Zwei Soldaten am Rhenusstrand

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    Nicht alles ist so, wie es scheint. Ein finsteres Wäldchen barg ein Herz aus Licht. Dort breitete Sabaco im heißen Sand eine große Wolldecke aus.


    Zu ihren Füßen raunte und murmelte der Rhenus. Das Schilf bildete eine Pforte zum Wasser. Über weichen Sand führte der Weg ins kühle Nass, wenn ihnen danach war. Das Schilf am Ufer rauschte und übertönte die Geräusche aus dem Castellum, genau so wie den Lärm der Stadt. Weder hörten Sabaco und Nero die Dinge da draußen, noch würde man sie in ihrem Versteck hören können. Die Vögel in den Baumkronen waren zuverlässige Wächter und würden mit ihrer Nervosität jeden verraten, der sich auf dem geheimen Pfad näherte.


    Sabaco legte seine Kleider zusammen und machte es sich halb liegend in der Sonne gemütlich. Er wartete darauf, dass Nero die Getränke verteilte.

  • Der Platz den Sabaco ausgesucht hatte, hätte nicht schöner sein können. Abgeschieden mitten in der Natur, waren sie nahe am Wasser und lagen dennoch im Grünen. Sand war ihr Lager und die Vögel waren ihre Wachen. Fast war es so, als wollte sie Neptun für ihre Treue belohnen. Sabaco war schnell, er lag bereits gemütlich im Sand und hatte sich seiner Kleidung entledigt. Umbrenus reichte Sabaco eine Flasche und nahm sich selbst ebenfalls ein Getränk.


    Nero zog mit ihm gleich und zog sich aus. Auch er legte seine Kleidung ordentlich zusammen und machte es sich im Sand gemütlich. Kurz hob Nero die Flasche, prostete Sabaco zu und öffnete sie. Titus nahm einen Schluck, seufzte wohlig und ließ sich in den Sand sinken. Wind spielte im Schilf und ließ es ganz ähnlich in immer währenden Wellen wogen, wie den Rhenus selbst. Dessen Wasser schwappte ans Ufer und erzeugte mit allen anderen sie umgebenden Geräuschen ein Gemälde aus Klängen. Nero fühlte sich unheimlich wohl an diesem Platz, dieser kleine Fleck bot alles, was man sich für einen derartigen ruhigen Moment wünschte.


    "Du hast sehr gut gewählt Sabaco. Das ist wirklich ein lauschiges Plätzchen, dass keine Wünsche offen lässt", freute sich Nero und streckte sich lang aus.

    "Sagt Dir mein Name etwas? Sagt Dir der Name Tucci etwas? Was weißt Du generell über Cappadocia?", hakte Nero nach.

  • "Komm mit auf die Decke. Was meinst du, warum ich mich an den Rand quetsche?" Sabaco klopfte neben sich.


    Mit den Zähnen entkorkte er seine Flasche, spuckte den Korken weg, erwiderte den Trinkgruß und nahm einen großen Schluck unverdünnten Wein. Und das zum frühen Nachmittag. Wie dekadent. "Weil du vorhin fragtest - ich bin siebenundzwanzig. Was dir an Haaren fehlt, wuchert mir für uns beide auf dem Kopf. Keiner aus meiner Familie neigt zu Haarausfall, dafür werden wir zeitig grau." Auch Sabacos Schläfen waren silbern gestichelt und in seinem Bart glitzerten die ersten weißen Stoppeln.


    "Ich weiß von Stilo, dass die Tuccii Schlangen sind. Ihre Worte sind wie süßes Gift, sagt man. Du trägst den gleichen Namen wie der sogenannte Wahlbruder von Stilo. Eigentlich ist es sein Vetter." Sabaco gab sich keine Mühe, seine Eifersucht zu verbergen. "Ansonsten weiß ich nicht viel über Cappadocia. Warum fragst du? Hat das was mit dir zu tun?"

  • Nero kroch auf die Decke und ließ sich dann fallen. So lag es sich schon besser.


    "Genau zwanzig Jahre jünger, Du bist ein Küken Sabaco. Sei froh um Dein volles Haar, viele Männer werden Dich darum beneiden. Grau zu sein ist keine Schande, kahl auch nicht. Bei Dir sieht man auch schon das erste Silber aufblitzen Saba. Aber es steht Dir. Die Tucci sind Schlangen, dass ist richtig. Alles hat mit Cappadocia zu tun Sabaco, ich stamme von dort und habe das Land verlassen. Cimbers ist mein Neffe, ich bin sein Onkel. Meine Schwester Umbrena Occia ist Stilos Mutter.


    In Cappadocia regiert Rom nicht mit derart fester Hand wie es viele in Rom glauben. Die Tempelfürsten haben dort noch sehr viel Macht. Und mit Macht meine ich Macht. Die Schlangen sind gerissen Sabaco, sie wissen wie man sich winden muss, um im Schatten der Macht zu leben. Du kannst fast sagen Tempelfürsten, Rom und die Schlangen, so sieht dort die Aufteilung aus. Zu Rom zählen auch die Umbrena, diese drei Mächte sind dort in ständiger Wechselwirkung. Drei Mächte, wobei jede Waage nur zwei Waagschalen hat Sabaco.


