Wer suchet, der findet ... vielleicht...

  • ...


    In etwa drei Wochen später...


    In den letzten drei Wochen hatte ich natürlich auch noch Zeit gefunden weiter nachzudenken und mich auch ein wenig mit der schönen Helena auseinander zu setzten, welche noch immer in ihrer Meinung über mich stark schwankte. Je nachdem wie sehr sie ein Wiedersehen mit Glaucon aus der Therme wünschte. Natürlich hatte sie versucht, mich auch weiterhin zu überreden, aber das hatte ihr noch nichts genützt, denn ich war standhaft geblieben, was mehrere Gründe hatte. Der Erste war jener, dass ich kein Bedürfnis hatte Glaucon wegen ihr aufzusuchen. Der Zweite war noch immer mein Stolz gegenüber dieser Sache im Allgemeinen und der Dritte lag darin begründet, dass sie mir dabei Avancen mache, welche ich nur unter großer Mühe abwehren konnte, was wieder zwei Gründe hatte: Eben meinen Stolz und dann auch noch die Tatsache, was Dominus Selenus mit mir machen würde, würde ich die einzige Frau antasten, die es im Haus der Bruderschaft im Moment gab und somit etwas unternahm, was nicht einmal seine Männer durften. Und ein solcher war ich Helenas Augen ja auch nicht. Immer noch nicht.


    Dessen ungeachtet aber, erging es mir gesundheitlich immer besser und ich konnte meine Atmung schon wieder ein wenig strapazieren. Einmal bereits hatte ich den Dominus auf einen Gang begleiten dürfen, um einen Menschen, dessen Namen ich nicht erfahren hatte und auch sonst nichts, was ihn anbelangte, sicher durch die Straßen zu bringen. Und nun war sozusagen eine Premiere für mich, denn ich durfte seit Wochen wieder aus dem Haus – sehr vorsichtig natürlich – und mich auf den Markt begeben, um einem weiteren Mann eine für mich recht kryptisch anmutende Botschaft überbringen, welche für mich keinerlei Sinn ergab. Der Mann allerdings schien zufrieden gewesen und war seiner – wohl seltsamen – Wege gezogen. Noch immer war ich der Meinung, das mich derartiges ansonsten nichts anging, denn ich wollte nicht wieder verprügelt werden oder gar in Gefahr geraten noch einmal beinahe mein Leben lassen zu müssen. Also beschäftigte ich mich dieser Botschaft nicht weiter und schlenderte nun – mit einem leckeren Stück Obst in der Hand, welches ich mir dank des neuen Dominus hatten leisten können, über den Markt und machte mir Gedanken ganz anderer Art.


    Andeutungsweise stand es im Raum, dass meine Karriere bei Dominus Selenus keine lebenslängliche Angelegenheit sein würde und eine Rückkehr in das Haus „Zur Freude“ zu Kaeso war absolut nicht diskutabel, auch wenn dort noch immer meine Asse lagerten. Doch kam Zeit, so würde auch Rat nicht fern sein und es würde schon eine Gelegenheit geben. Sicher waren sie dort ja auch, weshalb ich eben besagte Zeit für mich verbuchen konnte. Also schlenderte ich weiter – mein Gesicht war nunmehr auch fast schon vollständig wieder hergestellt, nur meine Rippen schmerzten noch ein wenig, und schaute mich nach allerlei Dingen um. Letzten Endes vor allem aber nach jenen, welche dort ebenfalls den Nachmittag verbrachten, wobei mir die Idee kam, dass unter jenen doch jemand sein müsste, der meine Dienste mehr als nur verdient hätte. Nicht unbedingt jene, welche man aus einem Lupanar kannte, sondern richtig ehrliche Arbeit für einen Sklaven für mich! Eine schöne Vorstellung, unter den Menschen hier vielleicht sogar einen oder eine zu finden, welche es wirklich auch wert wäre.


    Natürlich war das eine wunderliche Idee, aber sie erheiterte mich, weshalb ich die Menschen auch besonders genau begutachtete, ohne dass diese dies hoffentlich bemerkten. Einige würdevolle Herren waren dabei. Einer mit einem Bart, wohl aus der Provinz, was aber wohl nicht für mich in Frage käme. Germanien, Hispanien oder dergleichen waren kein schönes Ziel, denn eigentlich lebte ich ja gerne in Rom. Wenn die Römer darinnen nicht wären. Aber wie auch immer. Ich lehnte mich dann an eine Hauswand neben einen Marktstand, kaute an meinem Apfel, bis mir eine Dame in Auge sprang, welche wirklich nach einem gewissen Reichtum aussah. Leider war sie schon alt und recht beleibt, auch wenn das Geschmeide an ihrem Hals schön klimperte. Das wäre wohl auch nichts. Dann aber sah ich eine junge Frau, wirklich hübsch anzuschauen, die in Begleitung eines riesenhaften Hundes war. Was für ein Tier! Doch die Römerin schien ebenso gut betucht zu sein und strahlte etwas sehr Nobles aus. Sie lächelte auch sehr nett. Das wäre schon eine vorteilhafte Vorstellung, mit welcher ich noch beschäftigt war, während ich wieder in meinen Apfel biss und einfach so tat, als würde ich überall hinschauen, nur eben nicht auf die junge Dame aus gutem Hause.

  • Valeria Maximilla hatte ihre Sänfte in einer Seitenstraße parken lassen und war zu Fuß gegangen. Sie hatte in einer Buchhandlung weitere religionsphilosophische Werke eingekauft, da sie seit dem Tod ihrer Bekannten Iulia Phoebe und Iulius Caesoninus von dem Jenseitsthema regelrecht besessen war. Sie las alles, was sie darüber finden konnte.
    Remigius, ihr jugendlicher blonder Sklave hatte unter einem Arm die Schriftrollen, mit der anderen Hand hielt er Wölfchens Strick. Wölfchen war Maxis Hund, der nach Ansicht seiner jungen Domina viel Bewegung brauchte. Wölfchen war ja gutmütig, nur eben sehr groß und nach Remigius Meinung furchtbar schlecht erzogen.
    Aber das konnte er seiner Herrin, die an dem grauen zottligen Wolfshund hing, unmöglich sagen.


