Vorbereitungen für die Flusspatrouille

  • Sabaco war ein Kurzschwanz von einem arroganten Optio zum Vorgesetzten gegeben worden, den er von der ersten Sekunde ihrer ersten Begegnung an hasste, weil dieser ihn hochnäsig angeschaut hatte. Das sorgte dafür, dass Sabaco trotz Brummschädel nach Dienstschluss an den Liegeplätzen der Schiffseinheiten eine Besichtigung unternahm, um sich auf die Patrouille vorzubereiten. Unter den Arm geklemmt trug er eine Holzkladde voller Notizen. Vor diesem Arschloch Terentius Ruga, der die Patrouille führte, würde ihm kein Fehler unterlaufen.


    Mit kritischem Blick untersuchte Sabaco die Navis lusoria, mit der er seine Patrouillenfahrt antreten würde. Er hatte sich über diesen Schiffstyp informiert. "Tänzelndes Schiff" bedeutete ihr Name aufgrund ihrer Wendigkeit. Sie war nur 3 m schmal, dabei 20 m lang. Die Bordhöhe betrug nicht mal einen Meter. Diese leichte Bauweise ließ sie durch die Wellen gleiten wie ein heißes Messer durch Mutter, bei größtmöglicher Wendigkeit. Allerdings machte es sie auch anspruchsvoll zu manövrieren. Sabaco stieg auf den Wellentänzer und stellte entzückt fest, dass die Galeonsfigur oberhalb des Rammsporns ein stilisierter Hippocampus war. Der auf den Rumpf gepinselter Name lautete Keto*, wie das Meeresungeheuer, welches die Mutter aller Gorgonen war. Ein sympathisches Schiff.


    Das Holz wirkte noch recht neu, das Schiff stammte vom letzten Jahr. Auch darüber hatte Sabaco sich schlau gemacht. Die Keto bestand ganz aus Eichenholz. Die Bäume waren dazu fünf Jahre vor dem Fällen entrindet worden, so dass sie abstarben, und hatten durch Wind und Sonne trocknen können, bis sie gefällt und verwertet worden waren. Die Schiffsnägel bestanden aus Reineisen und waren nach dem Erhitzen in warmes Leinöl getaucht worden, um ihre Oberfläche maximal zu glätten. So wurden sie ziemlich resistent gegen die Gerbsäure in den Eichenholzplanken.


    So weit, so schön, Sabaco schaute sich den Rest an. Die Ruderer wurden geschützt durch Rundschilde an der Reling. Da ein Rahsegel das Schiff nur dann bewegt hätte, wenn der Wind genau von hinten blies, griff man stattdessen auf ein dreieckiges Lateiner-Segel zurück. So konnte man härter am Wind drehen und den Ruderern viel Arbeit abnehmen. Manche bevorzugten trotzdem Rah-Segel, aber der Verantwortliche für die Rhenusflotte gehörte nicht dazu - zumindest nicht in jedem Fall. Die Keto besaß jedenfalls ein Dreieckssegel.


    Sabaco setzte sich auf eine Ruderbank und blätterte in Ruhe seine Aufzeichnungen durch, um sich die Theorie einzuprägen. Er kam ursprünglich von der Legio und musste sich die Dinge, die anderen hier längst in Fleisch und Blut übergegangen waren, mühsam erarbeiten. Dinge auswendig zu lernen fiel ihm jedoch leicht und beim Abgleich der Notizen mit seinem Gedächtnis stellte er fest, dass er das meiste schon verinnerlicht hatte, was es über die Naves lusoriae zu wissen gab:


    Sie gehörten sie zur Kategorie der kleinen, schnellen Militärschiffe, mit denen auch seichte und unübersichtliche Flussbereiche befahren werden konnten. Die übliche Besatzung bestand aus 30 gut ausgebildeten und ebenso gut bewaffneten Soldaten, 15 auf jeder Seite, die sowohl ruderten als auch Kampfeinsätze bestritten. Weitere 5 Soldaten schleuderten Geschosse in die Reihen der Angreifer. Diese Besatzung hatte keine Mühe, ihre Einsätze auch über 12 Stunden ununterbrochen zu fahren, wobei sie ein Vielfaches der Strecke zurücklegten, die ein Reiter schaffen würde.** Mit nur 6 verbliebenen Ruderern war es aufgrund der Leichtbauweise immer noch möglich, das Schiff gegen die Strömung zu rudern.


    Nautae hatten sie nicht an Bord. Flusspatrouillenboote wurden von Marini persönlich gerudert, und mit der Navigation auf dem Fluss waren diese auch nicht überfordert. Nautische Offiziere waren nicht zwingend nötig, auch wenn sie trotzdem manchmal an Bord waren. Für ihre Patrouille würde das nautische Personal daheim im Castellum bleiben. Leider hieß das auch, dass Sabaco nicht diese Ratte von einem undankbaren Nauta Seppi als Überborder in den Fluss schmeißen konnte, wie er es eigentlich vorgehabt hatte. Die seltenen Anwandlungen von Freundlichkeit eines Sabaco wies man nicht ungestraft ab und Seppi hatte seither kein leichtes Leben mehr.


