[Campus Martius] Der Beginn einer Stadtführung

  • Vom Domus Iunia gingen wir nur ein Stück über die Via Flaminia, um dann rechts auf das Iseum et Serapeium zuzugehen.


    "Dies ist der Tempel der Isis und Serapis. Gottheiten der Ägypter. Was mich zu deiner Frage bringt, ob es stimme, dass die Götter der Ägypter einst mächtiger waren als unsere. Lass mich dir hierzu ein paar Fragen stellen. Es ist sicher unstreitig, dass unsere Götter heute die mächtigsten sind, sonst wären wir ja nicht die Herren der Welt. Gleichzeitig ist bereits Alexander der Große in Ägypten auf ein Königreich gestoßen, das seit vielen Jahrhunderten existiert hat. Es existierte schon lange vor Romulus. Wenn also die ägyptischen Götter mächtig waren, dann zu den Zeiten der großen Könige Ägyptens, die riesige Tempel erbaut hatten. Nun frage ich dich: Wurde Italien jemals von Ägypten beherrscht, so wie Ägypten nun von Rom beherrscht wird? Wurde Karthago jemals von Ägypten beherrscht, so wie Karthago nun von Rom beherrscht wird?"

  • Dort angekommen schaute Stilo voller staunen die Tempel an. Er kannte beide Götter, hatte aber noch nie eine Staute von Serapis gesehen habt. Etwas verwundert schaute er auf das Gefäß, dass über dem Kopf der Gottheit ragte. Er konnte sich kein Reim daraus machen, wollte aber auch nicht danach fragen, da er es für unangebracht empfand, dies vor dem Tempel des Gottes zu machen. Er drehte sich einmal komplett im Kreis herum, um den ganzen Platz sowie die Tempel zu betrachten und war überrascht, wie viele Menschen hier anzutreffen waren.


    Sobald richtete er seinen Blick wieder zu Tacitus und hörte ihm neugierig zu. "Du hast recht, niemals wurde Italien von Ägypten beherrscht. Sicherlich haben die alten ägyptischen Könige den Zorn der Götter auf sich gerissen", sagte Stilo und richtete seine Hand in Richtung des Isistempel, "Aber sie haben überlebt und werden heute noch angebetet." Nachdenkend schaute er wieder in Tacitus Richtung, um kurz darauf in den Himmel zu starren und murmelte vor sich hin "Hoffen wir, dass wir nie den Zorn unserer Götter herbei beschwören, denn unsere Götter sind mächtig." 

  • "Nun, ich deute den Untergang der alten ägyptischen Könige anders. Ich denke, dass die ägyptischen Götter vor allem Macht nach dem Tod haben und deshalb unseren Göttern nicht an Macht gleichkommen. Zuerst eroberte Alexander der Große das Land, dann wurde es noch für Jahrhunderte von seinen Nachfolgern regiert. Doch sind unsere Götter großzügig und sie ließen die ägyptischen Götter weiterleben. Vielleicht auch gerade deshalb, weil die ägyptischen Götter vor allem für die Unterwelt bedeutsam sind."


    Ich würde mich irgendwann einmal näher damit beschäftigen müssen.


    "Was die Griechen aber anbetrifft, so gebe ich dir Recht. Die scheinen wirklich die Götter erzürnt zu haben, sonst wären sie nicht unter unsere Herrschaft gelangt. Immerhin sind ihre Götter auch unsere Götter. Aber letztlich sind das nur meine Gedanken, ich mag mich auch irren. Das, was ich in Alexandreia gelernt habe, muss nicht zwingend richtig sein. Manchmal braucht eine Erkenntnis auch Jahre, bis sie einem klar wird. Manchmal wird sie auch niemals offenbar."


    Den eigenen Irrtum sah ich selbst immer als Möglichkeit. Immerhin war niemand unfehlbar.


    "Wollen wir weitergehen?"

  • Interessiert hörte Stilo Tacitus zu, nickte, und versuchte das gesagte zu verarbeiten. Stilo war selbst nicht so religiös, aber dennoch hatte er Ehrfurcht davor und opferte öfters mal den Göttern. Er hatte ebenfalls von zwei neuen Kulten gehört die nur einen Gott anbeten, fand dies aber äußert seltsam. "Das stimmt, ich habe es aus diesem Punkt noch nie betrachtet. Die ägyptischen Götter sind mir unbekannt aber die Griechen, ja, die haben wahrscheinlich den Zorn der Götter auf sich gerissen." sagte Stilo und richtete ein letztes Mal sein Blick auf beide Tempel. Als er sich wendete schaute er Tacitus an und ergänzte, " Du bist sehr gebildet und hast auch studiert. Ich bin noch jung und unerfahren und will mich im Dienste einer Legion stellen. Bei dir spüre ich allerdings dass du es wirklich einmal weit bringen willst."


    Er streckte in einer Geste die Hand nach vorne um zu zeigen, dass Sie weiterziehen konnten.


    " Bitte, nach dir. " sagte er und ergänzte anschließend, " Als ich angekommen bin, meinte Araros, dass du keine neuen Klienten annimmst. Was genau meinte er damit?"

  • "Als ich zwölf Jahre alt war, schickte mich mein Vater ans Museion in Alexandreia, um dort zu studieren. Dort blieb ich für zehn Jahre, bis mich die Nachricht vom Tod meines Vaters erreichte und ich nach Beendigung meiner Forschung nach Rom zurückkehrte. Die meiste Zeit meines Studiums beschäftigte ich mich mit Philosophie, Mathematik, und den Gesetzmäßigkeiten der Natur. Erst zum Schluss wechselte mein Interesse zum Funktionieren von Staaten und zur Juristerei."


