Der feine Herr in der Subura

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    Pollux


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    Die Subura glich in Geruch und Aufbau einer kranken Darmlandschaft. Ihre verschlungenen Pfade stanken zum Himmel, der Unrat von Menschen und Ochsen stand knöcheltief in der abgesenkten Straße. Wagenspuren und Hufabdrücke trockneten in der Mittagssonne, denn die Fuhrwerke durften nur Nachts in die Stadt. Munter spazierte Pollux barfuß über den Dreck, ohne auch nur nach unten zu sehen. In dem Labyrinth der Nebengassen verlor ein Fremder innerhalb weniger Kreuzungen die Orientierung. Doch der wohlhabende Mann hatte ja Pollux als Führer.


    "Unsere Mutter tat alles, um uns allein durchzubringen", plauderte der rothaarige Jüngling, während er über einen toten Hund hopste, über dem dicke Fligen brummten. "Dabei kam sie selbst um, man könnte sagen, sie schenkte zuerst uns das Leben und dann schenkte sie uns auch noch ihres. Sie hat uns sehr geliebt. Vermutlich stehen ihrem manis die Tränen in den geisterhaften Augen, wenn sie sieht, welch edelmütiger Mann sich der Not ihres Söhnchens erbarmt!"


    Pollux hielt inne und drehte die Augen gen Himmel. In der Ferne hörte er dabei Lärm, der ihm nicht gefiel. Die Situation bei der Urbanerstation schien sich eher zuzuspitzen als zu entspannen. Die Urbaner brüllten herum und denen wollte er lieber nicht über den Weg laufen. Er strahlte den Mann an.


    "Ich bin übrigens Pollux. Für uns machen hundert Sesterze den Unterschied zwischen Leben und tot. Für dich vermutlich nur den zwischen einem guten Essen und einem sehr guten. Eine Kleinigkeit, nicht der Rede wert, vermutlich schüttelst du die hundert Sesterze aus dem Ärmel, ohne sie auch nur zu bemerken, doch wir werden dein Geld hochhalten, ehren und umsichtig verwenden!"


    Er bog er in eine schmale Seitengasse ab, in die man kaum hineinpasste. Durch ein schmuddeliges Labyrinth im ewigen Häuserschatten führte er den feinen Herrn immer tiefer in die Eingeweide der Subura hinein.

  • Valentinus folgte dem Bettler hinein in das Elendsviertel der Stadt. Die Subura hatte der junge Furier stets gemieden und das aus gutem Grund, wie er mit jedem Blick feststellte. Überall lag Unrat herum und es stank schrecklich. Valentimus versuchte gar nicht mehr, den angewiderten Ausdruck auf seinem Gesicht zu verbergen. Dennoch folgte er seinem Führer, der sich hier bestens auskannte. Ohne ihn hätte er sich längst in dem Labyrinth von kleinen Gassen verlaufen.


    Mitleidig lauschte Valentinus der Geschichte des Bettlers über dessen Mutter, die ihr Leben für das ihrer Kinder gegeben hatte. Er wagte jedoch nicht zu antworten, um nicht versehentlich die eine oder andere Fliege zu verschlucken.


    Auch Valentinus hörte den Lärm, wusste aber nicht, was der Auslöser für diesen war. Er wollte gerade danach fragen, als sein Führer ihn wieder ansprach und dem jungen Furier seinen Namen verriet.


    "Es freut mich dich kennenzulernen, Pollux. Ich bin Decimus Furius Valentinus."


    Stellte er sich vor und folgte Pollux immer weiter in die Subura.

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    Pollux


    "Ein Furius? Kommt mir irgendwie bekannt vor!"


    Pollux dachte nach. Seine Kunden kannte er gut, es war keiner von ihnen. Vielleicht der Kunde eines anderen? Während sie den letzten Weg zurücklegten, überlegte er. Sie befanden sich nun ganz in der Nähe des niedergebrannten Lupanars Ganymed, waren jedoch von einer anderen Seite durch einen Geheimweg gegangen. Bevor die Ruine in Sicht kam, kletterte Pollux auf einen Stapel Kisten und öffnete einen hölzernen Fensterladen. Falls der Verschlag eine Tür besaß, war sie entweder unerreichbar oder niemand sollte erfahren, wo sie lag.


