Anis von Alexandria , Wahrsager und Astrologe

  • | Titus


    Nachdem Titus die Atmossphäre des Raums auf sich wirken hatte lassen und der Besitzer ihn angesprochen hatte, bemerkte er auch, dass dieser gleichzeitig zu einem Dolch griff. Dieses Spiel wollte er also spielen. Schön.


    Titus holte ebenfalls einen Dolch unter seinen Gewändern vor und ließ ihn seitlich an sich herabhängen, während er sich räusperte. "Hrm hrm, ja, also die Sache ist die, dass.. ähm, dass dieses Geschäft hier neu ist und noch nicht gezahlt hat an den Boss. Genau, so ist das und deshalb bin ich jetzt hier, damit wir damit anfangen." Oh wie famos er das gerade vorgetragen hatte! Babilus wäre bestimmt stolz auf ihn. Er hatte ja genau beobachten können, bei den paar Malen wo er schon bei so einer Erpressung dabei gewesen war, dass die Sprecher (meist war er mit Brutus, oder Babilus selbst mitgegangen) nie wirklich allzu offen bedrohlich sprachen, sondern ganz vernünftig den Sachverhalt erklärten. Bestimmt hatte er das gerade mindestens ebenso gut geschafft! Da war er sich sicher! Jawohl!

  • Hairan hob beide Hände, als wolle er etwas beschwören:
    „Ich stelle die Betäubungsmittel her, ich selbst führe kein Messer.“, sagte er:
    „Du bräuchtest schon einen Medicus, es sei denn du selbst willst schneiden!“
    Diese Vorstellung fand er einen Moment lang belustigend, doch dann wurde er ernst:
    „Selbstverständlich gewinnt jeder Sklave, sogar ein hässlicher und älterer an Wert, wenn er ein Eunuch wird, da hast du vollkommen Recht, Freund Kyriakos. Wertvoll sind sie aber auch unter anderem, weil sie nach dem Eingriff – nicht etwa währendessen - so oft sterben, kein Mensch weiß warum.“
    Hairan zuckte die Achseln:
    „An wen hast du gedacht? Python wäre freilich ein Jammer!“
    Wieder lachte er schallend und betrachtete den schlafenden Evenor, der gerade besonders jung und unschuldig wirkte.
    „Wenn er hören könnte, was wir bereden… im Orient sind manche der gescheiten Sklavenjünglinge auch sehr einverstanden damit, beschnitten zu werden und melden sich freiwillig denn nur so können sie in höchste Positionen aufsteigen, aber deine Männer würden ja niedere Lupos bleiben. Also wird es in deinem Haus eher keine Freiwilligen geben.“
    Hairan kam dieser Gedanken erneut erheiternd vor:
    „Am besten sagst du es ihnen vorher gar nicht, das gibt ein fröhliches Erwachen... - Nimm dir noch Wasser, wenn du kein Nepenthes magst.“


    Einladend deutete er auf den Krug und wechselte aprupt das Thema:
    „Die zweite war Musa, meine Tante, nutzlos und weinerlich, wäre sie keine Karena gewesen, hätte man sie als Klageweib für Beerdigungen vermieten können.“, sagte er:
    „Wie sie sterben, Freund Kyriakos, hängt nicht von ihrem Stand, sondern allein von der Substanz ab, die ihnen den Tod bringt. Gibst du dorykonon*, kotzen und machen sie alle unter sich, egal ob Sklave oder von Adel. Manche können nach dem Trinken des Schierlingsbechers noch gefasst sein wie man es von Sokrates berichtet, aber im exakten Augenblick des Todes ...“


    Hairan sah nun wieder auf Nannaias Bild und küsste es:
    „Ich wäre nie fähig gewesen, ihr etwas anzutun, für was hälst du mich?“, sagte er mit plötzlich aufkeimender Wut und stierte Kyriakos an, während seine Hand kurz in Richtung seines Dolches mit dem Schlangenkopf zuckte:
    „Doch selbst wenn – es war zu spät, als der Familienrat zusammen trat… Welch trübsinniges Thema.“


    Der Parther schien sich selbst zur Ordnung zu rufen und nahm beide Hände hinter den Kopf:
    "Freund Kyriakos, heitere mich noch mit einer Erzählung von deinem Erastes auf – falls du ihn hier in Roma findest, könnten wir ihn ja zur Strafe zu einem Eunuchen machen; ich für meinen Teil finde diese Vorstellung äußerst erregend, mit dir sozusagen Hand in Hand zu arbeiten.“


    Er lächelte Kyriakos liebevoll an, während seine Augen schwarz und groß blickten wie bei einem lauernden Tier.


    Sim-Off:

    * Nachtschatten

  • Hairan lächelte, als der Besucher nach seinem eigenen Dolch griff.
    Ein kleiner Halsabschneider war das also und einer, wie man unschwer an seiner Sprache erkannte, von der eher geistig...schlichten Sorte.
    Der Mann hatte jedoch großes Glück, dass der Parther weder auf Probleme mit den Behörden noch mit Lokalgrößen aus war – er hatte, bevor er nach Roma gekommen war, in Palmyra und Alexandria gelebt und überall war es für neue Geschäftsleute ähnlich gelaufen.
    Hairan dachte nicht daran, nicht zu bezahlen, er wollte seine Ruhe.


    Aber der Mann vor ihm ahnte gar nicht, welches Glück er mit Hairan hatte, und so leicht wollte es der Magus ihm nicht machen:
    „Es ist selbstverständlich, dass man bezahlen muss, um in Sicherheit und Frieden zu leben, denn nichts auf der Welt ist umsonst, nicht wahr, junger Freund?“, bestätigte er immer noch lächelnd, während er Titus einen Blick schenkte, der eine etwas empfindsamere Person...aber nein, dazu gehörte der kleine Halsabschneider nicht:
    „An welches Sümmchen haben wir denn gedacht?“

  • | Titus


    Na also! Wie geplant ging der Wahrsager (bestimmt innerlich höchst eingeschüchtert) gleich auf seine knallharte Löseg.. ähm Schutzgelderpressung ein und machte nicht einmal den Versuch zu verhandeln.
    Auch wenn er damals nicht dabeigestanden hatte, so war er sich sicher, dass er es heute besser durchgezogen hatte, als Brutus damals im Ganymed, immerhin hatte das hinterher nochmal extra angegriffen werden müssen, also musste der große Hüne es wohl versaut haben.
    Er war eben nichts im Vergleich zu Titus' Witz und geistiger Rafinesse!


