Perlentauchen im Rhenus

  • Der Frühling war dieses Jahr ausgefallen - der lange, regnerische Winter war von einem Tag zum anderen in brütende Hitze umgeschlagen. Die Luft über dem Exerzierplatz flimmerte, fette schwarze Fliegen ärgerten die Soldaten, denen sie sich in die Augen setzten, um die Tränenflüssigkeit zu trinken, oder unter die Tunika schwirrten und sie kitzelten. Jemand hatte einen Sammeltopf für tote Fliegen neben die Latrinentür gestellt, dazu eine Fliegenklatsche und das verschriftliche Ziel, den Topf zu füllen. Der Boden des Topfes war längst schwarz von erschlagenen Brummern und trotzdem wurden es nicht weniger. Wenn die Sonne unterging, verzogen sich die Fliegen und die Mücken kamen heraus, im Schilf quakten die Frösche dermaßen laut, dass es beim Schlafen störte.


    Sabaco aber liebte den Sommer, den er mit durchzechten Nächten am Strand verband, mit dem Schwimmen im Meer und dem Tauchen nach Muscheln, mit feuchtfröhlichen Quallenschlachten und dem Grillen von selbst geangeltem Fisch. Mit Feuern am Strand und Waldbränden, deren scharfen Rauchgeruch man noch in einem Tagesritt Entfernung wahrnahm. In Mogontiacum gab es keinen Strand und keine Quallen, für Waldbrände war es trotz allem noch zu feucht. Das Ufer des Rhenus war größtenteils zugewuchert, mit einigen Kiesbuchten dazwischen. Mit Tarraco war es nicht zu vergleichen. Aber es gab Muscheln im Rhenus, hatte Nero erzählt, und in manchen sollte es Flussperlen geben. Sabaco wollte sein Glück versuchen.


    Nach dem Essen schnappte er sich ein Handtuch und eine Decke, einen Beutel mit etwas zu Trinken und Krempel und suchte sich eine Bucht. Dort schlug er sein Lager auf, zog sich aus und watete langsam in die kühlen Fluten. Nach einigen Metern glitt er ins Wasser, verschwand vollständig, um seinen Kopf zu kühlen, und tauchte an anderer Stelle wieder auf, wo er eine Weile schwamm, ehe er den ersten Tauchgang zum Grund begann.


    Sim-Off:

    Wer will, darf sich dazugesellen.

  • Nero war Sabaco gefolgt, denn eines stand zweifelsfrei fest, dieser Mann hatte ein Händchen dafür sich in Schwierigkeiten zu bringen. Aber heute schien Sabaco anderes vorzuhaben, als sich mit einer Amphore Wein den Schädel zuzudröhnen. Er ging zu einer Bucht, zog sich aus und machte sich auf einen ersten Tauchgang. Nero hockte sich in die Nähe und beobachtete neugierig das Treiben des Suboptio. Scheinbar suchte er was, nur was?


    Nero schlenderte hinüber zu Sabacos Lager und machte es sich darauf bequem. Muscheln! Sie hatten von Muscheln gesprochen und er hatte Saba erklärt, dass es welche in guten Gewässern gab. Vielleicht war das Glück mit Sabaco und er fand nicht nur eine Muschel, sondern auch eine Perle darin. Neptun hatte manchmal einen seltsamen Humor, aber er war nicht ohne Gnade und Fürsorge für all jene die seine Gaben zu achten und zu schätzen wussten.


    Während der Wartezeit stand Nero noch einmal auf, schnitt von einigen Bäumen zwei gute, lange Äste und fertigte schöne Fischspieße. Im flachen Randgewässer waren sie ideal, wenn man einen Fisch erbeuten wollte. Ein gutes Auge und eine schnelle Hand waren Voraussetzung. Über beides verfügten sie. Als er mit seiner Arbeit fertig war, machte er sich lang auf der Decke.

  • Sabaco glitt über den Grund. Die Strömung wirbelte Sedimente auf und drückte Millionen winziger Luftblasen unter die Wellen, die als weiße Schleier die Sicht behinderten. Der Suchradius war entsprechend nicht groß. Sabaco blieb in Ufernähe, denn er kannte die Strömung des Flusses noch unzureichend. Er war ein guter Schwimmer, doch Flüssen war mit Misstrauen zu begegnen, denn auch wenn ihre Oberfläche glatt und träge wirkte, konnten tückische Strömungen einen nach unten ziehen und dort halten. Im Tulcis westlich von Tarraco waren bei Hochwasser jedes Jahr Menschen ertrunken.


