Der Hauch einer Erinnerung

  • Von Gewissensbissen geplagt irrte ich durch die Stadt. Vielleicht hätte ich den Tod des Iuliers und seiner Cousine verhindern können, wenn er mich dabei gehabt hätte. Doch das hatte er nicht, woran ich nicht ganz unschuldig gewesen war! Daran war aber nun leider nichts mehr zu ändern.
    Ob ich den Tod meines Dominus betrauerte? Weswegen sollte ich das? Er war mir nie wirklich sympathisch gewesen. Ein aufgeblasener in sich selbstverliebter Gockel war er gewesen. Pah!


    Wie man so hörte, hatte man blanke Krähenschädel bei den Toten gefunden. Ich hatte eine Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Doch ich teilte dieses Wissen mit niemandem, um nicht selbst noch in Verdacht zu geraten. So sehr sehnte ich mich nun auch nicht danach, mein Leben, an einem Kreuz hängend, auszuhauchen. Aus diesem Grund beschloss ich, zumindest für die kommenden Wochen und Monate, gänzlich auf meine Kontakte mit den Männern der Krähe zu verzichten. Nichts durfte daraufhin weisen, dass ich jemals mit ihnen etwas zu tun hatte.


    Trotz alledem ich war froh, wieder einmal hinaus zu kommen und etwas anderes zu sehen. Für Domina Graecina hatte ich einige Besorgungen machen sollen. Verständlich, dass sie nicht das Haus verlassen wollte. Fast alle Sklaven der Domus Iulia benahmen sich seit dem Tod des Dominus wie aufgescheuchte Hühner. Keiner traute sich mehr hinaus, aus Angst auch abgestochen zu werden. Das war natürlich blanker Unsinn. Die Krähe hatte längst ihre Rache bekommen. Weshalb also sollte sie sich noch mit ein paar dummen Sklaven herumschlagen?


    Auf meiner Einkaufsliste standen auch noch ein paar Wollballen mit feiner weißer Wolle. Offenbar wollte sich Domina Graecina die Zeit mit Handarbeiten vertreiben. Ich wünschte, eine der Sklavinnen - meinetwegen auch Iduna - hätte mich begleitet. Wie sollte ich als Mann entscheiden, welche Wolle gut genug für die Domina war? Andererseits war es wohl am besten so, wenn ich mich in Zukunft von Iduna fern hielt. Auch wenn sie die Mutter meines Kindes war. Aber das, was passiert war, war einfach zu einschneidend gewesen. Nie wieder würde ich in ihre Augen mehr blicken können, ohne mir jedes Mal meine Schuld eingestehen zu müssen. Ich wollte auch nicht mehr länger darüber nachdenken! So schritt ich weiter zu diesem vermaledeitem Wollladen.


    Plötzlich und ganz unvermittelt stand sie vor mir. Ich blickte direkt in ihre dunklen Augen. Ihr schwarzes Haar, der dunkle Teint ihres Gesichts. Ja, sie war es!


    Sim-Off:

    Reserviert!

  • Rom... sie war wieder hier in Rom. Die Stadt die sie gehasst und geliebt hatte. Inzwischen hatte sie Angst. Ja zum Schluss waren ihre Panikattacken derart schlimm geworden, das ihr Dominus sie für lange Zeit auf Landgut der Familie geschickt hatte. Dort war sie zur Ruhe gekommen. Dort hatte sie wieder zu sich selbst gefunden. Und doch war unterschwellig immer noch die Angst vor dieser Stadt da. Und doch half es nichts sie musste sich wieder in dieser Stadt zurechtfinden und ein Einkauf stand heute an. Lange hatte sie mit sich gehadert. Doch nun stand sie hier um die Einkäufe für die Villa zu erledigen. Immer wieder ging sie im Geiste ihre Liste durch. Ja auch wenn sie diese auswendig kannte und wahrscheinlich im Schlaf hätte herunterrasseln können. Lenkte sie diese stupide Wiederholen im Geiste von ihrer Angst vor dieser Stadt ab.


    Gerade war sie auf dem Weg zum ersten Laden, als sie plötzlich ein ihr Bekanntes Gesicht direkt vor ihr auftauchte. Ihre Augen weiteten sich. So hielt sie mitten in der Bewegung innen. Ihr Mund tat es einem Fisch gleich auf – zu – auf – zu ohne das auch nur ein Laut über ihre Lippen kam. Kein Muskel rührte sie. Sie konnte eine ganze Weile nur mit aufgerissenen Augen auf den Mann vor ihr starren. [SIZE=7]„Angus?“[/SIZE] es war kam mehr als ein leises Flüstern welches ihr da über die Lippen kam.

