Hadamar knirschte mit den Zähnen, und ein leises Grollen stieg in seiner Kehle auf, als er seine Leute betrachtete. Es war ein jämmerlicher Anblick, der sich ihm da bot beim Morgenappell. „WOLLT IHR MICH VERARSCHEN? WAS BEI IUNOS TITTEN HAT EUCH GERITTEN, EUCH SO GEHEN ZU LASSEN?!“ Hadamar brüllte so laut, dass die Adern an seinem Hals hervortraten. Da gab man den Männern dieser zwei Contubernia einen Abend frei nach ihrer Rückkehr von der letzten Grenzpatrouille, weil sie da ein größeres Scharmützel erlebt und dabei einen wirklich guten Kampf geliefert hatten, der eine Belohnung verdient hatte – und dann tranken sie so viel, dass manche am nächsten Morgen noch kaum diensttauglich wirkten.
Natürlich hatte er gewusst, dass sie den Abend nutzen würden, natürlich hatte er ihnen also erst freigegeben, als der Schichtwechsel beim Grenzdienst kam und sie bis zum nächsten Dienst an der Grenze erst mal in die Castra zurückkehren konnten. Natürlich hatte das impliziert, dass er ein Auge zudrücken würde, wenn sie einen über den Durst tranken – umgekehrt implizierte das aber auch, eigentlich, dass sie trotzdem verantwortungsbewusst damit umgingen, und er hatte geglaubt, dass er darauf jetzt mittlerweile mal bauen konnte. Dass sie vielleicht nicht ihre beste Leistung hätten abliefern können gestern Abend, wenn sie trotz Freigangs gebraucht worden wären, aber dass sie einsatzbereit gewesen wären. Dass da ein oder zwei Ausnahmen sein würden, selbst damit hatte er ja noch gerechnet, aber nicht dass es fast alle waren. Und das wiederum hieß: genug, dass die ganze Centurie bei der Strafe dran glauben musste. Nachdem das so gelaufen war, bezweifelte Hadamar jedenfalls, dass irgendetwas anders wäre, wenn andere Männer beteiligt gewesen wären, und davon ganz abgesehen hatte es zwei Vorteile: bestrafte man sie alle, sorgten die Kameraden eher dafür, dass sich ein solcher Fehltritt nicht wiederholte – und es stärkte im Idealfall die Gemeinschaft. Jedenfalls war es bei ihm so gewesen, als er noch Tiro gewesen war. Andererseits hatte er sich nie wegen so was in die Scheiße geritten. Er hatte wirklich geglaubt, er könnte die Zügel endlich mal für einen Abend lockerer lassen, nicht nur bei ein oder zwei, sondern contubernienweise. Es war ein Fehler gewesen. Sein Fehler. Und jetzt standen zwei Contubernia vor ihm inmitten ihrer Kameraden und schauten drein, als würde ihnen gleich der Schädel platzen. Was mehr als genug Rückschluss auf den gestrigen Abend zuließ.
Er wusste auch schon, was die Strafe sein würde. Die Männer konnten sich zwar denken, dass ihnen jetzt etwas blühte, aber das, was ihm vorschwebte, würde ihnen nicht schmecken. Sie rechneten vielleicht mit ein paar Gewaltmärschen über mehrere Tage hinweg, die härter waren als üblich, irgendwas in der Art, das machte Hadamar ganz gerne mal, weil es gleichzeitig auch dem Training diente. Aber diesmal hatte er etwas anderes in petto, etwas, das die meisten wohl weit ätzender finden würden. Das war der Moment, in dem Hadamar grinste. Nur war es ziemlich humorlos, und es hatte etwas Wölfisches. Seine Untergegebenen wussten, dass das nichts Gutes bedeutete. Das einzig Blöde an der Sache war: ihn würde es genauso treffen. Er war Teil dieser Centurie. Waren ein paar betroffen, war es etwas anderes, aber wenn er so wie jetzt alle bestrafte, hing er mit drin. Da nahm er sich nicht aus, das tat er selten – und jetzt konnte er gar nicht anders, weil er es genauso verdient hatte. Er war ganz offensichtlich einer Fehleinschätzung aufgesessen, was seine eigenen Leute anging.
Sein Grinsen wurde ein kleines bisschen bösartig. Er freute sich nicht auf die Arbeit, die ihnen bevorstand, aber er würde dafür sorgen, dass jeder einzelne von den Männern vor ihm sie genauso ätzend fand wie er. Und da sein Optio ihn schon vorgewarnt hatte, hatte er auch schon alles einfädeln können. „Trifft sich hervorragend, dass eine der Straßen zur Grenze saniert werden soll. Ich hab uns freiwillig gemeldet dafür.“ Grenzdienst hatten sie ja gerade erst hinter sich. Hatten sie also Zeit für so was. „WIR BRECHEN SOFORT AUF!“ Jetzt brüllte er nur um die Saufköpfe nochmal zusammenzucken zu sehen. Würde er heute noch öfter – er sah jetzt schon kommen, dass er am Abend heiser sein würde. Aber das war es wert. „ABITE! CURSIM!“ Und brüllte jedem der Delinquenten noch ein Cursim ins Ohr, als sie an ihm vorbeikamen. Für den Moment brauchte er die Vitis gar nicht. Es reichte völlig, den Saufköpfen ins verkaterte Gesicht zu brüllen, um ihnen Schmerzen zuzufügen.