    Leider waren die interessantesten Bücher nicht auf Latein geschrieben, und obwohl die Valeria in der letzten Zeit angefangen hatte, sich wirklich um die griechische Sprache zu bemühen, ging es immer noch zu holprig vorwärts.
    Sie hatte gedacht, einen Lehrer zu finden, aber sie fand keinen.
    Die Vorurteile ihres Vaters über Sklaven- Lehrer hatte sie abgelegt, mittlerweile wusste sie, dass ihr Vater mit seinen Ansichten nicht in allem recht gehabt hatte.
    Eine Sittenstrenge a la Cato war in einer modernen Metropole wie Rom einfach fehl am Platze.
    Dennoch: Der Markt für gebildete Hauslehrer schien gerade wie leergefegt. Wobei dazu kam, dass Maximilla nur eine Haustochter unter Potestas war. Sie erhielt ein Taschengeld. Sie konnte nicht für tausend Sesterzen Sklaven einkaufen.
    Wölfchen indes schien den jungen Mann, der einen Apfel aß und dabei Maximilla beobachtete, anziehend zu finden. ( Wölfchens Geschmack war speziell, er hatte damals auch die angemalten Zwillinge anziehend gefunden).
    Er riss an der Leine, und der Sklave Remigius, der mit Schriftrollen und der Kontrolle des Hundes kämpfte, war einen Moment lang unachtsam. Kläffend sprang der Wolfshund mit beiden Vorderpfoten an Awidan hoch. Dabei wedelte er aber mit dem Schwanz und sah aus, als würde er grinsen.

  • Während ich mir auch weiterhin den Markt beschaute – natürlich spähte ich auch immer wieder zu der jungen Römerin hinüber, unauffällig, natürlich – ging mir einem mehr durch den Kopf, dass ich wirklich gewillt war jedwede Chance am Schopfe zu packen. Ein besseres Leben war sicherlich kein Ding der Unmöglichkeit und bisher hatte – durch die Rache der Fortuna wohl, oder wie die Römer Umstände dieser Art nannten – mir das Leben nichts erspart. Aber dennoch wähnte ich mich ja ein harter Knochen zu sein, an dem sich eben jene Göttin ruhig die Zähne ausbeißen konnte. Besser allerdings als ein Lupanar war wohl so ziemlich alles, was nicht in die Arenen oder an ein Kruez führte und im Moment, so meinte ich, konnte ich mir eigentlich nur verbessern. Also linste ich dann und wann eben zu der Römerin hinüber, die, wie ich sah, nicht nur von einem riesigen grauen Tier, sondern auch von einem blonden Sklaven begleitet wurde, der einige Schriftrollen unter den Arm geklemmt hielt und recht geschäftig damit aussah.


    Mein Mund verschob sich leicht und einen Augenblick wünschte ich mir sogar, an seiner Stelle zu sein. Schriftrollen waren kein sonderlich schweres Einsatzgebiet. Eigentlich waren sie vom Gewicht her doch sehr leicht. Im Gegenteil zu Mist oder irgendwelchen Kisten. So einer Arbeit wäre ich also auch gar nicht abgeneigt. Aber nur kein Neid! Ersteinmal galt ja immerhin zu beobachten. Meistens waren reiche Römerinnen ja nur allzu verwöhnt, des öfteren herrisch und ungeduldig. Eitel obendrein und schrien gerne herum. Auch andere Klischees kamen mir in den Sinn, die nicht so weit hergeholt waren, als dass man sie nicht tagtäglich in der Straßen hätte beobachten können. Diese Römerin aber tat nichts dergleichen, denn sie war damit beschäftigt…. Nun… ich schaute noch einmal zu ihr hinüber, doch ich war wohl doch zu sehr in Gedanken gewesen. Anstatt sie nun zu erblicken, erblickte ich eben das graue Monstrum, welches noch an der Leine gezerrt hatte, ehe der blonde Schriftrollenträger damit überfordert gewesen war.
    “AHHHHHH!“, entkam es mir im großen Moment des Schreckens, als zwei schwere Pfoten auf meinen Schultern ruhten und zwei Augen mich anschauten. Mit ihnen der gesamte Hund.


    Zwar sah dieser recht umgänglich aus, schien auf eine merkwürdige Art sogar recht freundlich zu grinsen, was aber der Sache keinen Abbruch tat. Ich hatte nämlich gelernt, dass man nicht nur Frauen nicht trauen durfte! Hunden ebenso wenig! Schon in Syrien waren sie gefährlich gewesen und gewiss in Rom nicht minder. “Ahhh… nein! Nein! Nein!“, brachte ich also dem Tier entgegen und unternahm einen Versuch, mich seiner Aufmerksamkeit zu entwinden, indem ich es von mir schieben und gleichzeitig meinen Körper seitlich seinen Vorderpfoten entwinden wollte. Mein Apfel ging dabei zu Boden, was den Hund aber nicht zu stören schien. Mehr bekam ich in diesem Moment auch gar nicht mit.

  • Das dem jungen netten Mann wegen Wölfchens Anspringen sein Apfel aus der Hand gefallen war und der Wolfshund so tat, als sei er ein lieber Bekannter, den er seit Jahren nicht wieder gesehen hatte, das war Valeria Maximilla sehr peinlich.
    Sie lief rot an und kreischte: „Remigius! Tu was!“
    Doch ihr Sklave blieb wo er war und aus seiner Sicht war das intelligent gehandelt.
    Ließ er die Schriftrollen fallen, würden sich kleine Taschendiebe darauf stürzen, um sie wegzutragen, ehe er bis Drei gezählt hatte. Wölfchen dagegen würde niemand wegtragen. Da waren die Leute eher erpicht darauf, ihn wieder abzuschütteln.
    „Geht nicht, Domina.“, brummte er.


    Maximilla verdrehte die Augen:"Du bist solch ein Nichtsnutz von Sklave!“, schimpfte sie, lief selbst los und fasste den Hund am Nackenhaar. Die Valeria war (zu ihrem heimlichen Kummer) nicht sonderlich groß, so dass ihr Wölfchen fast zum Bauchnabel reichte.
    „Wolf!“, japste sie: „Aus! Sitz!“
    Nach wie vor war sie davon überzeugt, dass ihr Riesentier von Hund so sensibel war, dass es für ihn eine Strafe bedeutete Wolf anstatt Wölfchen genannt zu werden.
    Mit aller Kraft zerrte sie den Hund von dem jungen Mann fort: „Wolf, weg da!“
    Wölfchen drückte sein Hinterteil gegen den Boden, während er seine Herrin mit glänzenden Augen und halb geöffnetem Maul anschaute. Er war offensichtlich in Spiellaune.


