Tablinium - Sisenna Seius Stilo zu Gast in der Domus Iunia

  • Tablinium

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    Das Tablinum öffnete sich oft mit seiner gesamten Vorderseite zum Atrium und konnte bei Bedarf durch Vorhänge oder Holztüren abgeschirmt werden. Die Rückwand des Tablinums war mit großen Fenstern versehen, so dass eine beeindruckende Blickachse vom Eingang des Hauses, durch das Atrium und das Tablinum bis in den Garten entstand. Hier empfing früher nicht nur der Pater familias seine Klienten, sondern es wurde allgemein als reich mit Wandmalereien ausgestatteter Repräsentationsraum genutzt. Wie bei allen vornehmen Familien befanden sich hier die Büsten der Vorfahren. Kurz - man konnte effektiv damit protzen.


    * * *


    Hier wurde nun Sisenna Seius Stilo deponiert, bis entschieden war, wie mit dem unangekündigten Gast zu verfahren sei. Alles kam durcheinander, weil dieser Gast es nicht für nötig gehalten hatte, den Gesetzen der Höflichkeit zu folgen. In der Küche rotierten die Sklaven. Vielleicht sah man Terpander den Stress an, als er Iunius Tacitus aufsuchte.


    "Dominus, dein Gast ist soeben an der Porta erschienen. Ich habe ihn erstmal ins Tablinium gesetzt. Wo darf ich decken lassen und welchen Wein servieren? Tablinium, Peristyl oder Garten? Andere Wünsche?" Da Seius Stilo, was den Geschmack von gutem Wein betraf, praktisch taubblind war, könnte Terpander auch den Billigsten nehmen, aber das konnte er so nicht sagen. Die Iunier waren ja nicht arm und am Wein zu geizen nicht notwendig, aber der teuerste wäre schlichtweg Verschwendung an diesem Gast, fand er.

  • Ich zog kurz eine Augenbraue hoch, hatte ich Seius Stilo um einen Tag Vorwarnzeit gebeten. Weiter ließ ich mir aber nichts anmerken. "Danke, Terpander. Ich denke, dass sich das Wetter noch für die Exedra eignet. Eine Feuerschale für ein wenig Wärme könnte noch sinnvoll sein." Auch wenn ich selbst es bevorzugte, die Kühle der Nacht zu genießen. Zumindest noch, solange es nicht Winter wurde.


    Blieb noch die Frage nach dem Wein. "Der geharzte attische Rotwein sollte für den Anfang genügen. Zum Essen wären ein lieblicher sizilianischer und ein spritziger keltischer Weißwein gut. Und wo ich gerade beim Essen bin. Zur Vorspeise am besten in ovis hapalis und pulsum, das ist schnell gemacht und sollte der Küche etwas Zeit verschaffen. Und da wir gerade von Zeit verschaffen reden, werde ich mich um unseren Gast kümmern, bis die Exedra vorbereitet ist."


    ***


    Ich ging ins Tablinum und lächelte freundlich, als ich ich auf meinen Gast zuging. "Seius Stilo, ich danke dir, dass du die Zeit gefunden hast, meiner Einladung zu folgen. Ich bin Aulus Iunius Tacitus. Willkommen im Domus Iunia." Ich reichte meine Hand zur Begrüßung.

  • Stilo stand auf, als der Gast eintrat und drückte ihm lächelnd die Hand. Er nahm die Details des Gesichts von Iunius Tacitus mit besonderer Aufmerksamkeit wahr. Der Mann sah völlig anders aus als vermutet. Von wegen Wiesel. Gutaussehend in jedem Fall, wie alle ihres Blutes, dunkelhaarig und dunkeläugig, wie es sich gehörte. Aber Tacitus war zur Abwechslung ein bärtiger Iunier, da mochte vielleicht eine Neigung für griechische Philosophen durchschlagen. Aber das würde sich im Gespräch ergeben.


    "Salve, Iunius Tacitus. Angenehm, deine Bekanntschaft zu machen. Sisenna Seius Stilo. Besten Dank für die Einladung. Ich könnte mich für mein spontanes Entscheiden entschuldigen, allerdings wäre das geheuchelt, denn mein plötzliches Erscheinen ist pure Absicht, da ich gerade Zeit fand und in der Nähe war. Warum länger als nötig warten, wenn es einen verschollenen Verwandten zu begrüßen gilt. Hast du dich schon gut in Rom eingelebt?"


