Am Strande - Adagietto ostiensis

  • In lockerem Trab zogen meine kyrenäischen Fuchsstuten den Streitwagen über das Pflaster der Straße. Ich lenkte den Wagen, gegen den Rand der Biga gelehnt, die Zügel in beiden Händen, die Peitsche brauchte ich kaum, sie stak in der seitlichen Halterung. Neben mir stand der junge Silas. Wie versprochen hatte ich ihn auf diese Probefahrt mitgenommen. Grabmäler, Häuser und Pinien zogen an uns vorbei auf dem Weg nach Ostia. Meine Biga secunda, die besonders leicht gebaute, war nach den Reparaturen wieder einsatzbereit (und außerdem schneidig neu bemalt mit unserem Decimer-Hengst in schwarz auf weißem Grund), und da ich sowie ein paar Sachen auf unserem ostiensischen Gut, dem Domus calamis, zu regeln hatte, hatte ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Es war eine Freude, wieder mit dem schönen Gefährt unterwegs zu sein, von den herrlichen Rösser gezogen rasch dahinzubrausen... Wobei es auf der Via selten Gelegenheit gab, die Rösser wirklich laufen zu lassen, es waren zu viele Reisende und Ochsenkarren unterwegs. Zudem war der Grund zu hart. Wir hätten viel schneller sein können, so war es schon fast mittag, als wir die Hafenstadt erreichen. Jedoch lenkte ich die Biga an der Abzweigung zu unserem Gut vorbei, und steuerte den Strand an.


    Sand knirschte unter den Rädern. Tief sog ich die feuchte Meeresluft ein, roch Salz, Tang und den brackigen Sumpfgeruch der Morastlandschaften um die Tibermündung. Es war ein bedeckter Tag, spätsommerlich warm, der Himmel wölbte sich in klarem Grau. Das Meer lag glatt, in blaugrau und silber, nur kleine Wellen schwappten auf den Ufersaum.
    Endlich konnte ich die Pferde mal rennen lassen.
    "Halt dich fest." rief ich Silas zu, und ließ die Zügel auf die fuchsroten Rücken schnalzen.
    "Vamos! Vamos meine Schönen!"
    Sie zogen an, fielen in einen rollenden Galopp, streckten die Hälse, und auf und ab gingen ihre roten Rücken. Der Wind pfiff uns um die Nase , als wir den Ufersaum entlang jagten...

  • Mit einem breiten Grinsen im Gesicht genoss ich den Rausch der Geschwindigkeit, den Wind in den Haaren, die Stärke der Rösser, die sich mir über das vibrierende Band der Lederzügel mitteilte, ihr ungestümes Stürmen, das Spiel ihrer gewaltigen Muskeln unter dem glänzenden Fell, den Rhythmus der Hufe, flatternde Mähnen, alles gelenkt durch mich, mir untertan und zugleich als wären wir eins, das Gespann, die edlen Renner und ich wie auch der süße Blonde neben mir, verschmolzen zu einem einzigen: Vorwärts!!!
    Es war ein Rausch, dem nichts gleich kam, auf seine Weise beinahe ebensogut wie (früher) die Höhenflüge auf den Schwingen des Opiums oder (wieder, Eros und Anteros sei Dank) die Ekstase in Manius' Armen...
    Ein paar Unebenheiten ließen den Wagen holpern, bei einer flachen Düne sprang er förmlich in die Höhe, ich ging weiter in die Knie, um dies auszugleichen, verlagerte mein Gewicht. Das Lederriemengeflecht des Bodens der Kanzel federte die ärgsten Stöße ab, aber ziemlich schnell begann bei dem Geruckel mein Rücken zu schmerzen. Verbissen fuhr ich weiter, von Wehwehchen wollte ich mich nicht bremsen lassen, aber als ein besonders heftiger Ruck uns schlingern ließ und einen spitzen Schmerz in mein Kreuz stach, besann ich mich und zügelte die Pferde... Das hatte ich nun von meiner Legionärszeit: blitzende Orden und ein kaputtes Kreuz, so dachte ich bitter, während ich die Pferde zum Abkühlen im Schritt weitergehen ließ.
    Meine Überlegungen, dieses Jahr wieder bei Equus october mitzufahren, erschienen mir gerade etwas hochgegriffen.