    „Entschuldige vielmals!“, sagte Maximilla zu Awidan: „Hast du dir weh getan?! Ich hoffe nicht!
    REMIGIUS, geh schon und kauf dem jungen Herren einen frischen Apfel, na los! DAS wirst du hinkriegen!“


    Man sah dem jungen Sklaven an, dass er trotz des Geschimpfe seiner Domina die Ruhe weg hatte. Strafe hatte er offensichtlich nicht zu fürchten.
    Mit einer ungeduldigen Bewegung nahm ihm Maximilla die Schriftrollen ab: „ Alles muss man selber machen! Die nehm ich! Jetzt geh schon!“
    Die Werke waren „Die Geheimnisse des Totenorakels – Das Nekromanteion von Ephira, Die Seelenlehre nach Anchises und auf Griechisch Menon von Platon, weil es darin um Wiedergeburt ging.
    Leider war auch die Valeria mit den Schriftrollen UND der Leine des Wolfshundes überfordert, die Schriftrolle mit dem Text von Platon platschte hinunter und Awidan vor die Füße.

  • Nach meinem eigenen erschrockenen Schrei hörte ich nun auch noch den der jungen Römerin, die einem gewissen Remigius nun abforderte, doch etwas zu tun. “Ja!“, pflichtete ich ihr bei, ohne den Remigius überhaupt zu kennen. Der Kerl tat aber erst mal gar nichts, brummte etwas, was ich nicht mitbekam, weil ich schon damit beschäftigt war, aus den Fängen des Hundes zu kommen. Unterdessen schimpfte die Römerin laut mit dem Sklaven, was meine Vorurteile wohl bestätigt hätte, wenn ich in dieser Sache nicht auf ihrer Seite gewesen wäre und eben den Hund nicht auf den Schultern gehabt hätte. “Wolf“, hörte ich noch...“Runter mit dir!“, presste ich gedrückt heraus und versuchte das Tier von mir fort zu schieben, während ich mich noch zur Seite navigierte, was meine lädierten Rippen nun wieder zum Schmerzen brachte. “Aaaahhh,“, zischte ich und hielt mir die Seite, während ich dem Hund noch immer entgegen starrte, der keine Anstalten machen wollte, von mir abzulassen. Stattdessen öffnete er sein Maul, entblößte seine Zähne und einen hundetypischen Mundgeruch, der mich den Mund verziehen und zur Seite schauen ließ.


    Die junge Römerin versuchte nun sich zu entschuldigen und fragte, ob ich mir weh getan hätte. “Mhmm...mhm…,“ brachte ich heraus, während sie wieder nach dem Remigius brüllte. Er solle einen neuen Apfel holen. Bitte? Irgendwie tönte das so, als würde auch in dieser jungen Frau irgendwo ein Drache schlummern. Kaeso hatte man das angesehen, aber bei Frauen war dieser immer verborgen. Wenn man Glück hatte eben unter einem hübschen Gesicht und anderen Reizen. “Runter!“, brachte ich nun aber wieder dem Hund entgegen, der irgendwie nicht ablassen wollte zu hecheln und mir seinen Atem ins Gesicht zu hauchen. “Wahh...“ Endlich war es geschafft.


    Die junge Römerin hatte an der Leine gezogen, während ich den Wolf von mir geschoben hatte. Ich glitt danach ein wenig zur Seite, da meine Rippen nun brannten und ich wieder etwas schlechter Atem bekam. Das tat weh! Ein wenig krümmte ich mich auch und sah dabei, dass eines der Schriftstücke, welches der Remigius wohl getragen hatte, zu Boden gegangen war. Unter einem Ächzen klaubte ich es auch sogleich vom Boden auf. ‘Seelenlehre‘, konnte ich entziffern. Ein Griechisches Werk. Lesen konnte ich nicht sonderlich gut und es brauchte Ewigkeiten, bis ich etwas entziffert hatte. Auf Latein war dieser Umstand noch schlimmer als der auf Griechisch. Sprechen war da doch deutlich unkomplizierter und irgendwann lernte man eben das Nötigste. Ich richtete mich schnaufend auf und schaute die Römerin nun an, während ich ihr die Rolle hinhielt. “Nichts passiert!“, sagte ich dann und beäugte noch einmal skeptisch den Hund, von dem ich nun auch einen Schritt entfernte. Nicht, dass er nun doch noch schnappte. „Bin der Seelenreise noch einmal entkommen!“[/color], setzte ich dann unter einem müden Scherz nach und hoffte sehr, dass meine Rippen sich bald wieder beruhigten. “Ein interessantes Thema!“, wagte ich es dann aber noch anzufügen. Unfreundlich wollte ich ja nicht sein, denn immerhin war das die Dame, die ich ja beobachtet hatte. Ich konnte nur hoffen, dass sie das nicht mitbekommen hatte.

  • Valeria Maximilla presste einen Moment lang beide Hände auf den Mund. Das langgezogene Aaaaaaa des Mannes? Wölfchen hatte ihn nicht verletzt, das wusste sie, aber war er vielleicht unter seiner Tunika schon verletzt gewesen? Von allen Leuten, die hier herumliefen, hatte sich der Hund mit schlafwandlerischer Sicherheit denjenigen herausgesucht, der schon halbtot war.
    So etwas passierte ihr ständig.
    „Was ist mit dir?“, fragte sie: „Brauchst du einen Medicus?“
    Aber dann hob der junge Mann die Schriftrolle, die im Dreck lag, auf und machte einen geistreichen Witz.
    Das brachte Maximilla auf genau zwei Schlussfolgerungen:. Awidan war Grieche. Awidan war gebildet.
    „Platon glaubt an die Seelenwanderung.“, bestätigte sie eifrig:
    „Das habe ich gerade noch so verstehen können. Doch du scheinst dich auszukennen. Bist du denn ein griechischer Lehrer oder gar ein Philosoph?“
    Awidan war freilich noch jung, aber das musste nichts heißen.
    „Mein Name ist Valeria Maximilla“, sprach sie : „Und der deine?“
    In diesem Moment kam Remigius. Er hatte ein ganzes Bündel Äpfel gekauft und strahlte die Valeria an:
    „Darf ich auch einen haben, Domina?“, fragte er.
    In diesem Moment war zu merken, dass der junge Diener Domina Maximilla zwar sehr gerne, aber keine Angst vor ihr hatte. Genauso wenig wie der Hund Wölfchen.
    „Ja“, sagte Valeria Maximilla: „Nimm du jetzt wieder den Hund. Dann schaust du nach, ob er einen Medicus braucht. Dann bietest du diesem griechischen Herren einen Apfel an. Und dann iss deinen Apfel. In dieser Reihenfolge.“
    Remigius war verwirrt:
    „Ob Wölfchen einen Medicus braucht, Domina?“, fragte er.
    Valeria Maximilla winkte ab: „ Alles muss ich selbst machen.“, sagte sie seufzend zu Awidan:
    „Ich nehme mal an, du hast weniger Ärger mit deinen Sklaven. Oder hast du gar keine? Bist du einer dieser bedürfnislosen Kyniker und lebst in einer Tonne? Oder bist du gar selbst ein Sklave?"