    Während ich erzählte, gingen wir weiter zur Saepta Iulia.


    "Mein Vater hatte sich darüber gefreut, weil er selbst ein bekannter Jurist war und sich wünschte, dass ich ihm einmal nachfolge. Wir hatten uns häufiger per Brief gestritten. Im Rückblick muss ich sagen, dass meine philosophische Ausbildung mich aber eher zu einem besseren Juristen gemacht hat, als es eine rein rhetorische Ausbildung je vermocht hätte."


    Wir betraten die Saepta, die mit ihren 400 x 60 Metern ein beeindruckendes Gebäude war. Der große Platz war vollständig von einem Säulengang umgeben, der eine Vielzahl von Geschäften beherbergte.


    "Mein Geld verdiene ich als Advocatus. Innerhalb von kurzer Zeit konnte ich mir einen guten Ruf als Jurist, der seine Fälle gewinnt, aufbauen. Damit ist dann auch die Nachfrage nach meinen Diensten stark gestiegen. Ich möchte aber auch weiterhin Abhandlungen verfassen und habe deshalb beschlossen, erst einmal keine neuen Klienten mehr aufzunehmen. Die Zeit habe ich gerade nicht. Doch genug von mir. Welche Pläne hast du in der Legion? Möchtest du einfacher Legionär bleiben oder zu den Principales aufsteigen, vielleicht sogar Centurio werden? Oder sogar in den Ordo Equester aufsteigen und irgendwann einmal eine Ala kommandieren oder als Tribunus Angusticlavius dem Stab einer Legion angehören?"

  • Ja, Tacitus würde es weit bringen, dachte sich Stilo und war überrascht, was sich alles hinter einem Menschen verbergen kann.

    "Das mit deinem Vater tut mir leid. Ich kannte ihn leider nicht und mein alter Herr hat mich nie sonderlich über die Verwandtschaft aufgeklärt ... leider." ergänzte Stilo.

    "Bist du dann ganz alleine in Rom?", fragte er noch.


    An der Saepta Iulia angekommen überlegte Stilo, wie schwer es doch als Jurist sein könnte. All die Fälle, rhetorische Prachtexemplare an Redner und bewunderte den Mut, den man dazu aufbringen muss an so seiner verbalen Schlacht teilzunehmen, allzeit bereit von Justitia bewertet zu werden.


    "Ich bin mir sicher, dass dein Vater bereits jetzt stolz auf dich ist und dies auch weiterhin sein wird."


    Seine Wörter gingen unter den Schreien der Händler, die ihre Waren als die besten dem Imperium anpriesen, fast unter. Entlang des Säulenganges konnte man die verschiedensten Sachen finden. Von Gewürzen bis hin zu Kleidung - ja Perücken aus blonden und roten Haar, alles war vertreten.


    Auf die Frage von Tacitus erwiderte Stilo merklich beeindruckt von der Saepta," Ich würde gerne in den Ordo Equester aufsteigen. Ich weiß, das bedeutet viel Arbeit und Disziplin" lächelte Stilo und fuhr fort, " aber man muss sich Ziele setzen. Zu Hause musste ich überlegen, was ich einmal werden wollen würde. Ein Leben wie mein Vater es führt, nein, das wäre nichts für mich."


    Er schüttelte den Kopf und streckte voller Stolz seine Brust raus, "Leben heißt kämpfen, sagt mein Vater immer. Und so möchte ich ihn stolz machen."


    Seine Antwort klang fast schon kindisch. Die romantische Vorstellung eines Feldzuges, die eigene Überlegenheit gegenüber all den unterworfenen und noch zu unterwerfenden Völker - all das war das übliche Geschwätz eines kleinen römischen Jungen, der mit seinen Freunden am Lauf eines Baches spielend davon träumt, Legionär zu sein.

    Die Realität sah anders aus, das wusste zwar Stilo, er hatte oft mit den Veteranen von Crotona geredet, aber dennoch wollte er diesen Berg erklimmen und so hoch wie möglich kommen.


    "Verzeih mir. Manchmal geht mit mir die Vorstellung durch", ergänzte Stilo und zog seine Brust wieder hinein. "Ich bewundere, dass, was du machst. Sowas könnte ich nicht. Ich bin mir sicher, wenn ich dann in 25 Jahren wieder nach Rom komme, ja da bist du der berühmteste Jurist der Stadt."


  • "Für den Ordo Equester musst du nicht nur hart und diszipliniert arbeiten, du musst auch eine gute Bildung vorweisen, um den Aufgaben eines ritterlichen Beamten oder Soldaten gewachsen zu sein. Und du solltest einen Patron haben, der dich unterstützt."


    Der letzte Punkt war mir wichtig.


