[Hortus] Wer sich rauft verträgt sich leichter

  • Am gestrigen Tage war Angus zu Caesoninus gekommen und hatte um eine bessere Stellung im Haus gebeten, vorzugsweise als Leibwächter. Natürlich war Caesoninus dem misstrauisch begegnet, doch Angus hatte einfach nicht locker gelassen und unablässig beteuert, dass er sich beweisen wolle, notfalls auch in Form eines kleinen Faustkampfs mit seinem Herrn. Natürlich war das verrückt, unstatthaft und bar jeden Anstands und so hatte Caesoninus begeistert eingewilligt, um zu zeigen wer hier das Sagen hatte. Damit auch die anderen im Haus etwas davon hatten und das ganze zudem einen etwas würdigeren Charackter bekam, hatte er beschlossen das ganze zu einem kleinen, familieninternen Fest zu gestalten. Die ganze Familie und alle Sklaven sollten und dürften zuschauen, wenn die beiden ihre Kräfte maßen und so hatte er noch am gleichen Tage nach seiner Zusage Locusta beispielsweise aufgetragen ein kleines Buffet für morgen zu kochen und Phocylides befohlen, dass er Tische und Bänke und vielleicht ein wenig Dekoration in den Hortus schaffen sollte für den Kampf.


    So kam es, dass am heutigen Tage schon kurz nach Sonnenaufgang alle emsig bei der Arbeit waren für eine angemessene Kulisse. Aus der Küche drangen die feinsten Gerüche, wenn es dieses Mal auch bedeutend weniger Speisen waren, wo ja nur die Hausgesellschaft zugegen sein würde. Der Garten der Domus Iulia war nicht mehr wieder zu erkennen. Der Maiordomus hatte einen vier mal vier (weite) Schritte großen Platz von dünnen Holzgitterzäunen abgrenzen und den Innenbereich mit Sand füllen lassen. Rund um den Kampfplatz waren bunte Wimpelgirlanden auf Stangen aufgehängt worden. An allen vier Seiten des Platzes waren lange Bänke aufgestellt worden auf denen die Hausgemeinschaft Platz nehmen konnte, um zuzusehen. Direkt dahinter standen die Tische, sodass man sich von seinem Sitzplatz aus nur umdrehen musste, um sich eine Kleinigkeit zu Essen holen und sich anschließend gleich wieder ganz dem Kampf widmen konnte. Da diese Veranstaltung -bedingt durch ihre schrägen Grundbedingungen eines Kampfes Herr vs. Sklave- sowieso eine Art zweites Mini-Saturnalienfest darstellte, würden Familienmitglieder und Sklaven gemeinsam bzw. sogar gemischt auf den Bänken sitzen.


    Als der Nachmittag anrückte und Caesoninus von seinen Geschäften vom Forum Romanum nachhause kam, staunte er nicht schlecht bei der Inspizierung des Hortus. "Ich hatte ja eigentlich nur ein paar Dekorationen gewollt, aber du hast ja einen richtigen Kampfplatz gezaubert, alle Achtung!" lobte er Phocylides, woraufhin sich der Maiordomus stolz in die Brust warf. Die Zeit des Kampfes rückte immer näher, weshalb die Küche begann die Tische mit Essen zu bestücken und auch schon die ersten Sklaven herbeikamen, um sich auf den Bänken niederzulassen.