    6er Würfel: Publius Matinius Sabaco hat eine 1 gewürfelt.


    Als er wieder auftauchte, waren seine Hände leer. Dafür entdeckte er, dass es sich jemand sich auf seiner Decke bequem gemacht hatte. Sabaco schwamm zurück und watete ans Ufer, um zu schauen, wer dort lag. Amüsiert erkannte er den Gubernator. Nackt salutierte es sich so unwürdig. Sabaco tat es trotzdem, nachdem er an Land gewatet war.


    "Salve, Gubernator! Ich hoffe, du liegst bequem. Melde: Kein Muschelfund beim ersten Tauchgang."


    Sim-Off:

    Ich lasse Fortuna entscheiden, ob ich eine Muschel finde (6) und ob in dieser eine Perle liegt (1).

  • Nero wälzte sich auf die Seite und schaute zu Sabaco hoch.

    "Muscheltauchen heißt im Dreck wühlen Sabaco. Du musst Dich auf Dein Gefühl verlassen. Leicht sind sie nicht zu finden, aber selbst ohne Perle lohnen sie als Beute. Muscheln schmecken ziemlich gut. Wir könnten sie kochen oder im Feuer rösten. Ich habe uns Speere geschnitzt, falls wir im seichten Wasser Fische jagen wollen. Ich dachte mir ich mache mich etwas nützlich, bevor ich es mir gemütlich mache. Netter Platz, ich liege sehr bequem", antwortete Nero leichthin und deutete auf die geschnitzten Speere.

  • "Die Muscheln vergraben sich? Dann kann ich ja ewig suchen. Zum Fischen musst du da drüben schauen, hier ist das Wasser zu tief." Er wies flussabwärts in die Richtung, wo eine Fuhrt lag. Das von ihr aufgestaute Wasser verursachte den tiefen Bereich, in dem Sabaco tauchen war. Erfreut registrierte er die zwei Speere. Nero hatte vor, ein Weilchen zu bleiben.


    Dass der Gubernator es sich nun seinerseits auf Sabacos Schlafstatt gemütlich machte, fand er amüsant. Es erinnerte ihn an jene Zeiten, als das Bett von seinen Freunden genauso selbstverständlich okkupiert wurde wie ein Stuhl. Zufrieden legte sich Sabaco neben Nero. Nachdem er sich eine Mulde im Sand zurechtgerückt hatte, blinzelte er entspannt in die Sonne.


    "Am Ufersaum liegt der Anfang aller guten Dinge. Erinnerst du dich an eine schlechte Begebenheit am Strand? Ich nicht, nur an viel Gutes. Vielleicht zieht es mich darum immer wieder an Strände, weil ich dort die Dinge suche, die ich früher dort fand und in meiner Zeit auf dem Inland wieder verloren habe. Du scheinst dich mit dem Fischen auszukennen? Was war dein größter Fisch?"

  • Nero setzte sich auf und rieb sich gähnend die Augen.


    "Ja das tun sie, wenn Du in sauberes Wasser schaust, siehst Du manchmal ihre Schnorchel herausschauen. Manche Muscheln liegen auch oben auf. Aber das sind die wenigsten. Du musst schon im Dreck wühlen, um eine Perle zu finden Sabaco. Auch im Meer gilt dass, was das tägliche Leben uns vorschreibt. Muschelernte ist eine harte Arbeit, aber so lange man es sich leisten kann, dies zum Spaß zu betreiben, ist das eine andere Sache.


    Am Strand habe ich schon einiges gefunden, vor allem nach einem Sturm. Schon erstaunlich was das Meer einem so alles vor die Füße spült. Nein weder am noch im Meer habe ich je schlechtes erlebt. Die meisten Landläufer sind es, die einem das Leben schwer machen. Halten sich für die Größten, meinen sie wären hart dabei hätte sich so mancher von denen eingeschissen, wenn sie nur eine leichte Brise erleben. Vom Sturm ganz zu schweigen. Aber was will man von weichen, wabbligen Officium Kerlen erwarten mit weichen Händedruck? Sie kennen nur ihr eigenes Leben, wobei das vermutlich ein eignes "Meer" ist und da sind ziemlich viele Haie unterwegs Sabaco. Haie mit extrem Biss aber dafür auch völlig unförmig", lachte Nero und dachte einen Moment lang nach.


