Ausbildung der Tirones - Tivoli

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    Ausbildung der Tirones - Tivoli


    Zwanzig Meilen galt es zu marschieren und genau die wurden von den Neulingen unter der Führung von Lurco in Angriff genommen. Sie hatten die Castra verlassen, ebenso Rom und machten sich auf den langen Marsch zur Stadt, die für ihre Schönheit bekannt war.


    "Cornicularius Purgitius von Tivoli habe ich schon gehört. Man sagt, die Stadt überzeugt durch ihre schmalen Gassen und imposanten Bauten. Und die Wasserspiele, dort soll es zahlreiche Wasserspiele geben", warf Tettius ein.


    "So ist es, die Stadt ist tatsächlich wunderschön, aber um die Schönheit zu genießen, müssen wir sie erst einmal erreichen. Und vergesst eines nicht, wir müssen auch wieder zurück. Also geht sorgsam mit Euren Kräften um. Teilt sie Euch gut ein und versucht niemanden zu beeindrucken. Das ist kein Wettlauf, wir kommen als Truppe an oder wir versagen als Truppe. Nebenbei bemerkt, Versagen ist keine Option Tirones", antwortete Lurco.

  • Die Ankündigung, fünf Stunden zu laufen, rang Sempronius mehr Respekt ab, als die Strecke innerhalb dieser Zeit zu schaffen, denn er überschlug im Kopf, dass es sich bei der zu absolvierenden Geschwindigkeit, um eine zwar zügige, aber im Großen und Ganzen machbare Schrittgeschwindigkeit handeln musste. Es galt für ihn daher nicht, sich die Kräfte einzuteilen, sondern schlicht durchzuhalten, weil er am Tag bisher zwar viel lief, aber nie in einem Stück. Ohne Ausrüstung sollte dies trotzdem machbar sein. Anders als Tettius würde er an Luft und Spucke sparen, denn wer viel redete, verbrauchte zusätzlich Kraft. Außerdem trocknete Reden den Mund aus. Die Cingula militares trugen sie alle, aber ob auch alle ihre Feldflasche mitgenommen hatten, wusste Sempronius nicht. Seine baumelte am Gürtel.

    Da er Rom noch nie verlassen hatte, sah er sich zuweilen skeptisch um. Die Gegend kam ihm einsam vor, als Rom hinter ihnen lag und es dauerte eine Weile, bevor sich seine Sinne schäften. Wahrscheinlich würde er am Ende stumpf einen Schritt vor den anderen setzen, aber noch fühlte er sich fit und wach, um die Landschaft zu bewundern. Er hörte und roch sehr viel mehr als in Rom.

    Dass Tivoli ihn mehr beeindruckte als Rom, erwartete er nicht, ganz gleich, was dort für Bauten standen, aber die Wasserspiele würde er sich gerne ansehen.

  • Nachdem sie Rom erst einmal hinter sich gelassen hatten, war die Landschaft eine andere. Der Lärm, der Trubel, die ständige Betriebsamkeit ließen sie hinter sich zurück. Die Straßen von und nach Rom waren jedoch immer noch belebt. Purgitius gab ein gleichmäßiges Tempo vor, an dem sich alle orientieren konnten. Eine feste Marschordnung hatte er nicht vorgegeben, denn noch galt es allein die Körper zu stählen. Eine feste Formation benötigten sie nicht, alles was sie brauchten war ein eiserner Wille und Durchhaltevermögen.


    Von Zeit zu Zeit warf er einen prüfenden Blick zurück auf seine Tirones. Manche gingen allein, manche nebeneinander. Einige hielten besser durch als andere. Tiro Tettius der stets ein wenig zaghaft war und der die Bäckerei seiner Eltern erwähnt hatte, schien am meisten mit sich zu kämpfen zu haben. Vermutlich war er es nicht gewöhnt, weite Strecken zu laufen. Den ganzen Tag in einem Geschäft auf den Beinen zu stehen war das eine, eine derartige Strecke bewältigen zu müssen, dass war das andere. Nicht dass ein Tag in einem Geschäft nicht ebenfalls hart war, aber sie hatten fünf Stunden in Bewegung zu bleiben.


    Doch genau dafür zogen sie los, um die Körper und Gemüter der Tirones zu stählen. Crus lächelte jedesmal tapfer, wenn Lurco über sie alle schaute. Myrtilus hatte sich zu Sittius gesellt und ließ sich von dessen Takt mitziehen. Lurco beorderte Tettius mit einem Fingerzeig an seine Seite. Natalis begab sich sofort an die Seite von Purgitius und schaute seinen Ausbilder erwartungsvoll an.


    "Mehr Konzentration auf Deinen Schritt Tiro Tettius. Versuche einen gleichmäßigen Takt zu finden, halte Dich an mich und versuche auf gleicher Höhe mit mir zu laufen. Du gehst etwas schneller, ich etwas langsamer. Jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied, folglich ziehe ich Dich mit. Gemeinsam ist es leichter einen Takt zu finden. Dein Beitrag ist Konzentration und Mühe, Deine Kameraden verlassen sich auf Dich Tiro", erläuterte Purgitius ernst.


