Grundausbildung Waffen - Tirones Iunius Fango et Tisander

  • Fango ließ sich zu einem verstohlenen Lächeln hinreißen.


    "Hast recht, Tissi. Es hat mich geärgert, dass du schon wieder besser warst. Zur Strafe habe ich nicht mehr getroffen. Das war mir eine Lehre. Neid ist kein guter Berater."


    Nachdem sie die Speere abgegeben hatten, stellten sie sich in Zweierreihen auf. Fango und Tisander standen nebeneinander, was sich harmonisch anfühlte, wie eine Versöhnung, obwohl es gar keinen Streit gegeben hatte. Sie würden eine gute Truppe werden. Nach dem Kommando von Ocella traten sie gemeinsam ab und es war Zeit, den Tag ausklingen zu lassen.

  • Ocella stand wie üblich als Erster auf dem Campus. Seine beiden Hilfsausbilderbauten die Zielscheiben für die heutige Bogenschussübung auf. Er war gespannt ob sich auch bei dieser Waffe den einen oder anderen Begabten fand. Er selbst war nicht so sehr davon angetan. Für ihn galt die These alles was weiter flog als eine Hasta gehörte zur Artillerie. Wenn er kämpfte, dann vorzugsweise Mann gegen Mann, wenngleich er den Bogen als Vorbereitung und Ausdünnung der gegnerischen Reihen durchaus zu schätzen wußte.

    Thorwald und Hanko waren fertig. Sie hatten die Ziele in 30, 60 und 80 Gradus Entfernung aufgestellt. Das waren übliche Gefechtsentfernungen die noch einen sicheren bis halbwegs sicheren Treffer zuließen, wie die Schußversuche der beiden Eques zeigten. Jeder Schuß saß, zumindest wäre bei den meisten Treffern der Gegner ausser Gefecht gesetzt.

    Ocellas Laune begann zu kippen. Die Tirones kamen,...und für seinen Geschmack viel zu gemütlich und wenig tatkräftig.

    Seine Laune wurde intoniert.

    Tirooneees,...In aciemmm veniteeeeeee! Diese verdammte Bande. Denen würde er die Hammelbeine sowas von Langziehen.

    Mit einem tödlichen Blitzen in den Augen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt betrachtete er das Bemühen der Tirones eine gerade Linie zu bilden.

  • Fango, wie fast immer mit blendender Laune gesegnet, ließ das vertraute Gebrüll über sich ergehen. Ein kalter Nieselregen ging sacht auf die Tirones nieder. Lautlos begann der feine Regenschleier, ihre Kleidung zu durchweichen, doch bis es so weit war, würden noch einige Stunden vergehen. Nässe störte beim Üben nicht, lange man sich bewegte und wusste, dass einen hinterher die heißen Thermen und trockene Wechselkleidung erwarteten (Fango ließ die kalten Becken bei solchem Wetter immer aus, ungeachtete dessen, was irgendein toter Medicus empfahl).


    Besonders faszinierten ihn die beiden germanisch wirkenden Hilfsausbilder. Was brachte einen dazu, die Leute auszubilden, welche die Feinde ihrer Vorväter gewesen oder vielleicht noch heute die Feinde ihres Stammes waren? Fango hatte bislang keinen der beiden irgendwo abfangen können, um ihnen diese Frage zu stellen.


    Zufrieden mit sich und der Welt stand Fango also wieder genau am gleichen Platz wie gestern, schließlich war ihnen gesagt worden, sich ihre Nebenmänner zu merken, und harrte der Dinge, die da heute kommen mochten.

  • Ocella sah an den Zehenspitzen entlang und bis auf einen mit besonders großen Füßen war es eine akzeptable Linie. Er trat zurück auf seinen Platz und eröffnete den heutigen Tag. Heute werden wir das Bogenschießen üben,...wir haben hier drei Distanzen aufgebaut, die zu treffen das heutige Ziel sind!

    Er wies auf die Zielscheiben aus Stroh mit einem roten Fleck in der Mitte.

    30, 60 und 80 Gradus die übliche Distanz für den taktischen Bogeneinsatz. Im Gefecht gibt es durchaus auch kürzere Entfernungen bis hin zum Kampf mit dem Bogen selbst, aber das soll hier kein Thema sein. Er wies die beiden Hilfsausbilder an auf die ersten beiden Distanzen zu schießen was diese auch problemlos vollzogen.

