Am Tiber entlang: Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt

  • Allmählich fragte sich die Dunkelhaarige, ob es nicht alles falsche Worte waren die über diese Christen gesprochen wurden. Denn diese abgemagerten Mädchen und die junge Frau sahen nun nicht wirklich wie mordende Bestien aus. Vielleicht sollte sie genau dies Dominus Antoninus mitteilen. Das er sich keinerlei Sorgen zu machen braucht. Jedoch behielt Eireann diese Worte für sich und ließ ihren Blick über die Kinderschar gleiten. “Machst du das häufiger? Also bringst du diesen Kindern regelmäßig Nahrung?“ Unwillkürlich spürte Eireann wie ihr das Herz bis zum Hals pochte. Aufmerksam blickte die iulische Sklavin zu Sulamith empor und neigte leicht ihren Kopf auf die Seite.


    Dann jedoch war es Tiberios der seine Stimme erklingen ließ. So dass die Dunkelhaarige aufmerksam zwischen Sulamith und Tiberios hin- und her blickte. Jedoch verstand sie den Blonden nicht. Des griechischen war Eireann nun mal nicht mächtig. Und so blickte sie vorsichtig in Richtung der Ancilla. Das Mädchen sah wahrlich nicht besonders gesund aus. Eigentlich bräuchte sie dringend Medikamente. Doch welcher Art und könnte Eireann diese Art von Medikamente ausfindig machen?


    Als Sulamith dann nachfragte ob Eireann die Bedeutung des Wortes kannte, schüttelte die junge Gallierin bedauernd ihren Kopf. “Ich habe dieses Symbol häufiger auf Häuserwänden gesehen. Und.. und weiß von den Iuliern das dieses Symbol nichts gutes bedeutet.“
    Jene letzten Worte flüsterte Eireann beinahe und wandte ihren Blick zu Boden. Denn nur weil die Iulier so dachten, mussten ihre Gedanken doch nicht übereinstimmen.

  • Noch immer umringten die Kinder Sulamith und ließen sich auch nicht von den beiden Fremden irritieren. Alle, die hier am Ufer des Tibers ihre Heimat gefunden hatten, hatten schon längst ihren Anspruch auf Privatsphäre über Bord geworfen. Und all jene, die nach Sonnenuntergang hier auftauchten, taten dies aus ganz bestimmten Gründen. Die einen halfen, das große Elend zu mildern. Wohlwissend, dass ihre Taten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein waren. Andere wiederum führten eher Böses im Schilde. In der Gemeinde war die Rede von Spionen gewesen, die die christliche Gemeinschaft unterwandern wollten. Zu wem gehörten die beiden?
    „Ich tue das, wann immer es mir möglich ist,“ antwortete sie Eireann. Welch Glück, dass Graecina heute nicht mit ihr gekommen war. Wenn sie hier von einer der iulischen Sklaven erkannt worden wäre, dann konnte dies unabsehbare Folgen für sie beiden haben. Sulamith konnte wenigstens jede Beteiligung ihrer Freundin abstreiten, wenn man sie jemals deswegen zur Rede stellen sollte.


    Ein leichtes Zucken umschmeichelte Sulamiths Lippen, als Eireanns Begleiter das griechische Wort für Fisch nannte. Natürlich war es nichts Besonderes, dass ihm dieses Wort geläufig war. Es gab unzählige Menschen, die in dieser Stadt lebten und des Griechischen mächtig war. Jeder gebildete Römer gehörte dazu und auch jeder gebildete Sklave, wenn er nicht sogar selbst Grieche war. Eireann jedoch konnte mit diesem Begriff gar nichts anfangen, so wie sie sagte. So wie die Hebräerin gehört hatte, stammte sie ursprünglich aus Gallien oder Britannien, was für sie fast dasselbe war. Doch aus welchem Grund waren sie hier? Ganz sicher nicht, um ihren heidnischen Göttern abzuschwören und von nun an den Nazarener als ihren Herrn anzuerkennen.


