufen, wenn das stimmen sollte.. Aber was machte sie hier? Warum kauft sie Opfergaben für Iuno?
    "Das...das ist nicht wahr was die Frau sagt. Ich bin keine von denen. Ich will doch in den Tempel der Iuno gehen.", sagte sie an Caerellia gewandt. "Ich glaube dir. Diese Frau hatte doch nur Unsinn zu sagen. Kauf dir schnell die Blumen und dann gehen wir in den Tempel.", versuchte Caerellia sie zu trösten und der kleine Junge sah zwischen den beiden Römerinnen hin und her. Die andere sagte gar nichts, was wohl auch besser so war.
    Glauben. Das war das Wichtigste. Das man jemanden glaubte, was er sagte. Ihr hatte niemand geglaubt. Bis sie zeigt auf welcher Seite sie stand.


    Gerade eben wollten sie zum Tempel der Iuno aufbrechen, als sie doch tatsächlich von einem Miles angesprochen wurden. Caerellia sah kurz zu ihrem Custos. Sie wusste genau warum der Soldat hier war. Die Iunia musterte Canus, der nach seiner Begrüßung sofort auf den Verrückten zu sprechen kam. Die beiden anderen Mädchen waren viel zu eingeschüchtert um zu sprechen. Und Caerellia war viel zu sehr davon ergriffen, dass sie hier tatsächlich auf eine Christin gestoßen war, dass sie sich nun zurückhalten konnte.


    "Salve! Du solltest ihm keinen Glauben schenken. Ich denke er ist verrückt. Er weiß nicht was er sagt und beleidigte meine Freundin und somit uns alle." Dabei meinte Caerellia sich selbst, den Jungen und das andere Mädchen. "Und er jagt uns Angst ein." Das entsprach sogar der Wahrheit. Sie hoffte nur der Legionär glaubte ihr und nicht ihm. Denn dann wären sie wirklich in Gefahr. Aber wenn Scaevina wirklich eine Christin war, dann musste sie ihr helfen. Denn sie wollte ihr Vertrauen gewinnen. Weiter wollte sie nicht darüber nachdenken, denn was für schreckliche Gedanken hatte sie nur. Aber das war ihre Pflicht. Das war der richtige Weg.

  • Es war wahrlich eine undankbare Aufgabe, der der Quintilier hier nun nachgehen musste. So sehr er auch an den Vorwürfen des Mannes zweifelte, so musste er ihnen doch nachgehen und das schmeckte ihm gerade nicht. Canus betrachtete sich selbst zwar als guten Soldaten, aber Befragungen? Nicht unbedingt seine Stärke oder zumindest nicht sein Interesse. Viel konnte er an dieser Stelle vermutlich ohnehin nicht tun, außer auf die ein oder andere Art etwas Druck auszuüben. Und wenn die Anschuldigung doch stimmen sollte, so wäre vermutlich keiner der Beteiligten so dämlich gewesen, sich irgendwie weiter verdächtig zu machen. Alles in allem also ein recht überflüssiges Unterfangen, jedenfalls sah der Urbaner dies zunächst einmal so.


    Zwei Frauen, ein Junge und ein weiterer Mann, dem Anschein nach wohl ein Begleiter der Frauen. Die Anschuldigung des aufgeregten Fremden hatte dabei den Frauen gegolten, weshalb er auch eben diesen zunächst seine Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Eine der Frauen antwortete dem Miles schließlich auch und wies die Anschuldigungen zurück, betitelte den Kerl als verrückt und so wie dieser sich gab, war dies auch nicht unbedingt von der Hand zu weisen. Der Quintilier seufzte kurz, blickte einen Moment in die Augen der Frau mit der lavendelfarbigen Kleidung. „Verrückt, hm? Er wird euch hier nicht weiter belästigen, irgendeinen Tumult können wir nicht brauchen. Dennoch kann dies ja nicht von ungefähr kommen. Mit wem habe ich es eigentlich zu tun?“ wollte der Quintilier sich schließlich vergewissern, wen er hier vor sich hatte, als sein Blick dann aber auch die andere Frau traf. „Und du, hast du zu diesen Vorwürfen gar nichts zu sagen?“ sprach er zwar ein wenig schroff, aber dennoch neutral in Richtung der erklärten Freundin der ihm bisher unbekannten Iunierin. Auch überprüfte er mit seinem Blick kurz den Jungen und den männlichen Begleiter der Frauen, welche sich jedoch recht still verhielten. Aber sie waren auch nicht Gegenstand der Anschuldigungen gewesen, also hoffte Canus einfach nur, dass sie keinen weiteren Ärger verursachen würden.


    „Wem ich allerdings Glauben schenken sollte und wem nicht, das entscheide ich immer noch selbst,“ vorausgesetzt, es wurde ihm nicht befohlen, aber das musste er jetzt nicht unbedingt so aussprechen. So wollte er aber die Worte der Frau noch einmal aufnehmen, welche sich bisher als einzige geäußert hatte. Es widerstrebte ihm zwar so mit einer Frau zu sprechen, doch das musste er im Dienst wohl oder übel hinten anstellen. „Euch ist hoffentlich klar, was solch eine Anschuldigung, sollte sie denn stimmen, nach sich ziehen kann? Aus diesem Grunde: Die Namen.“ So wandte er sich nun an alle Beteiligten. Er wollte diese zumindest festhalten, falls sie in Zukunft doch noch einmal interessant werden sollten. Doch insgesamt bezweifelte er dies. Er bezweifelte auch, dass dieser Vorfall noch irgendwelche Konsequenzen nach sich ziehen würden – je nachdem, wie alle Beteiligten sich verhalten würden. Vor allem auch der aufgeregte Mann, der all dies erst ausgelöst hatte.

  • Caerellia hatte keine Zeit nachzudenken. Es ging alles so schnell. Erst die Identifizierung Scaevinas als Christin und dann dieser Tumult. Aber eins war ihr bewusst. Sie musste eine gute Römerin sein. Es gab eine Zeit, da hatte sie nicht verstanden wer gut und wer böse war. Sie hatte sich verleiten lassen. Doch die Christen waren das verführerische Böse. Das hatte sie am eigenen Leib spüren müssen. Durch diese Sekte wäre sie fast für immer verdammt gewesen. Sie wussten wie man manipulierten und sie taten es im geheimen. Es war nicht leicht an ihnen heranzukommen. Doch Scaevina war vielleicht ihre Chance. Und wenn sie nur ein paar Namen von ihnen erfahren würde. Dieses Mädchen vor ihr, war nicht wie sie. Auch wenn sie so wirkte. Sie war falsch. Deswegen hatte sie sich für Scaevina eingesetzt, um sie zu hintergehen und es fiel ihr so leicht zu lügen. Zu leicht. Das hatte sie bereits damals gemerkt.


    Sie schenkte ihre ganze Aufmerksamkeit wieder dem Miles. Sollte sie sich dafür bedanken, dass man diesen Verrückten von ihnen fernhielt? Sie lächelte ihm erleichtert bei dieser Bemerkung von ihm zu, doch dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig. Sie waren noch immer verdächtig und der Mann vor ihr schien sehr strebsam und genau zu sein. Er wollte Namen. "Es war nicht der Mann, der solch eine Anschuldigung machte und behauptete eine von uns wäre Christin. Es war eine Frau, die.." Caerellia sah sich um. "...spurlos verschwunden ist." Diese Hexe hatte sich doch tatsächlich aus dem Staub gemacht. Obwohl sie hätte sich bei ihr bedanken müssen. Dann giftete der Miles Scaevina an, die noch immer am ganzen Leib zitterte. So hätte Caerellia vor ein paar Wochen auch noch reagiert, doch eine solche Schwäche ließ die junge Iunia nicht mehr zu. "Sie hat Angst vor dir.", antwortete Caerellia für Scaevina. Der Junge versteckte sich nun hinter Sceavina und Caerellias Custos warte auf Befehle von seiner Domina.