    Bei Leuten,die nur einfache Tunikas trugen, war das nicht immer ganz ersichtlich.


    Sim-Off:

    jetzt aber

  • Etwas überraschend – nachdem ich den Hund los geworden war – fand ich die Frage, der jungen Römerin, ob ich einen Medicus benötigte. Schnell schüttelte ich den Kopf. So einer hätte mir noch gefehlt und Dominus Selenus sicherlich auch. Immerhin waren das ja auch Kosten, die gar nicht nötig waren, denn mir ging es ja den Umständen entsprechend gut. So wie immer eigentlich. Auch wenn ich mir das im Leben bisweilen eben auch eifrig hatte einreden müssen. Aber der Körper hörte auf das, was der Kopf sagte, das hatte mein alter Dominus immer gesagt. Einer von denen zumindest, ehe er dann auch verstorben war. Das war wohl einer der Moment, in dem ihm seine Selbstgespräche dann auch nichts mehr genützt hatten. Nun aber wirklich ich auch noch schnell ab. “Nein, nein… nicht nötig… alles in Ordnung!“, sagte ich dazu auch noch rasch und hielt mir weiterhin die schmerzende Seite. Noch ein paar Tage, dann wäre sicherlich damit alles wirklich wieder in Ordnung. Aber dazu brauchte es eben vor allem Geduld und eben keine Hunde, die an einem hoch sprangen.


    Die junge Dame wirkte nun sehr eifrig und erklärte mir, dass Platon an die Seelenwanderung glaubte. “Natürlich!“, entkam es mir, als sie mir nun die Schriftrolle abnahm und war dann ganz erstaunt – während ich mir nach dem Hundeangriff leicht die Tunika abklopfte, denn diese war immerhin neu – dass sie nun auch meinte, dass ich mich auskennen würde. Ob ich Lehrer sei oder Philosoph. “Philosoph?“, hakte ich vorsichtshalber nach und musste dann grinsen. “Ja klar! Sowas in der Art!“ Etwas Philosophisches hatte mir noch nie angehangen, aber wenn sie das meinte, dann fühlte ich mich natürlich sehr geehrt. Zumal ich mir ja auch schon oft anhören durfte, dass ich etwas ganz Verweichlichtes an mir hätte. Von Helena, Kaeso und auch früher schon. Von Onkel Adad oder auch Milo dem Hünen von Damaskus. Aber daran wollte ich nun gar nicht denken, es wäre doch zu schrecklich. Außerdem stellte sich mir die Römerin gerade vor. Valeria Maximilla hieß sie und sie erkundigte sich auch nach meinem Namen. Valeria...Valeria ging es mir durch den Kopf, doch an wen sollte mich der Name schon erinnern, wo er doch so offensichtlich aus Kreisen stammte, mit denen ich so rein gar nichts zu tun hatte. So vornehm, wie sie aussah.


    “Mein Name ist Awidan!“, stellte ich mich nun also ebenso vor, während der andere Sklave mit Äpfeln zurück kam. Nicht mal die zweite oder gar dritte Wahl wie der meine gewesen war, sondern richtig gute Dinger. Rot-grün glänzend. Er wollte auch sogleich einen davon haben, aber der Medicus und der Hund gingen wohl vor. “Also… ich brauche wirklich keinen!“, versuchte ich das Unterfangen noch einmal abzuwiegeln. Ein der Äpfel würde es schon tun und diesen sollte mir dieser Remigius nun auch noch anreichen. Da fühlte man sich doch gleich wie ein reicher Mann. So strahlte ich nun auch wieder recht schnell und musste feststellen, warum mich die Valeria wohl für einen gelehrten hielt. Ihr Sklave war es offenbar nicht und wenn sie alle in ihrem Heim so unverständig waren, würde ihr sicherlich auch Murenus, ‚das Messer‘ wie ein gebildeter Mensch vorkommen. Sie schalt ihren Sklaven und mutmaßte, dass ich wohl weniger Ärger mit den meinen hatte. “Bitte?“, kam es mir in den Sinn und ich sprach es auch sogleich schon aus. “Nein, nun wirklich nicht!“ Nur mit Helena, aber die meine war sie ja nun gerade nicht.


    “Ich bin… also… ob ich in einer Tonne lebe?“, fragte ich nun sicherheitshalber wieder amüsiert nach und schüttelte den Kopf. Ky...ni..ker..., ging es mir dann verwundert und verständnislos durch den Kopf. Was waren das denn nun wieder für Leute, die sie da kannte? “Bin ich nicht… und...“ Gerade wollte ich noch etwas über meinen Wohnort sagen, aber das ließ ich wohl besser, denn das würde mir garantiert nicht sonderlich gut tun. Dominus Selenus hatte ja sowas mehr als nur angedeutet. Die letzte Frage aber war nun brisant. Warum ich das so empfand wusste ich selbst nicht so recht. Es widerstrebte mir, die Wahrheit zugeben zu müssen. Ich tat es aber trotzdem, denn das nicht zu tun, wäre der nächste Schritt hin zu Ärger gewesen, den ich nicht brauchen konnte.