  • Silas jauchzte vor Freude bei der halsbrecherischen Fahrt. Beide Hände hatte um den Rand der Kanzel geklammert. Ihm konnte es gar nicht schnell genug gehen! Viel zu schnell war der wilde Galopp schon wieder vorbei.
    "Das ist ja der Wahnsinn!" rief er begeistert, "Darf ich auch mal, Dominus, oh bitte, ich habe genau zugeguckt wie du das machst mit dem Lenken, bitte darf ich auch mal die Zügel nehmen?!!"

  • Wer hätte dieser Begeisterung widerstehen können? Wenn ich in die leuchtenden Augen, auf die lebhaft geröteten Wangen des jungen Silas blickte, und diese überschwängliche, überströmende Freude am Rennfahren erblickte, die ich ja selbst so gut kannte...
    "Na gut. - Hooooh....." Ich zügelte die Pferde, und als sie standen, schnaubend, die Beine bis zum Leib sandig, streckte ich erstmal ausgiebig meinen Rücken.
    "Also pass auf..." Den richtigen Stand zeigte ich ihm, und wie er die Zügel aufzunehmen hatte. Die Gelegenheit, dabei den Arm um ihn zu legen, um seine Hände mit sanftem Druck in die richtige Haltung zu führen, die ließ ich natürlich nicht ungenutzt. Dicht aneinander standen wir sowieso. In die salzige Luft mischte sich der Geruch von Leder und dem Schweiß der Pferde.
    Ich spürte Silas' feste, noch nicht allzu breite Schultern, den schnellen Atem der Aufregung, seine geschmeidigen Hüften an den meinen, und die Rückenschmerzen waren nicht mal mehr halb so arg, angesichts meiner Vorfreude darauf, diesen schönen Jüngling zu verführen. (Nun mag man einwenden, dass es nicht gerade sportlich ist, seine eigenen Sklaven zu verführen, es ist ähnlich wie Tiere in einem Gehege abzuschießen und sich dann seiner Jagdkünste zu brüsten... Aber sportlich oder nicht, mir war eben danach. Kompliziert genug war es schon mit der goldenen Sonne vom Quirinal, heute wollte ich bloß was Einfaches, was zum Spaß.)
    So ließ ich Silas langsam, stets zum Eingreifen bereit, das Gespann ein Stück weiter den Strand entlang fahren, bis wir einen lauschigen Rastplatz erreichten.

  • Mit Feuereifer hielt Silas die Zügel, ganz begeistert, als die starken Pferde anzogen und einem Wink seiner Hand, geführt von Dominus Serapio, gehorchten. Er fühlte sich königlich, wie der große Sotion persönlich, zugleich sicher und auf eine gewisse Weise geborgen, dadurch dass der Dominus direkt neben ihm stand, den Arm um ihn gelegt, und ihn so genau anleitete. Geehrt sogar! Vor all den anderen Sklaven hatte Dominus Serapio ihn ausgesucht um ihn zu begleiten, und ihm schenkte er hier diese kostbare Lenk-Lektion. Das war schon etwas ganz Besonderes.