    "Huhu, Castor", grüßte Pollux ins Dunkel. "Ich habe Besuch für dich mitgebracht. Wird es gehen?"


    Ein schwaches Wimmern drang aus der Öffnung. Pollux schaute ausgesprochen besorgt und seine Lippen formten ein lautloses Oh, nein!

  • Valentinus folgte Pollux weiter, die Orientierung hatte er völlig verloren und er versuchte auch gar nicht mehr, sich den Weg zu merken. Falls er wieder aus der Subura hinaus kommen wollte, war er auf die Hilfe seines Führers angewiesen. Bei dem Gedanken wurde dem junge Furier etwas mulmig zu Mute.


    Während Valentinus nachdachte, kletterte Pollux auf einige Kisten, öffnete einen Fensterladen und fragte in die Dunkelheit nach einem Castor, der wohl sein Bruder war. Dessen Zustand schien sich nicht verbessert zu haben, wie Valentinus an Pollux' besorgten Blick ablesen konnte.

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    Pollux


    "Möchtest du dich davon überzeugen, dass mein kleiner Bruder wirklich krank ist und ich nicht gelogen habe?", fragte Pollux. Einladend wies er auf die Klappe. "Du sollst schließlich sehen, dass dein Geld gut angelegt ist. Du kannst es mir aber auch einfach so geben, wenn du dich nicht traust."

  • "Ja, lass mich deinen Bruder sehen." Antwortete Valentinus und stieg die Kisten hinauf. Zwar hätte der junge Furier lieber darauf verzichtet, Pollux' Geschichte zu überprüfen, doch wegen dem Vorfall in dem Schreibwarenladen war er immer noch recht misstrauisch.

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    Pollux


    Als Valentinus in das Dunkel blickte, sah er eine liegende Gestalt, deren Konturen vom Licht einer tönernen Öllampe nur schwach erhellt wurde. In den scharfen Gestank der Beleuchtung mischte sich der Geruch von Blut. Der 'kleine Bruder' war genau so groß wie Pollux und an mehreren Stellen mit dreckigen Lumpenstreifen verbunden. Er hob eine Hand zum Gruß, versuchte, sich aufzusetzen, aber konnte seinen Kopf nicht anheben. Ein schwaches Wimmern folgte.


    "Bleib liegen, liebes Brüderchen", rief Pollux erschrocken. "Der edle Herr hat sich bereit erklärt, uns 100 Sesterze zu schenken, damit wir den Medicus bezahlen können! Nicht wahr?"

  • Valentinus warf nur einen kurzen Blick hinein in den dunklen Raum, der Anblick von Pollux' verletzen Bruder gefiel ihm ganz und gar nicht. Pollux Geschichte war nun auf jeden Fall bestätigt und Valentinus konnte die 100 Sesterzen hergeben, ohne davon ausgehen zu müssen, betrogen worden zu sein.


    "Dein Bruder braucht das Geld wirklich mehr als ich, passt gut auf es auf."

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    Pollux


    "DANKE, HERR", rief Pollux und fiel vor dem Mann auf die Knie. Er streckte bittend die zu einer Schale geformten Hände aus, damit der Mann das Geld hineinlegen konnte. "Ich führe dich anschließend sofort eigenhändig zurück zu den Trajansmärkten! Niemand soll dir je ein Haar krümmen, oh Großmütiger! Mögen die Götter über dich wachen, deine Wege ebnen und alles Übel von dir fernhalten!"

  • Valentinus war froh, den beiden Brüdern helfen zu können. Also gab er Pollux das Geld und sagte dann: "Es freut mich, euch helfen zu können. Könntest du mich nun zurückführen?"

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    Pollux


    Fassungslos vor lauter Glück nahm Pollux sage und schreibe hundert glänzende Sesterze entgegen. Er gab sie dem Bruder zur Verwahrung, der versteckt in dieser dunklen und schwer zu findenden Kammer sicher war. Ein Küsschen erhielt Castor auch noch, dann kletterte Pollux wieder hinaus aus dem Fenster zu Valentinus, der dort wartete. Pollux führte Valentinus unter tausend Hilfestellungen, Dankesbekundungen und Komplimenten zurück zu den Trajansmärkten.


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