Fluchtwege gab es eine Menge, die Ecke war bestens einsehbar. Sein Auftragnehmer musste jedoch kurz warten, da die Tür zur Taberna sich öffnete. Sabaco blickte an ihm vorbei, sah seinem kleinen Bruder nach, der allein die Taberna verließ und durch die dunkle Straße ging.
Das Gefühl der Erleichterung, weil Ocella allein war, währte nur kurz, denn der Kleine verzog sich, ohne an dem Abend auch nur ein Wort mit ihm gewechselt zu haben. Das tat weh. Was war nur los? Sabaco hatte doch bei der Classis sein Bestes gegeben, nicht gezündelt, auch wenn er von den Flammen träumte. Er hatte sich auch nicht mehr geprügelt und die Frauen des Ortes, sogar die Huren, in Ruhe gelassen, was vor allem Neros Verdienst war, doch der Grund war ja egal. Fakt war, dass Sabaco sich in der Öffentlichkeit anständig benommen hatte. Auch Ocella selbst hatte er nicht mit seiner brüderlichen Zuneigung bedrängt, sondern ihn sein eigenes Leben führen lassen und seine Freiheiten nicht versucht zu beschneiden. Zu den beiden kurzen Konfrontationen mit Varro hatte er sich zusammengerissen und professionell agiert.
Sabaco fühlte sich wie ein Musterknabe. Es war doch alles so, wie Ocella es sich von seinem großen Bruder immer gewünscht hatte. Warum schnitt Ocella ihn trotzdem? Was fehlte? Was war zu viel? Er spürte Liebe und Schmerz, als er beobachtete, wie der kleine Bruder davonging. Erst, als Ocella aus seinem Blickfeld verschwand, richtete er seine Aufmerksamkeit auf sein Gegenüber. Der hatte sicher geschaut, wohin Sabaco die ganze Zeit so stierte, und daher Ocella gesehen. Zumindest ging Sabaco davon aus.
"Der Mann, der gerade die Taberna verlassen hat, ist mein kleiner Bruder. Er benötigt meine Hilfe", erklärte er. "Ein Weib hat ihm die Sinne verhext. Ich habe Grund zur Annahme, dass sie seine Gutmütigkeit ausnutzen und sein Leben zerstören wird. Leider kann ich ihm nicht persönlich helfen, weil mein Dienst mich zeitlich sehr bindet und auch, weil ich nicht die Zuneigung meines Bruders verlieren möchte."
Den Rest, der da vielleicht irgendwo im letzten Winkel von Ocellas Herz schimmelte.
"Er versteht nicht, dass ich es gut mit ihm meine. Trotzdem kann ich nicht tatenlos zusehen, wie er in seinen Untergang marschiert. Welcher Bruder würde das tun? Die Frau, von der ich spreche, ist die Wirtin dieser Taberna, Eila. Ich möchte, dass sie auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Am besten so, dass mein Bruder ihren Tod gar nicht bemerkt. Es würde ihn nur aufregen, es ist besser, wenn er glaubt, sie hätte ihn sitzengelassen, damit es ihm für die Zukunft eine Lehre ist. Hundert Sesterze erhältst du als Anzahlung, davon kannst du ein Vierteljahr in Saus und Braus leben und dich ganz auf die Erfüllung des Auftrags konzentrieren. Die restlichen Neunhundert gibt es für ihr abgezogenes Gesicht als Nachweis."
Der ganze Kopf war nervig schwer, tropfte rum und war beschissen zu transportieren.
"Ich gebe dir für den vollen Lauf eines Mondes Zeit, damit du alles gründlich vorbereiten kannst. Danach erlischt der Auftrag und jemand anders wird sich die tausend Sesterzen verdienen. Sind wir im Geschäft?"