    Als sie rasteten, schirrte Silas die Pferde aus und schüttelte ihnen das mitgebrachte Heu auf. Das erledigt, streifte er sofort die Kleider ab und stürzte sich in die Fluten. Es war genau das dritte Mal, dass er am Meer war. Die ersten beiden Male hatte er bei der Gemüseernte im Domus Calamis aushelfen müssen, das war echt eine blöde Arbeit gewesen. (Die armen Feldsklaven, die das ständig machen mussten, taten ihm leid, es war hundertmal besser, ein städtischer Haussklave zu sein.) Aber abends waren Paulinus und er immer zum Strand gegangen.
    Es war toll hier. Das Wasser war noch warm, und flach, der Sandboden nur leicht abschüssig. Prustend und lachend tauchte Silas wieder auf, wischte sich das Salzwasser aus dem Gesicht. Was für ein Spaß! Nur schade dass sein bester Kumpel nicht auch dabei war. Silas schwamm ein bisschen.... sein Papa hatte ihm das schon früh in der Therme beigebracht... und vergnügte sich am Auftrieb des Wassers. Später fand er, selbstvergessen am Saum des Wassers watend, ein paar Muscheln, die er für seine Schwestern einsammelte. Welle um Welle rollte heran und ließ ihre Gischt um seine Knöchel herum fließen. Er sah zum Horizont, der im endlosen Ungefähren mit dem Wolkendunst verschmolz. Im unbestimmten Grau zeichnete sich dort in der Ferne die Silhouette eines Schiffes ab, wohl in der Anfahrt auf Ostia.



  • In einer windgeschützten Mulde zwischen den flachen Dünen saß ich, an die Planken eines alten Fischerbootes gelehnt, das dort mit dem Rumpf himmelwärts im Sand lag. Die Pferde mampften ihr Heu. Fleischiges Strandgras überwucherte das Ufer, darüber beugten Tamariskenbäume ihre verdrehten Stämme. Candace hatte uns einen großen Korb voll guten Essens eingepackt, darunter eine Schale mit Himbeeren, spät, süß, und überreif auf meiner Zunge.
    Meine Gedanken... anfangs noch beim Gespann, bei den leidigen Kreuzschmerzen und beim anstehenden Besuch auf dem Gut... schweiften irgendwann ins Leere, während ich da so saß, der Sand noch warm unter mir, umfangen vom Rauschen des Meeres, wie dem Atmen eines endlosen grausilbernen Wesens.


    Eine Gestalt durchbrach die Horizontale. Silas, wie die schaumgeborene Aphrodite, war dem Meer entstiegen. Die Sehnsucht, die mich bei seinem hinreißend wohlgestalten Anblick erfüllte, war nicht allein sinnlicher Natur. Ich wollte ihn, natürlich wollte ich ihn, aber mehr noch wollte ich in diesem Augenblick so sorglos und jung und übermütig sein können wie dieser Jüngling.
    Meiner eigenen Narrheit bewusst legte ich den Kopf zurück, gegen die morschen Planken, und stieß wie amüsiert die Luft aus. Ich fühlte mich seltsam entrückt in diesem Augenblick, als wäre ich nicht wirklich, nicht aus fester Substanz, mehr wie ein Spiegelbild, ein Doppelgänger, ein Abglanz von irgendetwas das vor langer Zeit geschehen war, oder in langer Zeit geschehen würde, was wiederum dasselbe war, in dieser ewigen Wiederkehr der Wellen am Saum des Meeres, das ungerührt die Narrheit alternder Männer und den Übermut junger Schöner bezeugen würde, unverändert und in ewigem Gleichmut. Es schwindelte mir, und für einen Augenblick war mir, als wäre ich etwas ungeheuer Wichtigem auf der Spur, als könne ich im nächsten Atemzug schon den Schleier hinwegziehen von einem Geheimnis, dessen Ahnung mich schon lang umschwebte, und mir bisweilen, in Fieberträumen oder in der Musik in Tempel des Serapis entgegengetreten war.....? Und dann doch wieder in Vergessenheit versunken war, tief unter den Schichten des Jetzt verborgen. Es war ein unheimliches Gefühl, ich ahnte, dass es keine tröstlichen Antworten sein würden.


    Ich schüttelte mich, und grub die Füße in den Sand. Bona Dea, warum brachte dieser nette Ausflug mich jetzt auf so komische Gedanken?! Ich war doch bloß am Strand von Ostia, ganz simpel, mit einem schönen Sklaven, auf den ich scharf war, nichts weiter.
    Als Silas zurückkehrte, sah ich ihm mit Wohlgefallen entgegen, nahm seine Lacerna auf, um sie ihm um die Schultern zu legen, und ließ meine Hände dabei länger dort verweilen, strich ihm wie beiläufig über den Nacken. Ich bedeutete ihm, sich zu mir zu setzen und schob ihm die Schale mit den restlichen Himbeeren zu.

