Streife. Eine beinahe alltägliche Aufgabe der einfachen Soldaten der Cohortes Urbanae hier in Rom. Aber Canus kam dies in der Regel recht. Durch die Straßen der Stadt zu streifen war in seinen Augen wesentlich angenehmer als in der Castra zu versauern. Sicher, dort gab es auch genügend zu tun. Aber jeden Tag Ausbildungsinhalte wiederholen, so wichtig Drill auch sein mochte? Nein, das war nichts für ihn. Jeden Tag in einem Officium versauern? Der Quintilier hoffte nur, dass man ihn niemals in solch eine Position schieben würde. Sicherlich machte er sich auch Aufstiegsgedanken, aber nicht in Richtung der Verwaltung oder Sanität. Er wollte schlicht und einfach Soldat bleiben und erwartete dabei keine Höhenflüge, die wollte er auch gar nicht. Glücklicherweise war es recht ruhig. Sicher war es auf dem Aventin nicht allzu schön, doch es war immer noch eine ganz andere Qualität als in der Subura – aber diesbezüglich hatte Canus ja schon eine Hiobsbotschaft erhalten, mehr oder weniger. Sicher würde in Zukunft der Dienst in der Subura genügend Gelegenheiten für Spannung mit sich bringen, aber dies ging natürlich mit bestimmten Gefahren einher.
Doch gerade, als er diese Gedanken zu verfolgen versuchte, kam ein Mann auf die Gruppe Urbaner zu. Er schien sichtlich erregt und die Streife stoppte. „Ich... ich habe sie gesehen!“ begann der Mann zu stammeln, er war ein wenig außer Atem. Der Dienstälteste des Contuberniums verzog seine Augen und blickte den Fremden an. „Wen hast du gesehen?“ war schließlich die folgerichtige Frage. „Da vorn! Die jungen Frauen! Christen! Die eine hat von diesem... ihr wisst schon wen ich meine, gesprochen! Das sind diese verdammten Christen!“ erwiderte der Fremde ziemlich nebulös und deutete mit ausgestrecktem Arm, mit seinem Zeigefinger, auf eine Gruppe junger Frauen, die etwas weiter entfernt auf der Straße standen und sich unterhielten. „Ich habe sie zur Rede gestellt, doch sie leugnen es!“ fügte der etwas lebensältere Mann hinzu. Der Älteste des Contuberniums wandte sich an Canus und verdrehte dabei die Augen. „He, Canus, meinst du, dass du mit einer Gruppe Mädchen klar kommst?“ Dies führte dazu, dass der Quintilier wiederum sein Gesicht etwas verzog. „Toller Scherz. Ich schau' mir das mal an, aber nicht, wenn er hier mir die ganze Zeit dazwischen redet,“ erwiderte der Quintilier wenig begeistert und deutete kurz auf den fremden Mann, der allmählich seinen Atem wiedergefunden hatte. Der Dienstälte des Contuberniums nickte und wandte sich dann wieder dem Fremden zu, um dessen Anschuldigung aufzunehmen und sich seine Sicht der Dinge anzuhören, eine ebenso undankbare Aufgabe. Und während die übrigen Kameraden nun ihre Füße ein wenig schonen konnten, setzte Canus sich in Bewegung, um sich mit der Gruppe junger Frauen auseinanderzusetzen. Sicher, die Christen waren ein Übel. Doch das damit einhergehende Denunziantentum war ein ähnlich großes Übel.
„Salvete,“ begrüßte der Quintilier die Frauen, als er bei dem Grüppchen ankam und sein Scutum vorsichtig auf dem Boden abstellte, um seine linke Hand darauf abzustützen. „Hat dieser Mann euch belästigt?“ fragte Canus und deutete kurz in die Richtung, aus der er gekommen war. Er wählte bewusst einen derartigen Einstieg in dieses Gespräch, doch er glaubte nicht wirklich daran, dass an den erhobenen Anschuldigungen wirklich etwas dran war. Warum auch? Nur weil jemand über das Christentum redete? In dem Falle könnte man vermutlich einen Großteil der Einwohner entsprechend strafen. Mit seinem Blick musterte er kurz jede der Frauen, eine ansehnlicher als die andere, doch dies sollte für ihn gerade weniger von Interesse sein.