    Ich war ein Wanderer zwischen den Welten. Laut meiner Gens gehörte ich zu Rom. Mein Herz gehörte einer Schlange und gemeinsam haben wir versucht die Waagschale zur Seite der Tempelfürsten ausschlagen zu lassen. Wozu? Tja ich um sie am Ende nach Rom zurückzuführen, mit passender Macht und Münze in der Tasche. Aber soweit sollte es nie kommen. So hart und heftig Umbrena und Tucci einander bekriegen können Sabaco, so effektiv können diese beiden Kräfte gemeinsam agieren. Wir wollten ein großes Stück vom Kuchen, wir wollten Macht, wir wollten Reichtum und wir wollten unsere ureigene Freiheit. Manch einer war uns im Weg. Genau wie Du haben wir unsere Zähne eingesetzt. Die Schlange trug Giftzähne, der Hyppo Reißzähne.


    Die Frage ist, was bist Du bereit für einen Traum zu opfern? Wie weit würdest Du gehen? Was setzt Du alles ein, was setzt Du aufs Spiel? Und wie hältst Du bei alle dem die Tarnung aufrecht? Der Balanceakt ist gewaltig Sabaco, das Deck eines Schiffes bei Sturm und hohem Seegang ist ein Spaziergang dagegen.


    Nun eines Tages war es Zeit zu gehen, denn jedes Spiel findet irgendwann mal ein Ende. Vor allem dann, wenn der Einsatz zu hoch ist. Thalatio war der Name meiner Schlange", antwortete Nero leise.

  • Sabaco presste sich flach auf den Bauch, ließ den Kopf aber in Neros Richtung gedreht, und beobachtete ihn. Er war es nicht gewohnt, dass ihm Leute vertrauten und suchte misstrauisch im Gesicht des anderen, ob der ihn verarschte. Doch Sabaco sah nichts, dass gekünstelt wirkte. Zumal Stilo den Wahrheitsgehalt bezeugen könnte, wenn sie beide ihn kannten.


    "Ich bin kein Küken. Ich bin innerlich steinalt, Nero. Ich habe so viel erlebt und getan, dass es für drei Leben reicht. Dir geht es wie mir, wir sind dazu verdammt, unseren Weg allein zu gehen, während um uns herum alle sterben oder andere Wege einschlagen. Wir sind allein. Hatte ich dir schon erzählt, dass ich Stilo am Strand von Tarraco kennenlernte? Du scheinst recht damit zu haben, dass der Ozean einem manchmal Schätze vor die Füße spült, auch wenn man sie nicht gleich als solche erkennt."


    Er schob sich die Arme unter seinen Kopf und verschränkte sie, so dass sie ein Kissen bildeten. Sie piksten, das war der Nachteil, wenn man sich der römischen Mode der Ganzkörperenthaarung hingab. Man sah ordentlich aus und fühlte sich an wie ein Igel.


    "Was ich bereit bin, für einen Traum zu opfern? Ich habe keine Träume, Nero, und keine Hoffnung. Ich hangle mich von Tag zu Tag, von Mission zu Mission. Blicke ich in die Zukunft, sehe ich nur den Tod. Sehe ich nach hinten, erblicke ich Verlust. Dinge, die ich nicht mehr habe. Was ist mit dir? War es dein Traum wert? Du sprichst in der Vergangenheit von Thalatio. Änderte er die Richtung seiner Schritte oder war sein Weg für ihn zu Ende? Man hätte euch beide für Hochverräter halten können, nach allem, was du erzählst. Bist du deswegen hier? Vor Anklage und Prozess geflohen? Oder bist du hier im Norden, weil der Wind in Cappadocia deinen Namen heult und dich daran erinnert, wer unter seinem Staub verdorrt?"


    Sabaco ließ eine kurze Pause, weil ihm seine eigenen Worte Schmerzen zufügten. Er wusste nicht mit dem Gesagten umzugehen. Er hob eine geöffnete, aber leere Muschelschale auf, die vor ihm im Sand lag, und legte sie vor Nero.


    "Ich würde Stilo für keinen Traum der Welt über die Klinge springen lassen, wenn ich Träume hätte. Ich würde demjenigen, der es versucht, die Eingeweide herausreißen und ihn damit erwürgen."

  • Nero verschränkte die Hände hinter dem Kopf und schaute zum Himmel auf. Die Worte von Sabaco, so finster sie auch waren, waren eine Wohltat. Das erste Mal nach einer gefühlten Ewigkeit fühlte sich Nero verstanden. Sie beide waren Ausgestoßene und das obwohl sie mitten unter allen anderen lebten und sogar in der Classis dienten.


    Nero schloss die Augen und schmunzelte.

    "Stilo wurde Dir vor die Füße gespült? Dann hat es Neptun wirklich sehr gut mit Dir gemeint Seehund. Du hast Recht, wir beide haben genug erlebt, dass es für viele Leben reicht. Wir beide wissen, dass man manchmal Dinge tun muss. Das man nicht immer eine Wahl hat, oder das es ab einem bestimmen Punkt schlicht keine Wahl mehr gibt. Manchmal kann man nur noch die Richtung halten in der Hoffnung es klart auf. Denn letztendlich kommt man auch nur an, wenn man die Richtung hält und nicht den Weg den man eingeschlagen hat zig mal ändert.