    "Brandungsangeln schon mal versucht? Mein schönster und leckerster Fisch den ich schon öfter gefangen habe ist der Hornhecht. Mein größter Fisch war ein Zackenbarsch, groß, mit riesigem Maul und er hat gekämpft wie Neptun selbst. Wer derart um sein Leben kämpft, hat es sich verdient. Ich habe ihn zurück ins Meer geworfen. Was hast Du je so an Land gezogen?", fragte Nero und nahm einen der Speere zur Hand.

  • "Ich sehe fast nichts im Rhenus unter Wasser. Die Strömung wirbelt alles durcheinander und am Ufer ist so viel Schlamm, dass das Wasser trübt, sobald man den Grund berührt. Man muss vermutlich am Ufer langgehen und so suchen", überlegte er laut, während er sich in der Sonne fläzte. "Was hat dir das Meer denn alles Schönes vor die Füße gespült? Irgendwas von Wert? Ich fand Muscheln, Steine und Feuerquallen. Schon mal eine ins Gesicht bekommen?"


    Sabaco lachte bei der Erinnerung daran, wie er bei einer Quallenschlacht jemandem eine davon ins Gesicht gedrückt hatte. Dass ihm die Hand vernesselt worden war, war ihm die Untat wert gewesen.


    "Was ist an Brandungsangeln so gut? Was macht es besser als normal zu angeln? Ein sonderlich guter Angler bin ich nicht - selbst gebaute Angeln sind nicht sonderlich effektiv, aber es genügt, um nicht verhungern zu müssen. Mein größter Fisch war ein Rochen - er hat mir die Angel aus der Hand gerissen und ist damit abgedampft. Ich bin der Angel noch hinterher gerannt, aber der Rochen flüchtete ins Tiefe und weg war er, samt meiner Angel."


    Er rollte sich auf die Seite, während Nero schon nach dem Speer griff. Sabaco griff träge nach seinem, aber machte noch keine Anstalten, aufzustehen. Nach dem Schwimmen immer so wunderbar faul, sobald er sich einmal hingelegt hatte. Am liebsten würde er schlafen, aber gemeinsam Fische zu jagen - dafür würde er den Schlaf sausen lassen. Er musste nur in die Gänge kommen, was eine Willenssache war.


    "Landläufer ist ein interessanter Name für das ganze Gesocks. Wobei ich mich frage, ob es auf einem Schiff besser ist, oder ob dort genau so viele Idioten leben. Verrate du es mir."

  • "Auf einem Schiff hält man zusammen oder man geht gemeinsam unter. So oder so Sabaco ist ein Schiff Gemeinschaftswerk. Du musst Dir bewusst sein, dass Du den anderen brauchst, dass haben die meisten Landläufer nicht mehr in ihren Gedanken. Sie führen sich auf, als kämen sie völlig alleine klar. Aber dass das nicht so ist, wissen wir alle. Gerade jene die so tun, als würden sie nichts und niemanden benötigen, sind die ärmsten Seelen", antwortete Nero und betrachtete Sabaco einen Moment länger, als es nötig gewesen wäre, ehe er freundlich grinste.


    "Zeit Fische zu fangen!", verkündete Nero und wog den Speer in der Hand. Er stach ihn in den Sand, zog sich aus, ergriff die Waffe und machte sich langsam auf Richtung Wasser.


    "Nein zum Glück habe ich noch keine Feuerqualle ins Gesicht bekommen und ich kann auch drauf verzichten. Wertvolles an sich noch nicht, aber sehr viele interessante Dinge. Von manchen wusste ich nicht mal was sie sind. Ich glaube irgendein Schiff hatte sie verloren. Muscheln und vieles mehr habe ich auch schon gefunden. Steine die durch die Wellen zu ganz besonderen Mustern geschliffen wurden, mag ich besonders. Ich habe sogar einst eine Öllampe gefunden. Nicht mehr zu gebrauchen, aber gerade dadurch hat sie urig gewirkt.