  • Verlegen zog Silas seinen Umhang um die Schultern, strich sich das Wasser aus den Haaren und kauerte sich neben Dominus Serapio auf den Sand. Die Beeren interessierten ihn gerade gar nicht. In seinem Nacken, wo der Herr ihn gestreichelt hatte, kribbelte es vor Aufregung und Angst zugleich.
    Silas hatte sich bisher immer gesagt, dass er ja nichts Besonderes war, und dass Dominus Serapio eben einfach nur nett zu treuen Sklaven war und ihn deshalb auf die Fahrt mitgenommen hatte. Natürlich wusste er um dessen Vorlieben, das Gesinde kannte nun mal das Leben der Herrschaften, die sie rund um die Uhr bedienten... Aber Icarion, oder Narcissus oder Armastan waren alle besonders.
    Icarion konnte bestimmt 1000 Gedichte auswendig, und Harfe spielen, und perfekt griechisch sprechen! Narcissus war ganz offensichtlich ein cinaedus, mit seiner gezierten Art und seinen Schönheitsmitteln, ziemlich komisch fand Silas ihn. Und Armastan war ein mega-imposanter schweigsamer Krieger, so respekteinflößend, dass niemand über ihn lachte, selbst wenn er spät aus dem Cubiculum des Herrn kam. Silas war dagegen einfach nur normal, er hatte es schwer mit dem Griechischlernen, konnte nicht kämpfen, und hatte vor kurzem noch Pickel wie ein Rosenbeet im Gesicht gehabt ("das Pickelmonster" hatten die kleinen Mädchen im Haus ihn in der Zeit immer gerufen, jetzt zum Glück nicht mehr).
    Von daher hatte sich Silas - auch wenn ihm seit der Rückkehr des Herrn schon der ein oder andere lange Blick aufgefallen war, und auch wenn ihn sein Papa sogar gewarnt hatte - nicht so richtig vorstellen können, dass Dominus Serapio sich echt für ihn interessieren könnte.


    Aber als Silas jetzt schüchtern den Kopf zu ihm wandte, stand in den Augen des Herrn so deutlich ein Glanz von... von was auch immer, jedenfalls fühlte sich Silas von diesem Blick verschlungen. Doch es war nicht nur das, zugleich stieg eine vage und überraschende Ahnung in Silas auf, davon dass er Macht haben könnte, er, der kleine Sklave, eine Art von Macht über den Herrn.
    Silas schluckte, und lächelte nervös, und seine Hände strichen eine Falte des Umhangs unter sich glatt.
    Was jetzt?!
    Silas wollte alles richtig machen, und den Herrn nicht enttäuschen, der immer so gut zu ihm war. Es hätte bestimmt auch viele Vorteile, der Liebling des Herrn zu sein. Vielleicht wäre sogar irgendwann... Silas wagte es kaum zu denken.... eine Freilassung möglich.... dann könnte Silas seinen größten Traum verwirklichen und Vigil werden! Alles drehte sich in seinem Kopf, und gleichzeitig war ihm ganz flau und flatterig, am liebsten wäre er aufgesprungen und wie ein Hase über die Dünen davongerannt.