    Alles in allem war die Keto in einem tadellosen Zustand. Falls Terentius Ruga hoffte, dass Sabaco sich bei seiner ersten Flusspatrouille anstellte wie der Anfänger, der er war - was er zweifelsohne hoffte - würde er enttäuscht werden. Sabaco hatte seine Hausaufgaben gemacht. Er blieb noch ein bisschen sitzen, um im frühsommerlichen Abendrot zu lernen, wobei er sich nicht von den zahlreichen Mücken stören ließ, die zur Abenddämmerung aus dem Schilf stiegen.



    Sim-Off:

    ** ca. 100 km / Tag

  • Ansgar hatte vor seinen Ruderplatz zu inspizieren. Sein Ruder musste in Ordnung sein, kein Spliss, die Ruderbank ebenso. Die Ablage für die Waffen,...alles Dinge die über Gedeih und Verderb auf einer Flusspatrouille entscheiden konnten.

    Sie sollten die Patrouille mit dem neuen Suboptio durchführen. Er hatte keine Vorbehalte gegen den Matinier. Die Mannschaft war eingespielt, zur Not konnten sie auch ohne den grimmigen Suboptio was zu tun war.

    Den Kopf voll mit diesen und anderen Dingen traf er vor dem Schiff auf unerwartete Gesellschaft.

    Salve Suboptio! Er nahm Haltung an,...konnte nicht schaden.

  • "Salve, Miles ... rühren", antwortete Sabaco etwas abwesend, da er gerade gedanklich beim Stoff gewesen war. Der Rotschopf war Ansgar. Die Namen seiner Marini beherrschte er schon einige Zeit sicher. "Steht was an oder sitze ich nur zufällig gerade in deinem Weg?" Wenn der extra Haltung annahm, anstatt nach dem Gruß vorbeizutrampeln, konnte es sein, dass er irgendwas wissen wollte.

  • Ansgar stand bequem. Nein, Suboptio! Ich nehme nur meinen Platz in Augenschein um bei der Patrouille keine bösen Überraschungen zu erleben. Das machten einige Kameraden so, der alte Suboptio wußte das.

  • Ruga hatte vor sein Schiff, die Electra, zu inspizieren. Ohne Tamtam und Radau. An Land war er ein scharfer Hund auf dem Wasser ein guter Hirte. Er haßte das Land. Am liebsten wäre er irgendwo auf See im Einsatz, aber die Götter hatten es anders bestimmt. Die Elektra lag leicht dümpelnd wie immer auf Liegeplatz VII. Stolz betrachtete er ihren schmalen Rumpf, das im Ernstfall kritische Segel. Die Electra stammte noch aus der Mosella Flottille, die sie hierher gebracht hatte. Sie hatte bereits viele Jahre auf dem Kiel, im Grunde war sie nicht mehr die Electra der Jungfernfahrt. Alles an ihr wurde im Laufe der Zeit erneuert, sämtliche Planken, Ruder, der Mast,...einzig der Name war geblieben.

    Seit 10 Jahren fuhr er nun mit ihr, hatte viel erlebt, viel erlitten.

    Die Electra hatte das Blut ihrer Mannschaften getrunken und sorgte stets für die Ankunft im Heimathafen, auch wenn es einmal nur weniger als 10 geschafft hatten. Manche sprachen von einem Fluch, doch Ruga sah es praktisch. Man musste eben dafür sorgen zu denen zu gehören, die den Heimathafen wieder erreichten.

    In seinen Gedanken versunken vernahm er Stimmen. Drei Liegeplätze entfernt lag die Keto, ...ein Neubau. Der Matinier sollte sie führen. Nun, sie würden sehen ob er das Zeug dazu hatte. Ruga hatte ein neutrales Verhältnis zu ihm, der Mann persönlich war ihm zu unbeherrscht, zu ...irgendetwas störte ihn an dem Kerl, doch sollte er sich als Schiffsführer beweisen, so würde er ihn als solchen akzeptieren. Als Mensch war wer ihm egal, er sollte als Soldat funktionieren.

    Mit einer fast zärtlichen Geste strich er die Namensplanke und machte sich dann auf um seine Männer aufzusuchen.

  • "Ja ... dann kannst du wegtreten und mit deinem Kram weitermachen", meinte Sabaco, dem gefiel, dass die Marini mitdachten und sich um ihre Aufgaben kümmerten, ohne dass er sie ihnen hatte sagen müssen. Ihm selbst waren keine Mängel oder Beschädigungen der Keto aufgefallen, aber die Marini waren, was das anging, erfahrener und fanden vielleicht etwas, das ihm entgangen war. Dann würde er sich das zeigen lassen.