    Am Brandungsangeln ist schlicht der Spaß der Unterschied. Die Herausforderung Sabaco. Es ist lange her, dass ich auf diese Art geangelt habe. Ein Rochen hat Dich um Deine Angel erleichtert? Na dann wird es Zeit, dass wir uns dafür etwas Fisch zurückholen, meinst Du nicht auch?", sagte Nero gut gelaunt und setzte seinen Weg fort.


    Sabaco sah, dass auch Nero kein dürres Gerippe war. Er war nicht annähernd so groß wie Sabaco, dafür war er kräftig. Er wirkte trainiert, fit, kompakt und hatte ein bisschen Bauch. Und gerade schien er blendende Laune zu haben. Je näher Nero dem Wasser war, je glücklicher schien der Mann zu sein.

  • "Allein zu überleben ist nicht schwer. Aber macht es Spaß? Nein, Nero. Das tut es nicht. Man braucht Freunde und Kameraden, am besten beides in einem, damit sich die ganze Scheiße auch lohnt."


    Als Nero Sabaco betrachtete, konnte er sehen, dass dieser auf Höhe des Herzens eine große Brandnarbe auf seiner Flanke trug. Sein Körper war übersät von kleineren Narben, besonders an den Händen, Knien und im Gesicht, doch keine davon wies auf eine bedrohliche Verletzung hin. Die Muskulatur war sehr gut entwickelt, man durfte annehmen, dass Sabaco zusätzlich trainierte, um nicht nur funktional zu sein, sondern auch eine respekteinflößende Ausstrahlung zu gewährleisten.


    Sabaco blieb entspannt liegen, bis Nero fertig gegafft hatte. Dann folgte er ihm mit dem Speer in der Hand zum Fluss und Sabaco revanchierte sich für die neugierigen Blicke. Nero war ein kompaktes Kraftpaket und Sabaco fragte sich, wie er wohl trainierte. Insbesondere die Flanken sahen bei Nero gut aus, während Sabaco sich vergebens mühte, seine dämliche Taille wegzutrainieren.


    "Du musst mir deine Sammlung wertloser Schätze mal zeigen", fand Sabaco, während er ins klare Wasser der Furt watete, die Augen auf den Grund gerichtet.

  • "Man hat nicht immer eine Wahl, ob man Freunde oder Kameraden hat Sabaco. Ob man Freude empfindet schon. Das eine ist ein Einfluss von außen, Deine Empfindung eine innere Angelegenheit. Du kannst Dich ärgern allein angeln zu gehen oder Du kannst Dich freuen allein angeln zu gehen. Es liegt bei Dir wie Du die Sache siehst und woran Du Deine Freude festmachst. Du wirst sagen, ein Fisch schmeckt besser in Gesellschaft. Aber Dein selbstgefangener Fisch, für den Du gegen Wind, Wasser und Wellen gekämpft hast, schmeckt allein ebenso wunderbar. Er schmeckt ein kleines bisschen nach Triumph. Nicht alle Fische da draußen sind Schwarmfische Sabaco und mancher Schwarmfisch hat keinen Schwarm.


    Wie groß war Dein Schwarm mit dem Du durch die Gegend gezogen bist?

    Meiner war überschaubar.


    Du kannst meine Sammlung gerne sehen. Erwarte nichts besonders, ich habe einfach das aufgehoben, was mir gefallen hat. Manches weil es seltsam aussieht, anderes weil es hübsch anzusehen ist in meinen Augen. Mal sehen was wir Schönes fangen", antwortete Nero und watete ins Wasser.


    Die Blicke von Sabaco störten ihn so wenig, wie Saba Anstoß an seinen genommen hatte. Sie waren schließlich keine prüden Barbaren, die aus Scheu und Scham sogar ihre Beine in Hosen wickelten, damit man bloß nicht zu viel Haut sah. Als Nero meinte eine gute Stelle gefunden zu haben, blieb er stehen und schaute ob vielleicht ein Fisch im seichten Wasser seine Bahnen zog. So manchere Fisch mochte es sich im wärmeren Wasser aufzuwärmen. Sollte sich einer blicken lassen, wäre er ihre Mahlzeit.

  • Sabaco blieb verwirrt im kalten Wasser stehen, das seine Waden umspülte. Was redete der da?!


    "Niemand kann entscheiden, ob es ihm Freude macht, andauernd allein irgendwo rumzuhängen oder allein einen gefangenen Fisch zu fressen. Mir macht es keinen Spaß und das wird sich auch nie ändern, nur weil ich es mir einrede."