    Hierauf nahm er von Hanko den Bogen entgegen, legte den Pfeil mit steinerner Miene auf die Sehne und visierte die hinterste Scheibe an.

    Die Sehne sirrte und der Pfeil stob davon um sich kurz darauf am äußersten Rand der roten Flecks in die Strohscheibe zu senken.

    Mit ausdruckslosem Gesicht reichte er den Bogen an Hanko zurück und baute sich wieder vor den Männern auf.

    Wie Ihr sehen konntet,...kein Hexenwerk! Austellung, wir üben zunächst die 30 Gradus,...jeder einen Schuß...und ab!

    Die Hilfsausbilder reichten den leichten Reiterbogen an die ersten Schützen, ließen diese kurz damit hantieren und reichten dann, meist unwillig brummend den Pfeil.

    Ocella war gespannt. Wenngleich er traf war der Bogen nicht wirklich sein Ding. Er schlug am liebsten mit seiner Spatha zu, da wußte man woran man war.

  • Der Apuaner hatte auf dem Weg zum Campus bemerkt, dass der Kleine mal wieder, im Gegensatz zu ihm, gute Laune hatte. Ihn nervte heute alles, das Gebrüll des Vexillarius, die anstehende neue Lerneinheit und der Kleine. Er befand sich keineswegs im Wettstreit mit ihm, dennoch nervte ihn schon jetzt die Vorstellung wie dieser am Ende des Tages, vor lauter Übermut mit stolz geschwellter Brust und Siegerpose vor ihnen herum stolzieren würde.

    Tisander wusste es schon ehe er zur Ala ging, im Bogenschießen würde er versagen. Wie oft hatten seine Brüder, Vettern und Freunde versucht es ihm dies bei zu bringen. Auf der Jagd konnte er geschickt mit der Steinschleuder oder mit dem Jagdspeer umgehen, doch mit dem Bogen war

    er fast ein total Versager. Wo die Ursache war, konnte sich niemand erklären.

    Still und leise klemmte er sich auf den Platz vom Vortag und beobachtete die Abläufe.

  • Fango hielt den Bogen leicht diagonal vor sich, nockte den Pfeil ein und hob die Waffe in Schussposition. Er zog die Sehne gegen den enormen Widerstand der Wurfarme bis zum Anschlag aus, sodass sich seine Hand unter dem Ohr befand, starrte auf das Ziel, ohne dabei die Pfeilspitze anzusehen und ließ die Sehne los. All das geschah in einer fließenden Bewegung. Ein heftiger Ruck ging durch den Bogen und durch Fango, doch er verriss nicht, weil er das kannte und darauf vorbereitet gewesen war. Die Sehne peitschte gegen seinen Arm, der heute keinen gesonderten Schutz erhalten hatte, die Federn am Pfeilschaft schnitten im Vorbeisausen seinen Zeigefinger blutig. Fast zeitgleich schlug der Pfeil bereits mit einem dumpfen Knall in das Rot ein.


    Fango drückte Tisander den Bogen in die Hand und wich ein paar Schritte zurück. Er sagte nichts, denn Konzentration war das A und O. Der teuerste Bogen und die beste Technik nützten nichts, wenn der Geist nicht fokussiert war. Dass dies auch auf andere Waffen zutraf, hatte Fango gestern beim Speerwerfen gelernt.

  • Aufmerksam sah Tisander dem Kleinen zu. Der machte alles richtig. Ja Fango konnte, wie er es sich gedacht hatte mit dem Bogen umgehen. Im Geiste sah er diesen mit angelegtem Bogen auf seinem Pferd auf dem Feind zu jagen und diesen Zielsicher niederstrecken.

    Der Iunier machte all das selbstsicher und gut, was er selber hunderte mal selber geübt hatte, mit dem Unterschied, dass dieser im Gegensatz zu ihm traf.

    Verdrießlich nahm er den Bogen entgegen, legte den Pfeil ein, spannte die Sehne, visierte das Ziel an, hörte das sirren des abfliegenden Pfeils. Was er nicht hörte, war das dumpfe Geräusch des auftreffenden Pfeils, denn dieser flog hoch über das Ziel hinaus.

    Er reichte einfach den Bogen weiter.