  • „Rabenmädchen!“, entgegnete ich ihr flüsternd, denn ich war nicht weniger überrascht, sie wieder zu sehen. Nach unserer letzten Begegnung hatte ich mir immer wieder eingeredet, sie vergessen zu können und dass sie mir nichts mehr bedeutete. Ich hatte mich selbst angelogen, als ich sagte, ich sei über sie hinweg. Nein, tief in mir drinnen hatte es die ganze Zeit etwas gegeben, das ihr nachtrauerte.


    Man hatte ihr übel mitgespielt. Sie die einst frei gewesen war, hatte man wieder in die Ketten der Sklaverei gelegt und hatte ihr eingeredet, dass sie ein Nichts war. Sie war nicht mehr sie selbst gewesen, als ich damals von ihr ging. Völlig verängstigt, wie ein in die Enge getriebenes Tier war sie gewesen. Ich fragte mich, wie es ihr jetzt gehen mochte, als ich ihr plötzlich gegenüberstand und erst einmal wie gelähmt war.


    „Es ist lange her!“, sagte ich dann. Unendlich lang. Ein anderes Leben lag zwischen uns. Was hatten sich die Götter nur dabei gedacht, als sie uns hier die gleiche Straße entlang gehen ließen, so dass wir uns zwangsläufig begegnen mussten? War das die Strafe für das, was ich Iduna angetan hatte?


    „Wie geht es dir, Morrigan?“, folgte dann noch nach ein paar Atemzügen. Früher hätte ich sie, ohne mit der Wimper zu zucken, in meine Arme geschlossen. Doch nun war ich mir so unsicher, ob ich sie damit nicht wieder verschreckte. Ich hätte gelogen, wenn ich behauptet hätte, nichts mehr für sie zu empfinden. Vom ersten Augenblick an, als ich wir uns damals an den Saturnalien begegnet waren, liebte ich sie. Und ja, ich tat es immer noch. Iduna zu lieben war wie eine Verpflichtung gewesen. Doch meine Liebe zu ihr war pure Leidenschaft!

  • Morrigans Augen ruhte auf ihm. Auf jene Mann den sie immer geliebt hatte. Ihr einzige wahre Liebe. Jene Liebe die ihr aber wohl nicht vergönnt war. Und doch standen sie hier. Inmitten einer riesigen Stadt und waren sich begegnet. War es Zufall oder Schicksal? Ja das Schicksal hatte ihr bisher übel mitgespielt. Und doch war sie wie eine Katze und fiel immer und immer wieder auf ihre Füße. Natürlich hatte sie immer noch Angst. Doch sie hatte vom Tod ihres Peinigers gehört und dies gab ihr ein wenig Sicherheit. Vielleicht konnte sich keiner der Männer in Schwarz an sie erinnern. Vielleicht konnte sie tatsächlich frei von ihnen sein?
    Sie hob die Hand und wollte Angus berühren, wollte sich sicher sein, dass es tatsächlich er war, der hier vor ihr stand, dass es kein Trugbild ihres Hirns war. Doch auf halben Wege brach sie die Bewegung ab und nickte ihm zustimmend zu. „Ja es ist lange her.“
    Wie aber sollte sie seine zweite Frage beantworten? Wie ging es ihr? Es gab gute, es gab schlechte Tage. Sie wurde auch nicht jünger und ihr bisheriges Leben forderte seinen Tribut. „Es geht... mir den Umständen entsprechend gut.“ antwortete sie so diplomatisch es ihr möglich war. „Die Zeit außerhalb Rom hat viele Wunden verheilen lassen.“ fügte sie an. „Aber sag mir wie geht es dir? Was ist geschehen in der Zeit in der ich nicht hier war?“ Ihr Gesicht verzog sich ein wenig schmerzvoll, denn es hatte ihr immer weh getan Angus an der Seite einer anderen zu sehen. „Wie geht es der Frau, die du deine Gefährtin nennst?“

  • Es war ein seltsames Gefühl, welches mich bei ihrem Anblick überkam. Eine unbändige Freude, das Verlangen, sie berühren zu wollen. Doch da war auch die Scham, sie zu berühren. Die Angst, ihr ungewollt wieder wehzutun. Für einen winzigen Augenblick glaubte ich, dass wir das alles überwunden hätten. Doch dann wich sie wieder mit ihrer Hand zurück.


