Auf der Straße zwischen Cappadocia und Cilicia

  • Runter vom Schiff und auf ins Landesinnere


    Unser Schiff, die 'Schwingen der Nut', war in Tarsus in Cilicia angekommen und ich war mindestens so froh, das Schiff verlassen zu können, wie es der Kapitän war, uns loszuwerden. Wenn es eine Sache gibt, die ich während dieser Seefahrt gelernt habe, dann dass ich Seefahrt verabscheue. Der Kapitän hatte sein Geld im Voraus erhalten, als wir ihm unser Reiseziel als Antiochia angaben. Da wir jetzt aber früher ausstiegen, wollte ich natürlich einen Anteil der Bezahlung zurück. Er weigerte sich zunächst, also ließ ich Proxima mit ihm reden. Ich habe keine Ahnung, was sie genau gesagt hat, aber er gab ihr gut ein Drittel des eigentlichen Betrags wieder. Ich schwor mir nicht weiter nachzufragen...


    Nun stehen wir in Tarsus, es ist glücklicherweise früh am Morgen, sodass wir uns nicht um eine Unterkunft kümmern müssen, sondern lediglich eine Reisegruppe finden müssen, der wir uns anschließen können. Wir schlagen uns also bis zum Rand des Ortes durch und hören uns um. Unser Glück ist uns ausnahmsweise hold und wir finden schnell eine Gruppe, die sich gerade sammelt, um gen Norden aufzubrechen. Es ist noch Zeit, also lasse ich Proxima und Demetrios bei unseren Sachen und besorge noch einige Vorräte für die Reise. Es ist dann aber auch der Moment, in dem mein eigenes Glück wieder abhanden geht, denn als ich zur Gruppe komme, sagt man mir, dass alle nur noch auf mich gewartet hatten, und fragte, wo ich denn so lange geblieben wäre.


    Die Reisegruppe setzt sich in Bewegung und es dauert tatsächlich nicht lange, bis jemand sagt, wir wären jetzt nicht mehr in Cilicia, sondern in Cappadocia. Aber aus Sicherheitsgründen würden wir eine Nacht in Heraclea Cybistra pausieren, um nicht auf offener Straße nächtigen zu müssen. Ein Teil der Gruppe wollte ohnehin nur bis dorthin mit uns reisen und dann weiter nach Galatia. Es dauert noch einige Stunden, aber wir kommen in der kleinen Stadt an, die uns eine Nacht Herberge sein wird...

  • Ich würde die Seefahrt und das Meer schon ein wenig vermissen, stellte ich fest. Die Wellen waren tröstlich gewesen und ich hatte bereits einiges an Trauer und Hass abgeschüttelt. Vielleicht hatte die Herrin der Gestirne wirklich ihre Schwingen über uns gehalten. Doch dann kam es zum Finanziellen und dieses Wiesel von Kapitän wollte uns nicht den Fahrpreis anteilig erstatten. Verax ist einfach viel zu nett zu solchen Schweinen. Ich habe ihm gedroht, dass ich opfern würde um seine Männlichkeit verdorren zu lassen und ihn zu verhexen, wenn er seine Abmachung nicht achtete. Das schien ihn durchaus von meinen Argumenten zu überzeugen.


    In Tarsus selbst hatten Demetrios und ich uns erstmal gewaschen und um unsere Kleidung gekümmert, während Verax sich auf die Suche nach Anschluss und Verpflegung kümmerte. Das Salzwasser hatte die Kleidung fleckig gemacht und Demetrios Tunika musste notdürftig ausgebessert werden. Der Kittel war schon bald mehr Flicken als Gewand und musste eigentlich bald ersetzt werden. Auch meine eigene Kleidung sah schon sehr ramponiert aus, aber viel konnten wir da aktuell nicht machen. Wir mussten erst in Caesarea ankommen und dann schleunigst Geld verdienen. Wie lange es wohl bis dahin dauerte?


    Die Reisegruppe hatte sich den Göttern sei Dank schnell gefunden und wir konnten auch schnell aufbrechen. Die Provinz Cilicia lag auch schnell hinter uns und wir pausierten in einer kleinen Stadt namens Heraclea Cybistra. Alleine wäre es wahrscheinlich günstiger und schneller gegangen, aber wahrscheinlich hätten wir uns verirrt und wären in irgendeinem Graben verendet oder von Räubern getötet worden oder irgendeinem anderen gräßlichen Schicksal erlegen. Ich legte die Hand an mein Messer, dass ich verborgen unter meinem Gewand trug. Ich traute den beiden jungen Männern aus unserer Reisegruppe nicht, aber an mir würden sie sich die Zähne ausbeißen falls sie wandernde Hände hatten. Ihr waren die gaffenden Blicke nicht entgangen und sie beobachtete die beiden sehr genau, während sie sich für die Nacht fertig machten und die Reittiere unterbrachten.

  • Die Nacht in Heraclea tat uns auf jeden Fall gut, eine Nacht ohne das Schwanken eines Schiffs und das Platschen von Wasser. Mir ging es sehr gut und auch Proxima und Demetrios sahen am folgenden Morgen wieder frischer aus. Die Reisegruppe hatte sich darauf geeinigt, so früh es geht wieder aufzubrechen, damit genug Strecke vor einer notwendigen Mittagsruhe gemacht werden könnte. In den Morgenstunden brechen also alle auf, deren Weg weiter nach Norden führt, so auch wir...