    Vor allem wollte Stilo einen unverfälschten Eindruck gewinnen und nicht den feinen und geleckten, den man bei angemeldeten Besuchen präsentiert bekam.

  • Ich Stilos Wortwahl aufmerksam zur Kenntnis. Sein Erscheinen war Absicht. Natürlich war es das, alles andere wäre sinnbefreit. Dass er Zeit fand, war offenkundig, sonst wäre er ja nicht hier. Fraglich war, ob er gerade in der Nähe war. Hier nachzuhaken, wäre müßig und der Mehrwert wahrscheinlich inexistent. Er war auf jeden Fall direkt. Das gefiel mir. Vom Auftreten her war er, wie ich es nach Terpanders Hinweis bei meiner Ankunft erwartet hatte, ganz Soldat. Zumindest so, wie ich mir einen Soldaten vorstellte.


    "Deine Spontanität sorgt leider dafür, dass wir keine angemessene Cena vorbereiten konnten. Ich hoffe deshalb, dass dir auch einfachere Küche zusagt. Doch will ich ebenfalls ehrlich sein und meine Meinung teilen, dass du letztlich genau zu dem Zeitpunkt hier angekommen bist, wie es der Fluss der Zeit ermöglicht hat. Deshalb stört es mich auch nicht. Doch nun zu deiner Frage. Nein, so wirklich eingelebt habe ich mich noch nicht. Rom ist der Ort meiner Kindheit, doch hat sich viel verändert, seit ich fort ging. Und das Lebensgefühl eines Kindes unterscheidet sich schon erheblich vom Lebensgefühl eines Mannes. Meinst du nicht auch?"

  • Eine lange Reihe von Sklaven marschierte zügig an der Tür vorbei, jeder Trug ein Tablett. Ziel war die Exedra, die nun in Windeseile hergerichtet wurde. Stilo war ein anspruchsloser Gast, aber sein Humor war zum Kotzen, vor allem wenn er auf Terpanders Kosten ging. Wahrscheinlich lachte der Prätorianer sich beim Anblick der gestressten Sklaven köstlich ins Fäustchen.


    Terpander ließ sich von seinem Unmut nichts anmerken, als er den gewünschten attischen Rotwein samt Wasser ins Tablinium trug und beiden Herren einschenkte, dem Hausherrn zuerst und Stilo einen Fingerbreit weniger. Aias brachte die gewünschte Vorspeise. Ohne das Gespräch zu unterbrechen, verschwanden die Sklaven wieder, um sich der Exedra zu widmen.


    Der Koch jammerte, Terpander schaute finster, Botenjunge Begoas stand kurz vor den Tränen. Doch wenig später war die Exedra in einen äußerst einladenden Ort verwandelt. Terpander gab dem Hausherrn ein nonverbales Zeichen, dass alles bereit war, ehe er wieder entschwand.

  • "Keine Sorge, ich bin bestens genährt. Man lässt uns nicht hungern in der Castra Praetoria. Freut mich, dass mein spontanes Erscheinen keine Umstände macht."


    Er stand auf, als Terpander seinem Herrn, sichtlich mürrisch, ein Zeichen gab. Wahrscheinlich sollten sie jetzt irgendwohin gehen.


    "Offen gestanden hat sich mein Lebensgefühl nicht wirklich verändert, seit ich die Toga virilis trage. Der Spieltrieb ist geblieben, auch wenn die Art der Spiele sich verändert hat. Wir hatten in Satala ein Theater, das unter der Hand als das Theater mit den hässlichsten Schauspielern des Imperiums bezeichnet wurde. Der Humor war derb, anzüglich und plump. Wir haben mit den Soldaten der Legio XV Apollinaris kaum eine Aufführung verpasst. Obendrein hatten wir auch das Lupanar mit den hässlichsten Huren abbekommen. Du siehst, Wein war überlebenswichtig."


    Er hob schmunzelnd den Weinbecher, den der Sklave aus Rache nur zum Teil befüllt hatte, was Stilo amüsiert zur Kenntnis nahm.


    "Aber deiner Frage entnehme ich, dass du die Dinge anders erlebt hast. Dein Lebensgefühl hat sich gewandelt. Wie? Und wie kam es dazu?"

  • Ich schmunzelte ob seiner Sätze über Satala. Als er den Weinbecher hob, hob ich meinen ebenfalls. Dann gab ich mir meiner Hand eine freundliche Geste, mich auf den Weg zur Exedra zu begleiten, während ich sprach.

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