    Sie tat sich schwer mit der Beantwortung meiner Frage. Doch das zeugte von ihrer Aufrichtigkeit mir gegenüber. Statt einem lapidaren ‚gut‘ hatte sie mit ihrer Aussage gekämpft. Scheinbar um von sich selbst abzulenken, fragte sie nach meiner Befindlichkeit. Doch was hätte ich sagen sollen? Ich fühlte mich ihr genauso zur Aufrichtigkeit verpflichtet. Allerdings wollte ich auch nicht vor ihr herumjammern.
    „Nun ja, es ist viel geschehen, seit unserer letzten Begegnung. Der Flavier wurde von einem Fieber dahingerafft. Iduna und ich wurden verkauft. Kurze Zeit später landeten wir als Gewinn bei einem Würfelspiel bei den Iuliern.“


    Als sie sich nach meiner Gefährtin erkundigte, verfinsterte sich plötzlich mein Gesicht. Letztendlich war es Iduna gewesen, die zuletzt zwischen uns gestanden hatte. „Sie ist nicht mehr meine Gefährtin! Sie hat sich bei unserem Dominus angebiedert und sein Bett gewärmt, um eine bessere Stellung zu erhalten.“ Doch wie es zum Bruch zwischen uns kam, verschwieg ich. Schnell ging ich deshalb noch auf die aktuellen Ereignisse ein, die nicht minder an mir und meinem Gewissen nagten. „Ach ja und wie du vielleicht gehört hast, unser Dominus wurde vor einigen Tagen ermordet. Er und seine Cousine. Ihre Leichname liegen schon seit Tagen aufgebahrt im Atrium herum und beginnen bereits stinken.“


    Ich seufzte und senkte meinen Kopf, damit sie möglichst nicht die Scham und die Bitterkeit in meinen Augen erkennen konnte. Doch dann sah ich sie wieder an und die pure Verzweiflung stand mir im Gesicht.
    „Mir geht es furchtbar, Morrigan! Ich wünschte, wir wären damals geflohen. Du und ich!“

  • Morrigan lauschte den Worten von Angus. Ja auch in seinem Leben war viel passiert. Sie nickte leicht. „Du scheinst kein Glück mit deinen Römern zu haben. Warst du der Leibwächter des ermordeten Iulier?“ Ja sie machte sich immer noch Sorgen um Angus. Das hatte sie nie ganz ablegen können. Nicht das man ihm die Schuld in die Schuhe schob. „Ist schon etwas über den Tod deines Herrn bekannt? Nicht das wieder etwas in der Subura heranwächst, was dann nicht mehr zu kontrollieren ist.“ Morrigan schüttelte sich bei dem Gedanken an den Aufstand den Varia angeführt hatte und vor allem die Folgen für Rom und für sie selbst.
    Man konnte auf ihrem Gesicht fast ein Lächeln erkennen. „So sie ist also nicht mehr deine Gefährtin?“ Morrigan neigte den Kopf zu Seite und betrachtete Angus nachdenklich. „Nun ich sag es nur ungern, aber ich sagte dir damals schon, dass sie nicht zu dir passt. Ich hätte mir für dich gewünscht, dass du mit ihr glücklich wirst, aber … nun ähm … sie hat einfach nicht zu dir gepasst.“ Nein sie wollte Angus nicht auf die Nase binden, das sie Iduna schon immer für ein Weib gehalten hatte, dass sie durch die Betten schläft um ihren Stand zu verbessern. Sie hatte so einiges gehört als sie an den Claudischen Haushalt zurückgekehrt ist.
    Als er sie nun mit der puren Verzweiflung im Blick ansah, konnte sie nicht anders und überbrückte den Abstand zwischen ihnen um ihn in ihre Arme zu schließen. Leise flüsterte sie ihm zu. „Hab Vertrauen Angus. Mag das Leben dir noch so übel mitspielen, steh aufrecht und habe Hoffnung, dass die Götter es richten.“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Schau heute meinen sie es doch gut mit uns, schließlich sind wir uns begegnet. Wer weiß was das zu bedeuten hat.“ Sie sah Angus direkt in die Augen und in ihnen lag trotz ihrer Vergangenheit Wärme und eine tiefe Liebe für den Mann vor ihr.

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