[Cubiculum] Iulia Graecina

  • Zitat

    Original von Iulia Graecina
    Doch dann, endlich! Die Tür öffnete sich und die beiden Sklaven traten ein. „Da seid ihr ja endlich!“ man konnte eine gewisse Gereiztheit in der Stimme der Römerin spüren, die zu dem Sklaven trat und ihn scheinbar begutachtete. Sein kraftvolles muskulöses Äußeres ließ sie hoffen, dass er der zugedachten Aufgabe gewachsen war. Allerdings war ihr auch die Alkoholfahne aufgefallen, die aus seinem Mund zu ihr herüber gewandert war. Allerdings wusste sie, dass sie nicht sonderlich wählerisch sein sollte. „Du wirst uns begleiten, Angus! Meine Sklavin Sulamith ist in Schwierigkeiten geraten und wir müssen ihr helfen. Du sollst für unsere Sicherheit garantieren. Siehst du dich dazu im Stande?“


    Zum Glück machte der Kelte keine Zicken. Ja. Er trottete beinahe brav hinter ihr her. Wie das Lamm das zur Schlachtbank geführt wurde, durchzuckte es Eireanns Gedanken. Ob er sich genauso gebärdete wenn er der Domina gegenüberstand, die er im Übrigen noch gar nicht kannte? Für einen kurzen Augenblick bildete sich eine steile Falte zwischen Eireanns Augenbrauen und ihr Herz trommelte lautstark in ihrer Brust. Nachdenklich ließ sie ihren Blick über die Statur ihres Landsmannes gleiten. Angus würde sie schon zu beschützen wissen, dessen war sich die junge Frau sicher. Auch wenn er nach Alkohol roch.


    Und diese Fahne dürfte auch der Römerin nicht verborgen bleiben, als sie endlich Domina Graecinas Cubiculum erreichten. Was war wenn Domina Graecina nicht zufrieden war? Wirre Gedanken drängten durch Eireanns Köpfchen und ließen sie nur noch nervöser werden. Wie es Tiberios und Sulamith ergehen mochte? Hoffentlich wurden die Beiden nicht bedrängt oder gar schlimmeres.


    Bei diesen Gedanken biss sich die junge Frau auf die Unterlippe und verkrampfte ihre Finger miteinander. Bei den auffordernden Worten an den Kelten, warf ihm Eireann einen musternden Blick entgegen. Wie entschied er sich? Könnten sie dann endlich die beiden Sklaven retten?

  • Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete ich die Domina, als sie am mich herangetreten kam, um mich zu begutachten. Sie wirkte dabei etwas ungehalten, wahrscheinlich weil sie auf uns warten musste. Besonders freundlich wirkte sie auch nicht auf mich. Ich hatte mich ja schon fast damit abgefunden, wie Luft behandelt zu werden. Ansonsten machte sie einen leicht überheblichen Eindruck auch mich, was einfach an der Familie liegen musste, der sie angehörte. I


    Ich kam mir schon ein wenig wie auf dem Sklavenmarkt oder beim Fleischbeschauer vor. Dass sie dabei unweigerlich auch die Ausdünstungen meines Alkoholkonsums roch, konnte ich leider nicht vermeiden. Doch ich war mir ganz sicher, wozu ich im Stande war und wozu nicht. Zwar war ich hier in der Domus zunächst als einfacher Sklave eingebunden worden, dem man keine größeren, beziehungsweise wichtigeren Aufgaben übertrug, aber in der Vergangenheit hatte ich sehr wohl als Custos gedient und schon einige brenzligen Situationen gemeistert. Also warum sollte ich nicht auch das hinbekommen, eine kleine Sklavin aus einem miesen Schuppen zu retten?
    „Ich denke schon, Domina!“, antwortete ich gelassen, als ob es kein großes Ding war, ihre Sklavin zu befreien. Falls es dann doch gefährlich würde, hatte ich zur Sicherheit immer noch meinen Dolch unter der Tunika versteckt.
    „Ich nehme an, Eireann wird mich begleiten, da sie ja den Weg zu dieser Taberna kennt.“ meinte ich dann und sah zu der kleinen Keltin hinüber, die ziemlich unentspannt wirkte.