  • Wieder mal der Kleine. Ocellas Intuition hatte sich bewahrheitet. Insgesamt war das Ergebnis ziemlich mau. Er ließ die Tironii noch zuende schießen und trat dann vor. Das war ja wohl nichts,...diejenigen die getroffen haben gehen nach rechts zur nächsten Entfernung,...diejenigen die nicht getroffen haben bleiben hier und hören sich an was die Hilfsausbilder ihnen zu sagen haben. Während die grinsenden Trefferschützen eine Station weiter gingen und sich leise unterhielten traten die Hilfsausbilder an die verdattert dreinblickenden Bogenversager heran und zeigten ihnen haarklein worauf es bei einem Schuß ankam.

    Vom Einlegen des Pfeils über die Atemtechnik, bis hin zum lösen der Sehne.

    Ocella versammelte die übrigen an der Standmarkierung zum 60 Passus Schuß.

    Ihr werdet genauso wie vorhin vorgehen, einer schießt, alle anderen warten bis der Pfeil gesetzt ist und dann erfolgt die Bogenübergabe. Jeder schießt einmal,...abite!


  • Nein das war bestimmt nichts, bestätigte Tisander in Gedanken die Worte des Vexillarius. Er hatte es schon im vorhinein gewusst. Die Anweisungen des Hilfsausbilder hörte er sich an, befolgte genau gesagtes und siehe da der Pfeil flog dieses Mal um einen Passus niedriger über das Ziel hinaus.

    Wenn das so weiter geht bin ich am Abend bestimmt in Ziel nähe, fluchte er innerlich. Warum konnten Fortuna oder Minerva ihm nicht beistehen? Das wäre dann aber bestimmt auch nur eine einmalige Sache.

    Schon wieder war er an der Reihe, Pfeil eingelegt, Sehne gespannt, Ziel in Augenschein genommen und loslassen. Der Pfeil schwirrte dieses Mal niedriger, in Höhe des Ziels und...ja nur wenige pes am Ziel vorbei.

    Was habe ich anders gemacht? Nichts und dennoch etwas musste anders gewesen sein.

  • Armer Tissi ... entweder hasste oder liebte man Reiterbogen. Tisander gehörte augenscheinlich zur letzteren Sorte. Der Mann, der Fango einst das Bogenschießen gelehrt hatte, bevorzugte den Jagdbogen und hatte einige Sprüche geäußert zu Fangos Vorbereitungen auf seinen Wunschberuf:


    Mit Reiterbogen trifft man eh nicht.

    Reiterbogen sind für Masochisten.

    Das sind üble Giftzwerge.


    Für diese Einschätzung gab es gute Gründe, denn das Schießen eines Reiterbogens war anspruchsvoll für Körper und Geist. Das ging schon beim Spannen los, denn ein Reiterbogen ohne Sehne zeigte wie ein C genau in die entgegengesetzte Richtung, war nur unter großer Kraftanstrengung in die korrekte Position zu biegen und schlug beim Spannen gern um und das tat dann weh - besonders, weil man ihn dazu zwischen die Oberschenkel klemmen musste. Auch beim Auszug machte sich die geballte Kraft auf diesen kurzen, enorm harten Wurfarmen bemerkbar.


    Und doch hatte Fango genau mit solch einem Giftzwerg das Schießen geübt, denn die Entscheidung, zur Ala zu gehen, war keine kurzfristige Schnapsidee gewesen. Jedoch hätte er besser auch das Reiten geübt ... nun war es so, dass er schießen konnte, aber nicht reiten. Bei Tisander war es genau umgedreht. Aber so konnte jeder vom anderen etwas lernen und sie ergänzten sich.


    Auch auf 60 Passus traf er noch recht zuverlässig. Nicht mehr ins Rot, aber er traf die Scheiben. Nur der Unterarm zwiebelte inzwischen, gegen den immer wieder die Sehne gepeitscht war, und der Handrücken, über welchen der Pfeil sauste, blutete, von den Federn aufgeschnitten wie von Papier.


    "Bekommen wir später auch einen Unterarmschutz und Schießhandschuhe?", erkundigte er sich bei einem der Hilfsausbilder. Zumindest hatte er sich zu Hause beim Üben immer auf die Weise geschützt. Vielleicht war er auch nur verweichlicht und es musste so gehen.