    Caerellia nickte bei seiner Warnung, dass er entscheiden würde, wem er glaubte oder nicht. Sie musste ihm von Scaevinas Unschuld überzeugen. Nur so würde ihr Plan funktionieren. Es war nicht nur schwierig, sondern auch gefährlich und das machte er mit seinen nächsten Worten mehr als deutlich. Er wollte die Namen, aber die kannte Caerellia nicht einmal. Es war riskant ihren eigenen Namen zu nennen. Doch so kompliziert durfte sie jetzt nicht denken. Sie konnte Scaevina immer noch sagen, dass sie den falschen Namen angegeben hatte. "Ich bin Iunia Caerellia und ich weiß was uns erwartet, wenn sich diese Anschuldigung bewahrheitet, Miles.", antworte sie ihm leicht nervös. Sie sprach in bewusst mit Miles an, da sie hoffte, dass er vielleicht so auch seinen Namen offenbarte. Dann zeigte sie auf ihren Leibwächter. "Das ist mein Custos." Langsam fand auch das dunkelblonde Mädchen ihre Stimme wieder. "Ich bin Rutilia Scaevina und das ist mein Bruder Appius.", antworte Scaevina schüchtern. Das waren also ihre Namen. "Nimmt der Soldat uns nun mit?", fragte der kleine Appius verängstigt und sah zu seiner Schwester hoch. Appius war wohl sechs oder sieben Jahre alt. Älter schätze ihn Caerellia nicht. "Wenn wir unschuldig sind dann nicht.", sagte Caerellia zu dem Jungen. "Aber siehst du Appius. Einen Christen kennzeichnet nicht ein äußeres Merkmal. Und auch kein Miles kann vollkommen sicher sein, ob wir welche sind oder nicht. Doch wenn er uns genau betrachten würde, könnte er sehen, dass wir Opfergaben für Iuno gekauft haben. Das würde doch kein Christ tun." Ging sie hier zu weit? Sie kannte Canus nicht und wusste nicht wie er mit Kritik umgehen würde. Doch vielleicht war es klüger, seine Aufmerksam auf sie zu lenken, anstatt auf die wirkliche Christin.

  • Tatsächlich? Eine Frau, welche nun verschwunden war, hatte die Anschuldigung gegenüber den Beteiligten hier erhoben? Die Frau ließ ihren Blick schweifen, stellte dabei auch fest, dass diese fiktive Person verschwunden war. Canus seufzte kurz, senkte für einen Moment seinen Blick und richtete ihn dann wieder auf die ihm unbekannte Iunierin. „Soso, eine Frau, die spurlos verschwunden ist? Aber... wie dem auch sei, dieser Mann dort hinten, hat uns gegenüber die Anschuldigung erhoben,“ erwiderte der Miles und deutete mit einem Nicken kurz in die Richtung, aus der er gekommen war. Es war ihm im Endeffekt auch egal, ob diese Frau wirklich existierte oder nicht. Sie hatten einen Zeugen, das genügte ihm erst einmal und eine Entscheidung in dieser Angelegenheit oblag ihm ohnehin nicht. Es war glücklicherweise nur seine Aufgabe, alle nötigen Informationen aufzunehmen und diese den entsprechenden Stellen zukommen zu lassen. Schließlich aber runzelte er wieder die Stirn und schüttelte den Kopf. Angst vor ihm? Er erfüllte hier nur seine Aufgabe, aber kommentierte dies nicht weiterhin, um die Situation nicht in eine unnötige Richtung eskalieren zu lassen. Wobei Angst natürlich schon irgendwie verdächtig war.


    Viel wichtiger war nun aber, dass die Iunerin ihren Namen nannte. Dies nahm der Miles nun auch zum Anlass, um aus seiner Gürteltasche das Schreibzeug hervorzuholen und sich zumindest rudimentäre Notizen zu machen – wobei er seinen linken Unterarm auf dem Scutum abstützte. Wenigstens fügte sie noch an, dass sie sich über die unwahrscheinlichen, wenn auch möglichen, Konsequenzen bewusst war – ein Anfang. Und auch ihren Custos stellte sie kurz vor, damit war dann auch die Funktion dieses Fremden geklärt. Schließlich aber richtete er seinen Blick auf die andere Frau, die sich und ihren jüngeren Bruder schließlich vorstellte, wobei dessen Kommentar ihn kurz schmunzeln ließ. Für den Moment notierte er sich alles in einfacher Art und Weise.


    Was Caerellia dann aber an den jungen Appius richtete, vernahm der Miles und er wusste genau, was sie damit bezwecken wollte – jedenfalls glaubte er das. Dass sie damit eigentlich nur Canus' Aufmerksamkeit auf sich selbst lenken wollte, das durchschaute er nicht, warum hätte er dies auch vermuten sollen? Sie hatte jedenfalls erreicht, was sie hatte erreichen wollen. Denn der Quintilier blickte die Iunierin ein wenig verstimmt an. „Sag' mal, hältst du mich eigentlich für dämlich?“ erwiderte er zunächst ein wenig schroff und durch die Art und Weise, wie sie sich gerade verhielt, fiel es Canus auch ein wenig leichter, seine üblichen Umgangsformen einer jungen Frau gegenüber für den Moment zu vergessen. „Leider steht es euch Christen ja nicht auf die Stirn geschrieben, was ihr eigentlich seid,“ meinte er und verengte dabei für einen Moment seine Augen, ehe er sich für einen Moment auf die Unterlippe biss. „Verzeih'. Dies sollte keine Anschuldigung sein... im übrigen, Quintilius Canus,“ fügte er dann an und nannte seinen Namen um sich quasi für diesen Fauxpas zu entschuldigen. Er hatte nur aus kurzem Ärger heraus diese Anschuldigung als bewahrheitet angesehen, das hätte ihm eigentlich nicht passieren dürfen, das war unprofessionell. „Aber dennoch, hüte deine Zunge. Denn was einem Christen vielleicht nicht anzusehen ist, lässt sich auch mit anderen Mitteln aus ihm herausholen! Also pass' auf, wie du über einen Mann im Dienste des Kaisers sprichst. Außerdem... diese Opfergaben,“ fügte er an und deutete mit seiner Hand kurz darauf. „Das kann auch alles nur Ablenkung sein. Ich muss gestehen, gerade bei dir bin ich geneigt, das Ganze eingehender zu überprüfen.“ Raunte er nun in Richtung von Iunia Caerellia. Sie hatte definitiv ihr Ziel erreicht, Scaevina stand auf jeden Fall nicht mehr in seinem Fokus. Und sicher hatte die Iunia den Miles nicht beleidigt oder dergleichen, aber ihre Art kam ihm dennoch etwas... merkwürdig vor, jedenfalls wollte er sich das nicht unbedingt gefallen lassen, nicht mehr als nötig.

  • Die junge Iunia hörte dem Miles aufmerksam zu. Natürlich glaubte Canus ihr nicht. Diese Hexe war verschwunden, welche sie in die Situation gebracht hatte und doch nur so war sie hinter das Geheimnis Scaevinas bekommen. Einen Zeugen konnte der Legionär dennoch vorweisen, diesen Verrückten. Eigentlich war er ja schuld, dass sie nun die Urbaner am Hals hatten. Doch auch ihm konnte sie nicht wirklich böse sein. Er tat das richtig. Doch man musste wohlüberlegt handeln, damit man mehr von diesen Christen auslöschen konnte. Wer wusste schon wie groß Scaevinas Netzwerk war? Sie war nur eine junge Frau. Da gab es bestimmt privilegierte Leute bei den Christen, die mehr Namen nennen konnten. Caerellia atmete bei Canus Worten tief durch. Nein, sie konnte die Anwesenheit der anderen Frau nicht beweisen. Er schien auch überrascht zu sein, dass Scaevina Angst vor ihm hatte. Caerellia stellt dabei fest, dass sie wirklich nicht gut mit ihren Emotionen umgehen konnte und das als Anhängerin einer verhassten Sekte. Ihre neue Freundin musste da noch ein bisschen geschult werden, sonst würde sie ihre ganzen Brüder und Schwestern in Gefahr bringen. Ein weiterer Hinweis für Caerellia, dass sie nicht viel wissen konnte.


    Da hatte er eben ihren Namen. Auch die Prätorianer hatte ihn. Glaubte sie etwa, gerade diese würden ihr helfen, wenn sie festgenommen würde? Darauf durfte sie sich auf keinen Fall verlassen. Sie musste vorsichtig sein, denn hier war sie vollkommen auf sich alleine gestellt und der Miles vor ihr, war ihr Freund und nicht ihr Feind. Der Feind stand neben ihr mit seiner Brut.