    "Weißt du, mein Vater war ein bekannter Jurist und recht vermögend. Klug und gut ausgebildet war er auch. Er erfüllte alle Voraussetzungen, um in den Ordo erhoben zu werden. Doch geschah das nicht. Ihm fehlte ein mächtiger Patron. Tatsächlich hatte mein Vater gar keinen Patron. Er sagte immer, dass ein Jurist unabhängig sein sollte und das sei unvereinbar mit einem Patron. Ich bin da anderer Meinung. Der richtige Patron unterstützt dich auch in deiner Unabhängigkeit als Jurist und fordert nichts von dir, was dich behindert. Im Gegenzug bist du ihm nützlich, ohne dabei deine Fälle zu vernachlässigen. Beispielsweise kannst du deinem Patron eine unabhängige, zweite Meinung bieten. Oder deine Klienten mobilisieren, um deinen Patron im Wahlkampf zu unterstützen. Es gibt viele Möglichkeiten, trotz Unabhängigkeit deinem Patron zu helfen."


    Was wollte ich jetzt noch einmal sagen?


    "Also, was ich meine ist, du solltest dir einen Patron suchen, am besten im Dunstkreis der Legionen. Ein Senator wäre ideal. Ohne die restlichen Voraussetzungen wird dir auch ein Patron nicht in den Ordo Equester helfen können, aber ohne Patron helfen dir auch die restlichen Voraussetzungen nicht."


    Wir kamen an einem Stand vorbei, an dem Bücher angeboten wurden. Ich betrachtete sah mir die Auslage an, während ich weiter sprach.


    "Kämpfen kann man übrigens auch im übertragenen Sinne sehen. Der Kampf mit der Waffe ist ehrenwert und unbedingt zu loben. Ich für meinen Teil bin ein ganz furchtbar schlechter Krieger. Meine Waffe ist das Wort und der Verstand. Ob es reichen wird, um berühmt zu werden, müssen andere beurteilen. Ruhm ist vergänglich, doch wenn ich meinen bescheidenen Beitrag leisten kann, dem Recht zu seiner Entfaltung zu helfen, dann bin ich zufrieden. Wichtiger als Ruhm ist es, unsere Zivilisation zu verbessern. Aber ich freue mich natürlich, dass du mich bewunderst. Ich bewundere dich aber auch, weil du bereit bist, dein Leben in den Dienst des Schutzes unseres Imperiums vor äußeren Feinden zu stellen."


    Ich sah mir währenddessen einen Stapel von Büchern an und deutete schließlich dem Händler an, dass ich Interesse hätte.


    "Sind das alle zehn Volumina der Politeia des Platon?"


    "Ja, Herr," sagte der Händler mit einer sehr angenehmen, ruhigen Stimme.


    "Ich kaufe alle zehn. Bring sie zum Domus Iunia, der Ianitor wird dich bezahlen."


    Der Händler verneigte sich und begann, die Schriftrollen in einen Sack zu packen. Ich wandte mich wieder an Stilo.


    "Möchtest du auch etwas kaufen? Ich schenke dir ein Buch, was auch immer du haben willst."


    Der Stand hatte noch etliche Schriftrollen ausgestellt.

  • Die Sache mit dem Patron ging Stilo bereits einmal durch den Kopf, aber wirklich befasst hatte er sich damit noch nie. Ein interessantes System, dachte er darüber nach und vor allem ein durchaus nützliches. Noch wusste er nicht, wo im Imperium er mal dienen würde, aber die Suche nach einem Patron würde einer der ersten Aufgaben sein, die er dann dort erledigen werden müsste. Sein Ziel, irgendwann Mitglied im Ordo Equester zu sein, würde viel Arbeit bedeuten. Und damit dürfte er nicht lang warten. Es galt vieles zu lernen und zu verinnerlichen, noch weiteres es geschickt einzusetzen und selbst dann wäre es nicht genug, wenn nicht jemand dahinter stand und einen über seinen gesetzten Horizont bringen würde.


    "Ich weiß, ich habe bereits darüber nachgedacht.", erwiderte Stilo," sobald ich weiß, wo mein Weg mich hinführt, werde ich mich darum kümmern."


    Neugierig lauschte er Tacitus zu, während sie weiter vorangingen. Seine Blicke wanderten von den Ständen zu Tacitus und wieder zurück, während ein leichtes Nicken seine Aufmerksamkeit signalisierte. Über jede Weisheit war Stilo dankbar und er war sich sicher, jeden Ratschlag nutzen zu wollen. Ja, die Unterstützungen in einem Wahlkampf und das Zugehörige für seinen Patron zu leisten, lächelnd dachte er an manch obszönen Graffitis an den Häuserwänden, sowas wäre nötig um geholfen zu werden. Eine Frage schoss Stilo dann aber direkt raus als er über das Gesagte nachdachte. "Hast du vor, so aufzusteigen? Ich meine, ist das ein Ziel, den du dir selbst gesetzt hast?", fragte er und konnte sich Tacitus ebenfalls als höheren kaiserlichen Beamten vorstellen.


    Am Stand angekommen blickte Stilo die schiere Unmenge an Papyri und Schriftrollen an, die überall ordentlich herumlagen, bereit in die Hände des neuen Käufers zu gelangen, während Tacitus weitersprach. Plötzlich musste Stilo lachen, "Nun ich weiß noch gar nicht, ob ich überhaupt geeignet bin, ein Krieger zu sein. Ich hoffe es, aber wer sagt nicht, dass der erstbeste Centurio mich lachend aus dem Kastell begleitet - oder dass ich bei der Ausbildung merke, den größten Fehler meines Lebens gemacht zu haben. Das wissen nur die Götter", ergänzte er, während er die Hände mit der flachen Seite nach oben streckte, um so die Geste eines Gebets vorzutäuschen.


