Cubiculum MCM | Ein Sekretär

  • Man hatte Livineia aus ihren Gemächern herausgeholt, da die neue Ware eingetroffen war. Mehr waren Sklaven kaum für sie. Sie wusste, dass ihre Einstellung da recht hart war und dass viele andere noble Menschen Roms noch ein wenig mehr Menschlichkeit in Sklaven sahen, ganz egal was das Recht über sie sagte. Livineia versuchte sich davon allerdings frei zu halten. Sah man in ihnen zu sehr den fühlenden Menschen, wurde es schwierig, sie an ihre auch unangenehmen Aufgaben zu erinnern, sie nötigenfalls zu züchtigen oder sie bei Missfallen auch wieder zu veräußern. Vereinzelt mochte es ja mal sein, dass ein Sklave einem gleich einem Tiere zu sehr ans Herz wuchs und man sich doch nicht trennen konnte. Livineia vermied das. Sowohl beim Tier, als auch beim Sklaven. Verbindlichkeiten hatte sie mit ihrer Verwandtschaft genug und wenn sie doch mal irgendwann heiraten würde (woran sie allmählich den Glauben verlor), war das ausreichend emotionaler Stress für ein ganzes Leben.

    Also - die neue Ware. Ein Sklave mittleren Alters. Gebildet und wohlerzogen sollte er wohl sein. Sie hatte ihn auf eine Empfehlung einer Freundin hin erworben. Er hatte einmal den Aeliern gehört und Livineia vermutete, dass sie einfach ein wenig Geld brauchten, wenn sie so ein Prachtstück veräußerten. Er schien wirklich sehr brauchbar zu sein, wenn sie den Worten Drusillas Glauben konnte. Sie hatte sich tatsächlich gar nicht selbst davon versichert; es erschien ihr unanständig, gegenüber Mitgliedern einer einstmals wohlhabenden Schicht so misstrauisch aufzutreten. Sie vertraute dem Klang des Namens der Aelier um zu glauben, dass es sich wirklich um hochwertige und keinesfalls abgehalfterte Ware handelte. Einem Händler von der Straße würde sie nicht so gutgläubig begegnen, aber den Aeliern durchaus. Oder ihrer Freundin, die Beziehungen dorthin pflegte. Drusilla war auch keine unehrliche Frau, dessen war Livineia sich recht sicher.


    Methodius hatte man im Atrium warten lassen. Ehe sie ihn seinem endgültigen Bestimmungsort zuführen wollte, galt es ihn noch einmal kurz unter die Lupe zu nehmen. Sie würde ihrem Bruder auch kein Toga überreichen, deren Stoff sie nicht wenigstens einmal selbst begutachtet hatte. Blind schenken war etwas für gleichgültige Einfaltspinsel. Sie liebte ihren Bruder und einfältig war sie auch nicht, also nahm sie sich die Zeit. Ausnahmsweise. Sie sah den Wunderknaben direkt stehen, unter Bewachung war er nicht. Die Männer, die ihn vorbei gebracht hatten, waren direkt wieder von dannen gegangen. Das Geld hatte sie bereits vorbei bringen lassen. Kurz hatte sie ihren Großvater belagern müssen, der Sklave war doch recht teuer gewesen. Sie durfte recht frei über die Gelder verfügen, aber bei einer solchen Summe gönnte sie ihm doch wenigstens eine knappe Erklärung und ein Vetorecht. Er war aber einverstanden gewesen um die Karriere seines Neffen etwas zu bezuschussen und da stand er nun - der Wunderknabe.


    "Du bist Methodius." stellte sie also kurz und knapp klar, kaum dass sie heran war. "Mir wurde viel versprochen, als du mir verkauft wurdest. Was also kannst du?" begehrte sie zu erfahren. Ihre Mimik wirkte gewohnt unterkühlt und ihre Stimme hart und wenig gnadenvoll.

  • Methodius – Mitte 20, auch wenn er sich oft älter anfühlte – stand im Atrium, und blickte auf sich hinunter. Er erinnerte sich an den Moment zurück, an welchem Aelius Quarto ihn gekauft hatte. Es war ein jämmerlicher Preis gewesen; niemand wollte eine thrakischen Sklaven – zu stark war den Römern noch der Aufstand des Spartacus in Erinnerung. Dabei entsprach Methodius, ein dürrer Mann mit einem kümmerlichen lockigen Bart und Augen, die ihm alles, was in der Ferne lag, schwammig erschienen lassen, in keiner Weise einem barbarischen Unhold aus dem Balkan. Seine Eltern waren schon Sklaven gewesen, waren aber irgendwohin weiterverkauft worden, als Methodius ein Kind war – etwas, womit er sich hatte abfinden müssen, egal wie traumatisch.


    Und jetzt war er wieder verkauft worden, dieses Mal von den Aeliern. Methodius erinnerte sich, wie die Aelier ihn vollgequatscht hatten. Kurzfristige Geldflussprobleme, Liegenschaftsveräußerung… Verkauf des Familiensilberbestecks. Viele Begriffe, um zu vertuschen, dass das Geld, das der Verkauf von Methodius den Aeliern einbrachte, ihnen lieber war als er selber.