    Sie hatte ihn verärgert und somit ihr Ziel erreicht. Er blaffte sie an und Caerellia wich dabei sofort zurück. "Nein.", antworte die Iunia. Es werde besser gewesen den Mund zu halten und doch tat sie es nicht. "Appius hat Angst. Er hat Angst abgeführt zu werden. Sogar er weiß was mit uns geschehen könnte. Ich versuche doch nur unsere Unschuld zu beweisen.", versuchte sie Canus aufzuklären. Umso mehr weiteten sich Caerellias Augen, als er sie direkt als Christen betitelte. "Natürlich glaubst du uns nicht und hörst lieber auf das Geschwätz dieses Mannes." Ihre Stimme war leicht aufgebracht, doch der Qunitilier entschuldigte sich sogleich wieder für sein verhalten. Er sah seinen Fehler ein und nannte ihr sogar seinen Namen. Aber es war eine Anschuldigung gewesen, auch wenn er sie nun zurückzog.


    Canus wies sie erneut zurecht und seine Worte erzeugten einen Schwall Vergangenheit. Dunkelheit. Der todtraurige Gesang. Überall war der Tod. Catullus. Ob er noch lebte? Oder der Christ, welcher mit ihr auf dem Transportwagen saß? Sie glaubte nicht wirklich daran, dass sie noch lebten. Sie antwortete nichts auf seine Drohung, sondern sah ihn nur vollkommen verängstigt an. Es waren die Bilder, welche wieder in ihr aufblitzen. Caerellia stellte sich Scaevina im Kerker vor. Sie würde nicht lange dort leben. Wie recht er doch hatte. Es war eine Ablenkung. Deswegen reagierte Scaevina so nervös, als ihr das Geld auf den Boden fiel. Sie musste eine von ihnen sein. Caerellia musste also ihr Vertrauen gewinnen. Sie biss sich auf die Unterlippe und hatte einen riskanten Plan, aber vielleicht klappte es ja. "LOS! RENNT!!!", rief sie den Mädchen und den kleinen Jungen zu. Daraufhin warf sie ihre Blumen in Canus Richtung und begann selbst wegzulaufen. Sie rempelte einige der Passanten an, doch lief sie um ihr Leben. Er würde ihr folgen. Vielleicht gelang es ihr auch zu entkommen. Aber Canus war wie gesagt ein sehr pflichtbewusster Miles, der sich nicht so leicht abschütteln ließ.

  • Allmählich hatte der Miles einfach nur noch die Nase voll. Er bekam immer mehr das Gefühl, als ob hier irgendwelche Spielchen mit ihm gespielt würden und es sich eher um irgendeinen Streit dieser Gruppe mit dem Irren und deren fiktiver Begleiterin handelte, als tatsächlich um irgendeine ernste Sache. Andererseits sorgte der Ärger in ihm aber auch dafür, dass der Quintilier irgendwie geneigt war den erhobenen Anschuldigungen zumindest ansatzweise Glauben zu schenken. In jedem Falle kam ihm an den beiden Frauen, dem Jungen und dem Custos – allen voran aber an der Iunia – irgendetwas nicht ganz richtig vor. Warum verhielten sie sich nur so unglaublich verdächtig?


    Die Aufklärung der jungen Frau über den Sinn hinter ihren Worten machte die Situation auch nicht gerade sehr viel besser. Der Quintilier seufzte leicht entnervt. Kinder waren einfach nur anstrengend. Warum hatte der Junge denn solche Angst? Er war nur hier um ein paar harmlose Fragen zu stellen und eigentlich nicht um sich reizen zu lassen. Aber es konnte natürlich auch an der Erziehung liegen, scheinbar waren dem Jungen nur Schauergeschichten über Soldaten beigebracht worden – es war für ihn jedenfalls nicht weiter von Belang. Auch konnte Canus irgendwo verstehen, dass die Anschuldigung, welche versehentlich über seine Lippen gekommen war, die Iunia sichtlich aufbrachte. Mit einem weiteren Seufzen steckte Canus zunächst wieder das Schreibzeug weg und wollte versuchen das Gespräch wieder in eine ruhigere Richtung zu führen, immerhin wollte er sich nicht vorwerfen lassen müssen, in solchen Situationen kein Fingerspitzengefühl zu haben.


    „Hör zu...“ begann er und richtete seinen Blick wieder auf die Iunia, als diese plötzlich ihre Stimme erhob, um die anderen zum Wegrennen aufzufordern. Doch noch bevor er wirklich reagieren konnte, hatte er plötzlich eine handvoll Blumen im Gesicht, was natürlich dafür sorgte dass er für einen Moment abgelenkt war – so schnell war die Abwehrreaktion mit seiner Rechten doch nicht mehr gewesen. Als er aber wieder klar sehen konnte und er seinen Blick schweifen ließ, konnte Canus von der Gruppe lediglich die Iunia in der fliederfarbenen Kleidung erkennen. Kurz richtete er seinen Blick in Richtung seiner Kameraden, welche die Situation scheinbar auch nicht derart schnell erkannt hatten – sie setzten sich in Bewegung, bogen ab, wohl um den größeren Teil der Gruppe zu verfolgen. Canus hatte nicht erkennen können, wohin diese verschwunden waren.
    Die Iunia jedenfalls war nur allein auszumachen. Also entschloss Canus, sich in Bewegung zu setzen. Wenn dies nun kein Beweis irgendeiner Schuld war, dann wusste er auch nicht weiter. Er nahm das Scutum nah an seinen Körper und die Ausrüstung wog schwer, doch abseits von repetetiven Übungen in der Castra, war all das Training nun doch einmal zu etwas nütze. Sein Vorteil hierbei war auch, dass die Iunia es ihm durch das Anrempeln mancher Passanten einfacher gemacht hatte, an diesen vorbeizukommen. „BLEIB STEHEN!“ brüllte er, als er ihr hinterher rannte. Allzu viel dachte er gerade nicht nach, es war schlichtweg der Drill, der nun einsetzte. Und auch wenn es keine Beweise dafür gab, dass sie sich irgendetwas schuldig gemacht hatte, so war ihr Wegrennen Grund genug, sie zu verfolgen. Wenigstens brauchte er sich auch nicht allzu viele Gedanken darum zu machen, von Passanten aus dem Konzept gebracht zu werden – er war trainiert genug, nicht allzu viel Acht geben zu müssen und seine Ausrüstung trug ebenfalls zu der Masse bei. „Ich habe deinen Namen, stehenbleiben!“ brüllte er ein weiteres Mal. Vermutlich eine schlechte Drohung, würde der Name vermutlich falsch sein und selbst wenn nicht: Eine solche Person konnte vermutlich sonstwo untertauchen. Wenngleich die Distanz zwischen den beiden nicht größer wurde, er hoffte doch auf etwas Glück bei der Verfolgung der jungen Frau.

  • Wohlmöglich redete sich Caerellia hier um Kopf und Kragen. Anstatt gehorsam zu sein, auf die Worte des Miles zu hören und ihn somit bittend anzuflehen, dass er sich doch irrte, widersprach sie ihm. Dabei machte sie sich wohl noch verdächtiger, als sie es schon war. Und nicht nur das. Keinen Soldaten gefiel es, wenn man ihm widersprach. Vor allem welcher Mann wurde gerne von einer Frau an der Nase herumgeführt und kritisiert seine Arbeit nicht gut genug zu machen? Sie hatte gewiss Respekt vor ihm. Sehr sogar. Doch Caerellia hoffte, dass sie schon bald die Situation aufklären konnte. Sie musste nur zusehen, dass er ihr auch Glauben schenkte und sie nicht als vollkommen verrückt hielt.


    Die Angst des Jungen war nicht gespielt und eigentlich hatte er keinen Grund sich vor einem Legionär zu fürchten. Er war zu respektieren, aber auf keinen Fall jemand vor dem man sich so sehr erschreckte, wie es bei Appius der Fall war. Doch der Junge war kein gewöhnliches Kind. Er war ein Christ. Er war noch nicht getauft worden, denn er wurde erst auf dieses Sakrament vorbereitet. Doch Scaevina war erst kürzlich getauft worden. Dafür waren sie nicht in Roma gewesen. Scaevina wurde am ganzen Körper eingesalbt, dabei durfte der kleine Appius natürlich nicht zusehen, dafür waren andere Frauen zuständig gewesen und daraufhin wurde sie in einem Fluss getauft. Als er das gesehen hatte, wollte Appius nichts Anderes. So ergreifend war für ihn dieser Moment gewesen. Appius wusste, dass man in Roma die Christen nicht besonders mochte und hörte Schauergeschichten über die Soldaten, wenn Christen in ihre Fänge gerieten. Und jetzt wurden sie von einem Legionär zur Rede gestellt.