    Während der Händler die zehn Schriftrollen einpackte, wandte sich sein Blick glücklich zu Stilo hinüber, erfreut noch ein weiteres Geschäft zu machen.

    "Danke", sagte Stilo nickend, "ich werde mal schauen, ob ich etwas Passendes in Militärgeschichte finden kann."


    Er schaute sich um, während der Händler den Sack offen lies und zur Seite legte, um eilend zu Stilo zu gelangen.


    "Militärgeschichte sagst du, Herr?", fragte er grinsend und ging mit Stilo auf eine andere Seite des Standes hin. Er breitete seine Arme aus und fing an, auf verschiedenen Rollen zu zeigen.

    "Hier habe ich die Res Gestae Divi Augusti, ein himmlisches Werk. Da kannst du die legendäre Schlacht bei Actium nachverfolgen und daraus lernen. Oder hier", deutete er auf eine andere Rolle, "hier habe ich Germania von Tacitus, eine meiner meistverkauften Werke, Herr."


    Stilo schnalzte mit der Zunge. Beide Werke hatte er gelesen und Germania, ja, das war sogar einer seiner Lieblingslektüren.

    "Hast du vielleicht Bellum Judaicum? Von Flavius Josephus? Über dem Aufstand?", fragte er den Händler. Dieser überlegte kurz und grinste dann hämisch, "Ja Herr, aber vorhin war ein Senator da und meinte, dieses Werk kaufen zu wollen. Ich habe nur noch eine Kopie da. Das wird dich durchaus mehr kosten, als die zehn Werke von Platon zusammen."


    Verwirrt schaute er auf die Rolle und anschließend auf Tacitus. Er schwenkte mit seinem Kopf und wendete sich ab und schaute auf Tacitus rüber. "Ich danke dir, aber ich habe nichts gefunden. Aber Danke, wirklich.", sagte Stilo fast schon verlegen.



  • "Ja, ich habe vor, aufzusteigen. Als Eques kann ich mehr bewirken und es wäre eine Verschwendung meiner Ausbildung, wenn sie nicht entsprechend genutzt würde. Ich kann so viel mehr als nur Juristerei."


    Was Stilos Selbsteinschätzung als Krieger anbetraf, zeigte es, dass dieser sich zumindest Gedanken machte.


    "Nicht zu wissen, ob man geeignet ist, und das auch zuzugeben, ist ein Zeichen von Reife. Das ist gut. Letztlich sieht man erst dann, ob einem etwas liegt, wenn man es ausprobiert. Das ging mir als Advocatus genauso. Ehrlicherweise hätte ich noch vor ein, zwei Jahren gedacht, dass ich zwar in der Theorie gut bin, aber für die Praxis nur wenig geeignet. Das war natürlich, bevor ich einen Prozess nach dem anderen gewonnen hatte. Doch zurück zu dir. Solltest du nicht zum Krieger geeignet sein, dann finden wir auch eine gute Verwendung für dich. Die Iunier lassen ihresgleichen nicht im Stich, das wurde mir so beigebracht und ich denke, bei dir ist es auch nicht anders."


    Den Dialog mit dem Händler beobachtete ich aufmerksam, ließ mir aber nicht anmerken, dass ich dem Händler am liebsten für seine Unverschämtheit eine Lektion erteilt hätte. Ich wandte mich an Stilo.


    "Nun, dann gibt es hier eben kein passendes Buch. Keine Sorge, das ist nicht der einzige Buchladen in Rom. Und wenn wir hier gar nicht fündig werden, kann ich einen Brief an die Bibliothek des Museions schreiben und anfragen, ob ich eine Kopie zu Studienzwecken gegen eine Spende erhalte. Ich kenne dort noch den einen oder anderen Philosophen."


    Während wir sprachen, verließen wir die Saepta Iulia und standen auf einem wirklich großen Platz. Ich drehte mich zu Stilo und breitete meine Arme präsentierend aus.


    "Das ist der eigentliche Campus Martius. Genauer gesagt, der Teil, der unbebaut geblieben ist. Das Gebäude rechts mit der großen Kuppel ist das Pantheum, ein Tempel für alle Götter. Dahinter siehst du die Thermen des Nero. Und vor uns siehst du die Thermen des Agrippa, die ältesten der großen Thermen Roms."


    Dabei deutete ich auf die jeweiligen Gebäude, bevor ich mich nach links wandte und zwischen Therma Agrippae und Septa Iulia hindurch ging.

  • "Danke," erwiderte Stilo, "dann lass uns gespannt sein, was die Götter für uns beide vorgesehen haben."


    Ihm gefiel die Vorstellung, beide, Tacitus und er, aufgestiegen in den Ritterstand. Eine große Ehre und sicherlich könnte Tacitus dies erreichen. Er hatte bereits ein Patron und seine Bildung - nun ja, die suchte seinesgleichen. Zumindest in Stilo's direkten Umfeld kannte er niemand, der so gebildet und gelehrt war, geschweige zehn Jahre in Ägypten studiert hatte. Aber natürlich kam er auch aus einer kleinen Gegend und die einzigen Gebildeten waren die Steuereintreiber und selbst da war er sich nicht mal so sicher.


