Die Versteigerung des Sporus

  • Die Versteigerung des Sporus

    Titus Tranquilius stand auf einem erhöhten Podest, umgeben von einer Menge von potentiellen Käufern. Nach einer Reihe von Durchschnittsware präsentierte er nun den Höhepunkt der heutigen Versteigerung. Titus hielt eine Peitsche in der Hand und winkte damit den besten Sklaven des heutige Tages auf das Podest. Trotz der Kälte war der junge Eunuch für die Präsentation nur mit einem Lendenschurz bekleidet, damit die Menschen seine Gestalt betrachten konnten.


    "Meine Damen und Herren, schaut euch diesen griechischen Schatz an", rief Titus. "Einen Eunuch gibt es nicht alle Tage auf dem Sklavenmarkt. Er ist jung, gesund und gehorsam und wird jeden Wunsch seines künftigen Herrn erfüllen. Er wurde als Sklave geboren und weiß, wie er seinen Herrn glücklich macht."


    Die Menge murmelte. Einen Eunuch gab es nicht alle Tage im Angebot des Sklavenhändlers. Sporus war dem Auge gefällig, doch auch die Beschreibung tönte für viele sicher verlockend. Die Leute wussten, dass Sporus nicht billig zu haben sein würde. Und Titus wusste, dass er es sich heute leisten konnte, dick aufzutragen, um den Gewinn größtmöglich in die Höhe zu treiben. Titus spürte, dass er die Aufmerksamkeit der Menschen gewonnen hatte. Er musste sie nur noch überzeugen, dass Sporus ihr Geld wert war.


    "Er ist nicht nur schön, sondern auch treu", fuhr Titus fort. "Er wird demjenigen ewig dankbar sein, der ihn aus dieser Kälte befreit. Und wie sein berühmter Namensvetter wird er seinem Herrn dienen wie er einem Kaiser. Sporus liest die Herzen der Menschen und ist bekannt für seine Einfühlsamkeit. Er wird Liebe schenken, er wird alles geben, was er hat."


    Anhängliche und aufopferungsvolle Sklaven gingen immer gut weg. Ob dieser Sporus allerdings tatsächlich so angenehm im Wesen war, wie er behauptete, wusste Titus Tranquillius nicht. Je länger Sklaven in seinem Besitz blieben, umso mehr Kosten verursachten sie. Darum versuchte Titus, jeden Sklaven möglichst schnell loszuwerden. Er hatte also keine Ahnung, wie Sporus im Wesen tatsächlich war. Trotz seiner Strategie des schnellen Verkaufs würde er ein Prachtexemplar wie Sporus nur zu einem angemessenen Preis veräußern.


    Titus lächelte triumphierend. "Wer bietet für diesen wunderbaren Eunuchen?", fragte er. "Wer will ihn haben? Wer will ihn besitzen? Wer will Sporus?"

  • Sporus neigte ängstlich sein Haupt. Ihm war nicht wohl, dass nun die ganze Welt wisse, dass er kastriert worden ist. Hinzu kam die Kälte, welche Sporus zu schaffen machte.

    Er ließ, wie eigentlich immer, schweigend alles so über sich ergehen, und fragt sich still und leise, wer ihn wohl kaufen möge, und was dann der neue Herr mit ihm machen wird.

  • Nachdem er in monatelanger Arbeit die Mappe für den Praefectus Praetorio vorbereitet hatte, konnte Stilo wieder durchatmen. Das Zusammentragen der Berichte, das Ermitteln von Ergebnissen und das Schreiben fehlender Unterlagen hatte viel Zeit verschlungen und ihn unter Druck gesetzt. Heute hatte er sich einen halben Tag frei genommen, um nach langer Zeit wieder einen Gladiatorenkampf zu besuchen. Für einige Stunden wollte er den Panzer des Skorpions ablegen, um wieder Mensch zu sein. Die Privatperson Sisenna Seius Stilo verblasste von Woche zu Woche mehr, um dem dunkleren, tödlicheren Selbst des Prätorianers Raum zu geben. Doch das noble Vorhaben zur Charakterpflege platzte jäh, als er die Versteigerung des Sklaven beobachtete, um sich die Zeit bis zum Gladiatorenkampf zu vertreiben. Die Worte des Verkäufers weckten schlagartig ein ausgesprochen dunkles Interesse. An diesem Sporus gab es einiges, was Stilo interessierte.


    Ohne Vorwarnung stieg Stilo die hölzerne Treppe des Podests empor. Nichts an seiner privaten Kleidung ließ den Prätorianer erahnen, allenfalls verwies seine muskulöse Statur auf einen Beruf, der mit harter körperlicher Arbeit einherging. "Salve, Titus Tranquilius", sagte Stilo voll falscher Freundlichkeit. "Bevor ich erwäge, für diesen Sklaven zu bieten, erlaube mir, dass ich den Wahrheitsgehalt von einigen deiner Aussagen auf die Probe stelle."


    Ohne eine Antwort abzuwarten, trat er zu dem Sklaven und bedeutete ihm mit einem einzigen Fingerzeig, sich ganz zu ihm umzudrehen. Diese kleine Geste war der erste Teil der Prüfungsreihe, die Stilo soeben für den bedauernswerten Sporus ersonnen hatte.

  • Sporus ist jetzt eingeschüchtert, sah er nun den muskulösen Stilo vor sich, und erkannte seine falsche Freundlichkeit.

    Stilo war ein Mann von starker Statur, die ihm zu denken gab. Ihm wurde klar, dass er ihn jederzeit mit harter Hand züchtigen könnte.