  • Graecinas rechte Augenbraue zuckte bei dieser Antwort unwillkürlich nach oben. Er dachte schon! Jedoch hatte die junge Iulia keinerlei Alternativen, was ihre Begleitung betraf. Dann lieber mit einem angetrunkenen Custos losziehen, als gänzlich ohne Schutz ins eigene Unglück rennen, dachte sie sich.
    „Nun gut! Wenn wir das geklärt haben, dann sollten wir uns sputen!“ Sie nickte der keltischen Sklavin zu, denn natürlich musste sie auf jeden Fall mitkommen! Denn nur Eireann kannte den Weg zur Taberna, in der Sulamith fest saß.


    Bevor sie jedoch mit den beiden Sklaven ihr Cubiculum verließ, stellte sie sich ihnen ganz abrupt in den Weg und sah die beiden eindringlich an. „Wenn es uns gelingt, meine Sklavin zu befreien, dann sollt ihr mir nicht umsonst geholfen haben! Ihr werdet von mir eine Belohnung erhalten! Das gelobe ich!“ Sie hoffte auf diese Weise die beiden Sklaven dazu zu bringen, ihr menschenmöglichstes zu tun. Was sie den beiden als Belohnung geben würde, hatte sie in diesem Moment nicht genau sagen können.

  • Doch nicht nur die Iulia wirkte irritiert ob der Antwort des Kelten. Auch Eireann warf Angus einen überraschten Blick entgegen. Ob aus ihm noch der Alkohol sprach? Bei diesem Gedanken furchte sich die Stirn der Silurerin. Während ihr Blick über Angus Statur glitt. Zum Glück gab die Iulia in diesem Moment das Signal zum Aufbruch. Endlich.
    “Wir sollten uns beeilen. Und bleibt bitte immer dicht hinter mir.“
    Forderte Eireann mit einem festen Klang in ihrer Stimme. Nicht auszudenken sollte sie Angus oder Iulia Graecina in den verwinkelten Straßen Romas verlieren. Dann würde sie eben alleine weitergehen. Doch diese Gedanken verkniff sie sich und linste aus dem Augenwinkel zur kleinen Ancilla, die friedlich schlummerte und von dem Tumult um sie herum nichts mitzubekommen schien. Zum Glück.


    Mit einem letzten Blick in die Gesichter der Iulia Graecina und Angus, nickte Eireann und wollte sich auch schon der Türe nähern, um dss Cubiculum zu verlassen. Da stellte sich ihnen die Domina in den Weg. Erstaunen spiegelte sich auf Eireanns Gesichtszügen wider. Hatte sie es dich doch anders überlegt und präsentierte ihnen einen anderen Plan? Doch nichts dergleichen geschah. Sodass die Keltin die angehaltene Luft langsam zwischen ihren Zähnen entweichen ließ.


    “Eine Belohnung? Nein. Es ist meine Pflicht Sulamith wohlbehalten zu dir zurück zu bringen Domina.“
    Und mit diesen Worten trat Eireann hinaus auf den Gang. Bereit die beiden zur Schmierige Spelunke am Kanal zu führen. Und damit zu Sulamith und Tiberios.