    "Das stimmt, hättest du es damals nicht versucht, wärst du nicht da, wo du jetzt stehst. Ich bin der Meinung, was wir erleben und jede einzelne Entscheidung, die wir treffen, ist bereits von den Göttern festgelegt. Ich danke dir, dass du auch so ehrlich zu mir bist. Es ist interessant zu hören, wie du dich entwickelt hast und vor allem, wie du dich davor betrachtet hattest. Sollte ich kein Krieger werden oder sein, dann lasse ich mich gerne von dir einen neuen Weg zeigen.", vertrauensvoll lächelte er Tacitus an, glücklich darüber, ihn in Rom angetroffen zu haben.


    Verlegen wendete sich Stilo vom Händler ab, verärgert über sich selbst. Ihm war es bewusst, dass der Händler den Preis nur künstlich in die Höhe treiben wollte. Aber an diesem Tag würde er verärgert darüber sein - aber ebenfalls der Händler, der nun grimmig sah, wie beide sich von seinem Stand entfernten. Diesmal hatte er sein Spiel zu weit getrieben und vielleicht sollte er sich dann beim nächsten Mal etwas zügeln.


    Dort angekommen schaute Stilo sich alle Gebäude genauer an und seine Blicke hafteten sich an den Pantheum fest. "Davon habe ich gelesen. Es soll atemberaubend sein," sagte er und zeigte mit seinem Zeigefinger direkt auf die große Kuppel, "faszinierend, dass wir Menschen sowas bauen können!" In Gedanken überlegte er, ob jemals ein Mensch so eine Kuppel nachbauen könnte und schüttelte die Vorstellung sofort wieder ab.


    Seine Begeisterung ließ nicht nach und er nahm sich fest vor, die Thermen zu besuchen, bevor er die Stadt verlassen würde. Die Therme in Crotona war nicht gerade groß und hatte die besten Zeiten längst hinter sich. Soweit Stilo sich erinnern konnte, hatte ein Libertus, der als Tempelwechter zu großen Reichtum gekommen war, die Therme das letzte Mal vor 60 Jahren saniert. Dies erzählte zumindest die große weiße Marmorplatte am Eingang. Aber dies war einfach eine andere Welt, in der er sich befand. Es hatte ein Grund, warum Rom eben Rom war, ist und immer sein würde...

  • Ich wusste zwar nicht, ob das Vertrauen in mich gerechtfertigt war, freute mich aber darüber. Die Begeisterung für das Pantheum wiederum konnte ich ohne Vorbehalt teilen.


    "Wir kommen sicher noch in den nächsten Tagen dazu, das Pantheum zu besichtigen," sagte ich mit einem zuversichtlichen Lächeln.


    Als wir die Thermen des Agrippa fast hinter uns hatten, deutete ich nach links.


    "Dort endet die Saepta Iulia und dahinter siehst du das Diribitorium. Früher wurden dort die Stimmtafeln bei Abstimmungen gezählt. Unter Kaiser Titus ist das Dach abgebrannt und konnte seitdem nicht mehr aufgebaut werden. Die große Spannweite macht wohl Probleme."


    Dann wandte ich mich nach rechts und wir gingen auf ein Gebäude zu, das nach einer Insula aussah.


    "Dort ist das Thermopolium, zu dem wir wollen. Malorix und Pelopidas waren die peregrinen Namen der Wirte, als sie noch nicht das Bürgerrecht erworben hatten. Beide hatten meines Wissens in der Classis gedient. Malorix ist aus Frisia und Pelopidas aus Santorini. Und jetzt kochen beide, und das gar nicht mal schlecht."

  • Die Aussicht, in den nächsten Tagen das Pantheum besichtigen zu dürfen, lockte Stilo ein Grinsen hervor.


    Am Diribibitorium angekommen, schaute Stilo das Bauwerk genauer an und wirkte verwundert, dass dies nicht gerichtet werden konnte. Die alten Baumeister dürften doch wohl nicht weiser sein als die jetzigen, überlegte er. Wiederum hörte er von großen Bauwerken in Ägypten, die von einer Zeit entstammten, als Rom noch nicht mal existierte. Vielleicht würde er mal Tacitus danach befragen, aber bevor dies geschehen konnte, meldete sich sein Magen wieder zurück. Durch die ganze Aufregung und Freude, seine eigene private Stadtführung genießen zu dürfen, vergaß Stilo, warum sie überhaupt hier waren. Sofort schossen ihm die verschiedensten Gerüche hervor, die aus dem Thermopolium strömten. Mehrere Menschen verzehrten ihre Mahlzeiten, Bohneneintopf, Gersteneintopf und weitere Leckereien.


    "Frisia und Santorini, das klingt nach einer sehr spannenden Mischung.", sagte er und schaute hinein. Die meisten Menschen aßen im Stehen, die Mahlzeit ein notwendiges Übel, damit der menschliche Körper funktionierte. Die wenigsten hatten unter der Arkade und im Inneren Platz genommen und konsumierten ihr Essen genüsslich mit einem Krug Wein. Eine Treppe führte nach oben - entweder als Wohnhaus oder, wie so üblich, ein Herberge, wenn nicht gar eines der zahlreichen Bordelle. Er schaute zu Tacitus rüber und sagte, "Magst du hinein oder sollen wir hier draußen?", dabei zeigte er in die Räumlichkeit. "Außerdem möchte ich dich einladen. Ich finde unsere Stadtführung faszinierend und das ist das mindeste, was ich zurück geben kann" Freundlich lächelte er Tacitus an und freute sich, eine Mahlzeit zu sich zu nehmen.

  • "Nun gut, wenn das dein Wunsch ist."


