Caesareas Marktplatz

  • Der alte griechische Sklave Demetrios verließ die Taberna seiner Domina Iunia Proxima mit ihrem Neuerwerb Tiberios um den nahe gelegenen Marktplatz Caesareas aufzusuchen. Die Taberna befand sich am Rande des Marktplatzes, weswegen der Weg auch nicht allzu weit war. Die meisten der Händler kannten ihn bereits und er winkte hier und dort einem Händler zu, der ihm die heutigen Preise für Lebensmittel zurief oder ihn ermutigen wollte etwas zu kaufen. Der Auftrag für heute war allerdings Kleidung und Schuhe für den neuen Sklaven des Hauses zu erwerben, also lächelte er und rief dem ein oder anderen einen knappen Gruß und eine Versicherung zu, dass er morgen wieder kommen würde.


    Sie gingen an einer Reihe von Ständen mit Gemüse vorbei und Demetrios zeigte auf zwei der Stände im Vorbeigehen. Der eine Stand wurde von einem dunkelhäutigen Mann geführt und der zweite Stand von einer älteren Frau mediterranen Ursprungs. "Das sind die beiden Stände, wo man gutes Wurzelgemüse für die Suppe bekommt. Je nach Tagespreis kaufe ich bei dem einen oder dem anderen. Die anderen Stände hier kannst du ignorieren, da diese beiden am besten sind. Merke sie dir gut, denn es kann gut sein, dass auch du bald einkaufen gehen wirst. Der Nubier Taharqa ist eisern fair und wird nicht versuchen dich zu übervorteilen, aber die alte Vettel - Athenais - wird alles daran setzen, dich über den Tisch zu ziehen. Sie hat aber das beste Gemüse weit und breit und es verdient in der Regel seinen Preis."


    Die anderen Stände hatten alle ähnliche Ware - Gemüse und Obst zum größten Teil. Ein Stand hatte Datteln und Pflaumen, auch Honig, Gewürze und Nüsse fand man ein Stück weiter. Am Ende dieser Reihe von Lebensmittelständen fand sich auch noch ein Stand, wo es Fleisch gab. Aber es war größtenteils Hammel und Ziege, was Domina Proxima nicht schmeckte und deshalb auch nie kaufte. Um diesen Stand machte Demetrios einen großen Bogen. Als sie zur nächsten Reihe von Ständen kamen, fand man dort größtenteils kleinere Haushaltsgegenstände aus Holz und Ton wie Geschirr und Besteck oder geflochtene Körbe und vereinzelte Metallgegenstände wie Messer, Nägel und dergleichen. Auch aus dieser Reihe brauchten sie heute nichts und Demetrios zeigte nur vereinzelt auf Stände, wo man preiswerte Holzbecher und Schalen bekam. Diese musste ab und an ersetzt werden in der taberna.


    Im Zentrum des Marktplatzes waren sie endlich angekommen, wo sie hinwollten. Stand um Stand mit Wolle, Leinen und auch vereinzelt Seide in allen Phasen der Produktion von Vlies bis fertig gewebtem und gefärbtem Stoff und fertig geschneiderten Kleidungsstücken fand sich hier. An den etwas extravaganteren Ständen ging Demetrios vorbei. Das konnte sich seine Domina momentan wahrscheinlich nicht mal für sich selbst leisten und schon gar nicht für die Sklaven. Die meisten der Händler, die Demetrios und Tiberios als Sklaven identifizierten, versuchten auch gar nicht ihm etwas zu verkaufen und einige Betreiber der etwas exklusiveren Stände blickten unverhohlen auf die beiden Sklaven herab, aber das berührte den alten Griechen nicht. Hinter den Händlern mit bunten Tüchern war ein kleinerer Stand mit Kleidungsstücken aus ungefärbtem Leinen. "Das ist der Stand von Aretas aus Nabatea. Er ist freundlich und wenn du Arabisch sprichst, macht er dir einen ganz guten Preis. Ich spreche leider kein Arabisch, aber er ist trotzdem ein ganz netter Herr."

  • „Ich werde mir merken, das ist der Nubier Tarharqa und die andere ist die alte Vettel Athenais. Mag sie denn Schmeicheleien? Ich könnte damit versuchen, den Preis zu drücken.“, sagte Tiberios, der sich neugierig umsah:

    „Beide Händler bieten das beste äh… was an. Was ist alles Wurzelgemüse und auf was muss ich beim Kauf achten?“, er schaute etwas irritiert drein, denn er war noch nie in einer Küche eingesetzt worden:

    „Und diese beiden anderen Stände dort haben preiswerte Holzbecher. Und recht hübsche Keramikschalen mit einem Maeandermuster sehe ich dort drüben.“, fuhr er fort.