    Caerellia hofft nur, dass die beiden den Urbanern entkamen. Aber jetzt musste sie erst einmal Quintillius Canus entkommen, der ihre Verfolgung aufnahm. Sie hatte auch nicht erkennen können, ob die restlichen Urbaner, die bei dem Verrückten standen, ihre Flucht bemerkt hatten. Der Urbaner war schnell und geschickter als sie um den Passanten auszuweichen. Sie konnte einen gewissen Nervenkitzel nicht leugnen, aber mehr schuldiger als jetzt konnte sie sich nicht mehr machen. Viele Menschen drehten sich um, als sie die Rufe des Miles vernahmen. Doch Caerellia lief und lief, bis sich die Straße vor ihr teilte. Sie entschied sich für die Gasse, die weniger Menschen säumte und vielleicht konnte sich man hier auch verstecken. Sie hastete hinein und bog dann gleich wieder rechts ab. In der Gasse, in welcher sie sich nun befand, war es finster und es roch unangenehm. Doch das Schlimmste war, dass sie sich als eine Sackgasse herausstellte. Vor ihr ragte auf einmal eine Hausmauer empor. Sie blieb davor stehen und krümmte sich vor Anstrengung. Ihr Herz raste und sie keuchte. Caerellia war vollkommen außer atmen. Dann dreht sie sich langsam um. Vielleicht hatte er nicht gesehen wohin sie verschwunden war. Doch dann hörte sie seine Schritte und er erschien in der Gasse. Caerellia presste sich mit den Rücken gegen die Wand. Sie war gefangen. "Gut...ich...sehe es ja...ein.", antwortete sie keuchend. "Ich hätte das nicht tun sollen." Erschöpft und auch verängstigt sah sie in das Gesicht des Miles, der nun garantiert stinksauer war. Wo war überhaupt ihr Custos abgeblieben?

  • Was hier tatsächlich vor sich ging, das hätte der Quintilier sich nie zu träumen gewagt. Ein Irrer, der wohl aufgrund eines persönlichen Disputs irgendwelche anderen Leute als Christen betitelte, welche sich wiederum ziemlich auffällig verhielten und dahinter steckte eigentlich noch viel mehr, als er jemals hätte ahnen können. So kompliziert die Situation auch war, so einfach war sie nur in Canus' Augen: Irgendein privater Streit, der zu eskalieren drohte und ein paar Personen, die aus irgendwelchen Gründen ein eher negatives Verhätnis zu den Soldaten der Cohortes Urbanae hatten. Eigentlich nichts allzu ungewöhnliches auf dem Aventin, jedenfalls seiner Meinung nach.


    Leider aber spitzte sich das Gespräch zu und verlief ganz anders, als der Miles es sich hatte wünschen wollen. Und zu allem Überfluss meinten seine Gesprächspartner auch noch die Flucht ergreifen zu müssen, aber nicht ohne ihm zuvor mit einer handvoll Blumen die Aufmerksamkeit zu rauben. Dies steigerte nun erst recht die Wut des Quintiliers, hatte er doch eigentlich keinen Grund gegeben, nun eine solche Maßnahme ergreifen zu müssen. Außer dass ihm die Wortwahl der Iunia missfallen war, hatte er keinen weiteren Grund zur Sorge gegeben. Aber nun war es ohnehin zu spät. Ihm blieb nichts anderes übrig, als dieser hinterherzusprinten – schließlich war sie die letzte der Personen in seinem Blickfeld gewesen. Seine Kameraden schienen dabei den Rest der Gruppe zu verfolgen, doch wohin diese verschwunden waren, würde Canus vermutlich ewig ein Rätsel bleiben.


    Glücklicherweise gestatteten einige Passanten dem Urbaner den Durchgang, traten etwas zur Seite, nicht zuletzt aufgrund seiner lauten Rufe, die der Iunia Caerellia hinterherschmiss. Leider nur brachten diese nichts. Einigermaßen einfach war zu erkennen, dass sie an der nächsten Gabelung nach rechts abbog, weshalb es für ihn nicht sonderlich schwierig war ihr in die entsprechende Richtung zu folgen. Dann auf einmal schien sie jedoch für einen Moment verschwunden und Canus wurde etwas langsamer – geradeaus war nichts weiter zu sehen, die wenigen Passanten gingen ihren Tätigkeiten nach. Also richtete er seinen Blick in die Gasse rechts von ihm, während er die kurze Pause zum Durchatmen nutzte und erkannte wieder das fliederfarbene Kleid der Frau, die selbst nun auch langsamer wurde – denn es war eine Sackgasse. „Den Göttern sei Dank,“ murmelte der Quintilier für sich, atmete noch einmal tief ein und setzte sich wieder in Bewegung, um der Iunia in die Gasse zu seiner rechten zu folgen.


    Der Miles kam der Iunia näher und blieb schließlich stehen – mit etwas Distanz. Er atmete tief durch, doch anstatt sich etwas zu krümmen, baute er sich eher vor der jungen Frau auf. Er wollte Dominanz zeigen, denn das schlimmste was nun passieren konnte war, dass sie sich an ihm vorbeischob und abermals die Flucht ergriff. Das wollte er durch seine Körperhaltung lieber gleich unterbinden. Auf ihre Worte hin nickte er, musste einen kurzen Moment grinsen – besser hätte er es nicht ausdrücken können. „Nein, absolut nicht!“ zischte Canus sichtlich verärgert und er legte seine rechte Hand an den Knauf seines Gladius. Nicht etwa um dieses zu ziehen, aber er wollte so die Eskalationsstufe erhöhen, der Iunia deutlich machen, dass er einen weiteren Fluchtversuch gleich unterbinden würde... auch wenn er dafür vermutlich nicht seine Waffe eingesetzt hätte. Doch es sollte abschrecken. „Nenn' mir einen... oder am besten gleich mehrere gute Gründe, warum ich dich nicht abführen sollte?“ fragte er zunächst, musste daraufhin zunächst noch einmal durchatmen. Diese Verfolgung hatte doch Kraft gekostet. An den Custos der Iunia verschwendete er dabei keine Gedanken, hatte er den Mann bei diesem Tumult doch glatt vergessen. „Dir ist hoffentlich klar, Iunia Caerellia, wie dies nun für mich aussieht? Oder war es etwa die Angst vor einem Soldaten?“ scherzte er, denn er fand letzteres eher lächerlich und nicht als begründet an. Nichts desto trotz, auf die Erklärung war er nun tatsächlich gespannt, während sein Puls sich allmählich beruhigte.

  • Nein, sie hatte kein Glück gehabt, denn der Miles erschien in der Sackgasse und kam immer näher. Er war bei weitem nicht so außer Atem wie sie. Immerhin war er durchtrainiert und die Iunia lief nicht jede Woche vor einem Legionär davon. Natürlich dachte sie zuerst an Flucht, aber sie rang noch immer nach Luft und auch, wenn sie sich an Canus vorbeistehlen konnte, würde es nicht lange dauern bis er sie eingeholt hätte. Jetzt hatte sie einen sichtlich verärgerten Miles vor sich, der sie ohne weiteres abführen könnte. Immerhin war sie geflohen und da gestand sie irgendwie auch ihre Schuld, auch wenn sie eigentlich nicht schuldig war. Es war wichtig, dass Scaevina mit Appius fliehen konnte. Aber wie sie nun aus dieser Situation herauskommen würde, dass hatte sie noch nicht wirklich bedacht. Sie musste reden. Sich irgendwie herausreden. Am besten war es wohl erst einmal Reue zu zeigen.