    “Ja. Ich bin Sklave!“, gab ich dann also bekannt, was meinem Lächeln aber keinen Abbruch tat. “Aber … ich lebe trotzdem nicht in einer Tonne!“ So viel konnte ich wohl sagen und das auch noch mit einer Menge Charme. Der war mir angeboren und eines meiner Talente, die leider des öfteren nur allzu tief in mir schlummerten, sodass sie kaum zum Vorschein kamen. “Aber ich habe viel gelernt, besonders über Wanderungen… und einige Aspekte des Lebens, die manche nicht allzu gerne betrachten..,“ seufzte ich dann leicht hervor. Das war auch nicht gelogen und irgendwie hatte ich den Eindruck, die Römerin wollte so etwas von mir hören. Aber besser ich ging da nicht allzu sehr in die Tiefe. Über Kaeso und sein Etablissement wollte sie sicherlich nichts wissen und auch nicht über die Wanderungen welche ich meinte.

  • „Awidan?“, fragte Maximilla etwas enttäuscht: „Das klingt aber nicht sehr griechisch.“ Das merkte sogar sie:
    „Oder etwa Awidan- os? Woher stammst du? Aus Athen?“ fragte sie hoffnungsvoll, denn da kamen die gebildesten Gelehrten her.
    Die Valeria gehörte zu den Leuten, die auch nur das hörten, was sie hörten wollten, zumindest ab und an.
    Als Awidan das Wort Kyniker sehr gedehnt aussprach, verstand sie das nicht etwa auf die Weise, dass der Bursche keine Ahnung hatte, von was sie redete, sondern dass er Kyniker verabscheute und sich verbat, mit Bettelphilosophen in eine Ton.. äh einen Topf geworfen zu werden.


    "Oh, ich wollte dich nicht beleidigen, in dem ich dich für einen Kyniker hielt, Meister Awidanos!“, rief Valeria Maximilla aus: „Diese Art Philosophen haben unter anderen Philosophen einen furchtbar schlechten Ruf, weil sie sich nie baden, aber du riechst ganz gut, da kannst du ganz beruhigt sein! Du bist gewiss ein Stoiker? Oder Platoniker, da du ja sagtest, du kennst dich bei Seelenwanderung aus.“


    Remigius hatte sich inzwischen seinen eigenen Apfel angeeignet und streckte Awidan großzügig den ganzen restlichen Beutel hin – war ja auch für ihn gewesen.


    Maximilla schaute indessen ihre neue Bekanntschaft so liebevoll an, als hätte sie auf dem Mercatus gerade das neuste Parfüm im Sonderangebot entdeckt:
    „Da du ein Sklave bist, meinst du, du bist zu verkaufen?“, fragte sie: „Wie heißt dein Dominus und wo finde ich ihn?“

  • Auf die Nennung meines Namens wirkte die wohlhabende Römerin leicht enttäuscht, was ich ihrer Stimme anhören konnte. Vor allem als sie meinte, dass der aber gar nichts Griechisches an sich hatte. Mir lag schon auf der Zunge, dass sie da vollkommen recht hätte, aber zum Zuge kam ich mit eigenen Worten nicht, denn sie vermutete nun einen ‚Awidanos aus Athen‘ hinter meiner Abstammung. Dabei war sie so hoffnungsfroh, dass ich sie eigentlich nicht noch einmal enttäuschen wollte. Doch war dies natürlich eine Sache, die unausweichlich war, weil ich ja gar nicht aus Athen stammte, sondern aus Damaskus. Also holte ich noch einmal Atem. “Nun ja…,“ setzte ich an, als die Römerin auch schon sagte, mich gar nicht beleidigen zu wollen. Ein Novum war das wohl auf meiner Seite und meine Augen weiten sich leicht erstaunt, während sie nun erklärte, dass Kyniker… Aber Moment! Meister Awidanos? Mein Mund öffnete sich nun stumm und die darin eigentlich schon versammelten Worte waren völlig vergessen. Meister Awidanos! Was hätte Onkel Adad gelacht! Allerdings war der noch in Damaskus und auch sehr fern. Das war er mir eigentlich schon immer gewesen, weshalb mich das auch nicht mehr sonderlich beschwerte.


    “Ach so!“, entkam mir dann, als ich nun erfuhr, dass die Kyniker wohl Philosophen waren und einen sehr schlechten Ruf genossen, weil sie sich nicht wuschen. Besser wurde es aber noch allemal. Fast schon bis zu meiner Verlegenheit, was in der letzten Zeit kaum jemand vermocht hatte zu erreichen. Ich würde ganz gut riechen und… Bitte? Etwas verdattert musste ich wohl nun aussehen und unter diesem Eindruck griff ich auch nach dem Apfelbeutel, der mir gereicht wurde. Wenn ich nur ein Philosoph wäre! Gegenüber dieser jungen und hübschen Römerin wäre ich wohl damit sogleich auch ein König! Immerhin schien die gute Dame nicht das aller hellste Licht zu sein was Menschenkenntnis betraf. Jung und begeisterungsfähig aber wohl allemal! Also räusperte ich mich schnell. Stoiker sagten mir etwas. Das waren die mit der inneren Ruhe. “Stoa und die Platoniker…,“ gab ich nun auch sogleich leicht nickend von mir. Auch das andere war mir ja nicht fern, hatte ich mich doch schon in den Vorbereitungen zu meiner eigenen Seelenwanderung befunden, hätte mich Dominus Selenus nicht gerettet. Allerdings hallte in diesem Moment auch noch das ‚Meister Awidanos‘ in mir nach. “… Also Platon war ein wunderbarer Philosoph. Wunderbar! Ich selbst… hänge ja mehr der Lehre von… Poly...dermos, aus… Delos... an, der ja ein Schüler von Platon … gewesen war….. ein eher unbekannter….Schüler…,“, erklärte ich zögerlich und nun selbst etwas skeptisch, denn ich meinte ja auch nun etwas sagen zu müssen auf ihre Frage hin, ehe schon die nächste Frage eintraf, mit der ich nicht gerechnet hatte.