    Doch dann machte ihn sein Opfer auf etwas wichtiges aufmerksam. Ja zum Kuckuck nochmal, wie hoch waren eigentlich immer diese Schutzgeldbeträge? "Ähm..." verwundert kratzte sich Titus am Kopf, ehe er Rat suchend auf Hairan blickte. "Gute Frage, das weiß ich selber auch nicht und gesagt hat es mir auch keiner. Hm, was denkst du denn sind denn so hierbei die üblichen Beträge?" Vielleicht wusste der Wahrsager das ja zufällig, das wäre Titus gleich eine gute Hilfe bei zukünftigen Erpressungen, die ihn Babilus bestimmt auch wieder zuteilen würde, wenn er dieses kleine Geschäft hier erst unter Dach und Fach hätte.

  • Hairan wußte nicht so recht, ob er belustigt oder beleidigt sein sollte: Seit wann hetzte man ihm solch niedrigen Chargen auf den Hals? Doch seine Miene blieb unbewegt, wenn seine Stimme jetzt auch ganz leicht Mitgefühl, wirklich nur ganz leicht, denn das Betragen solcher Männer wie Titus konnte durchaus in rohe Gewalttätigkeit umschlagen, wenn sie sich beweisen wollten, ausdrückte:
    "Die römische Regierung nimmt für gewöhnlich den Zehnten", hier machte der Parther einen kleinen Scherz, in dem er Steuern mit Schutzgelderpressung gleichsetzte:
    "Doch du bist zweifellos ein sicarius, einer der gefürchteten Dolchmänner Romas, und da kann man nicht alles im Kopf haben.
    Ich schlage vor, du erkundigst dich noch einmal oder schickst mir vielleicht einen deiner Untergebenen vorbei, für solche Aufgaben hast du bestimmt Buchhalter."

    ...oder viel mehr kommt dein Boss selbst, denn du hast keine Ahnung von irgend etwas, dachte Hairan, dann sprach er weiter:
    "Als Zeichen meines guten Willens möchte ich dir dieses Amulett des Mars verehren; auch ein Sicarius braucht den Beistand der Götter."
    Der Magus kramte aus seiner Schachtel eines der Blechamulette und legte es vor Titus hin:
    "Dir überlasse ich es für nur zwei Asse", fügte er an.

  • Kyriakos hockte sich zu dem Schlafenden und befühlte ihm nachdenklich die nackten Hoden. Evenor war sehr hübsch und bei den Kunden beliebt. Im Schlaf seufzte er. Das Nephentes ließ ihn glücklich sein.


    "Man kann die Hoden einfach mit den Fingern zerdrücken, so lange, bis man sie nicht mehr ertasten kann. Man verwandelt sie in Brei, das kommt auf das Gleiche hinaus wie ein Schnitt. Ob die Todesrate dabei geringer ist als bei der blutigen Kastration, weiß ich nicht, aber auch ein Laie vermag auf diese Weise ohne größeren Aufwand einen Eunuchen herzustellen."


    Noch zögerte Kyriakos allerdings. Diese Behandlung konnte Evenors Wert entweder ins Unermessliche steigen lassen oder ihn umbringen. Letzteres wäre fatal bei einem so schönen Jüngling. Er zog die Hand weg und setzte sich wieder zu Hairan.


    "Wir benötigen eine Versuchsperson", beschloss er, "bevor wir Evenor behandeln. Python kommt nicht in Frage, er ist für Kunden, die das Gegenteil von einem zarten Knaben wünschen. Da muss alles funktionieren. Ein weiterer Kandidat wäre Nicon, der sich draußen besäuft, da er ohnehin keine hohe Lebenserwartung hat und bei ihm schon seit Jahren nichts mehr läuft."


    Er trank, wie angeboten, einen Schluck Wasser.


    "Mein Erastes wäre allerdings sicher auch ... ein guter Freiwilliger. Bevor er durch meine Hand den Tod finden wird. Und wenn er, tragischerweise, vorher schon bei dem Eingriff stirbt, gibt es niemanden, der um ihn trauert. Wer es doch tut, verdient nichts anderes als Schmerz. Du hast der Kunden viele, Freund Hairan. Falls du von Lysander von Sparta hörst oder vom fetten Sklavenhändler Venox, so lass es mich wissen und es soll zu deinem Vorteil sein. Was möchtest du von meinem Erastes erfahren? Ich musste ihn acht Jahre ertragen und könnte genau so lange erzählen. Frag mich, was du wissen möchtest."


    Da Kyriakos Lysander hasste, würde er auch die für diesen peinlichsten und unangenehmsten Dinge mit Freuden auswalzen.


    "Aber vorher berichte mir doch, was mit deiner schönen Nannaia geschah. Trank sie von dorykonon und weilt nun in der Halbwelt zwischen Leben und Tod?" Er grinste. "Ein Spartiate würde vielleicht davon auch unter sich machen - aber er würde seinem Mörder dabei den Mittelfinger zeigen, wenn er ihn nicht mehr erwürgen kann."

  • | Titus


    Vorbildhaft half das Opfer dem Täter aus der Patsche. Ja dieses Ding mit dem Zehenten klang gar nicht so unvernünftig, das sollten sie wohl machen. Auch fand er es sehr lobenswert, dass der Magus seinen Wert in der Verbrecherwelt erkannte. Ja, Titus war ein gefährlicher Mann! Genau! Bestimmt!
    "Besser nicht, sonst bekomme ich noch selbst Probleme. Wir machen das einfach jetzt mit dem Zehnten. Falls es nicht passt, wird schon nochmal jemand kommen, man wird sehen. Ich selbst habe keine Untergebenen oder Buchhalter, wo ich ja heute sowas das erste Mal alleine durchziehen darf, wo mein Kumpane im Lupanar ist, aber das macht nichts, so werde ich beim Hauptmann sicher umso mehr Anerkennung ernten." plapperte Titus redselig. Fehlte ja nur noch, dass er Namen von Bandenmitgliedern ausplauderte.
    "Doch zurück zum Geschäftlichen. Der monatliche Geldbetrag dafür, dass wir dich beschützen geht per Anweisung bitte an den Händler Gaius Vedius vom Aventin, das ist der für dich zuständige Mittelsmann und das wärs dann eigentlich auch schon wieder."