    Aber vielleicht ist das ein Trugschluss von mir Sabaco, vielleicht hätte es mir gut getan einmal die Route zu überprüfen, ob wir noch auf Kurs sind oder ob wir schon längst Richtung Klippen steuern. Das Fahrwasser indem wir uns befunden haben war gefährlich, das war uns bewusst. Aber das es derart enden würde, nun damit habe ich nicht gerechnet", antwortete Nero und schaute danach Sabaco an.


    "Hochverräter?", die Mundwinkel von Umbrenus verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen.


    "Sabaco man kann solchen Männern wie uns viele Namen geben und das tun die meisten auch. Bist Du erfolgreich wie nennt man Dich da? Held? Mann der Stunde? Willensstark? Ein Anführer? Eine Führungspersönlichkeit? Es gibt so viele Namen. Versagst Du gibt es nur einen Namen für Dich - Verräter. Das ist der Preis für jene die sich durch Taten nach oben kämpfen wollen und nicht durch Kratzbuckeln und Speichellecken.


    Glaubst Du allen Ernstes im Senat ginge es anders zu? Die Dolche die die Senatoren führen, tragen sie im Maul Sabaco. Ihre Zungen sind schärfer als unsere Schwerter. Die Wahl der Waffen obliegt jedem Mann selbst. Alles von Wert muss man sich erkämpfen Saba, da erzähle ich Dir nichts Neues oder?


    Rückblickend sehe ich das Gleiche wie Du - Verlust. Ob es das wert war? Nein, dass war es nicht. Das war es wirklich nicht.


    Ja Sabaco, Du hast es richtig erkannt, aus dem Grund bin ich hier. Ich habe Cappadocia den Rücken gekehrt, ich bin geflohen. Aber nicht vor dem Gesetz, sondern mehr vor mir. Wie sagtest Du? Bist du hier im Norden, weil der Wind in Cappadocia Deinen Namen heult und Dich daran erinnert, wer unter seinem Staub verdorrt? Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Thalatio verdorrt dort unter Staub und Stein.


    Er hat sowenig die Weg gewechselt wie ich Sabaco und er hat dafür mit dem Leben bezahlt. Glaube mir, ich hätte Thalatio ebensowenig über die Klinge springen lassen. Im Grunde hat sein Mörder zwei Männer geholt Saba. Weder war es mir vergönnt seinen Mord zu verhindern, noch Rache zu nehmen. Aber irgendwann Sabaco.... irgendwann werde ich diesen Mann finden und stellen. Dann Sabaco wird dieser Mann Erfahrungen machen, die jenseits seiner Vorstellungskraft liegen und es ist keine einzige positive dabei.


    Wir beide hangeln und von Tag zu Tag, von Mission zu Mission. Mein Traum und meine Hoffnung sind, dass ich irgendwann beides wiederfinde und dass ich ihn finde und ihm meine persönliche Botschaft ausrichten kann. Die Jagd ist noch lange nicht abgeblasen, nur weil ich nicht vor Ort bin", antwortete Nero, wuchtete sich hoch und hob die Muschelschale auf.

    Sanft drehte er das zarte Gebilde zwischen den Fingern.


    "Eine einzelne Schalenhälfte machte noch keine Muschel, um das weiche Innere zu schützen, benötigte sie beide Hälften ihres Panzers. Wir beide sind zwei harte Schalen nicht wahr? Unser Geheimnis ist gut gehütet zwischen uns. Sollte ich den Mann jemals finden, der meine Schlange tötete, bist Du zum Aufknüpfen eingeladen. Die Muschel wird einen Platz in meiner Schatztruhe finden.


    Wir sollten zusehen, dass Du ein bisschen die Leiter erklimmst, findest Du nicht auch? Sonst wird das am Ende nichts mit dem Tribun, der sich hocharbeitete und weiß woher der Wind weht. Wir sollten uns einige Gedanken machen", grinste Nero, schnipste die Muschel in die Höhe und grabschte sie aus der Luft.


  • "Hör auf, meine Gedanken zu lesen!"


    Dem Mann konnte man nicht mal eine Muschel schenken, ohne dass er sofort Bescheid wusste! Sabaco blickte sich rasch um und lauschte nach den Vögeln - nichts, sie waren nach wie vor allein. Sabaco beruhigte sich wieder. Tief atmete er die heiße Sommerluft ein. Nero hatte ihm seine Geschichte im Vertrauen erzählt und Sabaco würde sie nicht weitertratschen. Trotzdem machte ihn das Wissen nervös und so schwelgte er in blutigen Fantasien.


    "Wenn du den Scheißkerl fängst, helfe ich dir, ihn zu zerlegen. Wie heißt er, kommt man an den ran? Wir schicken der Hure, die ihn auf die Welt geschissen hat, seine abgezogene Visage. Den Rest nageln wir irgendwo hin. Seinen Schädel nutzen wir als Galeonsfigur."


    Er musterte Nero. Dessen Gesicht, Schultern und alles schien ihm käsig. "Du bist blass für jemanden, der zur See fährt." Er selbst war von Kopf bis Fuß braun gebrannt, da er gern im Rhenus schwamm und zwischendurch am Ufer in der Sonne briet.


    "Komm mal mehr in den Schatten, sonst verbrennst du dich. Für einen Tribun braucht es mehr als guten Willen, Nero. Ich war noch nicht mal mit dem Schiff unterwegs. Und woher soll ich das Stück Land nehmen? Einen Patron bräuchte ich auch, der tut mir jetzt schon leid."