    Auf die Schrottsammlung von Nero war gespannt.


    "Mein ... Schwarm an Leuten war unterschiedlich groß, Nero. Das hat dauernd gewechselt, genau wie die Leute. Es gab nur wenige, die dauerhaft blieben. Eigentlich niemanden. Irgendwann geht jeder seinen eigenen Weg. Sei es aus freiem Wunsch oder aus höherem Willen."

  • "Doch Sabaco, weil die Alternative noch beschissener aussehen würde. Was hast Du davon Dich die ganze Zeit zu ärgern, oder niedergeschlagen zu sein? Überhaupt nichts. Du kannst alles Schlechte aufzählen, wenn Du allein bist. Da kommt einiges zusammen. Du kannst Dir aber auch die guten Dinge vor Augen halten. Schon allein im Eigeninteresse um nicht irgendwann ein verbitterter, alter Kerl zu werden. Naja oder nicht noch verbitterter, ist auch gleich. Jeder muss da seinen eigenen Weg finden, etwas anderes bleibt einem gar nicht übrig.


    Den größten Teil meines Lebens war ich der einzige Fisch in meinem Schwarm. Nicht komplett oder dauerhaft, aber wie gesagt größtenteils. Da unterscheiden wir uns Saba. Tja im Grunde warst Du dann selbst im Schwarm allein, es waren nur Kurzstreckenbegleiter. Sie kamen und gingen, aber dass muss nichts Schlechtes sein. Wie heißt es so schön? Die einen machen Dich glücklich, wenn sie in Dein Leben treten, die anderen wenn sie Dich verlassen. Klingt fies was? Aber so ist es nicht gemeint. Wobei es gibt natürlich auch Personen, die man wirklich lieber von hinten sieht, weit weit weg oder sehr sehr tief weg", lachte Nero.


    "Oh damit wir uns nicht missverstehen, Du bist nicht damit gemeint. Also gehe nicht zu weit und nicht zu tief ins Wasser. Du bringst es auf den Punkt, irgendwie gehen dann doch alle. Aber lass uns unsere Zeit nicht mit trüben Gedanken verschwenden, sondern Wasser, Wind und Sonne genießen und am besten auch gleich einen Fisch.


    Was hat Dich in die Truppe verschlagen? Also wirklich und ich spreche nicht von Deinem Decknamen oder meinem. Was hat Dich hierher geführt? Mich so mancher Umweg, davon werde ich Dir mal bei Lust, Laune und einer guten Amphore berichten. Falls Du den Nerv drauf hast, Dir ein Ohr abkauen zu lassen. Siehst Du schon was? Ich glaube die Fische machen gerade Pause oder so", grübelte Nero und grinste dann breit.

  • "Was ich davon habe, mich zu ärgern? Nichts. Das ändert trotzdem nichts daran, dass ich keine gute Laune bekommen kann, nur weil ich es mir einrede. Ein Freund von mir hat einen ... Kumpel?!" Es war schwer, Zmertorix eine vernünftige Bezeichnung zu geben. "Der will Galluspriester werden und kann dir erklären, wie schön es ist, sich die Eier abschneiden zu lassen. So ungefähr hört sich deine Erklärung auch an. - Da drüben sind Forellen, aber die sind zu klein." Er wies mit dem Speer ins Wasser.


    "Ich habe mich bei der Legio IX Hispana rekrutieren lassen, zur Classis versetzt wurde ich erst dieses Jahr. Besagter Freund, ein Sisenna Seius Stilo, hat mich damals in Tarraco mit in die Castra genommen. Er meinte, die Legio wäre was für mich." Er zuckte mit den Schultern, die Augen immer noch aufs Wasser gerichtet. "Vermutlich hat er mir in Wahrheit damit das Leben gerettet. Es klingt paradox, das Leben gerettet zu bekommen, indem man zu den Truppen geht, aber die meisten kehren von dort Heim, während die Straße jeden tötet. Er hat mir damit aber noch mehr gerettet - meine, na ja, meine Gesellschaftstauglichkeit. Das, was davon noch übrig war."