    Titus musste den Wahrsager mit seiner Räuberkunst wirklich beeindruckt haben, denn dieser war sogar bereit ihm ein Schutzamulett zu überlassen, er musste es also wirklich gut mit ihm meinen. "Oh, vielen Dank! Besser aber ich nehme gleich zwei, Schutzamulette kann man nie genug haben." und kramte dafür vier Asse aus seiner Tasche hervor. "Beschützen die mich vor allem was da in Zukunft noch auf mich zukommt? Ich weiß es ja nicht genau was mich noch erwartet, aber für den Fall der Fälle eben, du verstehst?"


    Sim-Off:

    Weil es bislang so geschrieben wurde, als ob Titus jemand Fremdes für Hairan wäre, mir ist gerade wieder eingefallen, dass er den kleinen Halsabschneider (wie überhaupt die Männer der Krähe) ja eigentlich schon kennt, wo er ihm und Tappo und Brutus ja mal in Araneas Spelunke ein Getränk spendiert hat?

  • "Das was du vorhast, Freund Kyriakos, wären Eunuchen der einfachsten Sorte. Die Diener meines Weibes dagegen brauchten ein silbernes Röhrchen zum Urinieren.", sagte Hairan etwas geringschätzig:


    "Aber nun gut, wir werden sehen. Wenn Nicon dem Wein zuspricht, muss ich allerdings warnen. Wenn man berauschenden Wein und Betäubungstrank mischt, so ist Thanatos nicht fern. Und noch etwas: Achte genau darauf, dass du als Versuchsperson nicht etwa einen römischen Bürger erwischst. An Römern ist die Kastration streng verboten, und es drohen empfindliche Strafen. Es muss ganz sicher ein Sklave oder ein peregrinus sein."


    Hairan betrachtete Kyriakos erneut mit diesmal wehemütigem Lächeln, während seine schwarzen Augen verdächtig glänzten:
    "Nein, meine Nannaia hat niemals von ihrem eigenen Gift getrunken.
    Aber es gab zu viele ungeklärte Todesfälle, und der vereinte Familienrat des Hauses Karen und des Hauses Suren entschied schließlich, Nannaia zu behandeln wie jemanden, der nicht weiß, was er tut. Man hat sie in Ketten gelegt und in eine finstere Zelle gesperrt. Schöne Kleider, Sklaven, Bücher und Schreibzeug erlaubt man ihr nicht. Sie, die Frau mit dem klarsten, reinsten Verstand, den die Welt je gesehen hat, weggesperrt wie ein wildesTier.
    Sag mir, Freund Kyriakos, ist dies Schicksal nicht schlimmer als der Tod?"


    Hairan ballte die Faust und stieß sie gen Decke:
    "Ich verfluche die Surena! Ich verfluche die Karena! Dreifacher Fluch über die, die mir mein Weib nahmen und mich meines Vaterlands verwiesen! Eigenhändig werde ich die Tore des Tartaros öffnen, sie zu strafen!",flüsterte er, denn er hatte die Angewohnheit, die Stimme zu senken, wenn er eine Drohung ausstieß; die Akkustik in seiner Halle war aber dergestalt, dass der Spartiate jedes Wort hören konnte.


    Der Parther schwieg, starrte ins Leere; danach sagte er in völlig normalen Tonfall:
    "Man erzählt sich, dass bei den Griechen für gewöhnlich Erastes und Eromenos eine lebenslange Freundschaft verbindet.
    Was ist also zwischen dir und deinem Lysander vorgefallen, dass er dich hasste und verstümmelte, und du ihn ebenfalls so hasst, dass du ihn - und ich nehme an ohne die Schmerzfreiheit, die Papaver gewährt -entmannen und töten willst?"

  • Hairan führte selbstverständlich Bücher über seine Geschäfte; der römische Fiskus verlangte das. Da Titus
    danach nicht fragte, würde er den Zehnten an den römischen Staat und irgendeine erfundene Summe an Schutzgeld bezahlen, damit man ihn in Frieden ließ.


    "Gaius Vedius vom Aventin", Hairan machte sich eine Notiz mit seinem Griffel:
    "Dann ist ja alles geregelt."


    Da er den Geldeintreiber heute das erste Mal bei Tageslicht und nicht in der düsteren, schmierigen Spelunke am Tiberufer sah, hatte er zunächst nicht gleich bemerkt, dass er den Mann kannte, aber jetzt fiel ihm wieder ein, wer das eigentlich war: Titus gehörte wie Tappo und Brutus zu Babilus'' Räubern, und auch wenn er ein Dummkopf war, so war das Babilus mit Sicherheit nicht, der war umsichtig, clever und brutal und nahm einen hohen Rang im System der ominösen Krähe, dem Mann, der über Romas Unterwelt herrschte, ein.


    Hairan beglückwünschte sich selbst zu seiner Entscheidung, die "Sondersteuer" ohne Wenn und Aber zu bezahlen. Sich mit der Krähe anzulegen, wäre sein sicheres Verderben gewesen.


    Er selbst hatte gar kein Interesse daran, dass Titus ihn ebenfalls erkannte. Er hatte zwar keinen Streit mit ihm, war aber zuvor als windiger Betrüger ein Freund von Wein, Weib und Gesang gewesen. Jetzt als Magus wollte er gerne die Aura von Geheimnis und Unnahbarkeit wahren. Da Hairan inzwischen, im Gegensatz zu seiner "römischen" Aufmachung früher, Bart und lange, wallende Seidengewänder trug, hoffte er sehr, dass diese Tarnung ausreichte.


    Als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, war Titus ohnehin viel zu beschäftigt gewesen, einer hübschen dunkelhaarigen Schankdirne Gewalt anzutun, um seine Kumpane zu beeindrucken, und er, Hairan, hatte dem kleinen Exsklaven des Athenodoros, der ihr helfen wollte, ein Bein gestellt, um ihn daran zu hindern - aus keinem anderen Grund, als sich am Unglück anderer Menschen zu erfreuen.