    Ich würde mich jetzt nicht auf eine Diskussion einlassen, wer das Essen bezahlt. Wenn mich Stilo einladen wollte, dann akzeptierte ich das. Zumal das Thermopolium sehr moderate Preise hatte.


    "Wir setzen uns aber rein, ich möchte nicht wie einer der Tagelöhner gehetzt das Essen verzehren."


    So ging ich voran. Hinter der Theke mit den Vertiefungen, in denen die unterschiedlichen Speisen präsentiert waren, stand ein hoch gewachsener, blonder, bärtiger Mann mit strahlend blauen Augen. Als er mich sah, rief er direkt "Iunius Tacitus, schön dich mal wieder hier zu sehen! Komm nach vorne, du musst nicht in der Schlange stehen!"


    Nach dieser Einladung konnte ich mich mit Stilo ohne Gewissensbisse an der Schlange vorbeidrängeln, auch wenn einige der Wartenden mir böse Blicke zuwarfen.


    "Salve, Malorix, wie geht es dir? Ich war leider ziemlich beschäftigt, aber nun habe ich wieder Zeit, euer Essen zu genießen. Darf ich die meinen Vetter Iunius Stilo vorstellen?"


    Dabei klopfte ich Stilo auf die Schulter.


    "Freut mich, Iunius Stilo. Was möchtet ihr essen?"


    "Der gebratene Fisch sieht gut aus. Den nehme ich im Weizenbrot mit deiner friesischen Soße, deren Rezept du nicht rausrücken willst. Und noch ein paar Bohnen dazu, auch ins Brot."


    "Kommt sofort. Oder soll ich es an einen Tisch bringen lassen?"


    "Bitte an den Tisch. Und verdünnten Wein dazu."


    Während Malorix ein Brot aufschnitt und innen mit einer grünen Soße bestrich, fragte er bereits Stilo "Und was kann ich dem jungen Vetter meines Lieblingskunden anbieten?"

  • Stilo freute sich, denn auch für ihn war es angenehmer in Ruhe und im Sitzen zu essen, da er dies als selbstverständlich erachtete.

    Sobald die beiden den Thermopolium betraten, verbreitete sich der herrliche Duft der verschiedenen Gewürze und Stilo's Blick haftete sich direkt auf die Vertiefungen, denn er hoffte so einen Blick auf die Speisen werfen zu können. Als der Wirt dann direkt Tacitus bemerkte und ihn grüßte sowie nach vorne rief, bemerkte Stilo wie eine Gruppe von wartenden etwas murmelten. "So ist es wohl, wenn man bessergestellt ist", sagte einer der Gäste zu seinem Freund, der ihn darauf eine Geste des Schweigens aufsetze in der Hoffnung, Stilo und Tacitus hätten diese Bemerkung nicht gehört. Da dies aber Stilo bemerkte, rupfte er sich stolz die Toga gerade und folgte so Tacitus vor an die Theke.

    Auf die freundliche Begrüßung des Wirtes senkte Stilo sein Kopf zum Gruß und überlegte kurz, was er den gern essen wollen würde.

    Der Fisch sah schon köstlich aus, rief aber in ihm nicht die gleiche Begeisterung auf, wie es in Tacitus aufkam. Dies lag wohl daran, dass Fisch früher fast täglich in seinen Mahlzeiten präsent war. Nein, heute würde er gern was Fleischiges haben. Während Malorix mit der Zubereitung beschäftigt war und ihn dann direkt ansah, antwortete Stilo, "Ich hätte gern gebratene Würste", er deutete mit seinem Finger auf eine Pfanne, in der mehrere Würste brutzelten. "Dazu auch bitte ein Weizenbrot und auch die Soße, die mein Vetter so ins Schwärmen bringt. Dann bitte separat in einer Schale etwas Bohnen mit Zwiebeln. Zum Trinken ebenfalls den verdünnten Wein. Danke sehr."

    Während Malorix die Speisen vorbereitete, gingen die beiden an einen Tisch und nahmen Platz. Ein Blick nach draußen verriet, dass die meisten langsam wieder ihrem Tagesgeschäft nachgingen. "Lieblingskunde?," fragte Stilo, "scheint, dass du öfters hier bist, wenn du diese Ehrenbezeichnung erhalten hast. Dann muss es hier wirklich köstlich schmecken.", scherzte er und schaute sich nochmal um .

  • "Es ist lecker hier. Und bezahlbar. Ich bin recht oft hier, wenn ich vom Gericht zurückkomme. Natürlich kann man auch in der Nähe der Basilica Ulpia etwas essen, aber da ist es meistens teurer und nicht unbedingt besser. Abgesehen davon bin ich vielleicht aus deshalb ein 'Lieblingskunde', weil ich Malorix einmal juristisch geholfen habe. Pro bono, weil mich der Fall interessiert hatte."


    Eine Sklavin brachte uns den Wein in einem Tonkrug und dazu tönerne Bechern. Dazu stellte sie noch einen gleich aussehenden Krug mit Wasser. Unterscheiden konnte man dennoch beide, weil in den einen 'VINUM' hineingeritzt war und in den anderen 'ACUA'. Das war zwar falsch geschrieben und ich musste jedes Mal mal mit mir kämpfen, die Kellnerin nicht zu tadeln, aber man konnte zumindest wissen, was es bedeuten sollte. Irgendwann musste ich Malorix einmal fragen, bei welchem Töpfer er die Krüge hatte machen lassen, damit ich dem Handwerker ordentliches Latein beibringen würde. Das würde ich sogar kostenlos machen.