    „Du möchtest die Bedeutung wissen?“ fragte sie den jungen Mann in seiner Muttersprache. „Und was ist mit ihr? Weswegen seid ihr hier?“ Die Hebräerin wollte so schnell nicht ihr Misstrauen nicht ablegen.
    Der junge Mann schien tatsächlich Interesse an ihrer Lehre zu haben und schien auch unvoreingenommen. Aber was war mit der Frau? Die Iulier hatten ihr suggeriert, dass die Christen ein Haufen Verbrecher waren. nicht mehr und nicht weniger.
    „Das glaube ich gerne, dass die Iulier dieses Zeichen für eine Bedrohung halten!“, sagte sie in lateinischer Sprache, wieder an ihre Mitsklavin gewandt. „Doch was denkst du?“


    Die kleine Ancilla, die noch immer Sulamiths Hand umklammerte, schien sehr kränklich zu sein. Das kleine Mädchen litt still, ohne zu klagen. Doch die Hebräerin konnte deutlich sehen, wie schlecht es ihr ging. Sie konnte das Kind in dieser Verfassung nicht einfach zurücklassen. Zwar hatte sie getrocknete Kräuter dabei, aus denen man einen Aufguss herstellen konnte. Das aber würde keinesfalls ausreichen, damit die kleine wieder gesunden konnte. Das Kind gehörte in ein warmes Bett und bedurfte viel Ruhe. „Dieses Kind hier braucht dringend Hilfe! Es wird wohl das Beste sein, wenn wir sie mit uns nach Hause nehmen.“

  • Die Kinder schienen keine Angst vor Sulamith zu haben. Das konnte nur eines bedeuten, ihre Mitsklavin war hier häufiger und betreute diese armen Kinder. Schweigend blickte die Dunkelhaarige zwischen Sulamith und der Kinderschar hin- und her. Einige Kinder hatten merkwürdige Geschwüre und Pusteln im Gesicht und an den Händen. Diese Verätzungen mussten dringend versorgt werden. Aber doch nicht hier, am schmutzigen Tiberufer.


    “Weiß.. ähm.. wissen die hohen Herren und Damen der Domus Iulia davon?“
    Eine Frage, gestellt rein aus Neugierde. Und doch bebte bei diesen Worten die Unterlippe der Silurerin. Sodass Eireann ihre Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen presste. Ob Sulamith sie bereits durchschaut hatte?


    Als sich Sulamith und Tiberios auf griechisch zu unterhalten begannen, presste Eireann ihre Lippen nur noch fester aufeinander. Wieso sprachen sie nicht wieder in der gemeinen, lateinischen Zunge? Diese würde auch Eireann verstehen. Auch wenn sie für sich im Stillen feststellte, dass die griechische Sprache einen melodischen Klang hatte. Nicht wie ihre Heimatsprache. Das harte gallische.


    Als Sulamith sie dann direkt ansprach, zuckte Eireann unwillkürlich zusammen.
    “Ich kenne dieses Symbol nicht. Mir ist dieses Zeichen und die Christen noch nie zuvor begegnet.“
    Dabei zuckte sie mit den Schultern und lächelte beinahe entschuldigend. Aus drm Augenwinkel erkannte Eireann, wie sich die kleine Ancilla schutzsuchend an Sulamith klammerte.
    “Aber.. du kannst sie doch nicht mit zur Domus Iulia nehmen. Was willst du sagen wenn die hohen Herren und Damen dich dabei entdecken?
    Auffordernd blickte Eireann in Sulamiths Richtung.

  • Tiberios blickte die Frau, die inmitten der abgerissenen Kinderschar stand, an.


    In Alexandria hatte er einige gebildete Juden gekannt, und es war immer interessant gewesen , mit ihnen ihre Spitzfindigkeiten zu diskutieren .
    Diese respektablen Juden hielten freilich nichts von den Christen, obwohl diese doch eine jüdische Sekte sein sollten.