    Es entging ihr nicht, dass er seine Hand bedrohlich auf sein Gladius legte und er baute sich auch vor ihr auf, was Caerellia zusammenzucken ließ. Außerdem grinste er sie doch tatsächlich für einen Moment an, da er wohl seine Überlegenheit vor ihr zeigen wollte. Die er nun auch hatte. Flucht war nun keine gute Idee mehr, dass war nun vollkommen klar. Er hatte wirklich recht. Sie hatte sich nun mehr als schuldig gemacht, wie sollte sie ihm da vom Gegenteil überzeugen können. Sie hörte ihm zu und es schien, als würde er sie noch nicht gleich abführen wollen. Er wollte Gründe für ihr Verhalten. Und er machte sich lustig über sie. Sie hatte nicht viel Zeit zu überlegen. "Ich weiß, dass ich einen Fehler begangen habe und du hast nun jedes Recht mich abzuführen. Und Angst, die sollte ich jetzt wohl haben.", antwortete sie demütig, dabei fiel ihr Blick wieder auf sein Gladius. "Ich wollte den beiden kein Verhör antun. Sie würde es nicht durchstehen und sie tragen keine Schuld. Du hättest sie aber abgeführt. Und was mich betrifft. Ich kann dir meine Unschuld nicht beweisen, aber würdest du wollen, dass ich eine Christin wäre?" Ihre Stimme wirkte nun nicht mehr so gehetzt. Sie war ruhiger geworden. Caerellia sah den Soldaten in die Augen und auch wenn sie ihm keine wirklichen Gründe vorgebracht hatte, sondern eher eine Gegenfrage stellte, hoffte sie doch den richtigen Weg gewählt zu haben. Sie wollte vor ihm unschuldig und vollkommen ungefährlich wirken. Caerellia wollte für ihn eine Person sein, die man nicht verhaften mochte, sondern deren Gesellschaft man genoss, weil man sich sicher war, diese junge Frau würde niemals gegen ein Gesetz verstoßen. Sie wollte die alte Caerellia sein, welche Mars dienen wollte und so voller Lebensfreude war. Doch existierte diese Person noch in ihr? Sie wusste es nicht, aber wenn das nicht mehr der Fall war, dann musste sie es ihm eben vorspielen.

  • Dies war definitiv keine Situation, die der Quintilier jeden Tag zu bewältigen hatte. Eher selten war es nötig eine Person zu verfolgen und noch viel seltener war dies bei einer Frau der Fall – aber hier stand er nun. Am meisten nervte ihn dabei die Tatsache, dass er so viel hatte laufen müssen und das auch noch mit seiner schweren Ausrüstung. Ebenfalls unschön war dabei die Tatsache, dass er nun überlegen musste, wie er nun weiter vorgehen wollte. An sich würde es kein großes Problem darstellen die Iunia einfach abzuführen, das Geschehene seinen Vorgesetzten mitzuteilen und sich dann nicht weiter mit der Situation befassen zu müssen. Doch das hätte vermutlich ohnehin nicht funktioniert. Denn Canus war auf der anderen Seite viel zu neugierig, wollte wissen was es mit dieser Aktion eigentlich auf sich hatte. Da wollte er doch mehr herausfinden, mehr erfragen, als es für ihn wahrscheinlich wirklich nötig war.


    Na wenigstens sah sie ein, dass sie sich nicht mehr ohne weiteres aus der Situation herauswinden konnte – das war wenigstens ein Anfang. Jedoch musste der Miles aufpassen, dass er sich nicht einfach manipulieren ließ. Viel zu oft hatte er sich in seinem Leben schon von opportunistischen Frauen bequatschen lassen, dies war eine seiner Schwächen. Ein wenig runzelte er aber die Stirn, schüttelte leicht den Kopf – ihre Worte ergaben keinen Sinn... jedenfalls in seinen Augen, jedenfalls verwirrten sie ihn für einen kurzen Moment. „Ich... hätte sie nicht unbedingt abgeführt, warum auch? Nur weil irgendjemand 'Christ' brüllt? Ihr Verhalten hat sie verdächtig gemacht aber... sie sind vermutlich sowieso über alle Berge.“ Nicht, dass er nicht seinen Kameraden bei der Verfolgung der anderen vertraute. Doch im Gegensatz zur Iunia hatten die anderen eben doch einen größeren Vorsprung vor den anderen Urbanern gehabt. Doch es war die merkwürdige Frage gewesen, die ihn ein wenig nachdenklich gemacht hatte. Was sollte das genau bedeuten?


    „Natürlich will ich nicht, dass du eine Christin bist. Weißt du was das für einen Papierkram bedeutet? Verdammt, nenn' mir doch einfach einen vernünftigen Grund, warum du weggerannt bist. Wirklich nur, um die anderen zu schützen, von ihnen abzulenken? Selbst dann hätte ich keine Lust dich abzuführen, aber ich müsste es,“ erwiderte er ehrlicherweise. Sicher war dies nicht unbedingt die professionelle Art an diese Situation heranzugehen, doch er hatte wirklich keine Lust sie abführen zu lassen. Bis auf die Tatsache, dass er wegen ihr hatte rennen müssen, war diese junge Frau ihm eben doch sympathisch und außerdem hatte er auch keine Lust auf den Papierkram, die Rücksprachen mit seinen Vorgesetzten nach einer Festname – vor allem bei so einer merkwürdigen Geschichte. „Sag' mir, wie können wir diese Situation zufriedenstellend lösen?“ fragte er schließlich aus Gründen, die ihm selbst auch nicht ganz schlüssig schienen. Für Canus gab es eigentlich keinen Grund mit ihr zu verhandeln, es sprach auch nichts dagegen sie einfach abzuführen und die weitere Befragung den dafür zuständigen zu überlassen. Aber... so eine junge, durchaus auch attraktive Frau in den Carcer der Castra abführen? Dafür hatte er dann irgendwo doch zu viel Herz. Schließlich handelte es sich hier nicht um einen gemeinen Dieb.

  • Eigentlich konnte sie sich glücklich schätzen, dass Canus sie nicht einfach abführte ohne ihr eine Antwortmöglichkeit zu geben. Denn sie hatte sich mehr als fehl verhalten und es war eigentlich auch nicht mehr seine Aufgabe, ob sie nun eine Christin war oder nicht. Doch sie schien seine Neugierde geweckt zu haben und das war ihr Vorteil, denn so konnte sie der Verhaftung entkommen. Jetzt lag es nur noch an ihr sich herausreden zu können. Irgendwie.


    Caerellia versuchte sich zu konzentrieren und folgte seinen Worten. Doch du hättest sie abgeführt, war ihr Gedankengang. Weil nur dieses einen Wort gefallen war. Dieses entscheidende kleine Wörtchen, dass sie selbst verführt hatte. Arsinoes Brief war so von Schmerz erfüllt und doch so wohlklingend gewesen, wenn man selbst keinen Ausweg mehr fand. Wo auch immer Arsinoe jetzt war, sie sollte Qualen erleiden müssen für diesen schändlichen Brief. Ob man ihn schon entdeckt hatte? Am liebsten würde sie zurück in das Gefängnis gehen, um ihn selbst zu vernichten. Doch sie hatte nun andere Probleme.
    Wie ging sie nun mit Canus vor? Sollte sie bei der Wahrheit bleiben? Ein leichtes Schmunzeln war auf ihrem Gesicht zu erkennen, als Canus meinte Scaevina und Appius wären wohl entkommen. Aber sie ging nicht mehr weiter diese Worte ein. Es war auch unwichtig. Nun ging es erst einmal um sie.


    "Ja, ich wollte dich von den anderen ablenken. Aber warum ich das getan habe kann dir nicht sagen.", gestand sie Canus. Natürlich konnte sie ihm nicht die ganze Wahrheit gestehen. Sie konnte es ja nicht einmal ihren Bruder oder Axilla erzählen. Er scherte sich um Papierkram. Er sollte froh sein, wenn ihm zwei Christen in die Hände fallen würden. Aber sie musste ihm die charmante Caerellia zeigen. Er würde ihr niemals glauben, wenn sie ihm die Wahrheit sagen würde. Und sie wollte ihm auch nicht dieses Gesicht von ihr zeigen. Und aus irgendwelchen Gründen hatte sie ihn dann auch wirklich so weit. Er wollte diese Situation zufriedenstellend lösen. Sie auch. Misstrauisch sah sie ihn an. So recht wollte sie ihm nicht glauben und was verlangte er dafür? "Ist es Bestechung, wenn ich dir etwas ausgebe? Oder du könntest mich nachhause bringen, dann siehst du ja, dass ich keinen geheimen Messen beiwohne.", fragte sie ihn unsicher. Wie kam sie nur darauf, dass er ihre Gesellschaft wollte. Aber es war doch gar nicht so ungeschickt einen Miles besser zu kennen. Sie hasste sich. Konnte sie nicht einfach für einen Moment normal sein und keine Hintergedanken bei ihren Ideen haben.