  • Nero stemmte sich auf die Ellenbogen und kroch in den Schatten, wie etwas das man gegen seinen Willen ans Licht gezerrt hatte und es mit jeder Faser seines Körpers verabscheute. Dort ließ er sich nieder, als hätte ihn schlagartig jede Kraft verlassen. Das dem nicht so war, sah Sabaco daran, wie er sich umdrehte. Langsam, dennoch behände und sich derart bewusst bewegend, wie es nur Raubtiere taten... tierische wie menschliche.


    "Zambascha", zischte Nero zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, wie einen Fluch.


    Das Wort ließ Nero einen Moment so stehen, nicht erläuernd was es damit auf sich hatte. Er benötigte einen Moment um sich zu fangen, dass sah Sabaco ihm an. Es mussten ein Meer von Gefühlen in Neros Geist toben, damit überhaupt etwas an der Oberfläche zu sehen war. Entsprechend finster war sein Blick, mit dem er Sabaco bedachte. Saba, der Seehund war kein Mann der sich fürchtete. Seine Seele war aus dem selben Holz geschnitzt, wie die von Nero, aber in dem Moment verspürte auch der hartgesottene Seehund den Sog des Abgrunds, der von Nero ausging.


    Umbrenus blinzelte und Sabaco sah, wie das Leben regelrecht in die schwarzen unheilverheißenden Augen von Nero zurück sickerte. Was immer mit an die Oberfläche geschwemmt worden war, hatte er zurück in die Tiefen seines ureigenen Ozeans geschickt.


    "Zambascha heißt der Mörder meines Mannes. Es wäre ein leichtes, nur diesen Mann zu holen. Nein... nein das ist nicht der Weg den ich gehen will und werde. Ich muss diese Kreatur völlig von der Erde tilgen Sabaco! Ich muss ihn völlig vernichten, so als hätte es ihn nie gegeben. Jeden Mann der ihm folgte, seine Freunde, Verwandte und Bekannte jeden der sich an ihn erinnert. Erst wenn niemand mehr da ist, der den Namen Zambascha mit Freude ausspricht, wird Zambascha all jenen folgen. Erst dann Sabaco, erst dann ist er wirklich tot....", knurrte Nero voller Hass.


    "Jeder der im Schatten wandelt ist blass.... man wird nicht gerade braun im Abgrund, da scheint keine Sonne Sabaco. Schlangen sonnen sich und alleine sonnt es sich schlecht. Nun eigentlich sonne ich mich gerade...", grübelte Nero für einige Sekunden völlig verwirrt von der so einfachen Erkenntnis, was er gerade tat. Graue Wolken zogen über sein Gesicht, scheinbar fühlte er sich schuldig für etwas dass für Sabaco keinen Sinn ergab.


    Plötzlich schlich sich ein Grinsen auf Neros Gesicht, dass sich wie eine klaffende Wunde öffnete.

    "Natürlich reicht ein fester Wille für den Tribun aus. Bist Du Willens alles für den Tribun zu tun? Bist Du Willens, jemanden an die Wand zu nageln und Dir sogar ein Stück Land zu erpressen? Bist Du Willens einem Patron zu dienen? Oder dem Mann einen Nasenring zu suchen und durch den Rüssel zu ziehen? Bist Du bereit bis zu den Ellenbogen und noch tiefer in die Scheiße anderer zu greifen, um Dein Gold zu finden Sabaco? Beantworte das mit Ja und Dein Wille reicht aus", grinste Nero und schloss die Augen.


    "Aus Dir forme ich auch noch einen Erwachsenen Saba, glaub es mir", schmunzelte Nero gut gelaunt.

  • Für seine Strandbesuche hatte Sabaco zwei Decken zusammengenäht. Das Ergebnis war praktisch und groß; eine Hälfte der Decke lag im Schatten, die andere im Licht, so dass man beliebig wechseln konnte. Und sie war groß genug für zwei. Schwerfällig kroch Nero in das kühlere Dunkel. Dort brach er zusammen. Erstaunt folgte Sabaco ihm und ließ sich bei ihm nieder, nur um mit einem für ihn unverständlichen Wort angezischt zu werden. Sabaco meinte, der Gubernator hätte einen Fluch ausgestoßen. So ähnlich war es auch, denn Zambascha entpuppte sich als der Name des Mörders - der Fluch, der Neros altes Leben gekostet hatte.


    "Zambascha ist kein römischer Name. Den Sauhund auszulöschen, sollte kein Problem sein. Hast du schon eine Liste mit seinen Freunden, Verwandten und Bekannten angefertigt, wenn du sie auch mit auslöschen willst? Peregriner Abschaum ... kappadokisches Geschmeiß."


    Die Frage war rhetorisch, denn was sollte Nero hier aus der Ferne tun? Sabaco wollte ihm vor allem Raum geben, auszusprechen, was in ihm tobte. Lange genug hatte Nero geschwiegen. Doch das, was Nero danach sagte und scheinbar selbst kurz verunsicherte, ließ Sabaco grinsen. Er ruckelte sich auf dem Rücken zurecht, um den Sand unter der Decke zu einer bequemen Liegemulde zu formen. Eine Hand schob er als Kissen unter seinen Hinterkopf.