    “Ich… mein Dominus…?“ begann ich dann wieder verblüfft. Sie wollte mich kaufen? Ich in einem wohlhabenden Haus? Ich? Unter dieser spontanen Vorstellung erstrahlte mein Gesicht kurz in einem Lächeln. Bestimmt würde es dann nicht bei guten Äpfeln bleiben. Mit etwas Mühe waren sicherlich auch andere Dinge möglich. Gutes Brot und Fleisch. Etwas Peculium. Genau das, was ich mir eigentlich erträumen konnte und auf dessen Suche ich ja eigentlich auch war. “Er ist… noch geschäftlich unterwegs!“, erklärte ich auf den Wunsch der Auffindung meines Dominus hin. Sicherlich würde sie nichts Schweres verlangen, nur leider war ich kein Philosoph und hatte auf diesem Gebiet einen recht großes… Halb- bis Viertelwissen. “Ich würde ihm aber niemals sagen, das ich Philosoph bin!“, stellte ich dann in den Raum. Sicher war sicher, denn das hätte Dominus Selenus gewiss auch stark abgewiesen. “Er… ist da ein eher praktischer Mensch.“ Und ich lächelte, weil die Valeria das auch tat und in einer Art und Weise, die ein recht warmes Gefühl bescherte. Etwas Schwesterliches hatte das an sich und etwas Gütiges.

  • „Polydermos aus Delos? Nie gehört.“, überlegte Maximilla: „Aber ich habe sehr viel wohl noch nicht gehört. Mein Cousin, bei dem ich wohne, der kennt ihn bestimmt, er war in Athen und überhaupt in Griechenland und ist der klügste Mensch Roms. Sollte ich aber einmal einen Philosophen kennen, von dem er nichts weiß, wäre es mir auch recht, denn er hält mich immer noch für ein unbedarftes Kind. Ich jedoch bin schon vierzehn. Platon hatte bestimmt eine Menge Schüler, und da muss es auch die gegeben haben, die sich im Hintergrund hielten….“
    Sie strahlte nun:
    „Du hast deinem Dominus nicht verraten, dass du ein Philosoph bist? Nur ein wahrer Philosoph würde das tun! Ich habe gelesen, dass auch der weise Sokrates nicht Philosoph genannt werden wollte.“
    Nach Maximillas Gefühl hatte sie hier ein wahres Goldstück aufgestöbert. Wenn sie es zu einem vernünftigen Preis kaufen könnte, würden sie zu Hause stolz auf sie sein.:
    „Da ich dich entdeckt habe, werde ich Abendeinladungen geben und andere Damen einladen, und wir werden deiner Weisheit lauschen. Vielleicht werde ich sogar deine Werke herausgeben", beschloss sie. Meister Awidanos würde ihr endlich zu den intellektuellen Weihen verhelfen, die ihr als Provinzmädchen verschlossen geblieben waren:
    „Wo wohnt dein Dominus, Awidanos? Ich könnte dich mit meiner Sänfte nach Hause bringen.“, schlug Maximilla vor.

  • Ich lächelte immer noch, als die junge Valeria meinte, dass sie von dem Polydermos aus Delos noch nie etwas gehört hatte, was ja auch überhaupt gar kein Wunder war. Ich hatte es ja ebenso wenig. Doch anstatt diese kleine Notlüge nun aufzulösen, schien die Römerin nun alles daran zu sezten diese noch ein wenig für mich zu vertiefen. “Oh...wirklich!?“, entkam es mir dann nämlich in etwas desperatem Ton, als sie meinte, dass ihr Cousin doch der klügste Mann Roms wäre. Sie aber wäre erst vierzehn? Meine Augen weiteten sich leicht und ich lachte dann etwas belämmert, um mir mit der Hand seitlich durchs Haar zu streichen und im Geiste schon einmal die Tiefe des Grabens zu durchmessen, in welchen ich wohl fallen würde, wenn das hier so weiter ging. Oder ich würde in diesen hinein gestoßen werden. Von dem schlauen Cousin, falls dieser denn wirklich so schlau war und der Schatten nicht familiär bedingt war. Immerhin hielt mich die Valeria noch immer für einen Philosophen, der nur zu bescheiden war, um dies seinem Dominus mitzuteilen. Wie Sokrates ja auch mit dergleichen nicht hausieren gegangen war. Besser war das wohl. Nur die Ruhe, Awidan!, redete ich mir selbst zu in meinen Gedanken und atmete tief durch.


    Dann musste ich doch glatt wieder etwas lachen, was hoffentlich aber auf einen Außenstehenden charmant wirkte und nicht so angeschlagen und verzweifelt, dass es mir gleich angemerkt wurde, wie schrecklich es doch war, mir vorzustellen, dass ich mein philosophisches Viertelwissen auch noch bei einem Damenabend in gut betuchter Gesellschaft zum Besten geben sollte. RUHIG BLUT! erschallte es wieder in meinem Kopf. Irgendwie – es musste schon ein wenig Besesshenheit dabei sein – war es jedoch auch eine schöne Vorstellung. Die jungen Damen auf den Klinen und ‚Meister Awidanos‘ am Schwadronieren beim Essen. Essen mit Fleisch und allerlei Kostbarkeiten und den selbst verfassten Schriftrollen. Es wäre so wunderschön, weshalb es auch eine so enorme Verlockung war, die junge Valeria noch immer nicht über die Tatsachen ins Bild zu setzen. Aber für sie schien es eh schon beschlossene Sache, da sie nun auch wissen wollte, wo mein Dominus wohnte und sie mich mit ihrer Sänfte… Oh, du schöne Welt….!


    Meine Hand klammerte sich noch etwas fester um den Apfelbeutel in meiner Rechten und ich lächelte weiter. Einfach weiter, während ich wohlgefällig nickte und mich sehr mühte, mir weder meinen Gefallen an der Vorstellung zu zeigen, noch die Furcht vor dem, was geschehen würde, wenn der schlaue Cousin oder gar die Valeria selbst vor den Trümmern einer so eitlen Illusion standen. Und was wäre dann mit mir? Aber ich schon diese Gedanken schnell beiseite, denn einem verzagten Menschen war noch nie etwas fröhliches entkommen.


