Die junge Römerin reiste so früh im Jahr, weil sie sich von Alexandria aus zumindest bis Puteoli einer Gesellschaft hatte anschließen konnte, bei der zwei ehrwürdige Matronen dabei waren, die ihrer Mutter Cloelia Minor versprochen hatten, auf sie zu achten.
Da zum Reisen immer noch die schlechte Jahreszeit war, führte die lange Route an den Küsten entlang, über Kleinasien und Kreta und Sizilien nach Puteoli und ab da mühesam auf dem Landweg.
......„Das grüne Kleid und die Smaragdohrringe, das rosa Kleid und die Karneolperlen“,
Claudia Sabina trug eine schlichte, ärmellose Tunika, hatte das blonde Haar mit einem einfachen roten Band hochgebunden und diktierte, was ihre Amme Anaxarete und ihre Ornatrix Aglaia in der dritten Truhe verstauen sollten.
Zwei Tuhen waren schon verpackt und verschnürt.
Die beiden Hateriusse, wie Sabina sie nannte, Haterius Nummer Eins und Haterius Nummer Zwei; beide hatten sie die vorquellenden Augen und die dicke Oberlippe ihres Vaters, der Sabinas Stiefvater war, geerbt, saßen auf der zweiten Truhe und ließen die Beine baumeln.
Haterius Nummer Eins war zehn Jahre alt und Haterius Nummer Zwei acht.
Sabina liebte ihre Halbbrüder, wie man Brüder liebte, zu denen der Altersunterschied immens war – ein bisschen von oben herab.
Haterius Eins fragte: „Und warum darfst du übers Meer nach Roma fahren und wir nicht? Du bist schließlich nur ein Mädchen.“ „Ja, ein Mädchen, das so groß ist, dass es dir auf den Kopf spucken kann.“, konterte Claudia Sabina.
Groß war sie wirklich für eine Frau, wenn sie nicht gerade den Kopf einzog.
Sabina würde nach Roma zu den Verwandten ihres Vaters reisen. Ihr Stiefvater, der Ritter Haterius Nepos, hatte das Mädchen zwar unter seinem Dach geduldet, als er ihre Mutter, Cloelia Minor, Witwe von Tiberius Claudius Severus, geheiratet hatte, aber er war weder ihr Vormund noch konnte er sie vorteilhaft verheiraten.
„Wo ist der Panaetius?", fragte Sabina, bückte sich und schüttelte ihr Bettlaken, um das Gesuchte zu finden.
Ihre Sklavinnen wussten schon, dass sie damit keinen Menschen, sondern das Buch eines Philosophen meinte.
„Darum wollte sich Agamedes kümmern, Despoina“, antwortete Anaxarete.
„Agamedes!“, rief Claudia Sabina nach ihrem Hauslehrer. Der hörte ihren Ruf und schaute durch die offen stehende Tür. Er war ein Mann fortgeschrittenen Alters, mit grauem, in die Stirn gekämmten Haar und einem Kinnbärtchen:
„Deine Schriftrollen sind alle in der ersten Truhe, Herrin.“, sagte er, ohne dass Sabina zu ihrer Frage gekommen war. Und wie er „alle“ betonte, meinte er alle.
„Man könnte meinen, du hättest die komplette Bibliothek aus dem Serapeum mitgehen lassen.“, murmelte Anaxarete: „ Meinst du, bei den Rhomäern gibt es nichts zu Lesen?“
„Bestimmt gibt es mehr als genug“, meinte Claudia Sabina, und Haterius Nummer Zwei krähte: „Schmeiss' die Bücher raus und pack uns ein, dann können wir mitkommen“
„Da sind nicht nur Bücher drin.", murmelte Sabina verlegen: „Sondern auch meine Puppen.“
„PUPPEN!“, kreischten die Hateriusse einstimmig und verzogen ihre kleinen Gesichter voll Abscheu.
„Na, ich muss sie mitnehmen. Wenn ich heirate, opfere ich sie der göttlichen Iuno, so will es der Brauch.“
Und außerdem will ich sie nicht hier lassen, dachte Sabina, auch wenn ich schon achtzehn bin und schon lange nicht mehr mit Puppen spiele.
Automatisch setzte sich auf die dritte Truhe, damit diese verschnürt werden konnte…….
Claudia Sabina schreckte auf.
Durch das eintönige Poltern der Wagenräder war sie fest eingeschlafen, denn ihre Wange ruhte auf Anaxaretes Schulter. Das urplötzliche Anhalten der Carruca riss sie jedoch aus dem Schlaf.
„Sind wir schon da?“, fragte sie sofort. Sie hatte von zuhause geträumt. Von Alexandria.
Aber nein, das war gar nicht mehr ihr Zuhause.