    "Schlangen sonnen sich und Seehunde tun es auch. Letztere sind nur nicht so dünn und kalt und sie fressen gern Fisch. Wenn dich das nicht abschreckt, bist du eingeladen, wenn es mit unseren Dienstzeiten passt. Meine Decke ist groß genug für zwei und ich bin täglich am Strand."


    Das war besser, als in der Stadt, wo die Versuchungen lauerten. So nahm Sabaco nie Geld mit aus der Castra, um sich zu zügeln. Der Ruf von Alkohol und Huren war stark, wenn man ihm oft genug gefolgt war, ein Selbstläufer, eine Gewohnheit, für die man am Ende zu viel bezahlte. Sabaco wusste, dass er sich damit nicht nur finanziell ruinierte. Die meiste Zeit war das ihm allerdings egal. Es gab solche und solche Phasen.


    Entspannt ließ Sabaco seinen Kopf niedersinken, drehte ihn in Neros Richtung und kratzte sich den enthaarten Bauch.


    "Ich bin schon erwachsen, Nero. Falls ich Ja sage - Ja dazu, einen an die Wand zu nageln und das Land zu erpressen ... Ja dazu, jemanden am Nasenring hinter mir herzuschleifen - was dann?"


    Vor allem war die Frage interessant, um wen es dabei gehen sollte.

  • Nero nickte zustimmend und ob er die Liste hatte! Diese Liste hatte er sogar teilweise schon abgearbeitet, aber dann war ihm etwas dazwischen gekommen und zwar das Bedürfnis seine eigene Haut zu retten. Wer auf dem Vulkan tanzte, lebte gefährlich und jeder falsche Schritt konnte der letzte sein.


    "Die Liste habe ich und kann nach Bedarf jederzeit angepasst werden, ich verwahre sie zwischen meinen Ohren. Nichts was derart wichtig ist Sabaco, solltest Du jemals verschriftlichen. Alles kann irgendwann gegen Dich verwendet werden, aber das was Du in Deinem Geist trägst, nimmt Dir niemand weg. Das ist nicht nur mit Wissen so, sondern das gilt auch für Erinnerungen. Sie sind letztendlich dass was uns bleibt.


    Und genau aus diesem Grund werde ich diese cappadocische Wanze zerquetschen, aber erst wenn ich alle anderen Wanzen ausgeräuchert habe. So leicht wie ich es mir wünschen würde ist es nicht Sabaco. Schlangen sind nicht dumm, im Gegenteil sie sind schlau, gerissen, hinterhältig. Es erfordert schon einiges Geschick eine Schlange zu stellen und noch mehr um sie zu erledigen. Zambascha ist leider nicht der tumbe Trottel, den Du beschreibst. Einerseits ist das auch ein Kompliment, weißt Du? Stell Dir vor Thalatio wäre von so einem dummen Nuss rein zufällig niedergestreckt worden. Da wäre neben dem Schmerz des Verlustes, auch noch der der Schande zu ertragen. Nein Zambascha ist einiges, aber blöde ist der Drecksack nicht.


    Es gibt auch Seeschlangen, die fressen auch Fisch. Wusstest Du das? Deine Einladung nehme ich gerne an. Vielleicht wird es Zeit wieder etwas Farbe zu bekommen. Sonst leuchte ich in der Nacht wie eine Öllampe aus der Ferne, wenn ich mich an wen anschleiche. Auch keine erbauliche Vorstellung", grinste Nero Sabaco an.


    "Na wenn Du schon erwachsen bist, was hast Du denn geplant? Ich bin ganz Ohr", lachte Nero leise. Seine Lache klang eher wie ein Husten oder Bellen.

  • "Seeschlangen gehören zu den giftigsten Schlangen überhaupt. War deine Schlange eine Seeschlange?", erkundigte Sabaco sich. Wohl kaum ... denn sonst wären die beiden nicht in der kappadokischen Steppe geblieben, sondern hätten was Anständiges getan und wären zur See gefahren. Dann wäre Thalatio wahrscheinlich noch am Leben. Oder es war genau das, was ihn umbrachte - dass er nicht in seinem Element hatte jagen können.


    "Hrm. Wenn Zambascha einen intriganten Tuccius erlegen kann und einen Umbrenus aus der Provinz zu jagen vermag, ist er entweder noch gerissener oder noch entschlossener als ihr. Oder er hat mehr Geld, so dass er sich passende Freunde kaufen konnte. Ich habe bislang keinen Tuccius persönlich kennengelernt, aber Stilo und sein Kumpel Cimber haben manchmal über sie gesprochen. Sie haben ein Nest von denen in der Nachbarschaft und sind darüber wenig erfreut. Was mich zu der Frage bringt, was eure verfeindeten Gentes denn von deiner und Thalatios ... Freundschaft?! ... gehalten haben.


    Dass du die Einladung annimmst, freut mich. Wir gewöhnen dich langsam wieder an die Sonne, du kannst nicht für den Rest deines Lebens in deinem dunklen Officium versauern und der Vergangenheit nachtrauern. Dafür hast du nicht überlebt. Lass uns den Feierabend zusammen verbringen, das hält uns beide von dummen Gedanken ab.


    Und noch was."
    Sabaco sah Nero listig von der Seite an. "Glaub nicht, dass mir nicht auffallen würde, wenn du die eine oder andere Frage nicht beantwortest."

  • Nero setzte sich auf und rieb sich mit einer Hand über die verschwitzte Glatze.

