• Ausgerechnet am heutigen Festtag der Venus kam ich mit dem Schiff aus Massilia in Ostia an. Ausgerechnet deswegen, weil Venus ja meine Schutzgöttin war. Es musste ein Zeichen sein!


    Ich war von Mogontiacum dem Rhenus entlang nach Augusta Raurica, von dort über Vindonissa und Aventicum nach Geneva und danach alles dem Rhodanus entlang, bis schliesslich nach Massilia geritten. Meine beiden Pferde waren ziemlich mitgenommen von der Reise und auch ich war froh, dass ich in Massilia tatsächlich ein Schiff fand, welches mich nach Ostia bringen würde, anstatt nochmals quer durch Italia reiten zu müssen. Die Schiffsreise war nicht nur schneller, sondern auch wesentlich angenehmer.


    So betrat ich nun erstmals seit vielen Jahren wieder den Boden Italias und machte mich, nachdem ich Waren und Pferde für einige Stunden in die Obhut eines Stallknechtes am Hafen geben konnte, auf den Weg in den Tempelbezirk.


    Am Tempel der Venus angekommen, suchte ich zuerst einen der Stände auf, an welchem man Opfergaben kaufen konnte. Ich gab gerne und reichlich Geld aus für Weihrauch, Myrten (die heilige Pflanze der Venus) und etliche Früchte, welche ich als Dankopfer danach den Priestern übergeben würde.


    Dann ging ich zum eigentlichen Tempel und verrichtete mit dem gekauften Weihrauch zuerst meine eigenen Gebete. Iulia Stella machte dabei einen grossen Teil aus, doch auch meine Familie, Tante Duccia Sorana, von der ich in all den Jahren gar nichts mehr gehört hatte.
    Bitte, Venus, wenn du mich hier hörst und siehst, sende mir ein Zeichen, ob meine Liebe zu Iulia Stella noch erwidert wird. Nil amplius oro - Nichts weiter erbitte ich.
    Das war der Schlusssatz meines insgesamt doch recht langen und innigen Gebetes.


    Während dieser Handlungen war ein Priester bereits in meine Nähe getreten und wartete nun diskret darauf, dass ich mein Gebet beenden würde. Danach trat er zu mir hin, nahm in einem kurzen Gespräch meine weiteren Opfergaben entgegen, so wie auch eine nicht unbedeutende Geldspende zu Gunsten des Kultes und er versprach, das Opfer sofort in meinem Namen zu vollziehen. Dies tat er dann auch und gemeinsam beteten wir die vorgesehenen Worte zum heutigen Feiertag.

  • Ach, es war herrlich. Ein Vorteil davon, einen eigenen Feiertag im Frühherbst des Jahres zu haben, war das Wetter. Es war sonnig, aber nicht heiss, ein leichter Wind wehte vom Meer her über das Land hinein und trug den Duft der vielen Opfer zu mir herauf, wie ich auf einer Wolke sass und meinen Tag genoss. Ja, die Menschen feierten Geburtstage, Jubiläen, manchmal gar Hochzeitstage an welchen sie mir gedachten, doch so ein eigener Feiertag, das war schon noch etwas spezieller.


    Gemächlich glitt ich von einer Wolke zur nächsten, besuchte Mantua, Rom, Misenum und hunderte andere Dörfer und Städte, wo ich mich jeweils an den Opfergaben und Gebeten labte und es einfach genoss, ich zu sein.


    Dann, in Ostia, zog ein Menschlein meine Aufmerksamkeit auf sich, das ich kannte. Er war in der letzten Zeit etwas ruhiger gewesen als auch schon und soweit ich mich erinnerte, war sein letztes Opfer aus einer germanischen Provinz gekommen, aber jetzt stand er hier, in Ostia, und hatte meinen Lieblingsstrauch dabei. Ich liebte den Duft der Myrte, er roch so herrlich nach Hochzeit, nach verliebten Paaren, ach das war sooooo schön.


    Wie immer kreisten seine Gedanken um dieselbe Frau, hach war das romantisch! Da verbrachte ein so kleines Wesen viele Jahre weit weg von zu Hause und von seiner Geliebten und dann dachte er noch immer bei jedem Atemzug an sie. Das musste einfach belohnt werden.


    Eine kleine perfekt weisse Taube schickte ich daher hinunter, welche sich auf dem Altarstein niederliess, als das Menschlein dort das Opfer zu meinem Feiertag mit dem Priester zusammen vornahm.

  • Der Priester beendete das Opfer und während ich noch andächtig etwas stehen blieb, schubste er mich ganz leicht, was dazu führte, dass ich erstaunt hoch blickte. Es war nicht üblich, dass ein Priester dies tat, doch was ich dann erblickte erklärte alles.


    Auf dem Altarstein sass eine kleine, perfekt weisse Taube und blickte freundlich zu uns. Fast als wäre sie nur für uns da. Ich wagte es kaum mich zu bewegen, denn jedes Kind wusste, dass Tauben ein Zeichen der Göttin waren.


    Gebannt blickte ich das Tierchen an, bis ich blinzeln musste und als ich die Augen nach dem Blinzeln wieder öffnete, war es weg.


    Der Priester drehte sich mir zu, gratulierte mir zum erhaltenen Zeichen und man spürte, dass auch er so etwas noch nicht oft erlebt hatte. Dann drehte er sich um und liess mich alleine mit meinen Gedanken stehen.


    Was bedeutete das nun? War Iulia Stella noch immer an mir interessiert, weil Venus mir die Taube geschickt hatte? Oder dachte sie nicht mehr an mich, weil das Tier so unvermittelt wieder verschwunden war? War es vielleicht ein Zeichen, dass ich sie verlieren würde? Ich schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Zeichen der Götter waren immer verwirrend für uns Menschen und es gab nur einen Weg herauszufinden was Sache war. Ich musste nach Rom und zwar möglichst schnell.

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