    Etwas wie ein Lächeln umkräuselte die Lippen des Parthers, als er sich dieser Szene entsann.*


    Dann kaufte Titus ihm sogar zwei Amulette des Mars für vier Asse ab, und Hairan nickte wohlwollend und antwortete ihm:
    " Mars Ultor, der Rächer, ist der beste Schutzgott für gefährliche sicarii; stammt ihr Römer nicht sogar von ihm ab? Solltest du jedoch Feinde haben - und welcher bedeutende Mann hat die nicht? - empfehle ich eine Fluchtafel, die man vor der Stadt unter dem Leichnam eines Gekreuzigten vergräbt. Diese defixiones sind freilich teurer, es ist allerdings auch schwere Arbeit, die von mir Fasten und Gebet erfordert. Aber ich bin mir sicher, wir werden uns einig."


    Hairan machte Anstalten, aufzustehen und Titus zur Tür zu geleiten, was man nur hochgestellten Persönlichkeiten angediehen ließ. Freundlich lächelnd hielt er die Porta auf:


    "Vale bene, möge der große Rächer seine Hand über deine zweifellos gefährlichen Wege halten!", sagte er salbungsvoll.





    Sim-Off:

    Und eine Erklärung, warum Hairan gerade bezüglich Titus auf dem Schlauch stand ;)

  • "Ein Röhrchen? Was machen sie damit?", erkundigte Kyriakos sich fasziniert. Vielleicht, damit sie sich nicht unwürdig hinhocken mussten wie ein Weib? Vermutlich gab es in Hairans Heimat keine Sitztoiletten wie sie in Roma üblich waren und bei denen das entsprechend keine Rolle spielte. Oder die Harnröhre war vernarbt, so dass es nicht anders ging. Jemanden dermaßen zu demütigen hatte schon etwas für sich, solch einen Verschnittenen würden die Kunden lieben. Es würde wohl doch das Messer werden.


    "Ob Nicon ein Peregrinus oder sonstwas ist, ist mir gleich. Er stammt von der Straße, niemand weiß, wohin er gehört und niemanden interessiert es. Folglich ist auch seine Zeugungsfähigkeit nicht von Belang. Er sollte ausnüchtern, bevor wir ihn operieren. Dazu muss er eingesperrt werden, sonst wird das nichts."


    Kyriakos senkte das Haupt in scheinbarer Demut und schlug die Augen nieder, als Hairan die Surena und Karena verfluchte. Bedeutende Familien, wie es schien, denn sonst würden sie keine Eunuchen besessen haben. Sogar mehrere. "Nannaia sollte sterben dürfen", sprach er respektvoll. "Es sei denn du suchst einen Weg, sie zu befreien. Du bist also ein Verbannter. Hast du in Roma eine neue Heimat gefunden oder wohnst du nur hier?" Kyriakos war nicht ohne Empathie und stellte sich die Verbannung als einen Akt seelischer Grausamkeit vor. Zumal Hairan augenscheinlich vollkommen allein war. Außer seinen Kunden hatte er niemanden, von dem Kyriakos wusste.


    "Das Band zwischen Erastes und Eromenos ist normalerweise unzerstörbar, auch nach offizieller Auflösung des Verhältnisses. Ich glaube, Lysander ist schlichtweg wahnsinnig, denn in meinen Augen war alles in Ordnung zwischen uns. Als meine Ausbildung vorüber war, wollte er mich persönlich zu unserer gemeinsamen zukünftigen Einheit bringen. Dazu waren wir zwei Wochen allein unterwegs, größtenteils in der Wildnis. Wir genossen die Stille, wir jagten oder ließen uns von Heloten bewirten, wir liebten uns. Alles schien gut. Als wir das Ziel schon vor Augen hatten, schlug Lysander zum krönenden Abschluss einen Übungskampf vor, den er für sich entscheiden konnte. Vielleicht als Strafe für mein Versagen, machte er mich betrunken mit Wein und bog meine Füße dermaßen, dass mir beide Achillessehnen rissen. Er befahl mir in Schande zu leben und ging. Warum dieser plötzliche Sinneswandel? Ich weiß es nicht! Zurück blieb, von Menschen und Göttern unbeachtet, das, was von mir übrig war. Seine Schande ist die Größere, doch genügt mir das nicht. Ich will ihn zerstören und dann töten."


    All das berichtete Kyriakos so neutral, als wäre es einem anderen widerfahren. Es lag keinerlei Emotion in seiner Stimme, wenngleich er seine Stimme ansprechend modulierte. Er konnte durchaus schön erzählen und war für einen Spartaner recht fantasievoll und redselig geraten, wie auch schon Centurio Octavius Maro feststellen durfte.


    Sim-Off:

    Die Geschichte von Kyriakos´ gewaltsamer Verkrüppelung wird hier erzählt: Terpanders Verbrechen

  • Ich bin kein Beschneider!“, wehrte Hairan ab, denn tatsächlich war es nicht üblich, über Details der „schwarzen Operation“, wie man die Kastration im Orient nannte, zu sprechen. Das Röhrchen aus Silber diente bei Eunuchen, denen das gesamte Glied entfernt worden war, dazu, das für den Betreffenden tödliche Zuwuchern der Harnröhre zu verhindern und später als Katheter.
    „Ein Medicus könnte es dir genau erklären", fügte er an:
    „Nicon wird keine körperlichen Schmerzen leiden, das ist alles, was ich zusichern kann. Die seelischen Schmerzen...wer weiß.“


    Der Parther lächelte, als er sich erinnerte:
    „Einem Feind ein silbernes Röhrchen zuzusenden, ist bei uns zuhause eine hübsche Drohung. Schade, dass du nicht weißt, wo sich Lysander aufhält.“


    Er senkte einen Moment die schweren Lider, und er wischte sich über die Augen:


    „Ich danke dir für dein Mitgefühl für Nannaia. Du, Kyriakos der Spartiate, bist tatsächlich ein Mann, den ich hier in Roma fast schon als Freund bezeichnen würde. Klug bist du -. und verschwiegen.
    Weder Roma noch Parthien sind mir jeweils Heimat, das eine niemals, das andere nie mehr. In früheren Tagen habe ich versucht, Zwietracht und Hass zwischen beiden zu schüren. Aber ich besitze keine weltliche Macht mehr, Kyriakos! Ich bin nur ein bescheidener Schatten im Schatten der Subura.“

    Hairan dachte kurz daran, wie er in der boulé, der Ratssversammlung von Palmyra den wichtigsten der vier Stämme, die Bene Attar auf seine Seite gezogen, doch ein gewisser romhöriger Palmyrener ihm in Alexandria einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
    Aber Politik lag weit zurück in seinem Leben. Und ein Lupanarbesitzer verstand bestimmt nichts von den Gegebenheiten und Wirren in den östlichen Ausläufern des Imperiums .