    Als sie bei den Ständen mit der extravaganten Kleidung vorbeigingen und als einfach gekleidete Sklaven einen verächtlichen Blick der wohlhabenden Eigentümer abbekamen, grinste Tiberios und ahmte den etwas exaltierten Tonfall der wohlhabenden alexandrinischen Griechen nach:

    „Hier würde ich nicht wirklich kaufen, mein liiieber Demetrios. Die Hälfte der ausliegenden Seidenstoffe sind höchstens zweiter, wenn nicht schon dritter Qualität. Webfehler sind schon von weitem zu erkennen, und es wurden die kurzen Fäden versponnen, nicht die langen, die den edlen matten Glanz ergeben.“

    Er machte eine gezierte Geste und lachte dann vergnügt:

    „Ich war längere Zeit Vilicus in einem Handelshaus, in dem mit Seide gehandelt wurde. Ich hatte zwar nichts direkt mit dem Verkauf zu tun, aber ein bisschen lernte ich doch von den anderen Sklaven.“*, erklärte er.


    Er betrachtete die schlichten, knielangen Tunikas, die alle sauber und solide gearbeitet aussahen. Das Verkaufsgespräch würde er jedoch Demetrios, der den Händler kannte, überlassen:

    „Leider spreche ich auch kein Arabisch. Ich hoffe, dass Dominus Aretas dennoch einen passablen Preis macht. Ich freue mich so sehr auf eine neue Tunika, dass ich mich fühle, als seien schon die Saturnalia angebrochen. Nochmals Danke, dass du mit mir einkaufen gehst, und bei Domina Proxima werde ich mich auch noch bedanken.“


    Er strahlte den älteren Sklaven an, dann kniff er etwas die Augen zusammen, da er schräg gegenüber eine an einr ausladenden Fassade angebrachten Marmorplatte mit folgender Inschrift entdeckte:


    Das Geschäft

    "Caesareas dufter Viri"



    „Darf ich nach dem Einkauf nur fünf Minuten dort hineingehen?“, fragte Tiberios: „Ich möchte den Eigentümer etwas fragen, es dauert nicht lange.“


    Sim-Off:

    * Diese Geschichte wird hier erzählt

  • Demetrios ging langsam mit Tiberios durch die Reihen und ging auf die Fragen des jungen Sklaven ein. "Das Gemüse, das Domina Proxima für die Suppe verwendet, zeige ich dir morgen früh. Das lässt sich leichter zeigen als mit Worten beschreiben - auch worauf du beim Kauf achten musst, damit du frische und gute Qualität hast. Es gibt auch noch einige Stände der Flussfischer - die sind aber auf der anderen Seite des Marktes bei den Sklaven. Dort kaufen wir Fisch und vor allem die kleinen hier beliebten und heimischen Flusskrebse. Die schmecken vorzüglich in Eintopf und Suppe."


    Nachdem sie den Stand von Athenais passiert hatten und er der alten Vettel charmant zugelächelt hatte und sie außer Hörweite waren, sprach er weiter. "Athenais mag sich selbst nicht einmal...ich glaube Schmeicheleien kannst du dir da sparen. Sie weiß, dass ihre Ware vorzüglich ist und lässt sich das nicht schlecht reden. Wenn ihr Tagespreis zu hoch ist, dann gehen wir zum Nubier. Er hat die zweitbeste Qualität zu einem niedrigeren Preis. Das ist einfacher als das steinerne Herz von Athenais zu erweichen." Demetrios zwinkerte dem jungen Tiberios dabei verschwörerisch zu.


    Als sie die Seidenstände passiert hatten und das Gesicht einiger Standbesitzer schon rot vor Ärger über die lustigen Schmähworte waren, musste Demetrios herzlich lachen. "Wenn das hier in Caesarea nichts für dich wird, so gibt es angeblich in Satala ein Theater. Und du kannst jetzt schnell rüber flitzen und ich kümmere mich um den Einkauf der Kleidung. Beeile dich aber, sonst haben wir nicht genug Zeit für die Therme. Ich kümmere mich hier schon um alles."