    Das belustigte Zucken um die Mundwinkel der Frau war dem jungen Sklaven nicht entgangen.
    Doch weit entfernt sich beleidigt zu fühlen, lächelte er nun : „ Ich bin Tiberios, Scriba des edlen Gnaeus Furius Philus ,und wie du zweifellos gemerkt hast , stamme ich aus Alexandria. Jede neuartige Philosophie interessiert mich. Leider halten die christiani ihre Lehre so geheim , dass nur Gerüchte und Andeutungen zu finden sind. . Ich dachte daher, auf jemanden zu treffen, der meine Fragen zu ihrer Lehre beantworten kann.“


    Als aber die Jüdin davon sprach , die ancilla mit nach Hause zu nehmen, schüttelte er missbilligend den Kopf.
    Eine fremde kranke Sklavin mitten in der Nacht in ihre domus zu bringen ?
    Das klang ziemlich irre.


    Eireann war genauso wenig überzeugt wie er. Was würden die Iulier dazu sagen ?


    „Kyria, sprach Tiberios höflich : „ Dieses Mädchen ist eine Sklavin aus jener schmierigen Spelunke, wo wir sie aufgegabelt haben.
    Sie mitzunehmen, wäre Diebstahl und man würde dich gewiss dafür bestrafen.
    Du kannst ihr nicht helfen.
    Thanatos, der Gott des friedlichen Todes , ist in ihrer Nähe . Lass ihn sein Werk tun ! “


    Tiberios‘ Worte klangen hart , härter als er beabsichtigte:


    Aber es gab so viele Mädchen wie die Kleine .Meist als Neugeborenes an einem zentralen Platz ausgesetzt, konnte jeder so ein Kind mitnehmen und versklaven. Sie waren es nicht einmal wert, einen Namen zu bekommen. Sie lebten und starben unbemerkt.


    Sulamiths' Bestreben , diese ancilla umbedingt retten zu wollen, war etwas, was sein Verstand nicht erfassen konnte.

    Tiberios begann, sich unbehaglich zu fühlen.

  • Wieder lenkte Sulamith ihren Blick zu Eireann. Sie war so naiv. Oder war es doch kühle Berechnung? Stellte sie sich nur dumm, um herauszufinden, ob und wer sich in der Domus wohl noch zu der neuen Lehre hingezogen fühlte? Die Hebräerin verkniff sich eine Antwort. Nur ungern wollte sie die Sklavin anlügen. Stattdessen schenkte sie ihr nur ein geheimnisvolles Lächeln, was alles und nichts bedeuten konnte.


    Glücklicherweise konnte sie sich kurz darauf wieder dem Griechen widmen, der sich ihr nun vorstellte und ihr frei heraus erklärte, dass er sich lediglich für den philosophischen Ansatz der christlichen Lehre interessierte. Nicht etwa, weil er sich zu ihnen bekennen wollte. Aber war das nicht der erste Schritt, den man tat? Von der guten Nachricht zu hören und zu begreifen, welches Geschenk der Nazarener den Menschen gemacht hatte? So hatte es doch auch bei ihr angefangen. Sie hatte von seinen Taten gehört und hatte daraus für sich Hoffnung geschöpft.
    „Du möchtest von seiner Lehre hören, Tiberios Scriba des edlen Gnaeus Furius Philus? Aber woher soll ich wissen, dass ich dir trauen kann? Vielleicht bist du ein Spion. Wir leben gerade in schwierigen Zeiten,“ antwortete sie ihm. Für einen Moment hatte sie ernsthaft überlegt, ihn mit zur Casa Didia zu nehmen. doch diese Idee schob sie ganz schnell wieder beiseite. Das wäre viel zu gefährlich gewesen.