    Ob Kyriakos wirklich die Wahrheit über sich und Lysander erzählte?
    War der ehemalige Erastes tatsächlich verrückt geworden, oder hatte ihm Kyriakos zuvor Schlechtes angetan? Niemand konnte das jetzt noch wissen, und Hairan war es gleich.
    Wenn Menschen plötzlich ins Unglück gestürzt wurden, belebte ihn das wie ein Aufenthalt in einer kühlen Oase; er bezahlte den Lupo in dieser Nacht dafür, unterhaltsam und anregend zu sein, und das war er zweifellos.


    „Eine gewisse Bewunderung für Lysanders Bosheit kann ich nicht verweigern.“ Hairan lachte auf und deutete einen spöttischen Applaus an; dann verstummte sein Lachen, und er meinte, denn er hatte über alle Maßen hinaus Nepenthes genossen, mit schwerer Zunge:
    „Bei uns, Kyriakos, könntest du immer noch ein Krieger sein, mit Schenkeldruck dein edles Pferd lenken und den Bogen fest spannen, mehr braucht es in Parthien nicht, und selbst die Römer fürchten uns. Notfalls lässt man sich auf dem Pferd festbinden.
    Aber in Sparta denkt man anders, nicht wahr?
    Sich von einem versehrten Krieger in einen ehrlosen Lupo zu verwandeln, ist eine Metamorphose des Göttlichen würdig. Was ist geschehen, nachdem dein ehemaliger Erastes seine zweifelsohne schändliche Tat vollzogen hatte?"

  • "Seelischer Schmerz", wiederholte Kyriakos abfällig. Das würde voraussetzen, dass es so etwas wie eine Seele gab, was er nicht mehr glaubte. Starb das Fleisch, dann starb das Bewusstsein mit ihm. Wenn Kyriakos dereinst gehen würde, dann wäre er vollumfänglich verschwunden und das war gut. Er hatte schon vor sieben Jahren genug gehabt, er lebte nur noch für andere. Dann winkte er ab, weil er nicht mit dem tiefregligiösen Magus über solche Dinge zu debattieren gedachte. Er hatte nicht vor, es sich mit ihm zu verscherzen.


    "Wir sprechen ein andermal über unsere Eunuchen in spe. Du bist vorsichtig, was Freundschaften angeht, genau wie ich. Lass uns den Traum genießen, als wäre er wahr."


    Kyriakos würde die kultische Reinheit von Hairan nicht durch eine freundschaftliche Berührung beflecken, wenn dieser es nicht verlangte, aber er sah ihm einen Moment länger als üblich in die schwarzen Augen.


    "Wir beide sind wie Icarus vom Leben hinaufgetragen worden ins goldene Licht und dann hat man uns hinabgestoßen. Nun sind wir hier, aufrecht, dem Schicksal die Stirn bietend, die Herzen voller Zorn. Lysander zu bewundern ist der falsche Betrachtungswinkel, aber Respekt muss man ihm zollen. Er ist ein hervorragender Kämpfer und ein noch besserer Lügner. Ich sah, wie ein dicker Sklavenhändler ihn gefangen nahm, genau vor meinen Augen. Ich hörte, dass der Weg ihn nach Rom führen würde, dann verließen mich die Sinne."


    Kyriakos blickte auf die Tischplatte, sein Blick folgte langsam den Linien des Holzes.


    "Ich erwachte im Valetudinarium meiner anvisierten Einheit, aber sie konnten meine Füße nicht retten. So entließen sie mich wieder, ich war ... dienstuntauglich. Sehr langsam schleppte ich mich zurück nach Hause zu meiner Mutter und meinen Schwestern. Mein Vater war außer sich, als er davon erfuhr. Ich war der einzige Sohn. Ich war unschuldig an meiner Verfassung, aber niemand hat je behauptet, Menschen wären gerecht."


    Kyriakos sah zur Seite.


    "Ich wusste, wie man allein überlebt. Heloten sind dazu verpflichtet, uns zu gehorchen. Ich wohnte bei ihnen, sie versorgten mich, die meisten freuten sich sogar über die Ehre. Allerdings nur, wenn ich nicht zu lange blieb. So wanderte ich. Sie boten mir ihre Töchter an, die mir das Lager wärmten, und ihre Frauen, ihre Söhne, sie boten mir alles, da sie sich davon erhofften, sie würden verschont werden bei der nächsten Hatz, wenn ich ein gutes Wort für sie einlegte. Doch das tat ich nicht, da ich nicht zu den meinen zurückkehrte. Als ich eines Tages an der Haustür einer Helotenfamilie klopfte, die mich schon einmal gut bedient hatte, da trug die einstmals jungfräuliche Tochter ... mein Kind unter ihrem Herzen. Es hätte mir egal sein können, doch es war mir nicht egal. Ich blieb, ich genoss ohne Gegenleistung und sah ihm beim Wachsen zu. Ich schmarotzte durch das Recht meiner hohen Geburt, bis Nymphis ein Jahr alt war und er seiner Mutter nicht mehr bedurfte. Er war so ein gesunder und kräftiger Knabe und ich sah mich in seinem Gesicht. Er durfte nicht dort enden, alljährliche Beute der Spartiaten. Ich nahm ihn mit mir und versprach, er würde das Leben eines Spartiaten führen."


    Noch immer wirkte Kyriakos gänzlich ungerührt.


    "Aber auf halbem Weg kamen mir Zweifel. Ich war nicht sicher, was wirklich mit meinem Sohn geschehen würde, wenn er ein halber Helot war. Mein Wunsch erschien mir mit einem Mal zu kühn. Das Risiko, ihn der Gerusia vorzustellen, war mir zu groß. Der Mensch braucht ein Ziel, meines war erneut erloschen. Und so lenkte ich meine langsamen Schritte nach Norden einem neuen Ziel zu, um stattdessen nach Roma zu reisen und Lysander zu töten, noch ehe Nymphis volljährig ist. Die Reise war schwierig."