    "Was unsere Familien von unserer Freundschaft gehalten haben? Nichts. Sie wussten nichts davon Sabaco. Das war eine Sache zwischen Thalatio und mir, sie hätten es nicht verstanden. Keiner hätte es verstanden, weder unsere Familien noch sonst jemand. Bestenfalls hätten sie uns für Spinner gehalten. Wobei sie wohl eher die Zugehörigkeit des jeweils anderen gestört hätte, was unsere Gentes angeht.


    Zambascha ist nicht der einzige Grund der mich vertrieben hat Sabaco. Thalatio und ich waren giftiger, als es für uns gut gewesen wäre. Bevor mir alles vor die Füße gefallen wäre, bin ich gegangen. Ich denke nicht, dass meine Familie weiß, was ich getan habe oder wo und wie ich mir ein Zubrot verdient habe. Falls doch, wären sie tolleranter als ich es mir vorstellen kann.


    So es fällt Dir auf dass ich einiges nicht beantworte? So ist es Seehund. Ich versuche Dich aus Deinem Schneckenhaus zu locken, damit Du mir ein paar Ideen vorträgst, dann beantworte ich Dir Deine Frage auch. Ich wollte hören, was Du zu sagen hast. In welchen Bahnen Du denkst, wie Du planst.


    Stilo und Cimber haben Dich nicht belogen, die Tucci sind genau dass was ihr Ruf verspricht Sabaco. Aber was willst Du mit einer eier- und zahnlosen Lusche? Und Zambascha hat mehr Zähne als ihm gut zu Gesicht steht, das gebe ich zu. Genauso gestehe ich Dir, dass ich ihm jeden einzelnen Zahn ziehen werde.


    Zurück zu uns, sonst verliere ich mich in meiner Wut. Abgemacht, verbringen wir die Pausen gemeinsam, dass hält uns von Dummheiten ab. Jedenfalls von solchen die nicht erträglich sind. Die anderen planen wir besser zu zweit, sonst haben wir irgendwann überall verbrannte Erde hinterlassen", schmunzelte Nero und schnippste die Muschel in die Luft um sie wieder aufzufangen.


    "Erzähl mir von Deiner schwarzen Liste und lass Deine Ideen endlich hören Saba", bat Nero ruhig. Scheinbar war er von einer Last befreit, wo er seine düsteren Gedanken einmal hatte offen aussprechen können. Er wirkte nicht mehr so unter Anspannung, wie zuvor.

  • "Wie hast du dir denn dein Zubrot verdient?", hakte Sabaco neugierig nach. "Als Mietklinge?"


    Dann stutzte er. Er hatte eine Menge eier- und zahnloser Freunde im Leben gehabt.


    "Was ich mit eier- und zahnlosen Luschen will? Mit ihnen trinken. Was soll ich sonst mit denen wollen? Was willst du von ihnen? Ich habe keine Erwartungen an irgendwen. Und auch keine Pläne. Ich lebe für den Tag und versuche, nicht an die Vergangenheit zu denken. Mein Bruder hat mir den Posten bei der Classis verschafft. Wenn ich Scheiße baue, fällt das auf ihn zurück, drum muss alles funktionieren."


    Das war alles, was Sabaco im Moment zu irgendetwas motivierte. Sabaco schnaubte voll Verachtung für die Welt.


    "Ich sagte es dir doch schon, Nero: Ich habe keine Träume. Von denen abgesehen, die man unter der Bettdecke benötigt. Aber wenn du mich brauchst, werde ich da sein."

  • "Vielleicht ist das gar keine schlechte Sicht Sabaco, erwartet man nichts, dann wird man auch nicht enttäuscht. Ich weiß Du träumst von nichts und erhoffst Dir nichts Sabaco. Du nimmst das, was Dir der Tag oder das Schicksal vor die Füße wirft. Aber tust Du das wirklich? Verspürst Du innerlich nicht den Drang aufzustehen und Dich gegen all die Scheiße zu stemmen, die man Dir entgegen wirft? Sicher trägt das Wasser Dich Seehund, wenn Du Dich nur ruhig genug verhältst. Aber bedenke eines, wer nicht schwimmt, kommt auch nie an. Wohin willst Du noch im Leben? Soll das alles gewesen sein? Ist es das was Du Dir wünscht?


    Wäre ich nur eine Mietklinge gewesen Sabaco. Wir haben dem einen dies und dem anderen das erzählt. Wir haben Gerüchte gestreut, Informationen. Und das bei zig Parteien. Wir haben dafür gesorgt, dass sich Leute gegenseitig an die Kehle gingen. Wir haben uns selten die Hände schmutzig gemacht. Wir haben mit Schlangenzungen gesprochen und das über zig Ecken. Wir haben oft unsere Ziele erreicht und zeitgleich die Schuldigen geliefert. Und falls ein Ende gekappt werden musste, dann haben wir statt der gespaltenen Zunge die Zähne benutzt. Ja so gesehen war ich dann auch eine Mietklinge. Alles was zählte war der Gewinn Sabaco, aber was nützen Dir Sesterzen, wenn Du niemanden mehr hast für den Du sie ausgeben kannst? Oder mit dem Du sie gemeinsam ausgibst? Alles was wir uns aufbauen wollten, ging unter an dem Tag als aus wir ein ich wurde.