    “Jaaaaaaa……,“ begann ich dann gedehnt, in der Hoffnung einige Erklärungen zu finden. “Das klingt ja alles fantastisch, nicht wahr?“, gab ich bekannt. “Polydermos aus Delos war ja auch….“ absolut nicht-existent “...unter dem Name der...Viel..häutige bekannt, da er sich sehr gut darauf verstand, eine jede… also fast jede Gesellschaftsschicht…. quasi… mit seinen Lehren zu bilden!“ ...hätte es ihn gegeben, wäre er wohl überall klar gekommen… das musste ich ja irgendwie auch...wie viele andere in ähnlicher Lage.... Zu meinen Worten nickte ich in gespielter Selbstsicherheit. “...Er war auch recht flexbil in seinen Anschauungen über… die Welt und dafür bekannt stets mit der Zeit zu gehen…,“ spann ich das Ganze nun unverschämt weiter. Gehen wäre nun für mich auch ein gutes Stichwort. Aber etwas hielt mich an Ort und Stelle. Die brenzlige Gefahr des Auffliegens natürlich, warum auch immer und natürlich auch der riesige Hund, der sicherlich auch schneller sein würde als ich selbst!


    “..Sowas würde den Damen auch gefallen. Der Kern seine Lehre besagt… dass wenn Dinge so aussehen, als würden sie etwas sein, dann genüge nur ein etwas weiterer Gedankengang, um sie stets und immer als… Luft zu entlarven!“ Platon hatte wohl Ähnliches gesagt, aber da war ich mir natürlich nicht sicher. “Mein...Dominus wohnt...“ Nein! Es wäre besser, das nicht zu sagen, denn Dominus Selenus würde mich ohne Zweifel wieder auf die Seelenwanderung schicken, sollte ich den Schlupfwinkel der Bruderschaft verraten. “… in einer sehr zurückgezogenen Bleibe!“ log ich einfach weiter. “Er macht sich nichts aus Bekanntheit und er empfängt auch keine Besuche…,“ seufzte ich schwer unter dem Bewusstsein, hier wahrscheinlich einmal mehr eine sehr große Dummheit zu begehen. “Eine Sänfte würde ihn auch zu sehr… erschrecken. Er… ist sehr für die Funktionalität und Geradlinigkeit.“ Das stimmte sogar irgendwie und ich hatte nicht so wirklich gelogen.

  • “Polydermos aus Delos war ja auch absolut nicht-existent unter dem Name der Vielhäutige bekannt.", wiederholte Valeria Maximilla ehrfürchtig:
    "Der Kern seine Lehre besagt, dass wenn Dinge so aussehen, als würden sie etwas sein, dann genüge nur ein etwas weiterer Gedankengang, um sie stets und immer als Luft zu entlarven? O, das sagt mir etwas, das spricht mich an! Ich bekomme eine Gänsehaut!“
    Sie hob ihren Arm, um Awidan das Phänomen zu zeigen:
    "Ich meine gerade, dass ich schon die heiße Luft spüre, um die es in der Lehre deines Meisters geht."
    Sie schaute sich nach Remigius um, der gerade seinen Apfel mit Gehäuse und Stiel verzehrt hatte, sie nun aufmerksam anguckte und dabei Wölfchen fest an seinem Strick hielt. Der große Wolfshund hatte sich in den Staub gelegt, die Schnauze zwischen den Pfoten. Wenn seine Herrin sprach, wedelte er ab und zu mit dem Schwanz:
    "Ich hoffe, ich habe dich mit meinem Ansinnen, dass du zu mir in die Sänfte steigst, nicht beleidigt.", fuhr Maximilla fort: "Ich verstehe schon, dass du ein einfaches Leben voller Entsagungen führst. Doch wenn du mein Sklave werden solltest, muss ich darauf bestehen, dass du dich ordentlich kleidest und ordentlich isst, sonst bringt das Schande über die valerische Familia. Und...."
    letzteres hauchte sie, denn sie wußte ja nun, dass Meister Awidanos in der Welt reinen Geistes lebte:
    "Ich muss darauf bestehen, dass du ein Peculium annimmst. doch, doch, doch. Bitte keine Widerrede. Auch wenn du Geld verachtest; alle unsere Sklaven bekommen ein Taschengeld, und da kann ich keine Ausnahme machen.
    Und nun bitte sag deinem Dominus, wenn er wieder zuhause ist, dass Valeria Maximilla aus der Gens Valeria dich zu kaufen wünscht. Ich erwarte sein freundliches Angebot an die Casa Valeria."

  • Die Ehrfurcht, mit welcher die Valeria meine Worte wiederholte, erschütterten mich. Nicht in einer schrecklichen Erschüttung wie etwa, wenn die Erde beben würde oder ein Kaeso meinen Namen brüllte, sondern in einer sehr angenehmen Weise, die auch sogleich mein Ego herzte. Umso erfreuter schaute ich ihr dann auch entgegen und vergaß schon beinahe mein Vorhaben, diesen ganzen Irrtum nun doch aufzuklären. Immerhin würde Dominus Selenus das nicht als rechtens befinden, was ich hier tat und wahrscheinlich wäre auch doch mit einer Strafe für ein solches Verhalten meinerseits zu rechnen. Und diese Gefahr wollte ich doch nicht in meine Nähe lassen. Also rang ich schon mit mir und meinem Atem, auch unter dem Vorhaben, nun doch hier schnellstmöglich zu verschwinden, doch noch nickte ich zur Wiederholung meiner Worte und der sachten Frage meines jungen Gegenübers, welches so begeistert war. Ja, nur ein Gedankengang in diesem Moment schon würde genügen, um meine heiße Luft, welche die Valeria schon meinte zu spüren, auch als solche zu entlarven. “Jaaa…,“ begann ich nun bereits wieder gedehnt und auch recht verlegen inzwischen, doch ich wagte es dann doch nicht, weiter zu sprechen. Mein Blick wanderte zu Hund und Reminigus, der noch vollmundig kaute und dann wieder zurück auf die junge Römerin.


    “O nein, nein… das konntest du ja nicht ahnen,“ wiegelte ich dann zaghafter als geplant ab, als die Valeria sich für den Vorschlag, mich mit ihrer Sänfte reisen zu lassen entschuldigte. Leider war es dann doch keine Bescheidenheit meinerseits, sondern dann doch eine leichte Furcht. Natürlich vor Dominus Selenus und schon wieder schöpfte ich Atem, um zur Wahrheit anzusetzen, als mir dann aber doch nur ein “Ohhh..“ entfuhr. Ordentliche Kleidung und ein Peculium. Gutes Geld für mich! Mich! “Nun jaaa…,“ entkam es mir nun schon deutlich gequälter. “Natürlich würde ich dem dann nicht entsagen…. können…. natürlich!“ Vor mir stand die Erfüllung aller meiner Träume seit den schaurigen Erlbenissen in Syria, die mich erst in den Sklavenstand gebracht hatten. Ja, da war sie und sie versprach all‘ die Dinge, die ich mir schon als freier Mann hatte hart erarbeiten müssen und das oftmals genauso ohne Erfüllung wie in der Zeit danach.