  • Zwischendurch sah der Apuaner zu der 60er Marke hin. Gut gleich wird der Kleine zu der 90 Passus Marke gehen, ob er die auch schafft? Ohne Neid freute er sich für ihn.

    Seufzend legte er erneut einen Pfeil ein, vielleicht schaffe ich es dieses mal wenigstens den Rand der Scheibe zu treffen.

    Den Bogen hatte er gespannt und das Ziel genau im Auge. Ehe er den Pfeil losschickte schloss er kurz die Augen und sah den Pfeil im inneren Auge auf den roten Punkt los zischen. Noch mit geschlossenen Augen ließ er den Pfeil fliegen, dann hörte er es, dieses lang ersehnte Plop des auftreffenden Pfeils. Schnell öffnete Tisander die Augen. Er konnte es nicht fassen der Pfeil steckte mitten im roten Fleck.

    Jetzt konnte er es kaum erwarten noch einen Schuss ab zu geben. Hatte er sich endlich selber besiegt? Oder war das nur ein Zufallstreffer?

  • Ocella wertete die Frage des Kleinen als eine Form des Übermuts. Schließlich lieferte er passable Leistungen mit dem Bogen ab, daher sah er es ihm nach, daß er in seiner Gegenwart die Stimme erhob. Während dieser also seinen Unterarm inspizierte glitt Ocella schnell und wie er hoffte unbemerkt neben den kleinen Tiro.

    Entweder bildet sich bald eine härtere Schicht über deine Babyärmchen oder du kannst dir etwas von deinem Sold kaufen...Schießhandschuhe...pfft..prustete er.

    So ihr Helden,...das war ja schon ganz nett! donnerte er wieder los. Nochmal das Ganze, wir wollen doch ausschließen, daß wir hier ein paar Glückstreffer gelandet haben!? ...und passt auf, die Nutzung dieser Waffe könnte euch die Haut am Unterarm und den Zugfingern reizen...

    Er war wieder der grimmige Veteran für den alles außer dem was er selbst ertrug unwürdig und verweichlicht war. Eben gab Hanko ihm ein Signal, daß endlich jeder der Tirones die 30er Marke geknackt hatte.

    Grinsend stiefelte er zur nächsten Markierung. Es sah so aus als würden sie hier heute Fortschritte machen.

  • Die Blicke einiger Kameraden ließen Fango überlegen, ob seine Frage unangebracht gewesen war, ehe ihm bewusst wurde, dass es weniger die Frage selbst war, als die Tatsache, dass er sie unaufgefordert gestellt hatte. Er schrumpfte ein Stück, doch heute übergoss ihn für den Patzer kein Gebrüll, nur leiser Hohn.


    Hornhaut auf den Unterarmen?! So was konnte er sich nur bei Zisimos vorstellen. Etwas wehleidig musterte er seinen pink, violett und lila leuchtenden Unterarm. Und weil Ocella sie darauf hinwies, schaute er sich auch gleich noch die Finger an der Zughand an, die rot und geschwollen aussahen. Die andere Hand blutete. Bei den Hilfsausbildern nicht ... zumindest am Handrücken konnte man scheinbar tatsächlich eine Abart von Hornhaut entwickeln.


    Trotzdem ...


    Fango wollte keine Schmerzen leiden, er hasste Schmerzen und war noch nicht abgestumpft genug, sie einfach ertragen zu können oder zu wollen. Er würde sich Handschuhe und einen Unterarmschutz kaufen.


    Während Fango noch seine Ärmchen und Händchen begutachtete, marschierten sie zur letzten Zielscheibe. Er schaute kurz nach den anderen. Alwin war bei ihm und schaute im Gehen leidvoll auf seinen eigenen Unterarm. Der war allerdings nicht pink! Was machte er anders? Und wo waren Tissi und der Grieche?


    Mit einer gewissen Genugtuung stellte Fango fest, dass der Alleskönner Zisimos beim Bogenschießen kein sonderliches Geschick aufwies. Er war noch schlechter als Tisander. Lustlos trottete er hinter diesem zur nächsten Marke. Irgendwer verknotete dort Zisimos´ lange Filzhaare im Nacken miteinander, indem er eine der Strähnen um die anderen wickelte und festzurrte, aber das würde wohl auch nichts helfen. Zisimos hasste den Bogen und sah nicht aus, als hätte er je einen in der Hand gehalten.