    Weißt Du was? Ich werde Dir beizeiten einmal etwas von uns erzählen. Aber nicht heute, nicht wo ich sonst in düsterte Stimmung gerate.

    Dein Bruder ist ein anständiger Kerl Sabaco, er liebt Dich. Das hat Seltenheitswert, halte das fest. Aber vergiss nicht, dass Du nicht nur für Deinen Bruder und dessen Ruf lebst", sagte Nero freundlich.

  • "Als ob es dir anders gehen würde. Du lebst bloß noch für deine Rache, falls du überhaupt noch lebst. Sobald Zambascha tot ist, wirst du Thalatio auf die andere Seite folgen. Ich soll dir helfen, den Weg zu ebnen, damit du endlich sterben kannst. Was du an mich heranträgst, ist der letzte Wunsch eines sterbenden Mannes. Du willst mir alles beibringen, wir werden gemeinsam Feinde jagen, trinken und viel Spaß haben, wir werden die beste Zeit unseres Lebens genießen. Und dann werde ich aufwachen und dein Abschiedsbrief liegt auf meinem Tisch."


    Sabacos Schweigen und sein düsterer Blick dauerten eine Weile an.


    "Natürlich gibt es Dinge, die ich gern hätte", gab er dann widerwillig zu, "aber alles, was ich mir wünsche, hatte ich schon mal. Ich besaß mal eine kleine Familie und als ich sie verlor, zog mich Stilo aus dem Feuer." Er klopfte auf die große Brandnarbe an seiner Flanke, wo die brennende Tunika sich in seine Haut gefressen hatte. "Doch Stilo ist nun auch fort. Außer Ocella gibt es keinen weiteren Grund, den ganzen Mist noch auf mich zu nehmen."


    Sabaco drehte sich wieder auf den Bauch und bettete das Kinn auf die Hände, den Blick auf die Grashalme gerichtet, die sich aus dem Sand ins Licht schoben. Er drehte den Kopf und sah Nero an.


    "Diese Decke ist nicht für mich allein so groß. Siehst du, dass ich dafür zwei Decken aneinander genäht habe? Die Hälfte, auf der du liegst, das ist die Stranddecke von Stilo. Als er schwimmen war, habe ich sie an meine genäht, damit er künftig nicht mehr allein zum Strand geht. Er hat gelacht und fand die Idee lustig. Nichts daran ist lustig, Nero, es war mir nie ernster. Als es hieß, er wird nach Cappadocia versetzt, hatte ich vor, ihm einen Finger abzuhacken, damit er dienstuntauglich wird. Wir hätten ihm eine Wohnung vor der Castra suchen können und im Ort gibt es genügend Arbeit. Aber er hat sich vom Acker gemacht, ohne auch nur darüber nachzudenken. Ich bin ihm weniger Wert als ein Finger, bei den Göttern, ich hätte mir die Beine abgehackt für ihn, mir das Herz mit bloßen Händen aus der Brust gerissen und ihm vor die Füße gelegt!"

  • Nero setzte sich langsam auf und starrte auf Sabaco herunter. Sein Blick war der eines weidwunden Tieres, so als hätte Sabaco ihn angeschossen. Für einen Augenblick wo keiner der beiden sprach, wo scheinbar selbst die Vögel verstummt waren und der Wind sich gelegt hatte, sah Sabaco Nero völlig ohne Panzer. Nero setzte an etwas zu sagen, aber kein Ton kam über seine Lippen. Er schloss den Mund wieder, machte eine hilflose, nicht zu deutende Geste und legte sich wieder auf die Decke und starrte gen Himmel.


    "Ich schreibe keine Briefe... ich hätte Dir die Muschel hingelegt und meine Kiste vor Dein Bett gestellt. Manche Männer rühren keinen kleinen Finger. Manche Männer opfern keinen Finger. Manche Männer geben für einen ihr Leben Sabaco. Du hast Recht, ich lebe nicht mehr, aber für mich starb Thalatio. Er gab sein Leben für mich... er...", brach Nero ab und presste die Lippen so fest aufeinander, dass sein Kiefer knirschte.


    "Zusammengenäht? Praktisch und symbolisch... Stilo blickt nicht unter die Oberfläche, geschweige denn unter die Wellen und er sieht keine Strömung Sabaco. Wir beide... wir sehen sie. Vielleicht lässt Du mich ja hier liegen und es ist... in Ordnung für Dich", sagte Nero fast zaghaft.

  • Sabaco spürte, dass sich etwas verändert hatte. Aus dem bissigen Gubernator Nero, der in Mordfantasien schwelgte, war ein zu Tode verwundeter Mensch geworden. Nero lag nicht länger, er saß nun, bereit zu fliehen. Sabaco aber blieb liegen, blinzelte und klopfte erneut auf die Decke.


    "Und ich dachte schon, du könntest meine Gedanken wirklich lesen. Ich habe dich auf diese Decke eingeladen. Erinnerst du dich? Ich wollte, dass du hier mit mir auf dieser Decke liegst. Andernfalls hätte ich keine Doppeldecke mitzubringen brauchen. Ich bin ein Dichter, Nero, kein sehr guter, aber ein Dichter. Alles, was ich sage und tue, hat eine Bedeutung. Die Decke, die Muschel, alles. Und was ich nicht sage, auch."