  • Heute würde wieder einmal die neueste skurrile Idee ihres Vetters diesen Tag und die Domus Iulia dominieren. Gestern, als das alles ausgemacht worden war, hatte sie noch nichts davon mitbekommen, doch heute früh, als die Sklaven dann schon emsig dabei gewesen waren in der Küche außerhalb der Essenszeiten leckere Dinge zu kochen, die Neuigkeit, dass das Mittagessen ausfallen würde und der Umstand, dass ein paar Männer praktisch den ganzen Hortus umbauten, ließ es sich dann doch nicht mehr verbergen, dass etwas im Gange war. Um hinter das Geheimnis zu kommen, packte sie einmal einen vorbeieilenden Sklaven am Arm und stoppte ihn. "Was geht hier vor?" wollte sie wissen.
    "Dominus Caesoninus wird am Nachmittag einen Faustkampf mit dem Sklaven Angus austragen, Domina. Alle im Haus lebenden sind zum zuschauen eingeladen." Dann lief er weiter. Iulia schaute nicht schlecht. Was hatte Gaius nur jetzt wieder vor! Sogleich lief sie los in Richtung seines Officiums, doch dort angekommen wurde ihr gesagt, dass der hohe Herr nicht anwesend und gegenwärtig am Forum Romanum wär.


    Hm, na gut, dann eben nicht. Trotzdem hielt Iulia das für sehr falsch was ihr Vetter da tun wollte. So etwas machten vielleicht arme Schlucker in der Subura, die sich gerade einmal einen einzigen Sklaven leisten konnten, doch nie und nimmer ein Angehöriger des ordo senatorius! Hoffentlich hatte er nicht auch auswärtige Gäste geladen, das wäre zu peinlich. So wartete Iulia also bis der Zeitpunkt des Kampfes angerückt war und begab sich dann hinunter in den Hortus, um sich das gebotene Schauspiel anzusehen. Zum Glück nur war ihre Mutter nicht im Haus heute, das hätte vielleicht wieder eine Standpauke gegeben. Natürlich nicht für sie, aber eben für ihren Vetter. Iulia setzte sich auf eine der Bänke und wartete darauf, dass es begann.

  • Seit dem Vorfall mit Sula vor gut einer Woche hatte Graecina nur selten das Haus verlassen. Sie wollte ihrer Freundin genug Zeit geben, um sich körperlich wie auch seelisch zu erholen. Zusammen mit ihrer Sklavin machte sie häufig Spaziergänge im Hortus. Dort zogen sie sich meist in eine Stille Ecke zurück und ließen die Seele baumeln. All das half ihrer Sklavin, wieder zu sich selbst zu finden und das Schreckliche, was sie erlebt hatte, zu vergessen. Die Iulierin war überzeugt davon, dass dies alles ihrer Sklavin guttat. Sie schien nicht mehr so blass zu sein und sie vielleicht irgendwann wieder das lebenslustige junge Mädchen sein würde, wie sie es vorher gewesen war.


    Von dem Trubel im Haus und den aufwendigen Vorbereitungen hatte die Iulia nichts mitbekommen, da sie sich mit Sula den ganzen Vormittag in ihren Räumen aufgehalten hatte. Zusammen mit Ancilla, jenem kleinen Mädchen, das Sulamith auf so heldenhafte Weise vor dem sicheren Tod gerettet hatte, begab sie sich nun hinunter in den Garten. Wie immer hakte sie sich dabei an Sulamiths Arm ein. Gemächlichen Schrittes, während das kleine Mädchen aufgeregt und freudestrahlend voran lief, betraten die beiden Frauen den Hortus. Graecina bemerkte sofort, dass etwas anders war als sonst immer. Die geschäftigen Sklaven, die innerhalb eines halben Tages fast den ganzen Garten umgestaltet hatten. Doch wozu taten sie das, was war denn hier los? Plante ihr Vetter etwa eine Art Aufführung? Und wenn ja, zu welchem Anlass? Gab es etwas zu feiern?
    Neugierig trat sie mit Sula im Schlepptau näher. Schließlich erkannte sie Iulia Phoebe, die scheinbar auch nicht so recht wusste, was sie von all dem hier halten sollte. „Salve, meine Liebe. Was ist denn hier los? Gibt es etwas zu feiern oder wird hier etwa ein Stück aufgeführt?“ Letzteres hätte sie natürlich äußerst erfreut, doch sie kannte ja die Aversion ihres Vetters gegenüber literarischen Höhepunkten. In diesem Punkt war er einfach ein Banause!