  • Die Situation wurde mit jeder Sekunde immer merkwürdiger. Was tat er hier eigentlich? Warum erfüllte er nicht einfach seine vermeintliche Pflicht, wie es sich für einen guten Miles gehörte? Nein, Canus versuchte dies hier einfach differenzierter zu betrachten. Irgendetwas sagte ihm, dass hinter dieser ganzen Sache irgendwie mehr steckte und selbst wenn die Begleiter der Iunia tatsächlich Christen waren, so machte es für ihn mehr Sinn zu versuchen ihr Vertrauen zu gewinnen, anstatt sie mit Drohungen und Repressalien zu einer Aussage zu bewegen – was ohnehin nicht mehr in seiner Zuständigkeit gewesen wäre. Die Neugier hatte ihn gepackt und der Quintilier war sich bewusst, dass dies nicht unbedingt gut für ihn sein musste, aber die einfachste Lösung hatte er in seinem Leben noch nie gern verfolgt.


    Die Worte der jungen Frau wiederum ließen ihn einerseits aufhorchen, noch neugieriger werden, andererseits belustigten sie ihn auch. Beides war ihm für einen Moment anzusehen. „Kannst du es mir nicht sagen oder willst du es mir nicht sagen?“ fragte er verständlicherweise voller Neugier nach. „Und ja, es wäre sicherlich Bestechung. Viel wichtiger ist aber, dass ich keiner Frau das Geld aus der Tasche ziehe,“ erwiderte er zunächst und meinte dies durchaus ernst. Den anderen Vorschlag überdachte er, seufzte leise. Eigentlich gab es keinen guten Grund die Iunia zu begleiten, zumal es sicherlich besser gewesen wäre, bald zu seinen Kameraden zurückzukehren. Andererseits hätte er sich immer noch mit allem möglichen herausreden können: Die Verfolgung der jungen Frau, sein bisher noch beschränkter Orientierungssinn in dieser Stadt – nicht die feine Art, aber für ihn eine Möglichkeit seine Neugier bezüglich dieser ganzen Sache zu stillen.


    „Dich nach Hause zu bringen beweist zwar sicherlich nichts... aber es wäre eventuell ein Anfang und dann sehen wir weiter. Vorausgesetzt, dass wir nicht an's andere Ende der Stadt müssen,“ lenkte der Miles schließlich etwas ein, wenn auch mit einem leicht mulmigen Gefühl. „Aber bei den Göttern, wenn dies irgendeine weitere List ist, werde ich höchstpersönlich dafür sorgen dass du den Weg in den Carcer findest und allzu schnell keinen Ausweg mehr,“ drohte er dann doch etwas, um seinen Standpunkt klar zu machen. Sicher, mal eine junge Frau in dieser Stadt kennen zu lernen war auch mal eine angenehme Sache, so kannte er mal etwas anderes als nur seine Kameraden und seine Schwester. Doch der Fokus lag definitiv weiter auf seiner Neugier. „Das setzt natürlich alles voraus, dass ich eine wesentlich bessere Erklärung für all dies bekomme als nur 'Ich kann es dir nicht sagen',“ stellte der Miles ebenfalls noch einmal klar, blickte die Iunia an und die Hand glitt allmählich auch von seinem Gladius. Er hoffte nur, dass er sich hier nicht in etwas verrannte, was ihm schaden würde – doch der möglicherweise positive Ausgang war einfach zu verlockend.

  • Caerellia hatte Glück bei Canus. Gewiss befolgte er seine Befehle, aber er hinterfragte diese Situation, sonst hätte er sie schon längst abgeführt. Doch sein Interesse an ihr war nicht ungefährlich. Sie musste ganz genau darauf achten, was sie zu ihm sagte. Und darin war sie nicht geübt. Er erkannte, dass mehr hinter dem allem steckte und sie wusste nicht, ob sie sich verraten sollte oder nicht. Nein, sie durfte und sie konnte es auch nicht. Noch nicht. Außerdem wusste sie auch immer noch nicht mit Gewissheit, ob er sie jetzt als Christin betrachtete oder nicht. Wahrscheinlich tat er es noch. Sie konnte ihm ja noch immer keinen Beweis bringen, warum sie keine war.


    Diese Antwort hätte er wohl nicht von der jungen Iunia erwartet. Und das zeigte er auch kurz mit Neugierde, aber dann wiederum mit Belustigung. Das schmerzte sie. Aber wer war sie schon? Eine Frau. Für ihn war sie nur eine Frau, die dumme Ausreden suchte. "Ich kann es nicht sagen.", antwortete sie ihm und hoffte er konnte erkennen, dass sie nicht log. Natürlich war ihr Angebot Bestechung. Er war sowas von genau. Aber ein Versuch war es wert gewesen. Und eine gute Erziehung hatte er auch noch. Das Geld zog er ihr nicht aus der Tasche, aber lieber führte er sie ab. Das sagte sie ihm aber besser nicht, denn er hatte sein Gladius griffbereit. "Ja, es ist eine Bestechung! Verzieh mir! Und ja es wäre nicht schicklich, wenn ich dir etwas ausgebe.", antworte sie ihm leicht geniert über ihren Fehler. Ihre Mutter wäre entsetzt gewesen über das Verhalten ihrer Tochter so mit einem Miles zu feilschen. Was würde ihre Mutter überhaupt über sie denken? Nach all dem was geschehen war. Sie würde ihre eigene Tochter nicht mehr wiedererkennen.


    Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass er auf ihr anderes Angebot einging. Aber warum sollte er das tun? Er machte sich doch ständig über sie lustig und hatte doch besseres zu tun. Und war es auch nicht riskant von einem Fremden begleitet zu werden? Er war zwar Legionär, aber dennoch ein fremder. Er würde ihr nichts tun. Sonst hätte er es schon getan. Außerdem hatte sie keine Ahnung was sie ihm sonst anbieten sollte. Kaufen durfte sie ihm nichts. Sie trug ein Armband, aber das war auch Bestechung. Ihre Mutter würde sie hassen. Immer wieder kam sie ihr in den Sinn. Vermisste Caerellia sie auf einmal? Sie tat es. Canus überlegte, ob er ihr zweites Angebot annehmen sollte. Er nahm es an und Caerellia lächelte erleichtert. Auch wenn sie damit rechnen musste, dass er sie aushorchen würde.
    "Da bin ich aber erleichtert. Ich hätte nicht gewusst, was ich dir sonst noch hätte bieten können als meine Gesellschaft. Bitte verstehe das jetzt nicht falsch. Ich rede zu viel." Aber etwas anderes war es nicht. Sie bot ihm ihre Gesellschaft an. "Nein, nein. Ich werde nicht noch einmal unvernünftig sein. Das verspreche ich dir." Versprechen sollte sie ihm besser gar nichts. „Aber was die Domus Iunia betrifft. Sie liegt in der Nähe des Forum Romanum. Eine kurze Strecke ist es nicht. Aber ich kann unmöglich ohne meinen Custos diesen Weg zurücklegen.“ Und jetzt sah sie ihn auch noch als ihren Beschützer an. „Ich will nicht alleine nachhause gehen. Ich darf das gar nicht.“ Und noch eine Prise Mitleid.


    Aber natürlich wollte er Antworten. Und das stellte ein Problem dar. Ihre Magen verkrampfte sich und sie wich seinem Blick aus. "Ich rede nicht gerne darüber. Ich habe Angst davor.", gestand sie ihm. "Und es würde dir nicht gefallen.", antworte sie leise. Dann sah sie, dass seine Hand langsam von seiner Waffe gilt und sie sucht wieder seinen Augenkontakt. "Gehen wir, Quintilius Canus?"

  • Na wenigstens stimmte die Iunia ihm zu, dass es nicht unbedingt die feine Art wäre, wenn er sich von einer jungen Frau bestechen lassen würde. Doch er winkte dies auch kurz ab, es war nicht weiter der Rede wert – dennoch hatte er ablehnen müssen. Allein wegen seiner Dienstauffassung, andererseits aber auch wegen seiner Erziehung. Wie ungeschickt sie dann aber betonte, dass sie ihm wohl nur ihre Gesellschaft anbieten konnte, wobei dies auch nicht unbedingt falsch klingen sollte, amüsierte den Miles für einen Moment wieder. Dass sie auch noch an sein Mitleid appellierte vervollständigte nur sein Bild von ihr, irgendwie war es ja fast schon niedlich. Doch innerlich musste er sich selbst ermahnen. War dies vielleicht nur gespielt? Gerade Frauen waren doch oftmals gut in solchen Dingen, spielte sie ihm etwa nur das kleine, unschuldige Mädchen vor? Schwer abzuschätzen. Insgesamt musste der Quintilier bloß aufpassen, dass sie ihn nicht abermals hereinlegen würde. So ehrlich die junge Frau einerseits auch schien, so sehr konnte dies alles nur gespielt sein.