    Sulamith war keineswegs erstaunt, dass Tiberios Begleiterin das Zeichen des Fisches nicht kannte und auch nichts von den Christen wusste. Vielleicht sollte sie ihr zeigen, was es hieß, der Lehre Christi zu folgen.
    „Dieses Kind hier mag nur eine einfache und wertlose Sklavin sein,“ entgegnete sie den beiden, die sich sehr über ihr Vorhaben, das Kind mitzunehmen, entrüsteten. „Doch sie ist auch aus Fleisch und Blut. Sie ist ein Mensch. Jedes Menschenleben ist wertvoll. Wenn wir nicht werden wie die Kinder, dann werden wir auch nicht würdig sein, die Gnade Gottes zu empfangen.“ Die Hebräerin bezweifelte, dass die beiden begriffen, worauf sie hinaus wollte.
    „Ich werde statt ihrer in die Taberna zurückgehen. Eireann, bring du das Kind zu meiner Domina. Und zwar nur zu meiner Domina! Verstehst du!? Bitte erkläre ihr alles und bitte für mich bei ihr um Vergebung. Ich werde alle Konsequenzen auf mich nehmen.“ Sanft schob sie das kränkelnde Kind ihrer Mitsklavin zu. Dann wandte sie sich wieder an Tiberios. „Bitte bring du mich zu dieser Taberna!“

  • Den Blick ihrer Mitsklavin spürte Eireann deutlich auf sich und erwiederte Sulamiths Blick. Dabei schob sich eine ihrer Augenbrauen in die Höhe und ein nachdenklicher Schimmer hielt in ihren Seelenspiegeln Einzug.
    Aus dem Augenwinkel ließ Eireann ihre Blick über die Gesichter der Kinderschar gleiten. Und spürte in diesem Moment einen Stich in ihrer Brust. Merkwürdig. So biss sie sich abrupt auf die Unterlippe und versuchte das merkwürdige kribbeln zu ignorieren, welches sich wie abermillionen kleiner Ameisen durch ihren Körper ausbreitete. Ob dies einzig und alleine an der merkwürdigen Situation lag?
    Dem Gespräch zwischen Sulamith und Tiberios schenkte Eireann kaum Beachtung. Denn die Ancilla war es nun die sich ihr taumelnden Schrittes näherte. Tatsächlich wirkte das Mädchen fiebrig und sollre sich eigentlich nicht mehr zu dieser Zeit auf den Straßen Romas herumtreiben.
    Vielleicht hatte Sulamith Recht und sie sollte das Sklavenmädchen mit zur Domus Iulia nehmen. Doch zuerst erklangen Sulamiths mahnende Worte an Eireanns Gehör. So dass die Silurerin ihren Kopf, wie durch Zauberhand, in Sulamiths Richtung drehte.
    “Wir sind alles Menschen aus Fleisch und Blut.“
    Erwiederte die Keltin und musterte ihre Mitsklavin langsam von Kopf bis Fuß. Dann blickte Eireann zu Tiberios und schenkte dem Lockenkopf ein sanftes Lächeln. Bevor sie nach der Hand des kleinen Mädchens griff und dem Tiberufer langsam den Rücken kehrte. Sie würde das Mädchen tatsächlich in die Domus Iulia bringen.

  • Tiberios runzelte die Stirn.
    „Ich kann dir nur versichern, dass ich dir gegenüber keine bösen Absichten habe.“, sagte er zu Sulamith : „Aber du musst natürlich selbst entscheiden, ob du mir glauben willst.“
    Die nächsten Worte der Hebräerin verwirrten ihn noch mehr:
    Sie ist ein Mensch. Jedes Menschenleben ist wertvoll. Wenn wir nicht werden wie die Kinder, dann werden wir auch nicht würdig sein, die Gnade Gottes zu empfangen.
    „Wie kommst du darauf, dass wir Menschen sind ?“„, sagte der furische Sklave etwas spöttisch :
    Wir sind Sachen, und die Römer mit ihrem Hang zu allergrößten Genauigkeit haben definiert, dass wir bewegliche, sprechende Sachen sind. Wir können die Götter verehren, natürlich, doch bei dir klingt das so, als würde uns dein Gott besondere Gnade erweisen wenn wir wie diese ancilla werden“


    Aber Eireann schien schon auf diese ganze Geschichte anzuspringen. Ihr Blick wurde weich, sie nahm das kleine Schankmädchen, das schon wieder hustete und keuchend atmete, an der Hand.
    "“Wir sind alles Menschen aus Fleisch und Blut.“, sagte sie , obwohl Tiberios gerade gesagt hatte, dass das die Römer ganz anders sahen.
    Und sie würde das abgerissene Ding tatsächlich zu einer domina mitnehmen. Na, die würde bestimmt begeistert sein.