    Ich seufzte und nickte. Hauptsächlich mir selbst zu. Es war doch eine schöne Chance und vermutlich war der Cousin auch nicht so schlau, dass er … Aber besser daran dachte ich jetzt nicht, denn das konnte ich auch gar nicht, weil meine Gedanken ja auch schon bei Dominus Selenus waren, der einfach nur ein Angebot an die Casa Veleria würde entrichten müssen. Und die Valeria würde ihn ja gar nicht zu Gesicht bekommen! Vielleicht,… mit etwas Glück… könnte ich zumindest für eine kleine Weile… “Ja, ich werde es ihm sogleich ausrichten!“, erklärte ich dann schon ein wenig beherzter. Dann fiel mir aber noch etwas ein: “Ihr habt doch eine gute Bibliothek?“, wollte ich dann wissen. Es würde zwar eine ganze Weile dauern, aber das ein oder andere an Wissen über die ‚heiße Luft‘ würde ich ja schon gebrauchen können. Und die Valeria war dabei ja auch recht anspruchslos, um besser zu sagen: verständnislos.

  • Maximilla war sehr froh, dass der Meister sie ob ihres Hanges zu weichgepolsterten Sänften und Geld nicht verachtete. Das alles hatte sie als Mädchen vom Lande auch erst so wirklich in Roma kennen gelernt. In der Villa Rustica wurde niemand mit Sänften getragen. Die Landarbeiter hätten sich über so viel Schnöseligkeit schief gelacht, und die Sänftensklaven wären mit ihrer Last wohl andauernd über irgendwelche Wurzeln gestolpert oder im allgegenwärtigen germanischen Morast ausgerutscht.
    Aber der Mensch gewöhnte sich an alles, selbst an Luxus.


    "Wir haben sogar eine hervorragende Bibliothek.", sagte sie stolz:" Mein Cousin ist doch der Pontifex minor und Rechtsgelehrte Tiberius Valerius Flaccus. Sein eigenes Werk "Institutiones - Eine kurze Einführung in das überlieferte Recht" kann man in der Buchhandlung Taberna liberum rarorum erwerben. Ich bin die einzige Valeria, die nicht klug ist. Oh, du wirst aber froh sein, wenn du mit einem gebildeten Mann über Philosophie reden kannst! Tiberius hat da keine Standesdünkel, glaube ich. Ich werde euch beiden auch nur ganz still zuhören und nicht stören!"


    Maximilla strahlte, da sie Awidanos solch glänzende Möglichkeiten eröffnen konnte.
    "Vale bene", sagte sie: "Ich hoffe, dass sich dein Dominus bald bei mir meldet."

  • Das alles hier brachte mich auf ganz dumme gedankliche Abwege, wie mir mein Bauchgefühl vermeldete. Das war wirklich nicht gut, wenn auch so ungemein verlockend. In meiner Imagination war ich bereits in der Sänfte. Nicht nur mit Äpfeln, sondern auch Pfirsichen in einem wunderbaren weisheitlichen Disput verwickelt, während die Stadt mit ihren Häusern hinter den luftigen Vorhängen verschwand. Mit dem schönen Peculium würde ich mir noch mehr leisten können. Vielleicht das ein oder andere Schmuckstück oder gar hier und da noch mehr Leckerein. Sonderlich sparsam war ich ja noch nie gewesen, auch wenn ich natürlich vorgenommen hatte – wie so viele – für meine Freiheit zu sparen, welche ich eines Tages wiedererlangen wollte, doch war dieser Weg eben lang und die Verlockungen unterwegs auch ein bisschen zu übermächtig für mich. Ich nickte fleißig, als die Valeria nun meinte, eine hervorragende Bibliothek in der Casa zu haben, doch dieses Nicken geriet ins Stocken, als sie dann verkündete, dass ihr Cousin der Pontifex Minor wäre und ein Rechtsgelehrter. “Ouh…,“ gab ich dazu bekannt und hörte dann was er schon veröffentlich hatte und das er über keinerlei Dünkel verfügte, was ihn natürlich sehr ehrte, auf mich aber letzten Endes dann wohl doch nicht zutreffen würde. Wie so oft.


    “Das ist ja wundervoll!“, sagte ich also weiter, während ich merkte, dass mir ein wenig eng wurde. Vor allem in der Brust und am Hals, an welchem sich der Ausschnitt meiner Tunika zu spannen schien, denn ich mir ein wenig davon zog, um einfach besser atmen zu können. “Dann kann deine Familie sehr stolz auf ihn sein!“ fügte ich noch schnell an. Nun sollte ich aber wirklich dringend überlegen, ob Meister Awidanos nicht doch besser wieder in der Versenkung verschwand und ihn somit ein schneller, rechtzeitiger Tod ereilte, ehe er Awidan, glückloser Neffe von Adad aus Damascus irgendwie schädlich werden konnte. Trotz dieser Gedanken, strahlte ich einfach der Valeria zurück, was sie mir an einem solchen entgegen brachte. “Es wäre mir natürlich eine sehr, sehr große Ehre… das … Parlieren und dein… Zuhören!“, gab ich bekannt und lachte dann ein wenig. Verzweifelt, aber immerhin. “Cale Bene, Valeria!“, entkam es mir aber dann sogleich und ich verneigte mich sogar sogleich. “Ich werde meinem Dominus die dringende Lage erklären!“ Oh ja, das würde ich. Oder auch nicht. Besser nicht. Oder doch? Es war gewagt, vermessen und absolut verrückt. Andererseits würde ein Pontifex Minor sicherlich auch nicht oft daheim sein. Bestimmt hatte er viel zu tun, auch wenn ich mich mit den Aufgaben der hohen herren absolut nicht auskannte und über einen Durchblick verfügte, der eher an ein dunstiges Tal erinnerte. Dann schaute ich der Valeria noch flüchtig hinterher, ehe ich mich zusammen raufte und mich aus dem Staub machte. Hinüber über den Markt, wo einige Sklaven zum Kauf angeboten wurden.

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