    Ohne Folgen verbrachte man seine Kindheit und Jugend nicht auf der Straße. Je länge man solch ein Dasein fristete und sich daran anpasste, umso mehr verlor man die Fähigkeiten, die man für das andere Leben benötigte. Sabaco starrte angestrengt in Richtung der Forellen, auf der Suche nach einem fetten Exemplar unter den Mickerlingen, weil er merkte, dass die Erinnerung an ihm nagte. Er vermisste Stilo mehr, als er zugeben konnte, ohne sich lächerlich zu machen. Nachdem Sabaco sich sein Leben lang um Ocella gekümmert hatte, war er von Stilo das erste Mal selbst umkümmert worden zu einer Zeit, da er es am bittersten nötig gehabt hatte. Nun war Stilo in Cappadocia, Ocella stand auf eigenen Beinen und Sabaco war hier.


    "Stilo war jedenfalls der Grund, warum ich zu den Truppen ging. Weil sein Vater Centurio ist, konnte er sogar organisieren, dass wir im selben Contubernium landen, wo ich der Riesenwelpe wurde. Sie hatten es nicht leicht mit mir. Eigentlich bin ich Mitglied des Ordo Equester, hätte das Tribunat antreten können, aber mir mangelt es an Grund und Boden. Das haben immer andere geerbt. Zum Glück für die Legio, kann man wohl sagen. Ich als Tribun." Er grinste bei dem Gedanken. "Oder hier bei der Classis. Dann wäre ich dein Vorgesetzer. Dass du mir deine Geschichte erst später erzählen willst - ist das eine Einladung, Nero?"

  • Nero stockte und schaute sich nach Sabaco um.

    "Stilo? Stilo... Sisenna Seius Stilo? Das ist der Wahlbruder von Appius Umbrenus Cimber , ich kenne den Mann! Ich stamme wie er aus Cappadocia. Dann kennst Du vermutlich auch Cinna, Cimbers Sohn und Madara, seine Schwester. Du hast einen weiten Weg hinter Dir Sabaco, dass was die tatsächliche Entfernung angeht und das Erlebte ebenso. Natürlich ist das eine Einladung. Warum ich Dir später davon erzähle ist leicht, im Moment habe ich gute Laune und meine Geschichte ist genauso verworren wie Deine. Wir beide haben genug Scheiße gefressen, was unser Leben angeht. Warum sollte ich uns damit jetzt die Laune verderben?


    Bei einer Amphore Wein, an einem Feuer und mit etwas Röstbrot lässt sich so etwas leichter erzählen, meiner Meinung nach. Du wärst vermutlich ein besserer Tribun, als Du Dir selbst zutraust. Was glaubst Du haben die gelangweilten Officium-Furzer für eine Qualifikation? Die wissen nicht wovon sie sprechen, die wissen nicht wie es ist, im Dreck zu liegen und um ihr Leben zu bangen. Sie sitzen in ihren Büros, hinter verschlossenen Türen, einem Dach über dem Kopf und einem wärmenden Feuer an ihren zarten Fesseln, während der Rest von einem Stuhl gestützt werden muss. Wie speckige, fette, dekadente Maden hocken sie da und entscheiden über das Leben guter Kameraden mit einem Federstrich. Das sind jene die sonst über unser Leben bestimmten Sabaco.


    Das sind jene die ins Haus laufen, wenn es windig wird, wo wir dem Sturm trotzen. Ich verachte solche Weichlinge zutiefst. Kannst Du einen Befehl von so einem Mann ernst nehmen? Nein? Ich auch nicht. Wir müssen es aber. Das ist der Lauf der Welt. Es mag der Tag kommen, wo wir andere Männer dort sitzen haben. Männer die ihren Posten durch Schweiß, Blut und Stahl errungen haben, aber bis dahin müssen wir mit dem Vorlieb nehmen, was dort hockt", grinste Nero und stieß mit dem Sperr nach einer Forelle.


    Mit dunklem Blick hob er das gepfählte Tier aus dem Wasser.


    "Eines Tages nicht wahr? Neptun liebt die seinen", grinste er gut gelaunt.

  • "Ja, genau! Du kennst Stilo?", rief Sabaco verblüfft. Klar, logisch ... wenn Nero ein Umbrenus war, dann wusste er, was im Gestüt seiner Sippe vorging! Und dass Stilo seine Kindheit dort verbracht hatte. Sabaco fragte sich, ob es gut oder schlecht war, dass Nero nun um diese Querverbindung wusste. "Aber warum hast du Cappadocia verlassen? Stilo meint, es sei das Elysium auf Erden."