  • Stille und Ruhe taten der Hebräerin gut. Greacina tat alles, damit nichts, was ihrer Sklavin hätte schaden können, an sie herankam. Die gemeinsamen Nachmittage im Hortus der Domus Iulia waren dafür besonders geeignet. Die Gespräche der beiden Frauen und ihr Vertrauen auf Gott trugen dazu bei, dass die Genesung der jungen Hebräerin gut voranschritt. Trotz allem lag noch immer ein Schatten auf ihrer Seele. Noch immer verfolgten sie Alpträume in der Nacht und noch immer erschrak sie, wenn unerwartet ein männliches Wesen vor ihr auftauchte. Lediglich das Lachen der kleinen Ancilla rief so etwas wie Freude in ihr hervor und zauberte sogar manchmal ein Lächeln auf ihre Lippen.


    Auch Sulamith waren die Veränderungen im Hortus nicht verborgen geblieben. Aber auch sie fand keine rechte Erklärung dafür. Die bunten Wimpelgirlanden schienen auf ein heiteres Fest hinzuweisen, doch der mit einem Holzgitterzaun abgesperrte Bereich, der zudem mit Sand gefüllt war, ergab für die Hebräerin keinen Sinn. Allmählich begannen die Sklaven aus der Küche verführerisch duftende Speisen herbeizutragen, die sie auf die bereitstehenden Tische abstellten. Auch sie schienen sich auf etwas zu freuen. Worauf, erschoss sich ihr nicht.
    Doch dann hatte die Iulierin ihre Cousine erblickt. Womöglich wusste sie mehr. Sogleich schlug sie in die Richtung, hin zu Iulia Phoebe ein. Da sich Graecina bei ihr eingehakt hatte und sie sie nun unweigerlich mit sich zog, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Ancilla erkundete währenddessen den Garten und mischte sich unter die Küchensklaven, in der Hoffnung, dass etwas Süßes für sie abfiel.


  • Erneut war es der Hortus den Iduna wie eine emsige Biene umschwirrte. Doch nicht um sich dem Müßiggang hinzugeben. Es herrschte geschäftiges treiben in der Domus Iulia. Und daran war nur ihr Gefährte schuld. Denn Angus hatte ihren Dominus zu einem Faustkampf heraus gefordert. Der Grund dessen war der Rothaarigen noch nicht wirklich bekannt. Weil sich der Kelte in der Domus Iulia langweilte? Weil er mit seinen Aufgaben nicht genügend zu tun hatte? Ja. Daran müsste es liegen. Und aus diesem Grund hatte die kleine Germanin ihren Dominus bereits angebettelt Angus zu seinem Custos Corporis zu ernennen. Dann wäre der Kelte zufrieden und hätte eine Aufgabe. Und Iduna müsste sich keinerlei Sorgen um ihn machen das er aus reiner Verzweiflung eine blödsinnige Tat beging. Wie zum Beispiel diesem mysteriösen Wahrsager einen Besuch abzustatten.


    Mit Aislin im Tragegeschirr auf dem Rücken beeilte sich Dominus Caesoninus Cubicularia ihren Aufgaben gerecht zu werden. Schließlich wollte sie unter keinen Umständen das ihr Dominus ihr zürnte. Denn Aislins weiteres Leben hing auch davon ab, wie sehr sich Iduna und Angus in ihrem Sklavenstand aufarbeiteten. Mit einem letzten prüfenden Blick durch das Cubiculum ihres Dominus, nickte die Rothaarige. Die frische Tunika lag auch schon bereit, sollte ihr Dominus nach dem Kampf das Bedürfnis haben sich neu ankleiden zu wollen. Und selbstverständlich würde Iduna ihrem Dominus dabei zur Hand gegen.


    Schließlich zog es auch die Rothaarige hinaus in den Hortus. Wobei sie ihren Blick schweifen ließ. Ob sie Angus oder ihren Dominus irgendwo ausfindig machen konnte. Doch keinen der beiden konnte sie entdecken und so hielt sich die iulische Sklavin etwas im Hintergrund. Jederzeit bereit ihren Aufgaben nachzukommen.