  • „Äh, ja gut!“, meinte ich und wandte mich schon zum Gehen um. Keine Ahnung, warum die beiden Frauen mich so ansahen. Das musste wahrscheinlich irgend so ein Frauen-Ding sein, das kein normaler Mann je verstehen würde.
    Eireann gab noch einige Instruktionen zum Besten, die ich zustimmend abnickte.
    Bevor Eireann und ich jedoch das Zimmer der Iulierin verlassen konnten, stellte sie sich unsin den Weg. Nanu, was war denn jetzt? Meine Stirn kräuselte sich etwas, als sie von einer Belohnung anfing. Eine Belohnung? Das klang immer gut! Vielleicht eine kleine Amphore mit ordentlichem Wein oder ein paar Münzen. Sowas konnte Mann immer gut gebrauchen. Frau allerdings nicht, weswegen ich Eireann einen bösen Blick zuwarf.
    „Danke, Domina! du bist sehr gütig!“, meinte ich brav. Dann ging es endlich los.

  • Die Iulia gab Anweisung, ihre Sklavin in ihr Cubiculum zu bringen. Dort befand sich jedoch auch noch das Sklavenmädchen und die alte Coqua. Ancillas Fieber war inzwischen glücklicherweise gesunken und das Kind schlief nun einen tiefen und ruhigen Schlaf.


    „Leg sie bitte neben das Kind,“ wies Graecina Angus an. Die alte Coqua erhob sich und schaute besorgt nach der Hebräerin. Allerdings konnte sie keine äußerlichen Verletzungen erkennen, bis auf eine geschollene Lippe. Sie sah zu, wie der Sklave Sula auf das Bett ihrer Domina legte.
    „Aber Domina, wo wirst du heute Nacht schlafen? Wäre es nicht besser,…“ Locusta konnte ihren Satz nicht mehr beenden, denn Graecina fiel ihr ins Wort. „Nein, das wäre es nicht! Die beiden bleiben heute Nacht hier, Ich finde schon ein Plätzchen zum Schlafen. Du kannst nun zu Bett gehen, Locusta. Ihr könnt nun alle zu Bett gehen!“ Damit entließ sie die Sklaven.


    „Danke, euch allen!“, rief sie, bevor sie drei Sklaven ihren Raum verließen.

  • Glücklicherweise war der Rückweg zur iulischen Domus ganz unproblematisch verlaufen. Denn ein weiterer Zwischenfall wäre sehr ungünstig gewesen, da ich Sulamith den ganzen Weg zurück getragen hatte.
    Erst als ich, der Domina folgend, in ihrem Cubiculum angekommen war, legte ich ihre Sklavin auf ihrem Bett ab. Nun lag die hebräische Sklavin direkt neben der kleinen Kröte, die sie aus unerfindlichen Gründen gerettet hatte. Der Kleinen schien es wenigstens etwas besser zu gehen. So diese Dummheit, die die Hebräerin begangen hatte, nicht vollkommen umsonst gewesen.


    Damit war meine Arbeit getan. Dennoch hielt ich mich abwartend im Hintergrund, bis die Domina mich entließ. Das tat sie dann auch umgehend, was mir sehr in den Kram passte, denn inzwischen war ich hundemüde. Ich warf noch einen auffordernden Blick auf Eireann zu, mir am besten zu folgen. Dann drehte ich mich um und ging zur Tür. Kurz bevor ich im Begriff war, sie zu öffnen, bedankte sich die Domina plötzlich bei uns allen. Das passierte auch nicht alle Tage! Ich wandte mich noch einmal zu ihr hin und nickte ihr freundlich zu. „Gute Nacht, Domina!“ Dann ging ich.

  • Während des gesamten Rückwegs zur Domus Iulia war Eireann tief in Gedanken versunken. Und zugleich machte sie sich noch immer diese schrecklichen Vorwürfe.
    “Ich hätte an Sulamiths Stelle in dieser Taberna zurück bleiben sollen. Sulamith hätte ihre Domina sicher zu dieser Taberna geleitet. Und diese ganze Aktion wäre nicht ausgeartet.“
    Zum Glück murmelte die Keltin jene Worte so leise, dass sie garantiert von niemandem verstanden würde. Wie mochte es wohl Tiberios ergehen? Bei dem Gedanken an den furischen Lockenkopf, blickte Eireann aus dem Augenwinkel in Angus Richtung. War diese kleine Prügelei das richtige gewesen?