    Sabaco musste einen Moment mit sich ringen, bevor er weitersprach. Doch er konnte den sichtlich verwundeten Nero jetzt nicht sich selbst überlassen. Er kannte seinen Schmerz, sie teilten ihn, auch wenn er für jeden einen anderen Namen trug. "Es tut mir leid. Wegen Thalatio." Er schob seine Hand hinüber auf die andere Hälfte der Decke und hielt für einen Moment Neros Unterarm umschlossen.

  • Nero entspannte sich und nickte zustimmend.


    "Das stimmt Du hast mich eingeladen und ich habe die Einladung sehr gerne angenommen. Die Doppeldecke, was hat mehr Bedeutung als so eine Aussage? Du bist ein besserer Dichter, als Du Dir selbst eingestehen möchtest. Allein die Aussage das alles eine Bedeutung hat, dass alles etwas sagt, sogar jene Dinge die nicht ausgesprochen werden. Das zeugt von Tiefe Sabaco. Und es stimmt mich auch auf gewisse Art traurig. Manche Dinge sind zu groß, zu mächtig und zu tief, als das wir sie aussprechen könnten. Deshalb fehlt ihnen nicht die Bedeutung. Im Gegenteil wie Du schon sagst, sie haben Bedeutung und das wesentlich mehr als alle anderen.


    Dinge über die man leichthin reden kann, sind auch leichte Kost. Dinge die einem die Sprache verschlagen haben eine Tiefe die einen erzittern lässt bis auf die Grundfeste unserer Seele.


    Ich danke Dir für die Worte des Mitgefühls Sabaco. Du bist der erste Mensch dem ich davon erzähle. Viel zu lange habe ich es mit mir herumgeschleppt, denn auch bei mir haben Dinge Bedeutung die ich nicht ausspreche. In diesem Fall weil ich es nicht konnte. Es gab keinen Menschen der es wert war sie zu hören und es gab niemanden den es interessiert hätte. Geschweige denn jemand, der es auch nur im Ansatz verstanden hätte", antwortete Nero ehrlich.

  • Sabaco nickte. "Ich kenne das. Manches muss raus, sonst gährt es in einem. Wenn Worte nicht möglich sind, bricht es sich anders seine Bahn. Man kann nicht ewig alles in sich hineinfressen und es bricht irgendwann aus einem heraus. Meist in ungünstigen Momenten, und oft trifft es die falschen Leute. Da ist es gut, wenn man einen Weg kennt, kontrolliert Dampf abzulassen."


    Diese Worte klangen aus dem Mund von Sabaco heuchlerisch. Er wusste, dass er keinerlei Kontrolle über seine marodierte Gefühlswelt hatte. Doch er wusste auch, wie es eigentlich sein sollte und das quatschte er nun nach, ohne es für sich selbst zu fühlen.


    "Das Reden scheint dir gutzutun. Wenn du willst, leihe ich dir wieder mein Ohr, wenn du mal reden willst. Es bleibt alles unter uns."


    Auch er selbst hätte viel zu sagen, mehr, als er bisher ausgesprochen hatte, doch er konnte nicht. Er konnte es nicht. Schnaufend lag er auf seiner Decke und starrte vor sich hin. Trotz der ernsten Themen, trotz seines eigenen inneren Zustandes, fühlte er sich gerade sehr wohl in seiner Haut.


    "Du magst das Stadtleben nicht, kann das sein?"

  • Nero wälzte sich auf die Seite und lächelte milde. Er wusste Sabaco meinte es gut, aber sie waren sich zu ähnlich, als dass bei einem von ihnen beiden der Tipp funktioniert hätte.


    "Sabaco ich weiß Deinen Rat zu schätzen, allerdings weiß ich auch, dass er weder bei Dir noch bei mir funktioniert. Das was in mir brödelt, halte ich wie eine versiegelte Amphore sonst fest verschlossen. Öffne ich sie nur ein bisschen und kommt Frischluft daran, geht das Ganze hoch. Mit Dir kann ich darüber sprechen, weil ich weiß Du empfindest und denkst ähnlich. Aber tatsächlich beherrscht bin ich nicht. Es kommt mir hoch, verstehst Du? Mit den Erinnerungen kommen auch die Gefühle wieder hoch.


    Nichts was ich im Alltag gebrauchen kann. Ich halte es gut versiegelt. Damit es nicht die falschen Leute trifft, ist es gut verschlossen und es wird auch keinen Falschen treffen. Dafür ist der Groll zu schade Sabaco. Es wäre doch ungerecht von mir, wenn ich dem Schuldigen nicht die volle Amphore einschenke, die er sich redlich verdient hat. Jeder Tropfen abgrundtiefer Hass aus diesem Gefäß ist allein für ihn bestimmt. Treffen wird es ihn und seine Brut, dass schwöre ich Dir. Aber Worte sind nur Worte, damit ist nichts erreicht. Taten sprechen mehr als Worte.


    Ich rede gerne mit Dir und ja es tut mir gut. Weil Du zuhörst und nicht verurteilst, die meisten hätten sich schon abgewandt, hätten sie gewusst wie ich einst lebte unter vorgehaltener Hand. Danke für Dein Ohr und Dein Schweigen. Ehrensache dass dies auch für Dich gilt, falls Du über etwas reden magst, ich höre zu und von mir erfährt niemand etwas.


    Nein ich bin kein Stadtmensch, merkt man das dermaßen?", grinste Nero und schaute aufs Wasser.

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