    Damit wandte sich Demetrios von Tiberios ab und begann ein kurzes, freundliches Gespräch mit Aretas aus Nabatea. Er vertraute Tibi, dass dieser seine Besorgung schnell erledigen würde, damit ausreichend Zeit für die Therme war. Der alte Sklave zeigte routiniert auf zwei leichte Tuniken aus Leinen sowie eine etwas längere und dickere Tunika aus Wolle und ein paar neuer Sandalen. Die Sachen waren schmucklos und aus ungefärbtem Stoff, aber nicht kratzig und gut gewebt und vernäht. Er feilschte noch eine Weile mit dem Araber und plauderte dann noch ein bisschen, bis Tiberios mit seiner Erledigung fertig war.

  • Tiberios war froh, dass Demetrios mitlachte und ihn nicht rügte. Schon lange Zeit hatte war er nicht mehr so unbeschwert gewesen. Auch wenn er versucht hatte, mit galene, der Gleichmut der Seele, sein Schicksal auf sich zu nehmen – Spaß und Lachen waren etwas anderes.

    „Ich werde mich bemühen, alles über Wurzelgemüse zu lernen, Demetrios, was du mir beibringen möchtest.“, sprach er: „Doch verrate mir, was man mit den Krebsen macht? Heute morgen habe ich Domina Proxima einen Korb mit vermutlich solchem Flussgetier nach Hause getragen. Als ich bemerkte, dass sich da etwas Lebendiges regte, hätte ich ihn fast fallen lassen....“,

    Sein Blick folgte dem des Demetrios:

    "Ich dachte nicht daran, dieser Athenais die Ware schlecht, sondern sie selbst schön zu reden - Au weia– das wird aber wirklich eine schwierige Aufgabe. Sie hat ein steinernes Herz, sagst du? Sie schaut auch ungefähr so freundlich wie Medusa drein“, stellte er fest und zwinkerte zu dem älteren Griechen zurück.


    Am Stand des Aretas gab Demetrios Tiberios die Erlaubnis seine Besorgung zu machen, aber er wollte sich erst unter Menschen begeben, wenn er sich umgezogen hatte. In den Lumpen wollte er keinesfalls länger herumlaufen. Er nahm die erste der für ihn bestimmten Leinentunikas und zog sie sich über den Kopf. Sein altes Gewand, welches der Ziege gestiftet werden sollte, wickelte er zu einem Bündel und klemmte es sich unter einen Arm.

    Mit der anderen Hand fuhr er sich durchs Haar, dann drehte er sich vor dem Sklaven und dem Händler Aretas aus Nabatäa einmal um sich selbst:

    „Wie sehe ich aus?“, fragte er. Das er noch weitere Tunikas und sogar Sandalen bekommen sollte, freute ihn über alle Maßen. Bei der dicken Tunika aus Wolle stutzte er:

    „Brauche ich sie jemals wirklich? Es ist gerade so heiß, dass ich mir das kaum vorstellen kann.“, fragte er.



    Dann eilte er rasch zur Taberna des Duften Viriund kam wie versprochen auch recht schnell wieder.


    „Chairete!“, rief er ein wenig außer Atem und winkte Demetrios und dem Händler zu:

    „Reicht die Zeit hoffentlich noch für die Therme?“

  • Auch Demetrios war nicht entgangen, wie gelöst Tibi aussah. Das Leben als Sklave konnte grausam sein und viele Sklavenherzen waren gebrochen oder zu Staub zermahlen und jeder Funke Leben aus den Augen verschwunden. Diese Seelen waren hoffnungslos verloren, aber der junge Tiberios schien ein aufgeweckter, wissbegieriger und kluger Geist zu sein, der noch Feuer in den Augen hatte. Vielleicht war das, was Domina Proxima in dem Jüngling gesehen hatte - eine Seele, die noch nicht gebrochen und verbraucht war. "Keine Bange, das lernst du alles im Handumdrehen. Auch das mit den Krebsen zeige ich dir...es sind nur kleine Flusskrebse und keine großen aus dem Meer. Wenn sie dich einmal zwicken, dann ist das ganz harmlos. Man muss nur die Panzer wie eine große Nuss knacken, um an das leckere Fleisch zu kommen. Die Beinchen sind das beste! Außen knackig und innen zartes, weißes Fleisch!"


    Kurz hielt der alte Sklave an, um zu verschnaufen. Nach ein, zwei Minuten ging es aber wieder weiter. "Da kann man gar nichts schön reden. Wenn Athenais dich lange genug anstiert, dann verwandelt sie dich vielleicht auch in Stein wie die Medusa." schwatzte der alte Grieche und ließ einen meckernden Lacher los.


