Wie Stilo das gefiel. Ewig könnte er so weitermachen, wären da nicht Fristen und Vorgesetzte, sollte der Orcus sie allesamt verschlucken. Als hätten sie eine Ahnung von dem, was in Stilos Carcer geschah, jene Halbblinden, welche die feinen Fäden nicht sahen, die er webte, bis der Spinnenkokon sich anfühlte wie ein Seidenmantel. Ihm würde nie ein Gefangener unter den Fingern wegsterben, wie die Mahnung gelautet hatte, denn er misshandelte nicht ihre Körper, sondern tauchte langsam und beinahe schmerzlos ein in ihre Seelen, um daraus zu bergen, was ihn interessierte, und einiges hier und da ein wenig umzusortieren, was den Menschen ausmachte. Er bräuchte Zeit, hatte es seinen Vorgesetzten oft genug gesagt, dann würde das Ergebnis gut werden. Doch sie gewährten ihm keinen Aufschub mehr.
Die geforderte Beschleunigung war so riskant wie lästig, beinahe ein persönlicher Angriff auf den gekränkten Optio, eine Beleidigung, als würde man einem Töpfer das nur roh geformte Werkstück für den Brennofen entreißen und es anhand dieses Zustands bewerten, ohne zu ahnen, dass dies sein Meisterstück hätte werden sollen, in das er all ein Herzblut investiert hatte.
Beinahe liebevoll betrachtete Stilo sein viel menschlicheres Werk, das atmete und sich regte, das einige Momente in einer unfreiwilligen Verneigung verharrte in dem Versuch, sich vom Boden aufzurichten. Ein wenig mehr Feinschliff noch, und Eudoxus würde bis ins letzte Detail wissen, wie er seinen neuen Herrn und Meister erfreuen konnte, so dass sie am Ende beide glücklich waren. Mal schauen, in welcher Stimmung Eudoxus heute war. Die von Stilo entsprach einem Wetterleuchten, das die Luft flimmern ließ und ihm eine sanfte Erregung bescherte.
Eudoxus wusste noch nicht, dass dies heute sein letztes Gespräch mit Stilo werden würde, wie der Prätorianer die Verhöre nannte. Der Zeitdruck konnte am Ende alles zerstören, was bisher erarbeitet worden war. Stilo, sonst kein Mann großer Sorgen, spürte einen stärkeren Herzschlag als üblich in seiner Brust. Eine Emotion, die, wie die meisten seiner Gefühle, keinen Namen hatte. Er wusste nur, dass da irgendetwas schwelte, ein Platzhalter für etwas, das andere hätten benennen können.
Er ließ Eudoxus vorweg gehen, analysierte das Bewegungsmuster und die Gestalt. Hunger litt niemand, der kooperierte. Die Nahrung war nicht gut, doch sie war genug.
Körperliche Wunden - bei Eudoxus nicht existent. Seine Haut war unberührt, sofern er selbst nicht daran herumkratzte und nagte, doch bislang hatte Stilo ihm nicht das Hemd genommen, um darunter nachzusehen. Sein Innenleben - ein bislang unentschlüsseltes Mysterium, doch es war da, ein tiefer, reich gefüllter See, dessen reflektierende Oberfläche Stilo hatte glätten wollen, um in die Tiefe zu blicken, vielleicht dies und das schon zu erahnen, ehe er eintauchte. Von hinten - das Licht von Pansas Laterne, so dass Stilos langer schwarzer Schatten jenen des Eudoxus zu verschlucken schien. Eine deformierte Monstrosität war das Resultat, mit vier Armen und einem schwellenden und schrumpfenden Kopf.
Eudoxus kannte den Weg, es war der altbekannte Verhörraum. "Setz dich", sprach Stilo und würde gleich danach selbst Platz nehmen.
Fixiert wurde Eudoxus nicht auf seinem Stuhl - ein Privileg, das er sich erarbeitet hatte. Pansa schloss von außen die Tür und drehte den Schlüssel herum, den er danach an sich nahm. Eudoxus wusste nicht, dass Pansa diesmal nur die Laterne stehen ließ, so als würde er vor dem Raum warten, sich jedoch außerhalb der Hörweite verzog, so dass er die beiden nur hören würde, wenn einer von ihnen schrie. Das Gespräch selbst blieb unverständlich, Stilo und Eudoxus würden die einzigen sein, die um den Inhalt wussten. Es war gut, verlässliche Freunde zu haben, und sicherer für Pansa, wenn er so wenig wie möglich von dem mitbekam, was heute hier geschehen würde.
Die Foltermaschinen wurden von der Laterne heute deutlicher ausgeleuchtet und warteten in offensichtlicher Bereitschaft, das Opfer aufzunehmen und seinen Körper zu zerstören.