  • Belustigt schaute Stilo die Krüge an, die soeben auf den Tisch gestellt wurde. Wahrlich interessant, dass ausgerechnet Wasser falsch geschrieben wurde. Aber solange der Inhalt ersichtlich war und der Wein eine gute Qualität aufwies, war dies Stilo egal. Letztendlich erfüllte der Krug sein Zweck. Trotzdem bemerkte er, wie Tacitus die Krüge anstarrte und man konnte deutlich sehen, dass dies als eine witzige Beleidigung seiner Bildung wahrgenommen werden könnte.


    "Also wenn es genauso lecker ist, wie es riecht, dann bin ich sehr gespannt darauf", unterbrach er die Stille und nahm den Krug mit Vinum auf, um ihn anschließend über den Becher von Tacitus zu halten. "Darf ich?", fragte er und füllte den Becher zu einem Viertel, ohne auf eine Antwort abzuwarten. Das selbige machte er dann über seinem Becher und stellte den Krug wieder ab. Mit dem Krug voll Wasser füllte er nun beide Becher auf und schmunzelte nochmal, als er mit dem Zeigefinger auf die geritzte Inschrift zeigte, "feinstes römisches Acua", sagte er, wobei mit einem freundlichen Lächeln das Wort extra betonte.

    "Nun dann," hob er danach seinen Becher, "auf Rom, die Götter, uns Iunier und unseren Ahnen und auf unsere Zukunft."

  • Als Stilo das Wort so aussprach, wie es auf dem Krug - falsch - geschrieben stand, kämpfte kurz meine Logik mit meinem Humor, was man mir zweifellos ansah. Schließlich siegte der Humor und ließ mich grinsen. So hob ich dann auch meinen Becher.


    "Danke sehr. Auf den Kaiser, auf die Zivilisation, auf Rom, unsere Ahnen und was auch immer die Götter für uns vorgesehen haben."


    Ich nahm einen Schluck. Der Rotwein war lieblich, aber auch kräftig im Geschmack. Anscheinend hatte Malorix uns einen Wein aus seinem privaten Vorrat bringen lassen.


    "Und, wie gefällt dir Rom bis jetzt?"

  • Er erwiderte Tacitus lächeln, während er den Wein in seinem Becher schwenkte, bevor er einen Schluck davon nahm. Er konnte seinen Duft und seinen Geschmack förmlich spüren und bemerkte sofort, dass dieser aus besonderen Trauben hergestellt wurde.


    Doch obwohl der Wein großartig war, war es die Stadt Rom selbst, die Stilo am meisten beeindruckte. Er hatte gehört, dass es die größte und mächtigste Stadt der Welt war, aber er hatte nie wirklich geglaubt, wie beeindruckend sie war, bis er sie mit eigenen Augen sah. Die Stadtführung, die am Campus Martius begann, zeugte von der ruhmreichen Geschichte dieser Stadt.
    Überall um ihn herum waren Gebäude, Tempel und Paläste, die hoch in den Himmel ragten. Die Straßen waren voller Menschen, die geschäftig Hin und Her eilten, und der Lärm war ohrenbetäubend. Stilo hatte noch nie so viele Menschen auf einem Fleck gesehen, aber er fand es faszinierend.

    Er bestaunte die zahlreichen Statuen und Denkmäler, die an jeder Ecke zu finden waren. Jedes davon schien eine eigene Geschichte zu erzählen, und er wünschte sich, er könnte sie alle hören.


    "Es ist schöner, als alle Geschichten, die ich bisher über Rom gehört hatte", fing er an zu schwärmen. "Ich habe heute vieles gesehen und auch vieles gelernt dank dir", dabei löste er sein Zeigefinger vom Becher um auf Tacitus zu zeigen, "aber ich weiß auch, dass dies nur eine Seite der Sesterze ist." Seine Miene verdüsterte sich, als er überlegend fortfuhr, "Auf dem Weg in die Domus habe ich wohl auch die andere Seite von Rom gesehen, wenn auch nur kurz."


    Er überlegte kurz an die vielen Gassen und baufälligen Gebäude, die Insulae, die wie riesige Pilze aus dem Boden ragten und den Straßen das Tageslicht raubten. Er dachte kurz an die grenzenlose Armut, die er auf der Straße gesehen hatte. Aber so musste es wohl sein, dachte er sich. Er stellte sein Becher wieder auf den Tisch und schaute Tacitus wieder an, denn er wollte nicht den Eindruck hinterlassen, dass die Stadtführung nicht den gewünschten Effekt hervorbrachte.


    "Ich glaube, wo auch Licht ist, ist auch Schatten. Dass gehört dazu. Es kann nicht nur gutes geben. Hier gibt es vieles davon. Die Bauwerke, die Menschen, die Tempel ja selbst hier", dabei deutete er mit einer zeigenden Geste um sich herum, "sowas habe ich noch nie gesehen. Es ist die aufregendste Stadt der Welt. Und die Schattenseite gehört eben dazu. Ich kenne das auch von Crotona, aber so wie hier habe ich es noch nie erlebt. Aber verstehe mich bitte nicht falsch, ich genieße die Stadtführung und bin dir dafür sehr dankbar. Ich bin, sofern du auch willst, jederzeit bereit mehr zu sehen."


