[Grundausbildung] Geländeritt

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    Sie ließen die Castra hinter sich zurück und ritten dem Rhenus folgend nach Süden in Richtung Borbetomagus. Die Straße lag breit und ebenmäßig vor ihnen, ein Teil des endlosen steinernen Netzes, die Pulsadern des Imperiums. Erste Schneeflocken setzten sich auf den Rüstungen der Männer und den Mähnen der Pferde nieder. Bei jedem Atemzug stießen Mensch und Tier eine Dampfwolke aus.


    Ihnen kamen Reisende und Händler entgegen. Die Ala wich nicht, sondern machte sich unverschämt breit auf der Straße. Diese bot durchaus genügend Platz, um den Reitern Roms auszuweichen, so dass niemand im Graben landen musste, und wenn hätte das Sabaco auch nicht geschert. Er war nicht Germanicus Varro, der für seinen Edelmut bekannt war, sondern verkörperte eine dunklere Seite von Roms Macht, die er als Ausbilder an seine Tirones weiterreichte. Ihm war wichtig, seine Tirones zu lehren, wie sie sich in jeder Situation bedingungslos Respekt verschufen. Höflichkeit gegenüber Zivilisten ließ einen nur schwach wirken. Er wusste, dass die meisten seiner Tirones nach der Grundausbildung einem Feind entgegentreten mussten, der zu Gräueln fähig war, die sie in ihrer gegenwärtigen Unschuld noch nicht einmal erahnen konnten. Die Männer mussten nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Herzen in Eisen panzern.


    Momentan war alles entspannt. Sabaco übte mir ihnen ab und zu das plötzliche Anhalten oder Wenden, indem die Reihe der Ausbildungsturma sich an sich selbst vorbeischlängeln musste. Der Decurio blickte regelmäßig über seine Schulter zurück. Bisher sah alles gut aus. Die Tirones mussten ein Gefühl für ihre Pferde entwickeln und die Pferde sich ihrerseits an ihre neuen Reiter gewöhnen.


    Der entspannte Ausritt barg jedoch seine eigene Art der Herausforderung - die Langeweile, die sich nach einigen Stunden einstellte, die beginnenden Schmerzen und das monotone, enervierende Hufgeklapper zu ertragen. Manch einem schwante, dass der Ritt lang werden würde, denn den Rückweg hatten sie, als die Sonne den Zenit überschritt, noch immer nicht angetreten.

  • Tatsächlich ging der Ritt der Abteilung weit über die Umgebung des Lagers hinaus und der Decurio schien sich nicht mehr nach einer Heimkehr zu sehnen. Allmählich machte sich bei den Rekruten der lange Ritt bemerkbar. Randolf rutschte auf seinem Hosenboden hin und her und man konnte erkennen, dass er mittlerweile Qualen erlitt und versuchte seinen geschundenen Körper zu entlasten. Faustus grinste sich eins und ritt gemächlich weiter. Für ihn war dieser Ausritt eine Entspannung vom Alltag des Lagerlebens. Während seiner Zeit in Germanien hatte er schon ganz andere Touren hinter sich gebracht und vor allem auch unter dem Druck des Verfolgt Werdens. Das war eine andere Hausnummer und war kräftefressend. Er konnte nur hoffen, dass der Decurio heute Mitleid mit ihnen allen hatte und nicht noch das Tempo sowie eine Verfolgungsoperation starten würde. Für Faustus war es gut, dass er sein eigenes Pferd unter sich wusste und diesem Vertrauen konnte. Weiter vorne begannen einige der Männer lauthals zu jammern und man konnte ihnen ansehen, dass sie fertig waren. Doch so wie man den Decurio einschätzen konnte war das Wasser auf sein Mühlenrad und würde ihn zu noch größeren Seltsamkeiten verleiten.

  • Jene, die das Reiten gewohnt waren, hielten sich wacker. Auch Iunius Rupa sah man an, dass er regelmäßig längere Zeit im Sattel saß. Andere rieben sich einen scharlachroten Wolf, der sie noch Tage, Wochen und nicht selten Monate quälen würde, da sie bei der Ala keine körperliche Schonung einlegen konnten. Es dauerte, bis sich der Körper daran gewöhnte und die Muskulatur so kräftig war, dass man das schonende Sitzen für die Dauer vieler Stunden bewusst steuern konnte. Manch einer würde heute schamvoll zum Medicus kriechen und um eine lindernde Salbe betteln.