    Er erspähte Optio Terentius Ruga, der sein eigenes Schiff begutachtete. Elektra hieß sie, wie die Mutter der Harpyien. Keto war die Mutter der Gorgonen. Scheinbar waren die Namen der Schiffe aufeinander abgestimmt, das gefiel ihm. Sabaco sah Ruga zu, wie er vorging, in welche Ecken er länger schaute, ehe der Optio sich wieder verdrückte. Dessen Schiff konnte auf eine längere Geschichte zurückblicken als das seine. Die Geschichte der Keto aber nahm mit Sabacos Mannschaft ihren Anfang. Er gedachte, sie gut zu schreiben.


    Vielleicht mal wieder Anlass für ein Gedicht ...

  • Ansgar salutierte und trat weg. Die Sache mit dem Salutieren würde sich bald geben und nur in Anwesenheit höherer Offiziere nötig sein. Der Matinier würde sich entweder in die Mannschaft eingliedern, quasi als Primus inter pares, oder wie ein Fremdkörper ausgespuckt. Es war nicht sein erster Suboptio und es war nicht seine erste Patrouille.

    Bevor er die Keto betrat deutete er eine Verbeugung an und gab Schiff und Fluß bekannt, daß er sie betreten wolle. Dann betrat er den leicht wankenden Rumpf, glich seinen Schritt an und begab sich zu seinem Platz...der VIII. Er prüfte Ruder und Griff, Danach seinen Sitz auf Festigkeit, ebenso die Fußstütze.

    Bald stellte er fest, daß alles in Ordnung war und begab sich zurück in die Unterkunft um sein Zeug zu packen.

  • Sabaco sah dem Mann kurz nach, ohne dass in seiner Miene etwas zu lesen war. Er spürte, dass unterschiedliche Erwartungshaltungen an ihm zerrten. Während die einen meinten, er würde sich für ihre platten Kehrseiten interessieren, kaum dass er sich nach ihrem Befinden erkundigte und nicht einmal auf den Gedanken kamen, dass ihre Dienstfähigkeit den für die Stärkemeldung zuständigen Suboptio auch dienstlich interessieren könnte, kam in anderen Ecken Unmut auf, wenn er einen dienstlichen Gruß dienstlich erwiderte. Da Sabaco hinsichtlich des bei der Classis von ihm erwarteten Umgangstons keine Instruktion erhalten hatte und sogar die Soldaten unterschiedliche Vorstellungen von der zu erwartenden Norm hatten, konnte er es nur falsch machen. Für die einen benahm er sich zu nahe, für die anderen zu herablassend, es würde ein ewiges Herumgeeier ergeben, wenn er sich davon beeindrucken ließ. Ein Rat von Oben wäre ihm zur Orientierung hilfreich gewesen, so aber war er auf sich allein gestellt und würde seinen Weg ohne Hilfe finden müssen.


    Gedanklich zuckte er mit den Schultern, körperlich blätterte er seine Seite seiner Aufzeichnungen um und überprüfte sein Wissen zu den kalten Zahlen: Wie schnell wurde die Navis lusoria mit wie vielen Ruderern, je im Durchschnitt und maximal, einmal mit dem Strom und einmal dagegen, alles jeweils in Abhängigkeit der mit dem Segel ausnutzbaren Windstärke. Sicher gab es eine mathematische Formel dafür, die würde ihn flexibler in der Kalkulation der Reisedauer machen und das Auswendiglernen ersparen, aber niemand hatte sie ihm verraten. Ärgerlich blickte er auf die Zahlen, überlegte, sie zum Ablesen der nicht enthaltenen Zwischenstufen in ein Koordinatensystem zu übertragen.


    Fahrig verscheuchte er eine Mücke, sie sich auf seinen Arm gesetzt hatte, die gute Laune war dahin. Bei aller zur Schau getragenen Gelassenheit ließ ihn die Begegnung erneut daran denken, was man ihm genommen hatte an dem Tag, als man ihr harmonierendes Contubernium in der IX Hispana auseinanderriss, weil umgeplant wurde, und man einen von ihnen ins ferne Cappadocia schickte und den anderen nach Germania, während der Rest der Zeltgemeinschaft wie ein verstümmelter Körper zurückblieb. Er fragte sich, wen man bestechen oder bedrohen musste, um die Trennung rückgängig zu machen. Er war Mitglied des Ordo Equester ... wenn er Landbesitz hätte, stünden ihm andere Möglichkeiten offen, vielleicht ausreichende Möglichkeiten. Und warum antwortete Stilo nicht auf seinen Brief?


    Er fuhr sich über das Gesicht und starrte erneut auf die Tabelle, ratterte die Zahlenkolonnen durch sein Hirn wie ein Reinigungskommando. An etwas Außerdienstliches zu denken war nicht gut. Dort lag nur Schwärze, in welche Richtung er auch sah.

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