  • Wie hinreißend war die unschuldige Verwirrung, die sich da in den Zügen des Schönen widerspiegelte. Ich sah ein feines Beben durch seine Lippen gehen - besonders die Unterlippe war voll und sinnlich und lud zum Küssen ein, dazu dieses niedliche Muttermal, und die klaren Augen, grau wie das Meer heute, und dazu diese eine feuchte, honigblonde Haarsträhne, die sich an seine Schläfe schmiegte... Ein bisschen erinnerte er mich immer an Dives, als der noch jung gewesen war. Was für exquisite Momente wir miteinander verlebt hatten. Ob Silas ebenso heißblütig sein konnte wie der süße Dives...? Gerade sah er eher verschüchtert aus.... aber dann schenkte er mir ein Lächeln. Na also. Ich lächelte ihm ebenfalls zu.
    "Komm her, suavis Silas."
    Den Arm legte ich um ihn, und stahl ihm den ersten Kuss und dann den zweiten. In der lauschigen Abgeschiedenheit hier zwischen den Dünen gingen meine Hände auf Wanderschaft über seinen makellosen Körper, und routiniert machte ich mich daran, diesen schönen Jüngling zu verführen, sanft und ohne Hast, um ihn in seiner süßen Unschuld nicht zu verschrecken, aber zugleich zielstrebig, denn ich wusste was ich wollte.

  • Das war..... ganz anders als alles was Silas bisher erlebt hatte. Sein Herz pochte wie wild. Er war nicht ganz unerfahren! Camilla, das schönste Mädchen der Welt, hatte hinter dem Stall mit ihm rumgeknutscht, ihre Lippen so weich und zart wie Blütenblätter. Und zweimal war er im Lupanar gewesen, einmal hatte sein Papa ihn dahin mitgenommen zur Feier von Silas' Erwachsenwerden, und einmal hatte er selbst genug gespart. Die Lupae waren auch sehr weich und duftig gewesen. Sie hatten ihn freundlich in die Liebe eingeführt und zum Mann gemacht.
    Das jetzt war viel rauer. Bartstoppeln kratzten an Silas' Wange, als Dominus Serapio ihn küsste, und die Arme, die ihn hielten, waren sehnig und voll Narben. Überfordert versuchte Silas, alles richtig zu machen, und die immer forscheren Berührungen auch ein bisschen zu erwidern, und er vertraute dem Herrn ja auch, aber.... es war so komisch. Schon auch aufregend... trotz Silas' Beklommenheit tat sich rasch etwas unter den erfahrenen Berührungen des Herrn... aber er kam sich vor wie auf einem Floß, das auf einem wilden Fluss dahintrieb, ohne Ruder, immer schneller. Oder auf einer Biga, ohne Zügel, und die Pferde gingen durch. Der Atem von Dominus Serapio war laut, und sein Begehren drängend. Silas bekam Angst, eine kalte Angst, die von den Eingeweiden hochstieg, sich in seiner Kehle zusammenballte, und seine Stimme ganz klein machte.
    "Ich...möchte... lieber nicht..."
    Er konnte gar nicht mehr denken.

  • Eben war doch noch alles gut gewesen. Ich hielt inne, und betrachtete den auf einmal so Schamhaften, lächelte ihm ermutigend zu und ließ meine flache Hand auf seinem Schenkel ruhen.
    "Mach dir keine Sorgen, mein Schöner. Ich achte schon auf dich."
    Das Meer rauschte, Sand knirschte unter uns, und nach ein paar Atemzügen fuhr ich fort, den unschuldigen Jüngling weiter sacht zu liebkosen, suchte seine Befürchtungen zu zerstreuen, begierig darauf, den Süßen endlich ganz zu vernaschen.

  • Die Hände ließen nicht von ihm ab und der Widerwille wurde zum Ekel. Silas fuhr zurück, fast panisch als der Herr einfach weiter machte, und mit einem Ruck schob er, schlug er schon fast, dessen Hände von sich.
    "Ich möchte nicht!" Er sprang auf, ein enges Gefühl in der Kehle, ganz blass. Sein Kopf war dumpf, wie mit Watte angefüllt, er wusste schon jetzt, dass er gerade einen ganz schlimmen Fehler machte, aber es ging einfach nicht.
    "Entschuldigung! Entschuldigung Dominus!! Kann ich... kann ich bitte gehen...?" stammelte er, gehetzt seine Tunika vom Boden aufklaubend und sie überstreifend.