    "Ja Cornicularius Purgitius. Du musst wissen, meine Beine sind auch sehr kurz", erklärte Tettius etwas verlegen.


    Die Erläuterung ließ Phormio etwas irritiert aufgucken. Er hielt seinen Blick ansonsten beim Marsch auf den Boden gesenkt, um sich nicht von der Landschaft oder anderen Dingen ablenken zu lassen. Immer ein Schritt nach dem anderen, weiter und weiter und irgendwann wären sie in Tivoli.


    "Ich trage gerade dafür Sorge, dass Deine Beine kräftig werden, dann sollte das bald kein Problem mehr sein", gab Lurco zurück.

    "Danke Cornicularius Purgitius", antwortete Tettius respektvoll.


    Die Stunden wie auch die Meilen zogen ins Land, die Truppe kam gut voran und passte ihre Geschwindigkeit an die landschaftlichen Gegebenheiten an. Crus reichte unterwegs Dollabella seine Feldflasche, da dieser seine eigene bereits geleert hatte. Nach einiger Zeit waren die Nachfragen verstummt und jeder hing während des Marsches seinen eigenen Gedanken nach. Mach einer zählte nur die Schritte, ein anderer wiederum schaute auf die Schritte von Purgitius, um seine anzupassen.


    "Endspurt, haltet durch und beißt die Zähne zusammen", wandte sich Lurco an seine Tirones.


    Nach etlichen gelaufenen Stunden kam am fernen Horizont eine Stadt in Sicht - Tivoli.

  • Obwohl sie nicht in brütender Sommerhitze liefen, erzeugte das unermüdliche Laufen Durst. Sempronius nahm immer nur einen Schluck, spülte den Mund aus und schluckte anschließend das wertvolle Nass hinunter, anstatt es auszuspucken. Er wollten sparen, denn obwohl sie mal näher, mal etwas entfernt von einem Nebenfluss des Tibers liefen, wusste er nicht einzuschätzen, ob sich das Wasser zum Trinken eignete, denn Tivoli, das von Sempronius Tibur genannt wurde, könnte vielleicht die Abwässer in die Arienne leiten, so wie das in Rom mit dem Tiber geschah. Bestimmt würden sie ihren Durst nach der Ankunft stillen können.

    Problematisch war, dass sie auf ein ansteigendes Gelände zugingen, denn Tibur lag an den Hängen der Monti Tiburtini. Positiv hingegen war die angenehme klimatische Auswirkung dieser Berghänge, je näher sie ihrem Ziel kamen. Dadurch und des vielen Wassers wegen in der Gegend, mobilisierte Sempronius gegen Ende noch einmal alle Kräfte.

    "Wenn wir ankommen, gibt es kühles Wasser und du kannst dich hinsetzen", versprach Sempronius seinem Wegbegleiter, mit dem er seit einer guten Stunde nahezu im Gleichschritt ging, der aber auf den letzten Meilen schwächelte.

    "Da vor, siehst du das Ziel?" Sempronius wies Richtung Horizont.

  • Spurius Plancius Phormio nickte Carus dankbar zu.

    "Ja Du hast Recht, da ist es. Wir haben es fast geschafft", freute sich Phormio, der weiterhin mit Sempronius im Gleichschritt ging.


    Dann endlich betraten sie die Stadt.

    "Halt! Stillgestanden und in einer Linie antreten!", befahl Lurco und wartete die Umsetzung des Befehls ab. Als seine Männer wie befohlen standen, wandte sich Purgitius erneut an sie.


    "Tirones, Ihr habt Eure erste Aufgabe gemeistert. Einige von Euch sind an ihre Grenzen gekommen, andere haben ihren Kameraden beigestanden. Ihr wart eine Truppe und so soll es sein. Ich bin stolz auf Euch und gebe Euch in der nächsten Taberna zur Erfrischung Poska aus. Dort werden wir eine Weile rasten. Nun die weniger erfreuliche Nachricht, danach geht es auf zum Rückweg. Dieser ist ohne jede Zeitvorgabe. Bei der nächsten Aufgabe die zu bewältigen ist, werden wir nach Tivoli laufen und zurück nach Rom, zwölf Stunden und vierzig Meilen sind die Vorgabe. Doch bevor Ihr Euch darüber weitere Gedanken macht, bekommt Ihr Eure wohlverdiente Belohnung für Eure Leistung und Euren kameradschaftlichen Einsatz", erklärte Lurco.


    Purgitius schaute über seine Tirones und merkte sich, wer besonders im Auge behalten werden musste. Tettius und Plancius mussten noch was die Ausdauer anging zu ihren Kameraden aufschließen.