    Endlich wurde die Domus Iulia erreicht. Zum Glück ohne weitere Zwischenfälle. Und es wurden auch keine Fragen gestellt, wieso Angus Sulamith auf den Armen trug. So erreichten sie unbehelligt das Cubiculum der Graecina. Und dort befand sich auch noch immer die kleine Ancilla und schlief. Leise, um sie nicht zu wecken, schlich Eireann auf Zehenspitzen an das Bett heran und strich dem Kind sanft über das Köpfchen. Zumindest glühte ihre Stirn nicht mehr. Also war das Fieber gesunken. Und so entfernte sich die junge Keltin vom Bett. Denn auf die weichen Laken wurde Sulamith gebettet.


    “Danke Domina. Gute Nacht.“
    Erwiederte die Dunkelhaarige schließlich und schlüpfte nach Angus aus dem Cubiculum der Iulia.

  • Die Nacht war den ersten Sonnenstrahlen gewichen, die sich am Horizont angekündigt hatten. Der neue Tag, der gerade erst angebrochen war, wirkte noch so jungfräulich und unschuldig. Doch die Nacht, die zu Ende gegangen war, hatte das Übelste und Boshafteste hervorgebracht, was das Verständnis der jungen Frau, die nun auf der Bettkante saß und ins Nichts starrte, überstiegen hatte. Neben ihr auf dem Bett lagen Graecina und Ancilla, die ineinander verflochten schienen. Die Müdigkeit hatte die junge Römerin im Laufe der Nacht übermannt, nachdem sie sich aufopferungsvoll um ihre hebräische Sklavin gekümmert hatte.


    Sulamiths Körper war übersät mit blauen Flecken – die Schandmale, die ihr ihr Peiniger zugefügt hatte. Jede noch so kleine Bewegung schmerzte. Doch der Wunsch nach Reinheit hatte sie dazu veranlasst, die Schmerzen in Kauf zu nehmen. Noch vor der Dämmerung hatte sie sich ins balneum servorum begeben, um ihren Körper zu reinigen. Der Geruch des Mannes, der sie geschändet hatte, haftete noch immer an ihr. Dieser Geruch bereitete ihr Übelkeit.
    Wie im Wahn hatte sie ihren Körper mit einer Bürste geschruppt, bis ihre Haut krebsrot war. Das Wasser konnte zwar den sichtbaren Schmutz von ihrer Haut zu waschen, doch es vermochte nicht das fortzuschwemmen, was tief in ihrem Inneren verunreinigt worden war. Mit dieser Schande, mit diesem Ekel vor sich selbst würde sie fortan leben müssen. Nichts und niemand würde sie davon befreien können. Nicht einmal ihr Glaube!


    Die ersten Strahlen der Sonne schafften es schließlich, durch das kleine Fenster hindurch ins Cubiculum ihrer Herrin zu scheinen und erhellten es auf diese Weise. Das warme Sonnenlicht erreichte die junge Frau, die auf der Bettkante saß. Doch sie erkannte das Licht nicht. Ihr Blick ging in eine angsterfüllte Dunkelheit.

  • Nachdem die Sklaven endlich gegangen waren und Graecina mit Sula und dem kleinen Mädchen, dass sie gerettet hatte, alleine war, fiel der ganze Druck, der ihre Fassade von der starken und selbstsicheren Römerin aufrecht erhalten hatte, von ihr ab. Sie beugte sich über die Hebräerin und fing fürchterlich an zu weinen. Was hatte man ihrer Freundin nur angetan? Was ging in einem Menschen vor, der so etwas getan hatte? Sula war der liebenswerteste und friedfertigste Mensch, den sie bis dahin getroffen hatte. Sie hatte sich voll und ganz für dieses Kind dort geopfert, dessen Leben für die meisten Menschen nicht mal ein Quadrans wert gewesen war. Graecina wusste, dass sie niemals eine solche Stärke hätte aufbringen können. Sie bewunderte Sulamith dafür. Doch sie so daliegen zu sehen, schmerzte sie ungemein.