    Tiberios war nur kurz weg gewesen zwischen dem Kauf der Tuniken und Schuhe und dem kleinen Schwätzchen mit Aretas. Nachdem die Bezahlung für die Kleider und Schuhe geregelt war und das neueste Geschwätz ausgetauscht war, wendete sich Demetrios wieder Tiberios zu. "Ah da bist du ja. Gut, dass alles passt und es so schnell ging. Wir haben auf jeden Fall noch Zeit. Folge mir und ich führe dich dahin. Es ist ein strammer Fußmarsch an den Stadtrand, aber es lohnt sich."


    >>Therme

  • Tiberios hörte zu:

    „Oh, essen tu ich Krebse bestimmt gerne.“, sagte er, die kannte er auch aus Roma, wenn auch die großen aus dem Meer. Allerdings war ihre Zubereitung Angelegenheit der Küchensklavinnen gewesen, und diese verteidigten ihren Arbeitsbereich gegen jeden Eindringling:

    „Aber wie tötet man sie?“ Es grauste ihm ein wenig, er hatte noch nie etwas umbringen müssen.


    Demetrios hielt wieder einen Moment an, um sich auszuruhen. Es war ihm anzumerken, wie ihn die Hitze schlauchte. Tiberios nahm sich erneut vor, dass der ältere Sklave nie wieder in seinem Leben schwer tragen sollte.


    Er lachte mit, als Demetrios ein wenig über die sauer dreinblickende Händlerin lästerte: „Pindar beschreibt ja, Medusa sei vor ihrer Verwandlung wunderschön gewesen. Wer weiß, was sich hinter Athenais gefurchteter Stirn verbirgt...“,

    und er parodierte den Anfang von Pindars pythischer Ode, die Medusas Schicksal behandelte:

    Ich flehe zu dir, o Händlerin der Wurzeln, schönste Bäuerin unter den Sterblichen, die du an deinem Stand die heeresernährenden Gemüse feilbietest für meisterlich gekochte Suppen o Königin....

    lass mich bitte mein Glück nächstens versuchen, Demetrios. Aber erst wenn ich wieder ansehnlich bin und nicht mehr behaart wie ein Barbar.“

    Als Tiberios von Viridomarus zurückgekommen war, nahm er dem iunischen Sklaven ganz beiläufig die Einkäufe ab.



  • "Die Krebse? Wie eine Nuss! Mit dem Hammer an der richtigen Stelle auf den Panzer draufhauen und dann bricht er auf wie eine Nussschale." Der alte Grieche verdeutlichte das anschaulich mit Handgesten und einem Knackgeräusch, gespielt übertrieben als Witz. Bei der spontanen Parodie von Tiberios, der anscheinend viel von Literatur und Dichtung verstand, musste Demetrios schmunzeln. "Versuche es ruhig, auch wenn ich nicht sicher bin, ob sich hinter unserer Medusa einmal eine schöne Frau verbarg. Und ja...das können wir in der Therme ohne Probleme lösen."


    Dankbar ließ er sich die Einkäufe abnehmen und schlug den Weg zurück über den Markt Richtung Taberna ein. "Wir bringen am besten die Sachen fix in die Taberna und ich hole das Badezeug und meine andere Tunika. Es liegt ohnehin auf dem Weg Richtung Therme. Aber sag Tiberios, warst du früher ein Tutor? Du sagtest ja, dass du Vilicus warst, aber du scheinst auch von Literatur und Wissenschaften viel Ahnung zu haben." Der Alte war schon ein wenig neugierig, wie so ein gut gebildeter Sklave in einer relativ einfachen Gastwirtschaft gelandet war.

  • Tiberios verzog etwas das Gesicht, als er sich das Geräusch des zerspringenden Panzers vorstellte, aber über Demetrios geräuschvolle Darbietung musste er doch lachen.

    „Oh, ich glaube, ich selbst werde zukünftig wie ein Pythagoreer leben, wenn ich das tun muss.“, bemerkte er:

    „Und zu meiner Geschichte, ich war nur ganz kurze Zeit beinahe ein Lehrer und zwar des Sohnes meines Herren in Alexandria…..

    Demetrios war ein unterhaltsamer Weggefährte, und Tiberios merkte gar nicht, wie die Zeit verflog, als sie seine Badesachen geholt hatten und an die Therme gelangten.

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