    "Marsch, mir nach", befahl Lurco und führte seine Tirones zur nächsten Taberna, wo er Poska für sie alle bestellte.


    Die erholsamen Stunden zogen ins Land und es wurde Zeit für den Aufbruch Richtung Rom und Castra. Erneut machte sich die Gruppe auf, diesmal ohne Zeitdruck. Die Meilen waren jedoch nicht weniger geworden und mussten abgerissen werden.

  • Die letzten Schritte fielen leichter, weil jeder einzelne Sempronius dem Ziel näherbrachte. Auch achtete er nicht auf die Strapaze, weil seine Sinne mit allerlei Eindrücken beschäftigt waren. Er achtete auf die Häuser, sah sich nach einer Stadtmauer um, erkannte Einwohner, aber ein Befehl unterbrach die Begutachtung der Stadt. Wie befohlen, trat er in Linie an. Er stand ganz freiwillig still, weil ihm nicht mehr nach Bewegung zumute war, und hörte zu. Der Anfang der Erläuterungen traf seinen Geschmack, weil ihr erstes Ziel eine Taberna darstellte. Trinken, was gäbe er aktuell für eine Posca, aber was danach kam, schmälerte erheblich die Freude, denn ihnen wurde kundgetan, dass der Rückmarsch nicht, wie erwartet, morgen, sondern in Kürze stattfinden sollte. Sempronius' Kinnlade klappte ein wenig nach unten, bevor er sich besann und den Mund wieder schloss. Als Trostpflaster diente die Aussage, dass es keine Zeitvorgabe gab.

    Das mit den zwölf Stunden verstand er nicht auf Anhieb, aber er sagte sich, wenn er den Kameraden und dem Ausbilder hinterher lief, konnte nichts schief gehen. Als erstes lief er seinem Ausbilder zur nächsten Taberna hinterher. Er ließ sich auf eine Bank fallen, stützte die Unterarme auf den Tisch und wartete sehnsüchtig auf das Getränk.


    Zu seiner Erleichterung brachen sie nicht sofort auf, sondern rasteten mehrere Stunden, aber auch die längste Pause ging einmal zu Ende, sodass sich Sempronius aufraffen musste, um wieder Richtung Westen zu gehen. Die Feldflasche hatte er in der Taberna mit Wasser aufgefüllt. Auf dem Hinmarsch sprach er wenig. Den Rückmarsch legte er nahezu schweigend zurück. Die Füße schmerzten, die Riemen scheuerten, irgendwann war seine Flasche leer und er wünschte sich in sein Bett.

  • Der Rückmarsch war ein Knochenjob, die Tirones hatten nur die Zeit auf ihrer Seite, denn sie spielte keine Rolle auf dem Heimweg. Mit jedem zurückgelegten Schritt kamen sie Rom und der Castra näher. Die Truppe lief schweigend, mehr auf sich selbst konzentriert als auf alles andere. Gut so. Sie sollten ihre Körper an ihre Grenzen bringen und darüber hinaus. In einem Einsatz wurde auch nicht gefragt, ob sie noch konnten, Lust hatten, wie spät es war und was sie sonst für Beschwerden haben mochten.


    Das war ein Vorgeschmack auf den Dienst und die Unwirklichkeiten die darin lauern konnten. Zudem bestand die unausgesprochene Aufgabe darin, sich selbst zu besiegen. Sich weiter zu schleppen, wenn man sich am liebsten hinsetzen und alles hinschmeißen würde. Wer trotzdem weiterlief, die Zähne zusammenbiss, dem war es mit der Ausbildung ernst. Schönwetter Urbaner hatten sie viele. Aber sie brauchten Männer die durch den Abgrund wateten, um den Feinden Roms danach immer noch die Stirn zu bieten.


    Schmerzen bedeuteten nur, dass man auf dem richtigen war. Dass man lebte. Und da wo heute noch Schmerz war, waren in Zukunft neue Fähigkeiten. War er auf dem ersten Etappenziel stolz auf seine Tirones gewesen, so war es Lurco jetzt mehr denn je. Sie liefen, sie stolperten, sie schleppten sich weiter. Aber keiner blieb zurück, niemand gab auf, sie blieben eine Truppe.


    Es war schon spät in der Nacht als sie Rom erreichten und die Castra betraten.



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    Und da waren sie nach zig Stunden auch schon wieder. Tivoli. Kaum dass sie die Stadt betreten hatten, suchte Lurco eine kleine Taberna auf, damit seine Tirones verschnaufen und zur Ruhe kommen konnten. Die Pause hatten sie sich redlich verdient. Er gab seinen Männern eine Runde Poska aus und jeder durfte sich so gut es ging dabei entspannen. Der Rückweg würde erneut ohne Zeitvorgabe stattfinden.


    Nachdem sie sich ausgeruht und gestärkt hatten, ging es zurück nach Rom, die Castra wartete auf sie.



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