    So stand er da, im Atrium der Claudier, zu einem Vorstellungsgespräch, und fühlte sich wie ein Affe, den man im Kolosseum den Auftrag gegeben hatte, fürs Publikum zu tanzen. Eine junge Frau trat an ihn heran – scharfer Blick, eugenisch einwandfrei herbeigezüchtet. Die Frau seines neuen Herrn? Methodius schaute auf, ihren Blick vorsichtig entgegnend. Sie kam, ohne mit der Wimper zu zucken, auf seine Fähigkeiten zu sprechen.


    Was konnte er? Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch, keine Ausflüchte, Small-Talk würde hier fehl am Platz sein. Methodius schluckte und begann, mit zögerndem Tonfall, zu reden, ihr eine passende Anrede für eine Frau mit solch offensichtlich dominierender Ader gebend.


    „Ähm, Domina…. das bin ich, ja.“


    Während er seine Identität bestätigte, unterdrückte er nur mit großer Willenskraft den Instinkt, mit seinen Augen nach einem Fluchtweg zu suchen.


    „Ich rede, schreibe und lese fließend Latein und griechisch. Und auch thrakisch. Ich beherrsche die Kurzschrift des Tiro, und beherrsche Arithmetik, Astronomie, Geometrie… ich kann auch ein wenig die Lyra spielen.“


    Thrakisch war nicht wirklich eine literarische Sprache, wurde auch bloß mit griechischem Alphabet geschrieben, und war von geringem Nutzen außerhalb des Balkans. Und was die Lyra anging, ein Orpheus war er nicht, aber solange die Melodie einfach war…


    „Ich habe auch viel Erfahrung darin, Korrespondenz zu verfassen und zu archivieren. Das habe ich für den ehrenwerten Dominus Aelius Quarto stets getan. Ich bin es auch gewohnt, diktierte gesprochene Rede in Reinschrift zu bringen, und… und…“


    Unter dem unbarmherzigen Blick der Domina verhaspelte er sich kurz, bevor er seine Stimme wieder unter Kontrolle brachte.


    „Termine und Erinnerungen. Dafür war ich bei meinem Herrn bei den Aeliern zuständig. Ich habe auch Einladungen organisiert, und Einkäufe getätigt, weniger für den Haushalt, viel mehr für die Schreibstube und für Opfergaben.“


    So, das sollte wohl fürs erste reichen… wobei die Schreckschraube nicht so aussah als würde sie so schnell aufhören ihn zu löchern!

  • Amüsiert hätte Livineia wohl zugestimmt, dass Methodius wie ein Affe war, der gerade zur Beschau ausgestellt wird. Vielleicht waren selbst in ihren Maßen Sklaven noch ein wenig besser als Sklaven, aber beide hatten trotzdem in etwa dieselbe Wichtigkeit für sie. Methodius würde sich wohl nicht ganz so schlimmen Demütigungen aussetzen müssen, da Livineia in ihm tatsächlich gewissen Wert sah. Ja er konnte nützliche Dinge, er würde einen sinnvollen Nutzen für sein Geld einbringen. Darüber hinaus war er ein Geschenk, um ihrem Bruder den Alltag ein wenig zu erleichtern. Die Frage war nur eben, wie anständig er neben all seinem Können auch war. Ein Schönling war er zweifellos nicht, jedenfalls fühlte sich Livineia nicht gerade in ihrem ästhetischen Fühlen angesprochen, wenn sie seine krause Behaarung an Kopf und Gesicht so betrachtete. Vielleicht sollte er beginnen sich zu rasieren?

    Positiv zu vermerken war jedenfalls, dass er sich höflich benehmen konnte. Wenn nun 'ähm' nicht sein erstes Wort gewesen wäre, sondern 'domina', dann wäre sie wohl noch ein wenig angetaner, aber manche Menschen neigten eben zu diesem erbärmlichen Gestotter. Sie konnte Stottern nicht leiden, oder zögerliche Erwiderungen. Ihre Leibsklavin Corona neigte auch dazu. Der Kompromiss war nun, dass jene kaum mehr den Mund auftat und das fand Livineia erheblich erquicklicher als diese leidigen 'öhs' und 'ähms'. Zum Glück schaffte er ein paar Sätze, ehe er sich wieder verhaspelte. Sie verdrehte die Augen.


    "Schön." meinte sie ungnädig dann als er sie wieder anschaute als wäre er ein Ochs auf Rädern. Räder, die in vier verschiedene Richtungen auseinander trieben. "Gewöhn dir dieses infantile Stammeln ab, wenn du mit deinen Herrschaften sprichst." ließ sie ihn also in ihrem üblichen Charme wissen. So, also mal nachdenken. Was hatte er gesagt?