    Die nächste Bitte schien ihm noch abstruser :
    „Du willst zu dieser Taverne ? Was möchtest du dort tun ? „ Es war ihm gar nicht wohl dabei, dass die Räuberbande mit dem Schläger und dem Typen in der Ecke vielleicht immer noch dort feierte. :
    Das ist eine üble Spelunke! Ein Mann hat sogar Eireann belästigt, und
    Er schaute sie durchdringend an :
    „Willst du wirklich dorthin ? Ich werde dich nicht beschützen können.“

    Ich werde mich selbst nicht beschützen können, dachte er.

  • Sulamiths Blick ruhte für einige Herzschläge auf dem Griechen, der ihr versichert hatte, keine bösen Absichten zu haben. Sollte sie ihm glauben. Seine Worte klangen überzeugend. „Nun gut!“, sagte sie nach einer Weile. „Wenn du nach Antworten suchst, dann komme in zwei Nächten zur Nekropole nahe der Ruinen des alten Circus Gai et Neronis. Dort wirst du finden, wonach du suchst.“ Tiberios würde dort nicht nur Sulamith wieder treffen, sondern auch den Predigten des Sixtus beiwohnen können. Vielleicht wurden dann all seine Fragen beantwortet und in ihm eine neue Saat gesät.
    Die Hebräerin hatte dort auch gehört, dass niemand wertlos war in den Augen Gottes. Sie alle, ganz gleich ob Sklave oder Herr – sie alle waren Gottes Kinder! Daher nickte sie ihrer Mitsklavin anerkennend zu. Schön, dass sie das bewahrt oder bereits begriffen hatte, dass sie keine selenlosen Dinge waren, die zufällig auch atmeten. Der Grieche hingegen aber hatte da eine ganz andere Meinung. Er betete das wieder herunter, was man ihm und allen Sklaven ins Gedächtnis eingebrannt hatte. „Es sind unsere Taten, die uns ausmachen und an denen wir gemessen werden, nicht das, wozu man uns gemacht hat oder als was wir geboren sind,“ konterte sie Tiberios. Eireann hingegen hatte begriffen, dass auch die Ancilla ein Recht auf Leben besaß und dass es für sie noch eine Chance auf Rettung gab. Sie nahm das Kind und ging. „Möge der Herr euch behüten!“ murmelte sie den noch nach. Dass Graecina ihnen in der Domus behilflich sein würde, stand für die Hebräerin außer Frage.
    Noch weniger konnte Tiberios verstehen, weshalb ihn Sulamith gebeten hatte, sie zur Taberna zu bringen, wo sie anstatt des Mädchens ihren Dienst übernehmen wollte. „Ich werde dort anstelle des Mädchens solange bleiben, solange es nötig sein wird. Und ja, ich bin mir im Klaren darüber, dass dies ein übler Ort ist.“ entgegnete sie ihm mit ernster Miene. Als er sich schließlich noch einmal versicherte, dass es tatsächlich ihr Wille war dorthin zu gehen, nickte sie. „Ja, es ist mein Wille! Und gräme dich nicht, dass du mich dort nicht beschützen kannst. Der Herr wird seine schützende Hand über mich halten!“ Sulamith war bereit, ganz gleich, was sie dort erwarten sollte.

  • „In zwei Nächten „, wiederholte Tiberios.: „Ich werde da sein..“
    Die Sache begann interessant zu werden.Wenn sie die Wahrheit herausfanden, konnte Eireann vor ihrem dominus, der sie zum Spionieren geschickt hatte, glänzen.


    Aber Nekropole ….Tiberios schauderte es. Die Nekropolen waren volle nekydaimones , bösartiger Totengeister . Kein Mensch, der seine Sinne beisammen hatte, würde sich nachts dort treffen.
    Ob die christiani ein Unterwelt – Kult waren ? Nun wurde er fast so misstrauisch wie es Sulamith zuvor gewesen war. Vielleicht hatten sie vor, ihn , den ahnungslosen Fremden, zu opfern ?