    Was bedeutete, dass sowohl Nymphis als auch er selbst sie nur knapp überlebt hatten. Ohne Hilfe wären sie verloren gewesen, doch das sprach er nicht aus.


    "Und nun bin ich hier", sagte er ein wenig zu harsch.

  • Als Kyriakos die Existenz seelischen Schmerzes leugnete, lächelte Hairan kurz wegen dessen Unwissenheit. Und als Kyriakos dann über Nymphis sprach, regte sich in ihm das Verlangen, diesen ins Unglück zu stürzen, um Kyriakos zu beweisen, dass seelische Qualen die des Körpers übertreffen konnten.


    Aber diese Regung dauerte nur einen Wimpernschlag, weil sie von einem Gefühl, nein, es war nicht Zuneigung, es war die Ahnung dessen, was hätte Zuneigung an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit sein können, überlagert wurde, als Kyriakos ihn länger als üblich anschaute.
    Das römische do ut des! Ich gebe damit du gibst!, war die Basis ihrer Bekanntschaft in der Subura, und dennoch was für Hairan einer Freundschaft am nächsten kam.
    Und so sprach er:


    „Wenn Nymphis dein Sohn ist, dann verzeih mir, dass ich ihn zum Flötenspiel angefordert habe wie einen Sklaven. Ich hielt ihn für einen puer delicatus.
    Aber eines möchte ich dir sagen: Es gibt kein Volk, das so besessen ist von der Juristik wie das römische, alles und jedes pressen sie in ein Gesetz, so dass ein freier Parther kaum atmen könnte.
    Wie eure Gerusia denkt, weiß ich nicht,
    für die Römer jedoch folgt ein Kind immer dem Stand der Mutter und der ärgeren Hand. Wenn die Heloten Sklaven sind, so ist auch dein Nymphis für die Römer ein Sklave.“


    Hairan machte eine Pause, doch nur aus der Gewohnheit heraus, die Worte wirkungsvoll zu setzen:
    „Auch für dieses Problem gibt es eine Lösung: Du müsstest für Nymphis Papiere besorgen. und irgendein Mädchen als Mutter eintragen; eine Bäuerin oder eine Barbarin, das ist gleich, nur frei muss sie sein.“


    Ein wenig kannte sich Hairan in Rechtssachen aus. Er hielt sie für eine elegante und unblutige Methode, jemanden zu verderben oder jemanden zu erhöhen, ganz so, wie es in seine Pläne passte.


    „Ich kenne einen Notar, der mir den Gefallen tun würde.“, fuhr er fort:
    „Und du weißt, dass Diskretion zu meinem Geschäft gehört.
    Wenn du Lysander tötest, und Nymphis alleine zurück lässt – umso wichtiger ist es, dass kein Zweifel darüber besteht, dass er ein freier Knabe ist. Sonst schlagen sie ihn zum Inventar des Ganymeds, um die Gläubiger zu bedienen. Überlege es dir also!“

    Hairan brauchte Kyriakos nicht erzählen, was dieses Schicksal bedeutete. Aus großen glänzenden Augen – Wirkung von Nepenthes – sah er ihn an, unbewegt.


    Die Gestalt des Kyriakos, stolzer Spartiate, verschwamm vor seinem Blick. Wie dieser ansehnliche Mann wohl als Hoplit gewesen war?
    Eine Spartiatin hätte er zum Weib sich genommen, nur des Nachts flüchtig besucht, die ihm starke Söhne geboren hätte, ein Leben hätte er geführt in Entsagung und bitterer Armut, aber im Geiste der freieste Mann, den man sich vorstellen konnte.
    Seine Gefährten wären seine Freunde und auch Geliebte gewesen. Sein kleiner Sohn wäre in den agélai herangewachsen, und gewiss hätte Kyriakos darauf geachtet, dass er keinem schlechten Erastes in die Hände fiele…
    Hairan sah das Leben des Kyriakos, wie es hätte sein können, mühelos vor seinem geistigen Auge, und eine Traurigkeit stieg in ihm auf, als würde er mit all den scheuen Schatten auf der asphodelós leimon, der Asphodeloswiese des Hades, die Abwesenheit der Freude teilen.


    "Ikarus, ja!", lallte er und betrachtete Kyriakos traurig - ich hatte heute selbst für mich zu viel von Nepenthes, dachte er:
    "Hinaufgestiegen und hinabgefallen, aber wenigstens hat er den Sonnenwagen selbst über das Firmament gelenkt, nicht wahr?"

  • "Es kommt ganz darauf an, auf welcher Flöte Nymphis hätte spielen sollen", sagte Kyriakos und das war das Maximum an Humor, zu dem er fähig war. Nein, vermietet wurde sein Sohn nicht, allein das Auge durfte sich an seinem Liebreiz erfreuen. Kyriakos tat alles, um zu verhindern, dass Nymphis so enden musste wie sein Vater. Mit einem Mal aber wurde er hellhörig, sein Blick durchdringend.


    "Du kannst Nymphis zu einer ehrenhaften Abstammung verhelfen? Keine Bäurin und keine Barbarin kommen in Frage. Finde eine Spartiatin, die bereit ist, ihren Namen dafür zu geben, ganz gleich, was es kostet, oder sorg dafür, dass die Fälschung glaubwürdig ist. Nenn mir den Preis deines Notars und deine Vermittlungsgebühr." Kyriakos war es absolut ernst. Er würde morden für diesen Gefallen.


    Der Vergleich mit dem Sonnenwagen führte dann dazu, dass Kyriakos die Augen niederschlug. "Ich wäre froh, würde mein Sonnenwagen gelenkt werden, Hairan. Mir ist, als wären die vier Hengste außer Kontrolle, meine Zügel gerissen und sie hätten mich hierher in die Fremde gezogen, ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können. Sie hören nicht auf zu laufen, wie sehr ich auch kämpfe. Ich habe nichts unter Kontrolle, Hairan."