    Er lächelte wieder und hoffte, das er sich richtig ausgedrückt hatte und Tacitus verstehen würde, was er damit meinte. Er schüttelte den Kopf und regte sich kurz künstlich über sich selbst auf. "Verzeih mir, manchmal denke ich einfach zu laut." Ehe er auf eine Reaktion warten konnte, kam bereits Malorix mit zwei Tabletten auf den Händen - sicherlich als Zeichen der Freundschaft gegenüber Tacitus, da dies normal die Sklaven erledigen würden.


  • "Es gibt nichts zu verzeihen. Du sprichst weise, mein lieber Vetter. Wo kein Licht ist, da ist nur Finsternis. Doch wo Licht ist, muss zwingend Schatten sein. Der Schatten gehört zum Licht und lässt uns Konturen erkennen. So auch mit uns Menschen und unserer Gesellschaft. Nur durch die Schatten, die Armut, die Verbrechen, auch die Krankheit, können wir das Licht erkennen. Zivilisation, Ordnung, Recht und Gesetz. Die Kunst der Medizin wäre nur wenig geschätzt, gäbe es keine Krankheit. Wohlstand wäre nicht geschätzt, gäbe es keine Armut. Die Ordnung des Imperiums wäre nicht geschätzt ohne die Barbaren jenseits unserer Grenzen. Nein, du musst nicht um Verzeihung bitten. Deine Gedanken zeigen Weisheit, daran ist nichts falsch."


    Ich lächelte ihm zu. Dann brachte Malorix auch schon das Essen.


    "Malorix, mein Freund, möchtest du mir nicht doch das Geheimnis deiner friesischen Soße verraten?"


    Malorix lachte. "Nein, ganz sicher nicht."


    "Schade."


    An Stilo gewandt, wünschte ich "Guten Appetit."


    Ich riss ein Stück Brot ab, in das der Fisch gelegt war, und tunkte es in die Soße. Dann nahm ich einen Bissen. Die Soße schmeckte herzhaft, scharf, etwas nussig und auch etwas nach Knoblauch. Ich wusste, dass sie Kräuter enthielt, die in Frisien oder Germanien wuchsen. Leider kannte ich die in Germanien heimischen Kräuter nicht. So musste ich mich damit begnügen, die Soße hier zu genießen.


    "Nun, was meinst du, Stilo? So eine Soße habe ich vor meinem ersten Besuch hier noch nicht gekannt. Schmeckt sie dir?"

  • Stilo dachte über Tacitus Wörter nach. Noch nie hatte er es so betrachtet. Er hatte recht - ohne Schatten konnte es kein Licht geben. Wir müssen die Dunkelheit kennen, um die Schönheit des Lichts zu schätzen. Er dachte an all die Verbrechen und Krankheiten, die unsere Gesellschaft plagen, und er wusste, dass wir sie brauchten, um uns weiterzuentwickeln und zu wachsen. Aber gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass wir als Gesellschaft noch nicht genug taten, um diese Schatten zu beseitigen. Aus seinen Gedanken gerissen sah er Malorix

    erwartungsvoll an, als er das Essen auf den Tisch stellte. Er konnte den herrlichen Duft von gebratenem Fleisch und Gewürzen bereits riechen. Seine Augen wanderten über die Platte mit den Würsten, die Malorix gebracht hatte. Sie sahen unglaublich appetitlich aus und er konnte kaum erwarten, sie zu probieren. "Danke für deine Wörter, Tacitus", sagte er während er Tacitus anschaute. Dann richtete er sein Blick wieder auf die Platten und auf Malorix, "und auch dir Danke. Der Duft ist herrlich. Ich bin vor allem auf die Soße gespannt, von dem mein Vetter hier so schwärmt."


    Er schnitt ein Stück von der Wurst ab und legte es auf seinen Teller. Bevor er jedoch hineinbiss, musterte er sie genauer. Die Würste sahen entweder nach tarentinischen oder lukanischen Würsten aus. Er hatte schon oft beide Sorten gegessen und konnte sie normalerweise leicht unterscheiden, aber diesmal war er nicht ganz sicher. Sie waren in jedem Fall gut gewürzt und sahen wirklich lecker aus.


    Er beschloss, endlich zu kosten, und nahm einen Bissen. Die Würste waren unglaublich saftig und zart, und der Geschmack explodierte förmlich auf seiner Zunge. Er konnte die verschiedenen Gewürze schmecken, die darin enthalten waren, und die Mischung war einfach perfekt. Stilo zupfte sich ein Stück von seinem Brot ab und tunkte diese in eine kleinere aus Ton gefertigte Schüssel ein, in dem die Soße bis kurz vor dem Rand gefüllt war. Man konnte die Kräuter darin sehen. "Der Moment der Wahrheit," sagte er und schob sich das Essen in seinem Mund rein. Er kaute und machte einen überlegenden Blick. Dann nickte er und ein Lächeln formte sich anschließend aus seinen Mundwinkeln. "Das ist köstlich, unglaublich köstlich. Ich habe solche Gewürze noch nie geschmeckt." Die Soße war gut und ergänzte den kräftigen Geschmack der Würste perfekt. Zufrieden aß er weiter.


    "Weißt du, vielleicht gehe ich ja nach Germanien, um zu dienen. Sollte ich dort diese Soße finden, werde ich schauen dir das Rezept zukommen zu lassen", sagte er und hob sein Becher nochmal an, um seine Absicht zu besiegeln.



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