  • "Was soll das?!"
    Hatte ich nicht eben noch einen Cupido im Arm gehabt, wo kam plötzlich diese vestalische Jungfrau her?! Und hatte der gerade tatsächlich – verblüfft sah ich von meinen Händen zu dem Sklaven – gewagt nach mir zu schlagen?! Sein Gesicht sprach Bände. Das war kein spielerisches sich entziehen, er sah mich an, als wäre ich der allerletzte schmierige Satyr.
    "Was ist in dich gefahren?! Ja, verschwinde, geh schon, ich will dich nicht mehr sehen!" rief ich zornig und zutiefst gekränkt.
    Unseren Sklaven ging es wohl zu gut. Verwöhnte Haussklaven! Da hatte ich das Arsenal der Verführung aufgefahren, anstatt den Sklaven einfach in mein Bett zu befehlen, und plötzlich fiel ihm ein, dass er doch lieber nicht wollte. Ach, zum Hades! Gestohlen konnte er mir bleiben, der kapriziöse Spröde, Hypokausten konnte er fegen bis er schwarz wurde, ich hatte es nicht nötig, jemanden zu seinem Glück zu zwingen.
    Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, zog ich mich an und spannte die Pferde wieder ein. Dieser Ausflug war ein Reinfall. Am Zaum führte ich die Pferde den Strand entlang, bis ich schließlich zur Abzweigung zu unserem Gut kam. Ein schmaler Weg war es, zwischen raschelndem Schilf, der mich zum Domus Calamis führte.

  • Brandungswogen und Sandwellen, alles verschwamm vor Silas' Augen. Die Tränen liefen ihm übers Gesicht, als er, die Sandalen noch in der Hand, allein und verstört den Strand entlang zurück nach Ostia stapfte. Was gerade passiert war, der furchtbare Fehler, den er gemacht hatte, war noch ganz unwirklich in seinem Kopf. Er hätte gar nicht erst nicht mitfahren sollen. Er hätte nicht baden gehen sollen. Er hätte... oh ihr Götter, auf keinen Fall hätte er den Herrn so von sich stoßen dürfen. So zornig hatte er ihn noch nie gesehen. Das war das Ende aller Gunst, das Ende von allen Zukunftschancen, bestimmt würde er schlimm bestraft werden und... was wenn der Herr es wieder versuchen würde...? Allein dran zu denken ließ Silas den Ekel schmecken.
    Hoch auf dem Wagen, im gestreckten Galopp, waren sie in Windeseile vorangekommen, aber zu Fuß war es ein gutes Stück bis Ostia zurück, und dann musste er ja auch noch den langen Weg zurück nach Rom. Zum Domus Calamis zu gehen war ausgeschlossen, er konnte und wollte dem Herrn nicht unter die Augen kommen.
    Irgendwann waren die Tränen versiegt, und Silas wurde wütend, bei jedem Schritt durch den Sand wütender. Er hatte schließlich versucht, alles richtig zu machen. Warum hatte ihm so ein Mist passieren müssen?! Vielleicht war es am besten, wenn er in Ostia auf einem Schiff anheuerte und alles einfach hinter sich ließ. Schließlich stand ihm nicht auf die Stirn geschrieben, dass er ein Sklave war, wie sollten sie ihn erwischen? Er könnte grabschende Herren, nervtötende Eltern, die Enge des Hauses seiner Geburt, den eintönigen Alltag und die Einschränkungen seines Standes einfach hinter sich lassen.
    Zur See fahren und in der Fremde sein Glück machen... warum eigentlich nicht? Silas zog die Nase hoch und ging weiter, Schritt für Schritt auf dem schmalen Streifen zwischen Land und See.



    Die Gestalt des jungen Sklaven entfernte sich, wurde kleiner und immer kleiner, verschwamm zuletzt zwischen Meergrau und Sandgelb vor der Silhouette der Hafenstadt. Die Wellen hatten seine Fußspuren hinweggespült. Weder an diesem Tag, noch in den darauf folgenden, traf er in Rom ein.
    Silas war verschwunden...

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    SKLAVE - GENS DECIMA

    2 Mal editiert, zuletzt von Silas ()

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