    Noch nicht. Der Beutel Gold, den Velia ihm überreicht hatte, mochte das ändern. Doch er hatte ihn nicht umsonst zunächst versteckt. Er musste genau darüber nachdenken, wie er den neuen Reichtum einsetzte, damit er möglichst lange etwas davon hatte und ihn sogar mehrte.

  • Hairan lachte nicht. Nie hätte er über den Sohn eines freien Mannes solche Scherze gemacht, aber der Spartiate hatte wohl zu lange Zeit schon Ehre und Anstand vergessen - vergessen müssen.


    Er nickte nur:
    „Eine ehrenhafte Abstammung, ja. Aber eine spartiatische Bürgerin zu finden, die sich dafür hergibt, das wird schwierig. Wir nehmen eine Tote. Das hat auch den Vorteil, dass sie für immer schweigen wird – und niemand dafür sorgen muss, dass sie es tut.“
    Hairan lächelte versonnen:
    Manches ist gar nicht so schwer. Existente Urkunden verschwinden und verschollene tauchen wieder auf. Stell dir vor, du bist nicht alleine aus Sparta aufgebrochen, sondern zusammen mit einem geliebten Mädchen. Mit eigenen Händen hast du sie in der Wildnis entbunden und ihren Tod beweint. Nur der Sohn blieb – und du zu fern der Heimat, so dass du ihn der Gerusia nicht vorstellen konntest. Wie klingt diese Geschichte für dich? Ich kann sie wahr werden lassen. Gib mir eine Liste der Städte, die du vor neun bis fünf Jahren zwischen Sparta und Roma besucht hast. Es kann sein, dass wir Nymphis etwas älter oder jünger machen müssen, aber das wird ihm nicht schaden.“


    Hairans Augenlider wurden schwer, doch sein Verstand war es nicht:
    „Mit Geld kann man solche Dinge regeln.
    Aber du bist im wahrsten Sinne des Wortes abgebrannt. Wie also kann es sein, dass du mir sagst, ganz gleich was es kostet? Du hast kein Nepenthes getrunken und im Fieberwahn sprichst du auch nicht. Also hast du irgendwo noch Vermögen. Es betrübt mich wirklich, dass du solch erfreulichen Neuigkeiten deinem guten Freund Anis von Alexandria vorenthälst.“


    In Hairans schwarzen Augen schimmerte es feucht. Er wirkte, als sei er aufrichtig getroffen.
    Dann gähnte er:
    "Nun bin ich sehr müde, mein lieber Kyriakos und möchte schlafen.“, sagte er:
    „Dein Evenor und du habt mich gut entspannt wie immer. Ich schlage vor, ihr verlasst mich nun. Bedenke mein Angebot bezüglich der Zukunft deines kleinen Nymphis.“


    Sein eigener Großmut rührte ihn, wie selbstlos er doch war!
    In diesem einen Moment zwischen Nepenthes, einsamer Lust und Schläfrigkeit, aus der er mitten in der Nacht mit Nannaias Namen auf seinen aufgesprungenen Lippen hochschrecken würde, war es ihm ernst damit, Kyriakos helfen zu wollen.

  • "Wer sagt denn, dass ich das Geld bereits besitze?", erwiderte Kyriakos und warf dem Magus einen ernsten Blick zu. Er sollte es nicht zu weit treiben. "Da du mein Freund bist, wirst du einen angemessenen Anteil erhalten. Es ist auch ein Zeichen von Freundschaft, manche Dinge zu verschweigen, denn manches Wissen bringt seinen Träger in Gefahr. Wie ich die Bezahlung gewährleiste, das überlass mir."


    Er wies mit dem Haupt in Richtung des schlafenden Evenor, über dessen Wertsteigerung sie gerade noch gesprochen hatten.


    "Deine Geschichte klingt gut. Bevor ich mich auf diese Reise machte, war ich neben Lakonien auch im übrigen Achaea unterwegs. Ich bereiste Messene, Thebea und Delphi. Kurz sah ich auch Athenae, aber ich betrat dieses Monstrum nicht. Von Delphi aus ging es weiter nach Argus und dann die Westküste hinauf. Die Hafenstädte sorgten dafür, dass ich unterwegs nicht verhungern musste, unter anderem Dyrrachium, ehe ich von Salona nach Aquincum ins Landesinnere einschwenkte. Von dort ging es weiter nach Virunum, Aquileia und Placentia und schließlich über Arminium nach Roma."


    Kyriakos erhob sich. Den schlafenden Evenor warf er sich mühelos quer über die Schultern wie einen Sack. "Ich werde dich wieder aufsuchen, sobald meine Zeit es erlaubt oder du meiner Dienste erneut bedarfst. Dann werden wir ja sehen, wie weit du mit dem Angebot bist. Es war mir eine Freude. Die Bezahlung hätte ich gern noch. In Anbetracht unseres erbaulichen Gesprächs überlasse ich es dir, einen Preis zu wählen, den du für angemessen erachtest."


    Wobei natürlich hineinspielte, dass Kyriakos sich um Geld keine Sorgen mehr zu machen brauchte und dass Hairan ihm sehr nützlich sein würde, wenn er tatsächlich diese Urkunde organisierte. Da konnte ein wenig Entgegenkommen nicht schaden.

  • Hairan, der von Nepenthes benommen war und noch nie eine Veranlassung gesehen hatte, mit Geld sparsam umzugehen, hatte schon wieder vergessen, dass Kyriakos ihm seine Dienste umsonst angeboten hatte.
    Aus dem knöchernen Kiefern des Totenschädels fingerte er fünf Denare und legte es vor den Lupanarbesitzer auf den Tisch.
    Als sich dieser Evenor auf die Schultern warf, sah er ihn mit einem wohlgefälligen Blick von oben bis unten an und sagte:


    „Stark bist du, Kyriakos, und das gefällt mir; glaube mir, in früheren Tagen hätte ich deinen Körper genossen und dir Lust bereitet und du mir. Aber das ist vorbei, mein Freund, für immer vorbei. Wir Magoi beobachten die Sterne und sind selbst einsame Sterne am Firmament, für immer einsam.
    Es gibt oft Brände in einer Stadt und manchmal betrifft es den Magistrat, auch in Achaia; ich werde mich darum kümmern.“


    Er versprach es, während er kaum mehr aufrecht stehen konnte.