    Liebevoll stich sie das verschwitzte Haar aus Sulas Gesicht. Vielleicht konnte ihre sanfte Berührung bis zu ihr vordringen, denn sie hatte scheinbar einen Schutzpanzer um sich herumgebaut, um nicht noch mehr verletzt zu werden.
    Die Iulia hatte kurze Zeit später einen Bottich mit Wasser und einen Waschlappen geholt, um Sulas Körper notdürftig damit zu reinigen. Die sichtbaren Spuren der Vergewaltigung ließen sie erschaudern. Sie fragte sich, wie Sula nur diese Kraft und diesen Mut aufbringen konnte, um sich auf diese Weise für einen anderen Menschen aufzuopfern. Es musste ihr Glaube sein, schlussfolgerte Graecina irgendwann, als sie auf keine andere Antwort kam. Ob sie jemals einen solch starken Glauben aufbringen konnte?


    Den Rest der Nacht hatte die Iulia über Sula gewacht, bis ihr irgendwann die Augen zugefallen waren und sie fest einschlief. Erst einige Stunden später, als die Sonnenstrahlen bereits in ihr Cubiculum hineinfielen, wachte sie langsam auf. Ancilla, das kleine Mädchen schlief noch immer ganz fest. Sollte das Kind sich gesund schlafen und alle Zeit der Welt haben, um sich wieder voll und ganz zu erholen.
    Als sie sich langsam umdrehte, erkannte sie Sulas Silhouette. Sie saß auf der Bettkante. Das machte ihr wieder ein wenig Hoffnung. „“Sula,“ wisperte sie ihr zu. „Geht es dir gut Sula? Wie fühlst du dich?“

  • Neben ihr auf dem Bett regte sich etwas. Graecina erwachte langsam aus ihrem Schlaf, während das Kind weiterhin noch fest schlief. Wenige Herzschläge später drang dann ihre Stimme an Sulamiths Ohr. Ihre Worte waren ein verzweifelter Versuch, die Hebräerin aus ihrem Gefängnis herauszuholen, in dem sie gefangen war. Allerdings verfügte Sulamith nicht über die nötige Kraft dafür, die Hand der Iulia zu ergreifen und sich daran hochzuziehen. Ihr Unvermögen und die Hilflosigkeit rührte sie zu Tränen, die still an ihren Wangen herunter liefen. Sie vergrub ihr Gesicht in ihre Hände. Der Drang, den Schmerz einfach hinauszuschreien, war groß, doch ihre Stimme versagte ihr, was sie noch weiter bedrückte.
    Man sagte, die Zeit heilt alle Wunden. Doch ob sie auch solche Wunden heilen konnte, war fraglich. Gab es noch eine andere Kraft, die ihr helfen konnte? Wie stand es mit ihrem Glauben, auf den sie immer fest vertraut hatte und der bisher durch nichts hatte erschüttert werden können. Doch die eine Frage, die sie seit letzter Nacht umtrieb, die ihr einfach keine Ruhe geben wollte, war die Frage: Warum? Warum hatte ihr Gott das zugelassen? Sie hatte doch so selbstlos gehandelt, wie sie es immer wieder in den Versammlungen gehört hatte. Warum also hatte Gott nicht seine schützende Hand über sie gehalten und ihren Peiniger mit einer schrecklichen Plage belegt? Oder aber hatte er sich von ihr abgewndet?