    Die Tirones warteten erneut auf das Signal, dass sie schießen durften.

  • Mit Herzklopfen stand Tisander vor der 60er Marke. Wenn ich immer so hoch über das Ziel geschossen habe, müsste ich doch jetzt die Kraft für die Weite einsetzen können, überlegte er sich.

    Wieder begann das Spiel von vorne, Pfeil einlegen, Spannen, Ziel anvisieren. Aber dann hielt er an. Lies alles los, legte den Bogen ab und lockerte seine Arme.

    Ja ich mache es wie vorhin, mit dem Augen schließen um mir den Pfeilflug zum Ziel vor zustellen, sagte er zu sich selber. In aller Ruhe legte er den Pfeil an, spannte den Bogen, peilte das Ziel an und schloss die Augen. Seine Ohren waren nun ganz auf sein tun gerichtet. Da war es schon, das sirren des Pfeiles, als er los flog. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er den Atem angehalten. Da war der erlösende Aufschlag, er hörte es genau und konnte es nicht fassen. Gleich beim ersten Mal. Liebend gerne hätte er vor Freude den Bogen in die Luft geworfen, hielt sich aber zurück. Strahlend reichte er ihn an seinem Nachbarn weiter.

  • ...Die Tirones warteten erneut auf das Signal, dass sie schießen durften.

    Ocella betrachtete die Tirones die jetzt hier an der letzten Staffel standen. Viele waren es nicht. Aber es gab nun mal wenig Talente und die 90 Passus zu knacken war schon eine wirkliche Leistung. Er war gespannt und auch ein wenig aufgeregt, denn wie immer gab er den ersten Schuss ab. Grimmig dreinblickend stellte er sich an die Markierung, legte den Pfeil ein, hob den Bogen an und atmete gleichzeitig ein. Dann ließ er den Bogen langsam absinken und atmete genauso langsam aus bis er den Haltepunkt erreicht hatte. Ein kurzes Stoßgebet es jetzt nicht zu vermasseln und der Pfeil zog davon, beschrieb einen Bogen und senkte sich keinen Moment zu früh. Ocella spürte einen Windstoß in seinem Nacken und starrte entgeistert auf den Pfeil. Doch er hatte Glück, der Pfeil schlug eine Hand breit vom oberen Rand entfernt ein.

    Wortlos übergab er den Bogen an den ersten Schützen, den Kleinen und grollte dann,

    Na los, Tiro,...es funktioniert...

    Wenngleich bei ihm selbst auch gerade so. Bei dieser Distanz war ein Windstoß unter Umständen schon geeignet einen guten Schussansatz zu vereiteln. Manchmal brauchte man eben auch eine Portion Glück oder den Beistand der Götter. Insgeheim war er froh sich nicht blamiert zu haben.


  • Da hat unser Schreihals aber echt Glück gehabt, grimmelte Tisander vor sich hin. Der Wind pfeift hier in Germania manchmal aber auch ganz schön scharf. Jetzt jedoch war der Kleine dran. Ob er der nächste Meisterschütze der Ala wurde? Mit Übung kann der das bestimmt erreichen, so stur wie der manchmal ist.

    Der Apuaner schaute sich um und sah wie alle ihre Bögen gesenkt hatten und voller Erwartung den Iunier anstarrten.

  • Die Zielscheibe wirkte winzig in der Ferne. Unmöglich war es nicht, Ocella hatte es bewiesen, obgleich eine Bö ihm den Schuss fast vermasselt hätte.


    Fango leerte seinen Geist, so wie es ihm beigebracht worden war. Er hielt den Bogen in der Hand, nicht seinen Bogen, aber einen guten und zuverlässigen Bogen, der für ihn da war. Für Zweifel gab es keinen Platz. Der Augenblick verdichtete sich, Fango wurde das Zentrum allen Seins. Selbst die Götter hielten den Atem an. Der Wind flaute ab und kam völlig zum Erliegen. Der Moment war da. Hier und jetzt kreuzten sich Vergangenheit und Zukunft. Was nun folgte, war ein automatisierter Fluss, eine einzige Bewegung, vom Einlegen des Pfeils zum Heben des Bogens, vom Auszug, dem Lösen der Finger bis hin zum Schuss.


    Der Einschlag erklang. Rot - ein Treffer ins Herz.