    Vielleicht würde ihn ja wenigstens Nymphis dafür lieben, was er für ihn tat, wenn der Vater, Kyriakos, es schon nicht konnte. Hairan hatte mit Nannaia nie einen Sohn gehabt; sie hatten es sich beide so sehr gewünscht!, aber die Götter, die sie beide mit sovielen Gaben ausgestattet hatten, hatten ihnen diesen letzten Wunsch verwehrt.


    „Vale bene“, sagte er , während eine Vision in ihm aufstieg, die selbst Nepenthes in den Schatten stellte, schwarz wie die ewige Nacht im Tartaros war sie und doch unendlich süß und wohlschmeckend wie die Äpfel der Hesperiden, und er wusste, dass er, Hairan, an diesem Geschick keinerlei Schuld trug, sondern dass es ihm zufiel wie ein Geschenk, welches all die durchlittene Zeit hier in Roma kompensierte:


    Er, Hairan, hatte Nymphis ganz alleine für sich, weil Kyriakos tot war.

  • Freudig nahm Kyriakos die großzügige Summe einhändig entgegen. Mit geübten Fingern ließ er die Münzen in den Beutel gleiten, den er unter seinem Röckchen um die Hüfte gegürtet trug. Er schätzte großzügige Kunden und ließ sich bei diesen seinerseits nicht lumpen. Bei einer tiefen Verneigung schenkte er Hairan zum Dank einen letzten Blick auf Evenors nackte Gesäßbacken und den Hodensack, der für einen Augenblick sichtbar wurde, bis Kyriakos sich wieder aufrichtete und alles unter dem Stoff verschwand.


    "Für den Lupo ist es nicht anders. Er hat mehr fleischliche Freuden, als gut für ihn sind. Wahrhafte Lust zu empfinden, das bleibt eine Seltenheit. Umso wertvoller sind diese Zeiten."


    Einen Moment dachte Kyriakos an seine Velia, die er noch besuchen würde, nachdem er sich umgezogen hatte. In ihren Armen war die Welt heil. Manch Lupo aber hatte die Lust für immer verlernt, wie der unglückliche Nicon, der draußen mit seiner Amphore nur noch wartete, bis seine Zeit vorüber war. Doch das sprach man nicht aus in Gegenwart eines Kunden. Schließlich bezahlte der für die köstliche Illusion und nicht für die unappetitliche Wahrheit.


    "Kalón ípno, keuscher Freund Hairan. Wir sehen uns wieder."


    Damit wandte Kyriakos sich ab und kehrte zurück zur Ruine des Ganymed, um Evenor und Nicon abzuladen. Hernach ging er frische Kleidung kaufen und suchte die Thermen auf. Nachdem er sich gepflegt und neu eingekleidet hatte, suchte er Velia auf.


    [Magnum Momentum] Asche und Gold >>


    Sim-Off:

    Kyriakos meinte, dass er Hairan umsonst Freude bescheren würde, wenn Hairan ihm helfen würde, einen Eunuchen zu erschaffen. Freilich ist das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht ganz angemessen. *g*

  • << Taverne "Zum blinden Esel" - Auf dunklen Pfaden


    Terpander zeigte Briseis, wie sicher er sich in vollständiger Finsternis zu bewegen vermochte. Seine Hand war ihr Geleit und würde sie straucheln, würde er sie halten. Seine schuhlosen Füße waren vollkommen lautlos, den Dreck der Subura ignorierte er vollkommen, ganz gleich, in was er trat. Fäkalien schreckten ihn so wenig wie herumliegende Innereien auf einem Schlachtfeld, die noch pulsierten, wenn der Besitzer noch dran hing. Terpander war vollkommen frei von Ekel. Das Einzige, was seinen Abscheu erweckte, war unnötige Schwäche - besonders an ihm selbst.


    Seine von Kindesbeinen an gewachsene Hornhaut schützte ihn effektiv vor Schnittwunden, wenn er in Scherben trat oder auf spitze Steine. Doch da jeder Schritt ein zügiges und routiniertes Tasten war, geschah dergleichen kaum. Terpander benötigte seine Augen nicht, er sah mit dem ganzen Körper, spürte Luftzüge auf der Haut, nahm unterschiedliche Wärmezonen der Luft wahr, roch den Brandschalengeruch aus Türspalten und den Mief von Abflüssen, hörte dermaßen scharf, dass allein sein Gehör anhand des Windes und der Echos kleiner Tiere ein hervorragendes dreidimensionales Abbild der Umgebung zu erzeugen vermochte. Lichtinseln vermied er vollständig und führte Briseis all die Zeit über an der Hand mit sich, während die andere Hand mit den Fingerspitzen über die Wände strich, wenn sie ihnen folgten. Unterwegs sammelten sie den Sack aus seinem Depot, dann ging es zum Magus.


    Terpander klopfte korrekt drei Mal.

  • Tiberios, der zwischen Stadtmauern und in domus aufgewachsen und noch nie in seinem Leben ( bis auf ein einziges Mal) in der freien Natur gewesen war, war in der Nacht zwar nicht taub, tatsächlich hörte auch er alle Geräusche in deutlicher Schärfe, ohne ihren Ursprung zurückverfolgen zu können, aber so gut wie blind.


    Nox fiel über ihn her wie ein schwarzes Tuch. Die einzige Orientierung für ihn war die warme Hand von Terpander, die die seine hielt; aber der Mann selbst verschmolz mit der Dunkelheit und bewegte sich vollkommen lautlos.
    Dafür hatte die Nachtluft, auch wenn sie eher warm und voll von Gerüchen der Gerbereien, Urinale und nach Mensch war, den Effekt, dass Tiberios im Kopf wieder etwas klarer wurde.
    Eine Ewigkeit so schien es, tapperte er hinter Scatos Sklaven drein, einmal hielten sie, und Terpander nahm irgendetwas? Gegenstände? Einen Sack ? mit, ohne Tiberios etwas davon aufzuladen. Dann nach einer weiteren Weile blieb er stehen und klopfte dreimal an irgendeine Porta.


    Tiberios hielt sich an Terpanders Arm fest:
    Ich warte auf dich hier, aber ich will da nicht rein.“, sagte er etwas störrisch:
    „Anis von Alexandria ist ein schlechter Mensch. Ich kenne den – eben aus Alexandria.“

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!