    Sabaco grinste genüsslich in sich hinein. Den fehlenden Ausgang würde in dieser Zeit wohl niemand vermissen. Gut so. Sie würden ihr Zivilleben in die zweite Reihe verbannen, ohne es bewusst zu merken. Zu müde, zu schmerzvoll, zu gestresst, keine Lust. Der eigene Stamm und das zivile Lotterleben verblassten. Die meisten Tirones fielen am Ende des Tages halbtot ins Bett. All das war kein Nebeneffekt, sondern Absicht. Ihr Leben für Rom.


    "Der Schmerz von heute ist eure Stärke von morgen", verkündete Sabaco eine seiner Weisheiten. Seine Augen aber musterten die Böschung ...


    Plötzlich riss er die Faust zum Halten auf Schulterhöhe. Zeitgleich sprangen aus dem Unterholz zu beiden Seiten der Straße Gestalten, die brüllend auf ihre Schilde trommelten.

  • Faustus wurde überrascht wie alle anderen Rekruten auch. Was war jetzt los? War das ein Überfall? Was sollte dieser Blödsinn hier im Gelände? Was wollten diese Kerle von römischen Soldaten? Wie auch immer für Faustus ergab sich aus der vorhandenen Situation nur zwei logische Schlussfolgerungen, entweder es war eine Übung vom Decurio oder es handelte sich um einen richtigen Überfall. In beiden Fällen gab es nur eine Alternative und so zückte Faustus in einer fließenden Bewegung sein Schwert um es kampfbereit anwenden zu können. Zu Randolf zugewandt zischte er nur kurz rüber: “Zieh dein verdammtes Schwert du Idiot und mache dich kampfbereit!“ So zückte auch Randolf unbeholfen die Waffe und richtete sie in Richtung der brüllenden Männer. Viele ihrer Kameraden waren aber immer noch erschrocken ob des plötzlich stattfindenden Überfalls und verharrten in einer unentschlossenen Position. Ihnen schien es gar nicht in den Sinn zu kommen jetzt und hier kämpfen zu müssen.


    Während sich die Abteilung noch unschlüssig verhielt trieben Faustus und Randolf ihre Tiere in eine offenere Position um einem möglichen Angriff begegnen zu können. Leider hatte die Abteilung mit dem Decurio noch nicht gelernt die Formation zu verbreitern um somit eine größere Angriffsfläche der Abteilung zu ermöglichen. In Germanien waren in solchen Situationen die Krieger immer weit auseinandergeritten um dann einzelnen im Kampf sich der Angreifer zu erwehren. Doch das konnte nicht der Sinn im vorliegenden Fall sein. Wenn die Abteilung einen geschlossenen Angriff zusammenbringen würde, waren die Angreifer innerhalb kürzester Zeit erledigt. Wichtig war jetzt einzig und allein der Blickkontakt mit dem Decurio und was dieser entschied. Und dann hie0 es sofort zu reagieren sonst würden Kameraden ggf. sterben müssen. Faustus als einer der älteren und sicherlich auch erfahreneren Rekruten schien regelrecht zu explodieren in seinen Entscheidungen. Für den Mann ging es nur noch um sein Überleben. Und aus den zahlreichen Auseinandersetzungen in Germanien war sein Lebenserhaltungswillen gestärkt hervorgegangen. Auch die Miene Faustus hatte sich verändert, sein Gesicht wie auch seine Haltung strömten jetzt eine tödliche Aura aus und er war bereit Menschen zu töten.

  • Die erfahrenen Soldaten hatten einen riesen Spaß daran, die Frischlinge zu erschrecken. Trotz der Verkleidung war inzwischen wohl erkannt worden, dass es sich hier nicht um echte Angreifer handelte, denn keiner von ihnen trug langes Haar oder einen Vollbart. Auch fand kein tatsächlicher Angriff statt, sondern alles entpuppte sich als ein riesengroßer Bluff. Den größten Stress hatten nun noch die Pferde, die das nicht unterscheiden konnten.