    „Nun, ich werde schon eine Erklärung dafür finden,“ erwiderte er bezüglich der Strecke. Zwar waren dies keine unbedingt gute Ausgangslage, aber irgendwie hatte ihre Mitleidstour ihn dann doch etwas gepackt. Außerdem hoffte er immer noch darauf, dass er irgendwie an vernünftige Antworten zu der ganzen Sache hier kommen würde. „Und schon gut... was wäre ich nur für ein Soldat, was für ein Mann, wenn ich eine junge Frau alleine durch die Straßen ziehen lassen würde?“ fragte er rhetorisch und versuchte sich so selbst irgendwie einzureden, dass er hier das richtige tat – zusätzlich zur möglichen Informationsbeschaffung.


    „Also ist da doch mehr, hm?“ fragte er dann vorsichtig, aber auch recht neutral nach. Denn wie sie seinem Blick auswich, was sie da sagte – all dies zeigte nur allzu deutlich, dass sie eben doch eine Erklärung dafür hatte, warum sie und ihre Begleiter weggelaufen waren. Zunächst nickte er dann aber, erwiderte ihren Blick und versuchte sich trotz der merkwürdigen Situation zu einem Lächeln zu zwingen. Er tat einen Schritt zur Seite, drehte sich etwas und wollte ihr so den Vortritt lassen. „Gehen wir, Iunia Caerellia,“ erwiderte er ihre Frage, nur um ihr anschließend zu folgen. „Wie lange kennst du deine Begleiterin denn schon?“ fragte er, hoffte so allmählich an vernünftige Antworten zu kommen – der Name ihrer Begleiterin war ihr dabei entfallen, falls er ihn überhaupt erfahren hatte. Er konnte es nach der kleinen Verfolgungsjagd gerade nicht mehr wirklich rekapitulieren. „Außerdem... woher willst du denn wissen was mir möglicherweise gefallen könnte und was nicht?“ fragte er dann ein wenig belustigt, griff so ihre Worte von vorhin wieder auf. Vielleicht konnte er so insgesamt ja doch irgendeine Art von Vertrauensverhältnis zu ihr aufbauen und selbst wenn hinter all dem hier nichts strafrechtliches stand, so wollte er zumindest für sich persönlich irgendwelche Antworten bekommen – seine Neugier war nach wie vor groß.

  • Caerellia konnte nicht anders. Langsam kristallisierte sich ihr wirklicher Charakter heraus, da die Christen nun fort waren. Sie konnte nicht glauben, dass sich durch ihren Aufenthalt im Kerker ihre Persönlichkeit komplett verändert hätte. Es hatte etwas mit ihr gemacht und es war eine Finsternis in ihre Seele eingekehrt, die Besitz von ihr ergriffen hatte, aber nicht ihre Stärken und Schwächen beeinflusste. Denn in Wirklichkeit war Caerellia ein liebes Kind. So hätte ihre Mutter sie bezeichnet. Und sie war naiv. Sie musste sich erst in der römischen Gesellschaft zurecht finden, deswegen hatte man sie zu Seneca nach Mogontiacum geschickt. Schon beim Abendessen bei Iulius Antoninus in Roma hatte sie sich ungeschickt verhalten. Gerade jetzt befand sie sich in einem Gefühlschaos. Denn sie wusste nicht, welches Ich sie Canus zeigen sollte. Wie sollte er sie sehen? Welches Gesicht brachte ihr einen Vorteil? Und was wollte sie wirklich? Sie sollte nicht mit ihm spielen. Sie war dazu nicht wirklich in der Lage und es war sehr gefährlich. Und sie hatte keine Ahnung wer dieser Mann vor ihr war.


    Sie hatte befürchtet, dass er ablehnen könnte, weil die Strecke nicht allzu kurz war. Aber er tat es nicht. Sie hatte ihn wirklich überzeugen können. "Ich danke dir. Wenn ich alleine Zuhause ankomme und das wird bemerkt...mein Bruder würde mir verbieten, die Domus jemals wieder zu verlassen.", offenbarte sie ihm und es war nicht gelogen. Natürlich wollte er die Wahrheit wissen, deswegen willigte er ja nur ein. Er hakte ständig nach. Und da war noch mehr. Viel mehr. "Ja, da ist mehr.", bestätigte sie ihm jetzt nicht direkt, aber er kannte die Antwort bereits. Als sie ihn ansah, schenkte er ihr ein Lächeln. Er sah ihre Schwäche. Ihre Angst. Aber er fragte sie nicht weiter aus. Für den ersten Moment jedenfalls nicht. Endlich ließ er die Iunia gewähren und ging einen Schritt zur Seite. Caerellia setze sich in Bewegung und Canus folgte ihr. Doch sein Verhör ging weiter. Er ließ einfach nicht locker. Sollte sie nun lügen oder die Wahrheit sagen? Sie sah zu ihm auf und wartete einen Moment bis sie antwortete. "Ich kenne Scaevina solange ich dich kenne.", antworte sie ihm lächelnd. Und es war die Wahrheit. Dann sah sie wieder auf die Straße und ging weiter bis ans Ende der Gasse. Die nächste Frage von Canus brachte sie vollkommen aus dem Konzept. Sie lief rot an. Vielleicht hatte er aus diesem Grund solch eine Frage gewählt oder sie müsste gar nicht so reagieren, aber sie tat es. Warum wollte er das wissen. "Ich war ungeschickt. Ich hätte dich fragen sollen, was du möchtest. Aber ich dachte, weil du mich mit dieser schweren Ausrüstung verfolgt hast, hättest du Durst?" Ihre Worte waren liebenswert und auch sie musste grinsen. Sie tappte in seine Falle und merkte es nicht einmal. "Ach ja! Entschuldige, dass ich dir die Blumen ins Gesicht geworfen habe.", ergänzte sie noch entschuldigend. "Ich hoffe du verzeihst mir diesen Fehler."

  • Ihr Bruder würde ihr verbieten jemals wieder rauszugehen? Vielleicht war dies keine schlechte Idee, keine schlechte Strafe, wenn er bedachte was sie hier gerade getan hatte. Aber er sprach es lieber nicht aus, das hätte das sich anbahnende Vertrauensverhältnis nur wieder gestört. Kurz musste er bei diesen Worten an seine eigene Schwester denken, dort gab es auch noch einiges zu klären. Aber das war eine ganz andere Geschichte. „Das wäre aber auch wieder eine zu harte Bestrafung für eine junge Frau, mit....“ doch da stoppte er, schmunzelte – zum Glück war ihm noch früh genug aufgefallen, was beinahe unbedacht über seine Lippen gekommen wäre. „Das will man ja niemandem antun,“ schloss er seine Worte nun mehr oder minder elegant ab.


    Wenigstens gab sie aber auch zu, dass an der ganzen Geschichte doch viel mehr dran war. Das war ein Anfang, wenigstens stritt sie es nicht mehr ab. Jetzt musste Canus nur noch versuchen dieses 'mehr' aus ihr herauszubekommen, wobei er sich dabei bisher auf einem guten Weg sah. Allgemein versuchte er aber auch durch sein Verhalten zu erreichen, dass sie sich auf eine gewisse Art und Weise wohlfühlte und mit etwas Glück nicht mehr diese Angst verspürte, die ihr durchaus anzumerken gewesen war. Aber das war wohl auch verständlich. Dies hatte aber nicht unbedingt nur mit seinem neuen, vermeintlichen Auftrag zu tun – er konnte es allgemein nicht leiden, wenn jemand etwas falsches von ihm dachte. Was Caerellia aber bezüglich Scaevina zu sagen hatte, irritierte ihn dann doch etwas. Und er fragte auch gleich, was ihm dabei als erstes auf der Seele brannte: „Und wieso hast du sie dann in Schutz genommen?“ Dabei erwiderte er ihr Lächeln kurz, seine Gedanken schweiften ab – aber glücklicherweise nur für einen Moment.