  • Nach einer unruhigen und viel zu kurzen Nacht, begann mein Tag kurz vor Sonnenaufgang. Die Arbeit wartete an den Öfen des Hypokaustus bereits auf mich. Bis ich mir eine erste Pause gönnen konnte, in der ich für gewöhnlich auch ein einfaches Frühstück zu mir nahm, vergingen einige Stunden, denn schließlich sollte es in der Domus angenehm warm sein, wenn die Herrschaften am Morgen aufstanden und in den Tag starteten.


    Die Vorfreude auf den heutigen Tag war einem Grübeln gewichen. Idunas Worte hatten mich die ganze Nacht verfolgt und dafür gesorgt, dass ich kaum hinab in den Schlaf sinken konnte. Plötzlich war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob diese Herausforderung wirklich eine gute Idee gewesen war. Doch wenn ich nun einen Rückzieher machte, dann konnte ich mich gleich hier unten bei den Öfen begraben lassen.
    Auch während der Arbeit ging das Grübeln weiter. Was würde passieren, wenn ich den Kampf verlor? Dann konnte ich auch alle meine Hoffnungen auf eine bessere Stellung über Bord werfen. Und was war, wenn ich gewann? Würde der Iulier dies dulden oder würde er mich dafür bestrafen, weil ich an seiner Ehre gekratzt hatte. Wie ich es auch drehte und wendete, das Ergebnis war nicht sehr befriedigend. Ich Idiot, warum hatte ich mir das selbst eingebrockt?


    Durch mein ständiges Nachgrübeln war ich unvorsichtig geworden, was bei der Arbeit am Ofen durchaus gefährlich werden konnte. Gerade hatte ich mehrere Stücke Holz ein wenig zu schwungvoll im Ofen verschwinden lassen, als mehrere glühende Funken heraussprangen und einer davon auf meiner rechten Hand landete und deren Innenfläche verbrannte. Ich schrie auf und wich mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück. Als ich mir etwas später meine Hand anschaute, musste ich feststellen, dass sich dort eine große Brandblase bildete. Auch das noch! Offenbar hielten auch die Götter nicht viel von meiner Idee.
    Um meine Hand zu schützen, band ich mir einen Stofffetzen um sie herum. So konnte ich wenigstens die letzten Stunden bis zum Nachmittag weiterarbeiten. Die Schmerzen waren groß, doch ich biss die Zähne zusammen.


    Müde und schmutzig wusch ich mich und kleidete mich danach in eine einfache Tunika. Diese sollte genügen für den Kampf. Falls es der Iulier vorzog unbekleidet zu kämpfen, dann war das Kleidungsstück schnell wieder ausgezogen. Die Blase auf meiner Handinnenfläche stach ich auf und verband mir sie mir einem sauberen Stoffstreifen. Wahrscheinlich würde das nicht weiter auffallen.


    Als ich mich hinaus in den Garten begab, fielen mir die geschäftigen Sklaven auf, die an mir vorbeihuschten. Was war denn los? Als ich dann hinaustrat und die Veränderungen und die Dekoration erblickte, bleib ich erschrocken stehen. Der Hortus war kaum wiederzuerkennen! Was sollte das denn? Der Iulier ließ offenbar um unseren Kampf ein riesiges Tamtam aufziehen, bei dem es offenbar auch Zuschauer geben sollte. Einige davon hatten sich auch schon im Hortus eingefunden. Verdammt! So hatte ich mir das aber nicht vorgestellt. Es sollte doch nur eine kleine Demonstration meiner Fähigkeiten werden! Am liebsten hätte ich wieder kehrt gemacht. Doch zu spät! Es gab kein zurück mehr! Und dann war da auch noch Iduna. Das war einfach zu viel. Ich machte kehrt und ging zurück an meine Arbeit. Es würde heute keinen Kampf mehr geben.

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