    "Thrakisch kannst du lesen und schreiben? Das können die Thraker ja selbst nicht mal." meinte sie abfällig, beschloss aber nicht weiter darauf herumzureiten. Vermutlich meinte er einfach nur, dass er das Thrakische übersetzen konnte. Dass er selbst Thraker war, wusste sie nicht - hätte sie aber vermutlich auch höchstens dazu verleitet sich darüber zu wundern, dass er überhaupt lesen und schreiben gelernt hatte.

    Insgesamt konnte man durchaus sagen, dass sie recht zufrieden mit ihm war. Gut, ganz rund schien er nicht zu laufen, aber den letzten Schliff würde er hier schon bekommen. Seine Fähigkeiten waren im Kern genau das, was Drusilla ihr versprochen hatte und was ihr als ein gutes Geschenk für Marcellus erschien. So einen Sklaven fand man in der Regel nicht, wenn man mal zufällig über den Sklavenmarkt marschieren ließ. Die meisten Sklaven eigneten sich vor allem für geringere Hilfsarbeiten oder sexuelle Dienste. Apropos... "Wie sieht es bei dir mit deiner Paarungsbereitschaft aus?" Sie wollte es nicht charmanter formulieren; sie wollte es als sachliche Frage stellen und verwendete dabei eine eher abwertende Bezeichnung. "Hast du schon Nachkommen gezeugt? Hattest du eine Frau? Dir sollte klar sein, dass ich keinerlei unerlaubte Tändeleien dulde." Schwangere Sklavinnen und eifersüchtiges Gehabe, das fehlte ihr gerade noch. Grundsätzlich hatte sie nichts gegen Verbindungen unter den Sklaven, aber alles mit Maß und nicht alle wild durcheinander. Zumal auch die Herrschaften wohl nicht unbedingt erpicht darauf waren, dieselben Mädchen im Bett zu haben, die sich auch die Sklaven gönnten. Ein Sklave wie Methodius wusste vermutlich wie man sich richtig verhielt, aber sicherstellen wollte sie das schon.

  • Methodius blickte die Frau an. Wenn jemand sich verstand darauf, Furcht zu erregen, so war sie dies! Der Thraker verbiss sich nur mit Mühe ein verlegenes Schlucken, als er ihre Worte hörte, und zwang sich dazu, geradlinig zu sprechen. „Sehr wohl, Domina, ich werde es mir merken“, rang er aus sich heraus, bevor er sich ihre weiteren Fragen anhörte.


    „Nun, ich als Thraker“, war da ein gewisser Nationalitätsstolz herauszuhören? „kann es.“ Gewiss hatten die Aelier den Claudiern seine Herkunft mitgeteilt? Soweit Methodius das wusste, war dies eine Voraussetzung beim Sklavenkauf. Denn die Römer liebten es, von der Herkunft ihrer Sklaven ein Vorurteil zu fällen, und Methodius hatte sein Leben lang sich bemüht, nicht als in den Augen der Römer typischer Thraker zu agieren. Dennoch, seine Herkunft würde er nie im Leben verleugnen, und tatsächlich war es ein vager Traum seinerseits, in das Land seiner Ahnen zurückzukehren, wenn er erst einmal frei war. Egal, wie lang das noch dauern mochte. Bei dieser Bissgurn sicher, bis er alt und klapprig war!


    „Du hast recht, Domina, thrakisch ist keine literarische Sprache, und hat nur wenige Dichter und Schriftsteller hervorgebracht. Auch wenn manche sagen, dass der grosse Orpheus selber ein Landsmann von mir gewesen war. Doch verstehe ich mich darauf, meine Muttersprache mit griechischen Buchstaben zu schreiben.“ Es war nicht immer eine tadellose Transkription, denn manche Laute in der thrakischen Sprache gab es im griechischen nicht, aber man konnte sich annähern. Nicht umsonst hatten manche Kelten ihre eigene Sprache, die kein eigenes Alphabet hatte, auf Griechisch geschrieben – zumindest bis Caesar gekommen war und das traditionelle Leben der Gallier hinweggefegt hatte.


    Die nächste Frage war wieder so eine, die ihn zum Stammeln gebracht hätte, wenn er sich nicht rechtzeitig beherrscht hätte. Diese Frage war… sehr persönlich. Er schaute an sich herab und schluckte jetzt doch noch. Wie sollte er dies nun formulieren? Er schaute zu Livineia hin.


    „Nein, Domina, ich habe nicht wissentlich Nachkommen gezeugt. Mein bisheriger Herr, Lucius Aelius Quarto, war sehr bedacht auf Zucht und Anstand in seinem Haus.“ Das war er wirklich gewesen, wobei Methodius sich nie gedacht hatte, dass der Mann ihm nicht die Suche nach weiblicher Gunst verwehrt hätte, wenn Methodius ihn darum gebeten hätte. Doch sein Ding war das nie gewesen. „Und ich habe nie sein Vertrauen missbraucht und… Tändeleien mit Frauen eingefädelt“, echote er Livineias Wortwahl, sehr, sehr spezifisch.

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