    „Da hast du eigentlich auch absolut richtig gedacht – ich wollte dich mit der Frage aber nur etwas aus dem Konzept bringen,“ gab Canus nun ein wenig amüsiert zu und blickte für einen kurzen Moment auf sie herab, während er weiter mit ihr ging. Durch sein Erscheinungsbild war es dabei wenigstens nicht allzu schwer, sich an den diversen Passanten vorbeizubewegen. „Aber... ja, deine Gesellschaft ist auch eine angenehme Wiedergutmachung,“ gab er dann zu, um sie in dieser Hinsicht nun doch zu beruhigen. Und es entsprach sogar der Wahrheit. Jedenfalls hätte der Kontrast zwischen ihrem jetzigen Verhalten und dem von vorhin nicht größer sein können. Schließlich schüttelte der Quintilier aber den Kopf. „Lieber werde ich von einer Frau mit Blumen beworfen als von irgendwelchen Halbstarken mit Ochsenmist.“ Daraufhin musste der Miles kurz lachen und tatsächlich hatte er ihr dies inzwischen verziehen, jedenfalls war es nicht mehr unbedingt der Rede wert. „Aber, was ist denn nun dieses Mehr, das da ist? Ich finde, dass du mir diese Antwort schuldig bist, immerhin tue ich dir gerade einen weiteren Gefallen,“ meinte der Urbaner schließlich und grinste kurz auf sie herab, ehe er seinen Blick wieder nach vorne richtete. Einerseits wollte er sie etwas aufziehen, ja, andererseits meinte er es aber auch durchaus ernst.

  • Was Proximus betraf hatte sie wohl wirklich nicht gelogen. Nach ihrer Verhaftung konnte sie jetzt noch von Glück sprechen, dass sie die Domus Iunia verlassen durfte. Und der neue Custos war spurlos verschwunden. Er würde mit einer Bestrafung rechnen müssen. Doch er würde leben. Er würde noch auf dieser Erde verweilen. Und Catullus? Lebte er noch? Nein. Zu oft sah Caerellia Catullus Gesicht vor ihren Augen. Sie hatte sein Todesurteil gefällt. Sicherlich er war ein Sklave und somit keiner von ihnen. Außerdem mochte sie ihn nicht einmal besonders. Nicht so sehr wie ihren Custos in Mogontiacum, aber der Gedanke daran, dass sie der Grund war, warum er nicht mehr den Iunier dienen konnte, der belastete sie. Immer wenn sie an ihn dachte, verkrampfte sie sich und ihr wurde übel. War das ihr Gewissen? Es war doch richtig was sie getan hatte. Aber warum tat es dann so weh? Sie verstand es nicht. Sie war kein Prätorianer. Sie war nicht wie Verus, der jeden Tag mit solchen Dingen zu tun hatte. In ihrer Seele nahm eine Dunkelheit die Überhand und sie wusste nicht, ob sie dieses Gefühl zulassen konnte.


    Caerellia runzelte die Stirn bei Canus Worten. Natürlich war ihr nicht entgangen, dass er seine ursprünglichen Satz geändert hatte. Sie überlegte, ob sie ihn darauf ansprechen sollte, aber er schien die Worte nicht für richtig gehalten zu haben und daher ließ sie davon ab. "Ich würde es nicht aushalten. Oder er schickt mich heim nach Germanien.", kam es ihr auf einmal. Wie sollte sie nur ihrer Mutter von all den Dingen, die ihr hier widerfahren waren, erzählen können? Und zuhause wurde sie wieder an ihren verstorbenen Bruder erinnert und dieser Tod hatte so sehr an ihr gezehrt. Warum hatte sie Scaevina und Appius geholfen? Warum sagte sie es nicht einfach. Wenn sie ihm sagte, dass sie Christen seien, würde er wohl einen Lachanfall bekommen und sie dann festnehmen. Immerhin hatte sie ihnen zur Flucht verholfen. "Weil sie keine Christen sind und ich fürchtete du würdest sie dazu bringen, dass sie genau die Antworten geben würden, die du hören willst.", redete sie sich heraus. Aber auch Verus hatte solch eine Taktik angewandt und sie hatte gefruchtet.


    Das er dann auch noch versuchte sie aus dem Konzept zu bringen, machte es nicht besser. Obwohl viele Iunier den militärischen Weg wählten, war es für Caerellia doch anders, Canus nun an ihrer Seite zu haben. Er war ihr vollkommen fremd und er schien verbissen darauf zu sein, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Er war höflich zu ihr, aber diese Höflichkeit hatte seinen Preis. Und der war nichts anderes, als Caerellia zum Sprechen zu bringen. Meinte er es wirklich in ernst, dass er ihre Gesellschaft genoss? War es nur eine gespielte Freundlichkeit von ihm? Sie konnte es nicht feststellen. "Dann habe ich ja nochmal Glück gehabt.", antwortete sie ihm lächelnd. Sie wurde nun tatsächlich offener und musste über Canus Bemerkung mit den Blumen ebenfalls lachen. Es war, als würde ihr ein Stein vom Herzen fallen. Als würde sich die Dunkelheit in ihr für einen Moment zurückziehen. Doch es dauerte nicht lange bis sie wieder Einzug hielt. Die Dunkelheit war wie ein Schatten, der ihr überall hin folgte. Sie war nie alleine. Sie war dabei und der Miles schien das zu spüren. Mit ihrer rechten Hand fuhr sie sich über den Hals. Sie spürte noch die Narbe des Halsrings und auch er würde sie erkennen, wenn er darauf aufmerksam wurde. Sie spürte seinen Blick auf sich und zog sofort die Hand davon weg und senkte ihre Lider. Hatte sie sich nun verraten? Ihm einen Hinweis darauf gegeben, dass ihr etwas zugestoßen war, was ihr Leben verändert hatte?

  • Was in der Iunia eigentlich vorging, was sie alles durchgemacht hatte und was sie zu diversen Entscheidungen in dieser Situation brachte – selbst wenn der Quintilier dieses Ausmaß erkennen würde, so würde es ihm doch schwer fallen dies nachzuvollziehen. Auf ihre Worte hin schmunzelte der Miles, schüttelte kurz den Kopf. „Nach Germanien? Das wäre wohl Verschwendung,“ äußerte er seine Gedanken mit Worten, die wohl vermutlich nicht gänzlich passend waren – aber er wusste sich nicht anders auszudrücken. Er wusste nichts anderes zu sagen, was irgendwo gegenüber einer jungen Frau, geschweige denn im Dienstbetrieb, angemessen gewesen wäre.


    Auf ihre folgenden Worte hin musste er kurz lachen. „Für wen oder was hältst du mich eigentlich? Ich foltere niemanden und presse auch sonstwie keine Dinge aus jemandem heraus. Sicherlich fällt es mir schwer, dir so ohne weiteres zu glauben, nach allem was passiert ist. Dennoch weiß ich durchaus mit gesundem Menschenverstand an solche Dinge heranzugehen,“ betonte der Quintilier dabei und blickte kurz auf die Iunia herab.


    Ihr Lächeln heiterte den Miles dabei genauso auf, wie auch ihr Lachen. Doch es war der Iunia deutlich anzusehen, dass irgendetwas sie beschäftigte und ihre Gedanken heimsuchte. Er sah durchaus die Bewegung ihrer Hand, während sie die Straßen entlang schritten und im Anschluss daran erkannte er auch die Narbe, die ihm vorher gar nicht aufgefallen war und die Caerellia wohl zu verbergen versucht hatte. „Was ist das?“ fragte er zunächst ziemlich schroff und unbeholfen. Auch wenn er durchaus auf Etikette achtete, so kam in ihm ab und an mal eben doch der einfache Miles heraus, der schlichte Mann, der sich auch eben genauso ausdrückte. Allerdings bemerkte er dies, biss sich kurz auf die Unterlippe und richtete seinen Blick abermals auf die Iunia. „Ist... dir was zugestoßen?“ fragte er nun ein Stück weit einfühlsamer, jedenfalls versuchte er dies, während sein Blick auf ihrem Gesicht lag. Zu versuchen ihr Vertrauen zu gewinnen war in dieser Situation wohl die beste Strategie, während er ihr immer noch nicht sehr weit vertraute - wer konnte garantieren, dass sie nicht wieder weglaufen würde?

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