    Vorsichtshalber sagte er : „Mein Herr, der edle Furius Philus ,wird wissen, wohin ich gehe. „, und hoffte, dass Sulamith seine Bedenken nicht wahr nahm, sie sollte aber wissen, dass der Furier seinen Scriba suchen lassen würde, falls ihm etwas zustieß.


    „Es sind unsere Taten, die uns ausmachen und an denen wir gemessen werden, nicht das, wozu man uns gemacht hat oder als was wir geboren sind,“, sagte die Hebräerin.


    Wer misst uns?“, fragte Tiberios schnell : „ Ich kenne ein wenig von deiner Religion, ein Landsmann von dir hat mir in vieles erklärt. Ich respektiere den Gott der Hebräer, wie alle Götter. Aber ich bin kein Jude , und er ist nicht mein Gott. „


    Die Begründung , warum die iulische Sklavin zu der Spelunke wollte, stellte ihm die Haare zu Berge:
    Den Dienst der ancilla übernehmen ? Servieren? Von rohen Kerlen geschlagen und angetascht werden? Ich kann nicht glauben, dass du dir das für dich wünschst !“


    Jetzt zweifelte er ernsthaft an Sulamiths Verstand. Ihr Begehren stand einfach gegen alles, was er von der Welt wußte.


    „“Da du es unbedingt wünschst, bringe ich dich hin.“, sagte er : „Der Irrsinn wird der Berührung der Götter zugeschrieben, vielleicht beschützt dich dein Gott also tatsächlich !“


    Er nahm seine Fackel und ging ihr durch die Nacht voraus bis zur Schmierigen Spelunke am Kanal.

  • Die Hebräerin nickte ihm zu. Seine Entschlossenheit imponierte ihr. Wenn der Grieche mit der gleichen Offenheit, die er hier zutage legte, auf ihre Zusammenkunft kam, dann würde er vielleicht auch die Heilsbotschaft des Nazareners verstehen lernen. Dann würde er verstehen, dass auch er wertvoll war. Und das nicht nur, weil er über besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügte, die für seinem Dominus nützlich waren, sondern einfach weil er ein Mensch war.
    Sulamith war dieser feine Hauch eines Schauderns bei der Erwähnung der Nekropole nicht entgangen. Früher hätte sie wahrscheinlich ähnlich reagiert. Nicht etwa weil sie sich vor irgendwelchen Totengeistern fürchtete, sondern weil die Nähe der Toten im Judentum als unrein galt. Doch scheinbar wollte die Fantasie mit dem Griechen durchgehen, da er sich plötzlich absicherte und seinen Dominus erwähnte. Womöglich fürchtete er, es könne ihm dort etwas Schreckliches zustoßen. „Fürchte dich nicht, Tiberios! Dir wird dort kein Leid zugefügt. Im Gegenteil, du wirst die Botschaft des Heils dort empfangen, “ versprach ihm Sulamith.
    „Du musst kein Jude sein, um die Liebe Gottes zu empfangen,“ beschwichtigte sie ihn. „Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind sind dem Herrn willkommen, ganz gleich, welchem Volk sie angehören oder von welchem Stand sie sind. Und glaube mir, es bedarf nicht viel, um Gutes zu tun.“ Womit sie wieder beim Thema waren. Für Tiberios war es sicher schwer zu verstehen, weshalb sie an Ancillas Stelle treten wollte. Niemand wollte sich freiwillig demütigen oder gar misshandeln lassen. Selbst Sulamith verspürte Angst, wenn sie daran dachte, was sie dort erwarten würde. Aber hatte nicht auch der Nazarener Demütigungen und Misshandlungen hingenommen, als er sich für die Menschen hingegeben hatte?
    „Ja, Tiberios, ich bin mir dessen bewusst. Und wenn es so ist, dann sei es so.“ Letztendlich setzten sich die beiden in Bewegung. Der Grieche mit seiner Fackel schritt voran und Sulamith folgte ihm schweigend durch die Nacht.

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