    Die Milites der Legio XXII trommelten unablässig mit den Bararenwaffen auf die runden Barbarenschilde, johlten und brüllten sich die Seele aus dem Leib, in dem Versuch, den Tirones die Kontrolle über ihre Tiere entgleiten zu lassen. Einige fuchtelten und machten weit ausholende Gesten.


    Die Centuria war nah, aber nicht so nah, dass sie einen Pferdehuf oder eine im Affekt geschwungene Waffe abbekommen konnten.

  • Faustus starrte gespannt auf die schreiende Barbarengruppe und ihm fiel auf, dass diese Gruppe eigentlich nur Krach machte und ansonsten sich kämpferisch zurückhielt. So dämmerte ihm relativ schnell, dass das wohl eine Übung sein musste, da Germanenkrieger sich definitiv nicht so aufführten wie diese Gruppe. Bei richtigen Germanen wäre es jetzt bereits zu einem tödlichen Gemetzel gekommen. Die Ausbildungsturma wäre genau das gefundene Fressen für blutrünstige Krieger gewesen. Faustus schüttelte daher nur den Kopf über diesen Blödsinn der da stattfand und schob entschlossen seine Waffe zurück in die Scheide. Randolf tat es ihm gleich, obwohl dieser die Zusammenhäng noch nicht richtig erfasst hatte. Aber das war auch sein Vorrecht, da er noch jung und unerfahren war. Faustus selber ließ nochmals einen vernichtenden Blick über die Angreifergruppe schweifen und ihnen klar zu machen, dass einige von ihnen mit dem Leben davongekommen waren. Faustus selber verstand was solche Ulkereien anbelangte keinen Spaß, für ihn war alles was mit einem möglichen Kampf verbunden war tödlicher Ernst. Sowas konnten sich auch nur die Römer ausdenken, in Germanien wurde wenn die Waffe gezogen worden war sofort blutiger Ernst. So schüttelte er über diesen Blödsinn nur leicht den Kopf. Das Adrenalin in seinem Körper ließ langsam wieder nach und Faustus fädelte sich mit seinem Pferd wieder in die Reihe der Tirones. Diese waren immer noch dabei ihre durchdrehenden Pferde irgendwie unter Kontrolle zu bekommen. Faustus blickte ging Richtung des Decurios und so sah er bei diesem ein leichtes Grinsen. Gut du hast also deinen Spaß gehabt und wieder hatten die Frischlinge was dazugelernt. Faustus Blick ruhte in denen des Decurios und dieser konnte sicherlich die tödliche Entschlossenheit in diesen erkennen sofort den Gegner zu töten. Der Römergermane war auch aufgrund seines Alters ein anderes Kaliber wie die unbedarften Bübchen die sich der Ala angeschlossen hatten. Faustus hatte definitiv schon etliche Männer mehr getötet wie jeder der anderen Tirones in der Ausbildungseinheit.

  • Sabaco erwiderte den Blick des Iuniers mit einem anerkennenden Nicken. Hier war der Tiro schätzungsweise zehn Jahre älter als sein Ausbilder, auch wenn man das optisch kaum bemerkte. Sabacos ungesunder Lebensstil ließ ihn vor der Zeit altern. Er wusste nicht, ob Rupa verstand, dass diese Übung zwar lustig war, aber trotzdem einen ernsten Hintergrund hatte. Es ging darum, dass jeder Tiro lernte, sein Pferd in jeder noch so ungewohnten Situation zu kontrollieren.


    Sabaco wechselte ein paar Worte mit dem Offizier der Legio, bedankte sich für die Unterstützung bei der Übung und dann gingen beide Einheiten ihrer Wege. Die Legio kehrte zu Fuß zurück und die Ala wendete nach dem langen Ritt endlich die Pferde. Auch der Rückweg wurde noch einmal fordernd, aber technisch nicht mehr so anspruchsvoll wie der Hinweg. Die Pferde wurden durch seichtes Wasser gelenkt und durch einen holprigen Waldweg. Die Sonne ging schon unter, als die Castra in Sicht kam.


    Sabaco ließ die Tirones noch einmal kurz zu Pferd auf dem Exerzierplatz antreten.


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