• Von meinem täglichen Gang zum Tiber hatte ich heute einen Gast mitgebracht. Wir betraten die Casa Didia durch den Hintereingang für Sklaven und Bedienstete. Sklaven gab es in meinem Haus schon lange nicht mehr. Zumindest keine die hierher gehörten. Diese Barbarei hatte mit dem Einzug des Herrn aufgehört. Mein letzter Sklave Achatius war offiziell ein Freigelassener. Hier im Haus war er ein Bruder unter Geschwistern.


    Die Casa war nichts besonderes. Die Einrichtung war Standard und schon etwas veraltet. Seit ich hier alleine (also auf die Familie bezogen) wohnte war nichts mehr dazu gekommen. Außer dass weder die Ahnen verehrt wurden, noch die Götter oder Kaiser wies nichts darauf hin dass wir kein normaler römischer Haushalt waren. Nur im ehemaligen Lararium gab es einen Schrein für den Herrgott. Aber an dem kam ich mit meinem Gast nicht vorbei.


    "So, hier sind wir. Klein aber fein. Das ist das Haus unserer christlichen Gemeinde."
    Ich rief Achatius zu dass ich einen Gast mitgebracht hatte und dirigierte den ins Speisezimmer an den großen Tisch. "Hier setz dich. Du bist unser Gast und wir kümmern uns um unsere Gäste. Erstmal bekommst du etwas leckeres zu Essen. Wir essen hier alle im Sitzen, das dekadente Herumliegen auf Klinen ist nix für uns."
    Ich lachte fröhlich und schenkte ihm schonmal was zu trinken ein.
    "Dann kann sich Achatius deine Wunden anschauen. Später gibt es eine Predigt. Wir zwingen dich natürlich nicht zur Teilnahme aber wir würden uns freuen wenn du im Gegenzug für unsere Gastfreundschaft zumindest zuhören würdest. Du musst aber keine Angst haben das sind immer sehr schöne Texte. Das ist eher wie ein Abend in der Familie. Und für heute Nacht bekommst du dann eine eigene kleine Schlafkammer."
    In der ersten Nacht war das ein Geschenk. Wer länger blieb und nicht krank war teilte sich später ein Zimmer mit anderen.
    "Wie heißt du eigentlich? Und magst du mir erzählen wie du am Tiber gelandet bist? Also, du musst nicht. In unserer Gemeinde kann jeder die Vergangenheit hinter sich lassen. Aber manchmal ist es echt befreiend wenn man sich seinen Kummer mal von der Seele reden kann. Das bleibt natürlich unter uns."

  • Er folgte dem mildtätigen Volusus durch die kleinen, schmalen Gassen Roms und prägte sich genau ein, wohin sie gingen. In seinen Gedanken fertigte er sich eine Karte, merkte sich mögliche Fluchtwege und mögliche Schwachstellen. Das Haus, welches sie schließlich betraten, war unauffällig, nicht sonderlich hübsch, aber auch nicht hässlich, nicht sehr alt, aber auch nicht neu. Auch im Inneren war es nichts besonderes, ein wenig schäbig selbstredend im Vergleich zur Villa Flavia.


    Er streifte die Kapuze von seinem Kopf und suchte nicht zu gierig zu wirken als er einen Schluck trank. Der mildtätige Volusus sprach ohne Unterlass. Bedächtig legte er sich währenddessen seine Worte zurecht, ehedem er antwortete.
    "Meine Mutter nannte mich Ultor", hielt er sich an die Wahrheit. Ein Gebäude aus Lügen war schnell errichtet aus baufälligen Substanzen, brach indes nur allzu leicht über seinem Bewohner ein. Er brauchte daher eine Geschichte, welche möglichst nahe an der Wahrheit blieb.
    "Ein Freund hat mich verraten, mir alles genommen und mich in Verruf gebracht. Daher habe ich mich am Tiber verborgen - in Rom bin ich nicht mehr sicher, doch ich habe sonst keinen Platz auf der Welt."



  • Das klang nach Gladiator: Ultor. Ein bisschen sah er auch so aus. Wie ein Retiarius vielleicht. Ich kannte mich aber natürlich nicht aus. Gladiatorenspiele waren ja sowas von grausam und unmenschlich. Das letzte!


    Meine Augen weiteten sich. Hatte ich es doch gewusst! Dieser Mann war in größter Not und das auch noch zu Unrecht! Verrat und Verruf, ja das klang total nach Gladiatorenleben.
    "Hier bist du sicher, Ultor. Wir verraten niemanden, schon gar nicht jemanden dem Unrecht geschehen ist. Der Herr hält seine schützenden Hände über alle die sonst keinen Platz auf der Welt haben."


    Achatius kam mit etwas zu Essen. Er brachte frisches Brot, Hirse und Linsen, und dazu sogar noch etwas Käse. Ich stellte die beiden einander vor und forderte unseren Gast dann auf tüchtig zuzugreifen. Als ich Achatius fragte ob er sich später Ultors Wunden anschauen könnte schüttelte er den Kopf.
    "Ich sage besser Philotima Bescheid."
    "Ist sie schon zurück" fragte ich. Philotima kannte sich noch besser mit Wunden aus.
    Er nickte und ging los. Ich blieb mit Ultor zurück. Ich wollte ihm noch ein paar Fragen stellen aber erstmal sollte er natürlich essen. Also redete ich.
    "Philotima liest unsere Predigten. Sie führt unsere Gemeinde. Aber nicht so wie in der Politik oder wie ein Verwalter oder so was. Sie ist die gute Seele und der Verstand. Sie kennt so viele Gleichnisse und Predigten. Und ihr Herz ist endlos! Ohne sie wären wir nur eine ziellosen Gemeinschaft. Manchmal" Ich beugte mich verschwörerisch vor "hab ich das Gefühl dass Gott sogar mit ihr spricht! So wie damals mit Mose!"
    Ich setzte mich wieder aufrecht hin. "Äh, kennst du Mose überhaupt?"

  • Einen Augenblick lang bäumte sein Herz sich auf, im verzweifelten Versuch sich dessen zu vergewissern, dass er bereits einen Herrn hatte, der seine schützenden Hände über ihn hielt - doch sein Verstand unterdrückte das sinnlose Sentiment und sann über die Chancen nach, welche es hier zu ergreifen galt. Er nickte dem Achatius zu, präferierte vor weiterer Konversation jedoch die Speisen, die dieser mitgebracht hatte. Es waren einfache Gerichte, doch nach den langen Tagen der Entbehrung mundeten sie wie Nektar und Ambrosia. Der mildtätige Volusus plapperte derweil munter weiter und ließ ihn auch erste Eindrücke der Welt der Christianer kosten. Eine Frau als Anführerin - wie tief konnte diese Sekte sinken?


    Die Schüssel mit Linsen war beinahe geleert als Volusus neuerlich Antwort forderte. Er spülte das Essen mit einem Schluck Flüssigkeit hinab.
    "Ich glaube, ich habe schon von ihm gehört", blieb er wieder ein Stück bei der Wahrheit, suchte jedoch einen längeren Vortrag zu vermeiden, indem er wie zufällig auf Dinge umschwenkte, die weitaus wichtiger waren. "Und ich freue mich bereits, Philotima kennenlernen zu dürfen. Wie groß ist eure Gemeinde? Wohnen alle hier in diesem Haus?"

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