    Von Fango fiel ein bleierner Mantel ab. Natürlich machte er sich keine Illusion - die wahre Kunst war, die Pfeile zuverlässig zu gruppieren, erst dann konnte man von Können sprechen. Theoretisch hätte dies ein Glückstreffer sein können, aber für ihn war es viel mehr. Diesen guten Treffer bei seinem ersten Schuss auf eine solche Distanz nahm er als Zeichen, dass dies sein Weg war und dass man seine Wege in der Ala leitete, ganz gleich, wie die folgenden Schüsse ausfallen würden. Er würde lernen unter den Augen der Unsterblichen und mit deren Wohlwollen. Das erste Mal im Leben fühlte Fango sich von den Göttern geliebt.


    Er fiel vor Ergriffenheit auf die Knie, den Bogen noch in der Hand, und starrte nicht auf den Pfeil, der in der Scheibe steckte, sondern hinauf in den Himmel.

  • Fast schon ein wenig misstrauisch betrachtete Ocella die Zielscheibe. Der Kleine hatte einen Königsschuss abgeliefert, zweifellos! Fast schon hätte er ihn dafür gelobt, als er ihn jedoch auf Knien nach oben blicken sah musste er an sich halten. Ruppig bellte er, Auf die Füße du Knirps! Wir sind hier nicht auf Opa´s Obstwiese!

    Mehr wollte er dem Meisterschützen nicht zusetzen und er wies auf den Iunier. Es geht! Ihr habt es gesehen! Besser noch als bei ihm selbst. Er nickte und betrachtete den Knirps mit fast schon väterlichem Stolz. Na schön, Iunius...nochmal! Alle hersehen wie man es macht! Er persönlich glaubte nicht an einen Zufallstreffer, aber er brauchte diese Demonastration um den Knirps als Vorzeigeschützen aufzubauen und um ihm den Respekt und nicht die Häme seiner Kameraden zu sichern...obwohl...ein bißchen Glück war immer dabei. Er verschränkte die Arme, wandte sich den Ziel zu und hob das Kinn in Richtung Iunius...ab geht´s!

  • Fango rappelte sich auf. Sein Geist war noch angenehm leer, trotz der Emotionen, die ihn kurzzeitig überwältigt hatten. Es waren Gefühle, keine Gedanken. Alles war gut. Mit verschränkten Armen schaute Ocella hinüber zum Ziel. Nun sollte Fango also den anderen zeigen, wie man es macht, anstatt nur zu schießen. Jetzt wollte er erst recht nicht versagen. So legte er den Pfeil ein, bevor er nervös werden konnte, und richtete den Blick fest auf das Ziel, noch bevor er den Bogen hob. Der Wind blieb still und Fango hatte traumhafte Bedingungen. Er zog aus, ließ die Sehne los und glich den Rückstoß mit einem Gegendruck des Armes aus. Die Sehne peitschte ihm diesmal nicht gegen den Unterarm - irgendetwas hatte er unterbewusst richtiger gemacht als zuvor. Einen Wimpernschlag später erklang der Einschlag. Kein zweiter Treffer ins Rot, doch der Pfeil saß. Und Fango ertrug die Ergriffenheit ob des zweiten Treffers stoisch, anstatt auf Knien herumzurutschen.

  • Mit leicht zusammen gekniffenen Augen verfolgte Ocella die Flugbahn und das Absenken in die Zielscheibe. Er nickte zustimmend. Ein weiterer Treffer in die Mitte wäre doch recht ungewöhnlich gewesen, auch wenn er es dem Kleinen gegönnt hätte. Na schön! donnerte er. Die Tirones starrten teils neidisch, teils bewundernd auf die beiden Pfeile der Zielscheibe. Ocella baute sich neben Iunius auf ...solche gezielten Fernschüsse sind bei unserer Arbeit eher selten, denn auf einem schwankenden Pferderücken ist es ein Kunststück dann etwas zu treffen. Ihr seht aber es geht! Nun weiter! Ich will, daß bis zum Abend jeder mindestens drei mal seine Scheibe getroffen hat! Auf auf, ihr Scharfschützen! Seine Aufforderung hatte nicht die gewohnte Schärfe. Es freute ihn wenn etwas funktionierte und bei einigen hier funktionierte zumindest das Bogenschießen.

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