  • Sula antwortete nicht. Stille umgab sie. Nichts als Stille, die bedrückend wirkte. Auch wenn Graecina die Tränen ihrer Freundin nicht wirklich sah, erahnte sie sie jedoch. Spätestens dann, als Sula ihr Gesicht in ihren Händen vergrub, konnte sie dessen sicher sein. Die Iulia setzte sich auf, rutschte etwas näher zu ihr und legte tröstend ihren Arm um sie. „Ach Sula, was kann ich nur für dich tun?“ Ob ihrer Hilflosigkeit war sie selbst den Tränen nahe. Doch die Iulia musste nun stark für sie beide sein. „Du sollst alle Hilfe bekommen, die du brauchst!“, entschied sie und sprang aus dem Bett. „Ich werde nach dem besten Medicus schicken lassen. Irgendjemand wird dir bestimmt helfen können!“
    Voller Aktionismus zog sie sich ihre Tunika über, trat aus ihrem Cubiculum hinaus und schnappte sich den erstbesten Sklaven, der ihr über den Weg lief. Das große Los fiel auf Breda, die sich gerade im obersten Stockwerk aufhielt. „Geh, und rufe einen Medicus! den besten ,den du finden kannst! Schnell, es eilt!“ Etwas erschrocken sah die keltische Sklavin die Iulia an und nickte dann zaghaft. „Ja Domina! Ich eile!“ Mit diesen Worten ließ sie alles stehen und liegen und machte sich auf den Weg.


    In weniger als einer Stunde war Breda mit einem Medicus zurückgekehrt, den sie zu Domina Graecinas Cubiculum brachte. Es handelte sich um einen älteren Mann, einen Griechen namens Hermogenes. Auf Graecinas Geheiß untersuchte er die Hebräerin gründlich. Außer einigen blauen Flecken und leichten Hautabschürfungen hatte er aber nichts feststellen können, was auf eine größere physische Verletzung hindeutete. Das, was die Hebräerin bedrückte, war eine Verletzung anderer Natur. Er empfahl Graecine, sich mit ihrer Sklavin zum Tempel des Aesculapus auf der Tiberinsel zu begeben, um Sula dort einem Tempelschlaf zu unterziehen. Nur so könne ihr noch geholfen werden.
    Greacina, die über diese Empfehlung nicht gerade glücklich war, sich allerdings auch nichts anmerken ließ, bedankte sich bei dem Medicus und zahlte ihm sein Honorar. Dann verschwand er wieder und ließ die beiden Frauen zurück.


    „Nein, nein, nein! Es muss eine andere Möglichkeit geben! Nicht zum Aeskulapustempel!“ Schließlich besann sie sich. Wollten die beiden Frauen nicht am Abend des nächsten Tages zu einer Versammlung der christlichen Gemeinde gehen? Doch, so war es! Dorthin musste sie mit Sula gehen, denn nur dort konnte sie Erlösung finden!

  • Kurz bevor sich der Tag seinem Ende entgegen neigte, klopfe eine junge Sklavin an Graecinas Tür. Die Iulia öffnete selbst und nahm die decimische Lieferung an. So fanden die Blumen, das Geschenk und der Brief des Decimus doch noch seine Adressatin – ebenso der Brief an Graecina´s Cousin…


    Trotz ihrer unermesslichen Trauer, konnten die herrlichen Blumen das Herz der jungen Iulia ein wenig erwärmen. Sie bekamen einen Ehrenplatz auf einer Kommode. So lange hatte sie auf diesen Moment gewartet! Ausgerechnet in diesen dunklen Stunden musste nun der langersehnte Brief des Decimus eintreffen.
    Zunächst besah sie sich das edle Kästchen aus Rosenholz. Ihre Finger strichen sanft über die kleine Amorette, die darauf abgebildet war. Obwohl es offensichtlich war, wie sich der Decimus entschieden hatte, liefen ihr die Tränen über die Wangen. Vorsichtig öffnete sie das Kästchen und fand das liebevoll zusammengestellte Konfekt vor. Bei diesem Anblick begann sie jämmerlich zu Schluchzen – aus Trauer um ihre toten Verwandten und auch vor Glück.


    Als sie ihre Tränen weggewischt hatte, widmete sie sich dem Brief, der eigentlich an Caesoninus adressiert gewesen war. Sie brach das Siegel und öffnete ihn.