    Als er gelobt wurde, blickte Sabaco zur Seite in Richtung der Forellen, dann wieder auf. "Du hast recht! Ich wäre ein guter Tribun." Da war Sabaco völlig von sich überzeugt, er fand auch, dass er genau der Suboptio war, den die Classis brauchte. "Aber Grund und Boden sind nun mal begrenzt, ein Kamerad wurde zu seiner Honesta Missio mit einem Sumpf in Mösien abgespeist. Es gab ordentlich Gelächter, als er das erzählte, nur er selber fand es nicht lustig. Vermutlich hocken deswegen so viele Legionen an der kappadokischen Grenze, weil sie auf das reiche Land der Parther als Altersruhesitz hoffen.


    Die Einladung nehme ich an, wann? Wo?" Mit einer gewissen Erregung beobachtete Sabaco den auf dem Speer zappelnden Fisch.

  • Nero schaute zu dem zappelnden Fisch und warf dann Sabaco einen Blick zu.


    "Wir benötigen noch einige für eine gute Mahlzeit. Wann und wo Du möchtest Saba. Allerdings an einem abgeschiedenen Ort, wo wir in Ruhe reden können. Wo wir ungestört sind und uns keine Gedanken um mögliche Lauscher oder Gaffer machen müssen. Wo man sich alles von der Seele reden kann. Du verstehst das besser als jeder andere. Ja ich kenne Stilo, ein aufrechter, geradliniger und guter Mann. Der Wahlbruder von Cimber und das ist ein Kompliment. Das Elysium auf Erden für einige, nicht für alle. Was soll ein Fisch in der Wüste, außer vertrocken? Ich bin dort verdorrt Sabaco. Das Land ist wunderschön, unendliche Weite, eine Landschaft wie Du sie Dir kaum vorstellen kannst voller wilder Schönheit. Dort läuft alles nach etwas anderen Regeln. Warst Du einmal dort?


    Ein Grundstück das ein Sumpf ist, ist ein schlechter Scherz. Der Mann muss sich verhöhnt gefühlt haben. Wobei ich glaube, wir beide kämen sogar im Sumpf zurecht. Vermutlich würden wir uns sogar wohlfühlen, da er lästige Besucher abhält. Ehe die einem ins Haus latschen, sind sie versunken", lachte Nero und brachte den Fisch an Land, um ihn neben ihrer Decke abzulegen.


    Dann watete er erneut ins Wasser, um den nächsten Fang aufzulauern.


    "Sicher wärst Du ein guter Tribun, dass würde nicht nur den anderen sondern vor allem Dir selbst gut tun. Und was nicht ist, kann ja noch werden. Auch bezogen auf das Grundstück. Du weißt nie was noch geschieht. Und falls nicht, bei mir hast Du es doch gut oder? Ich möchte keine Kritik hören. Sei so gut und knüppele mal unsere Mahlzeit tot, das hatte ich gerade vergessen", bat Nero freundlich.

  • "Gut, keine Kritik. Du bist der Gubernator, wer bin ich, den Gubernator zu kritisieren. Noch bin ich ja kein Tribun, hab noch keinen Sumpf erhalten. Aber wenn ich meine Honesta Missio bekomme, ist Grund und Boden dabei. Dann könnte ich auf meine alten Tage noch mal als Tribun loslegen, falls ich dann noch lebe.


    Nein, ich war noch nie in Cappadocia. Ich habe es mir immer wie Hispania vorgestellt. Meine Heimat. Aber vielleicht liegt das daran, dass Stilo davon als seine Heimat sprach. Ja, es stimmt, was du über ihn sagst. Er ist ein Mensch, an dem ich beim besten Willen nichts Schlechtes finden kann, abgesehen davon, dass er meinen Brief noch nicht beantwortet hat."


    Er schluckte den Rest herunter und schaute Nero zu, wie er hin und her watete. Während Nero weiter fischte, verlor Sabaco die Lust. Also setzte er sich auf die Decke und begann, den bereits erlegten Fisch zu köpfen und auszunehmen, wobei er darauf achtete, die Gallenblase nicht zu beschädigen. Die Innereien warf er ins Wasser.


    "Brauchst du den Kopf? Manche machen ja Suppe daraus." Fragend hielt er ihn hoch und winkte ein wenig damit.

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