    Die Sonne erhob sich in den folgenden Stunden schnell über den Horizont und begann, das karge Land um uns herum weiter zu verbrennen. Die Unterbrechung der Reise, die wir um die Mittagszeit herum bei einigen dürren, aber doch Schatten spendenden Bäumen abhielten, war dringend notwendig, denn viele waren die Hitze nicht gewohnt. Auch wir waren nach der langen Reise und unserem schnellen Aufbruch sowohl in Alexandria als auch Tarsus etwas erschöpft.

  • Mir fehlte die kühle Meeresbrise, die solch ein Klima erträglich machte. Ich musste definitiv meine leichte Sommertunika tagsüber tragen, alles andere war zu warm.


    Ich machte mich daher auf mit meinem Leinensack hinter ein paar Büsche und Bäume, wo es sichtgeschützt war, und wechselte schnell meine Kleidung. Ich hätte schwören können, das mich jemand beobachtete, aber ich konnte niemand ausmachen.


    Am späten Nachmittag brachen wir wieder auf um bis zur Dunkelheit weiter zu reiten. Viel gesprochen wurde nicht in der Gruppe und viel gab die Landschaft auch nicht her. Heute Nacht würden wir auf einem Rastplatz übernachten in Zelten. Immerhin gab es einen Brunnen dort mit frischem Wasser und ich würde mich notdürftig waschen können.


    Ich schleppte also eine Schüssel mit Wasser in das kleine Zelt, das gerade genug Platz für drei Leute bot, und entkleidete mich als plötzlich jemand ins Zelt kam. Ich dachte zuerst Verax hätte etwas vergessen, aber es war einer der Burschen, die mich schon zuvor angestarrt hatten.


    Anscheinend war Starren seine Spezialität, denn auch jetzt stand er nur da und starrte mich an. Dem würde ich es zeigen. Die Waschschüssel fiel um und ich stürzte mich kreischend auf den Kerl und versuchte ihn zu treten. Anscheinend traf ich ihn nach ein paar Versuchen auch, denn er stolperte heulend rückwärts aus dem Zelt. Ich rief ihm alle Schimpfnamen hinterher, die mir einfielen. So ein Schwein!

  • Die Aktion hatte für viel Wirbel in dem kleinen Zeltlager gesorgt, aber das war ihr egal. Demetrios war der Erste, der zu ihr hastete, nachdem sich die Aufregung gelegt hatte. Verax und er waren bei den Reittieren am anderen Ende des Platzes gewesen, als der Gaffer in ihr Zelt kam und hatten nichts mitbekommen. Dieses Schwein musste bewusst diesen Moment angepasst haben.


    Ich würde nicht mehr so unvorsichtig sein und den Rest der Reise darauf achten, nicht mehr alleine zu sein. Wer weiß, was dem Gaffer sonst noch einfiel. Angst ließ ich mir von dem Würstchen bestimmt nicht einjagen. Da hatten die Straßen Alexandrias schon ganz andere Gefahren geboten - vor allem nachdem Vater seine Tage im Delirium verbrachte. Ich hatte schon früh gelernt mich selbst zu verteidigen.


    Verax kam dann auch ins Zelt und beäugte mich, wahrscheinlich um zu sehen, ob alles in Ordnung war.


    "Es geht mir gut. Das Schwein hat nur gegafft, als ich mich gewaschen habe. Ich hab ihm dafür in die Eier getreten." sagte ich grimmig. Dieses Mal war er glimpflich davon gekommen. Hoffentlich war es ihm eine Lektion.


    Am folgenden Tag konnte sie sehen wie der Typ und sein Gefährte alles täten, um ja recht viel Platz zwischen mich und sie zu bringen. Ich hoffte, dass er nicht nochmal etwas versuchen würde. Sonst müsste ich das Schwein vielleicht auch noch abstechen. Ich trug mein Messer nun auch sichtbar und nicht mehr unter Kleidung verborgen.

  • Ich war extrem schockiert als ich von dem Vorfall am Zelt erfahren hatte. Aber gleichzeitig war ich ein wenig stolz, dass meine Schwester so gut auf sich selbst aufpassen konnte. Der Übertäter, der mir zuvor gar nicht so aufgefallen war - von seiner Teilnahme an der Reisegruppe einmal abgesehen - , hatte sich zu seinem Freund zurückgezogen und beiden hielten viel Abstand von uns, unserem Wagen und vor allem von Proxima. Das hieß letztlich, dass sie am Ende unserer Kolonne liefen. Das wiederum hielt mich nicht davon ab, Demetrios mit der Sicherheit von Proxima zu beauftragen, während ich selbst mich fallen ließ und noch hinter den beiden... Leuten... ging.


    Man hatte mir schon früher einen sehr finsteren Blick nachgesagt, der eigentlich oft nur darin begründet war, dass ich viel nachdachte. Aber mit der Zeit konnte ich mir das zu Nutze machen und so laufe ich nun jeden Tag hinter den zwei Halunken und sehe aus als würde ich nur einen Vorwand suchen oder auf eine Chance warten, um ihnen weitere Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. So konnte ich aber glücklicherweise hören, dass ihr Weg sie weiter nach Satala führen würde. Wir hätten in Caesarea also Ruhe vor ihnen und müssten nichts befürchten.


    Die Reise vergeht dann auch ohne weitere Zwischenfälle und wir kommen nach... viel zu langer Zeit endlich in Caesarea an. Der Duft von Salzwasser ist nur noch eine ferne Erinnerung und das Schwanken eines Schiffes hatte ich verdrängt und letztlich auch vergessen. Wir sind endlich am Ziel und können hier ein neues Leben beginnen. Wie es wohl aussehen mag?

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