    An den Vigintivir G. Iulius Caesonius




    Gardetribun F. Decimus Serapio grüßt den Vigintivir G. Iulius Caesonius.


    Die Schönheit der Damen Deiner Gens ist sprichwörtlich.
    Und so wird es Dich wohl kaum verwundern, dass Dein Mündel, welches ich vor kurzem die Freude hatte kennenzulernen, einen starken Eindruck hinterlassen hat. Ihr Liebreiz und ihr angenehmes Wesen finden nicht ihresgleichen, und haben in mir den Wunsch erweckt, sie als die Meinige heimzuführen.
    Ich möchte in aller Form um die Hand der holden Iulia Graecina anhalten, und bitte Dich um ein Treffen, um gegebenenfalls die Konditionen der Ehe zu besprechen.


    Vale bene



    Graecina hatte den Brief mehrmals gelesen, bis sie schließlich das Papyrus beiseite legte und überlegte, was nun zu tun war. Schließlich griff sie zu einem Blatt Papyrus, einer Schreibfeder und einem Tintenfass und begann zu schreiben.




    An
    Gardetribun
    Faustus Decimus Serapio
    Casa Decima Mercator
    Roma




    Salve Decimus,


    Deine wunderbaren Blumen und die köstlichen Süßigkeiten, über die ich mich sehr gefreut habe, haben mich in einem Moment der tiefsten Trauer erreicht.
    Unglücklicherweise muss ich Dir mitteilen, dass heute meine beiden Verwandten Iulius Caesoninus und Iulia Phoebe Opfer eines gemeinen und niederträchtigen Mordanschlages geworden sind. Ich bin untröstlich über diesen großen Verlust.


    Vale bene


    Iulia Graecina


    /images/signet/Siegel_IuliaBrief.png




    Nachdem sie den Brief mit einem iulischen Siegel versehen hatte, bat sie Sulamith, den Brief zu den Decimern zu bringen.

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    Graecina hatte die Tür zu ihrem Cubiculum offen gelassen, nachdem sie eingetreten war, da ihr Iduna folgen sollte. Sie ließ sich in einem Korbsessel nieder und wartete, bis ihre neue Sklavin und deren Kind eingetreten waren.

  • Mit hängendem Köpfchen war Iduna ihrer neuen Domina aus dem Officium des Maiordomus gefolgt. Ihre Tochter wusste die Cheruskerin sicher an ihrer Seite und spürte zugleich wie sich Aislin nicht nur an ihrer Hand festklammerte, sondern ihre Fingerchen auch noch in ihre Tunika krallte. Ihr kleines Mädchen würde ihren Vater niemals wiedersehen und ohne Vater aufwachsen.
    “Arme kleine Aislin.“
    Murmelte die Rothaarige und strich ihrer Tochter beruhigend über die rötlichen Locken. Bevor sie deren Fingerchen sanft aus ihrer Tunika löste und endlich ihre Schritte voranlenken konnte. Das Ziel war klar. Das Cubiculum ihrer Domina.


    In weiser Voraussicht hatte Iduna die Türe ihres Cubiculums offenstehen lassen. Sodass die Rothaarige mit zögernden Schritten, was auch mitunter an ihrer Tochter lag, das Cubiculum ihrer Domina betreten. Aus dem Augenwinkel ließ die Rothaarige ihren Blick schweifen und zog mit einer gar bedächtigen Bewegung die Türe hinter sich ins Schloß. In diesem Augenblick begann Aislin leise zu wimmern. Offensichtlich war es für das Mädchen ein kleines bisschen zu viel am heutigen Tag. Und auch Iduna hatte der Schreck über Angus Verkauf eine steile Falte zwischen ihre Augen gegraben.


    Beruhigend streichelte die Rothaarige dem Mädchen über den Rücken und wartete darauf das ihre Domina ihre Stimme erheben würde.

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