    Dieser Mann, dachte sich Sporus, sollte er mein neuer Herr werden, könnte mir leicht Schmerzen zufügen, erniedrigen oder zur Schau stellen, wenn es ihm genehm ist.

    Also drehte sich Sporus zu ihm, weil es ihm so befohlen wurde, voller Angst abwartend was ihm in der Prüfungsreihe erwarten würde.

  • Immerhin, Sporus reagierte auf den kleinsten Fingerzeig. Ohne die Bewegung anzukündigen, packte Stilo den Sklaven mit einer Hand im Gesicht und drückte ihm die Wangen zwischen die Backenzähne, damit er den Mund öffnete, so dass er sich das Gebiss betrachten konnte. In Wahrheit war die Kauleiste ihm gleichgültig, die Untersuchung nur ein Vorwand. Was Stilo eigentlich sehen wollte, war, wie Sprous auf die unerwartete und recht grobe Berührung reagierte.

  • Stilo`s fester Griff schmerzte. Zumal er das Gesicht von Sporus nach oben drückte, um ihn in die Augen zu sehen. Sporus war um einiges kleiner als Stilo.

    Seine Angst vor Stilo war für alle erkenntlich.

    Dennoch bewunderte Sporus die Größe und Stärke, insbesondere seinen großen Hände, Pranken gleich, mit der er Sporus's Mund offen hielt...

    Sporus fragte sich innerlich. "Was will er? Will er mich küssen, oder mir ins Gesicht oder Mund spucken?"

  • Sporus wich trotz der groben Behandlung nicht zurück, setzte keinen trotzigen Blick auf oder motzte gar herum. Er verhielt sich so, wie Stilo es wollte - duldsam, gefügig. Das passte gut in seine Pläne. Er gab ihn vorerst wieder frei. "Was kannst du alles?", wollte er wissen. Es ging ihm darum, zu erfahren, ob Sporus als professioneller Gesellschafter gedient hatte oder bloß als Bettgespiele, was für einen so teuren Sklaven eine unerhörte Verschwendung gewesen wäre.

  • Sporus antwortete verschüchtert und leise "Ich diente meinem verstorbenen Herrn als Diener, auch Diener seiner Gäste, brachte Ihnen Wein und Essen, war aber auch der Lustknabe und Eromenos meines Herrn." Sporus schaute nach unten. Seine Ketten wurden langsam zur Last, waren diese doch sehr schwer für einen Jüngling seiner schmalen Statur. "Ich friere", sagte er noch ganz leise vor sich hin, machte sich aber keine Hoffnung, dass Stilo es irgendwie wahrnehmen, oder interessieren würde.

  • "Armer, armer Sporus", sagte Stilo mit einem Lächeln, das nicht wirklich auf Mitleid schließen ließ, sondern eher auf Genuss. Er legte ihm die Hand auf den Kopf und streichelte sein Haar. "Ein Eromenos warst du also? Aha. Dann war dein alter Herr entweder ein Dummkopf oder ein Verbrecher. Aber jetzt bist du ja hier."


    Er wandte sich dem Sklavenhändler zu. "Der Kastrat kann nichts: Er kann nicht singen, nicht tanzen oder musizieren, keine Geschichten erzählen und beherrscht keine Fremdsprachen. Er kann anscheinend nicht mal lesen und schreiben, er kann einfach nur gar nichts. Das hat natürlich Einfluss auf mein Gebot. Außerdem ist er schon ziemlich alt. Ich gebe dir elftausend."


    Das war vermutlich der höchste Preis, den Titus Tranquilius je mit seinem schäbigen Geschäft erzielt hatte. Üblicherweise wechselten seine Sklaven für wenige hundert Sesterze den Besitzer. Doch für einen Eunuchen war das ein Spottpreis. Teurere Sklaven gab es nicht, sie waren Zeichen von unerhörtem Luxus. Stilo wollte Sporus unbedingt haben und sich mit seiner Gegenwart schmücken, doch er wäre ein Narr, das den Händler wissen zu lassen.


    "Das ist mein erstes und letztes Angebot, ich werde nicht mit dir feilschen, Titus Tranquilius. Entweder du nimmst es an, oder du lässt es bleiben."

  • "Ja", dachte sich Sporus, "jetzt bin ich hier. Das erste mal in meinem Leben. Stilo hat mich nicht bespuckt, er hat mir über den Kopf gestreichelt. Vielleicht ist er doch ein guter Mensch, und wird lieb zu mir sein"so die Gedanken des Sporus. Oder sollten ihn diesmal seine Menschenkenntnis im Stich gelassen haben?

  • Die Augen des Sklavenhändlers weiteten sich bei diesem Gebot. Er hatte noch nie so viel Geld mit einem einzigen Sklaven verdient! "Elftausend", sagte Titus Tranquilius, "für dieses Prachtexemplar?" Er sah sich um. Viele neugierige Blicke verfolgten das Geschehen, doch niemand sonst bekundete Interesse. "Na schön! Aber nur, weil ich so ein gutes Herz habe! Der Sklave Sporus sei dein!" Er winkte ungeduldig mit seiner Peitsche, damit der bibbernde Enuch von dem Podest geholt und wieder in eine warme Wolltunika gehüllt wurde. Die Ketten behielt Sporus vorerst noch am Leib, bis der Kunde die elftausend Sesterzen bezahlt haben würde.

  • Stilo besprach sich noch kurz mit dem Sklavenhändler, dann begab er sich in die Casa Leonis, um die elftausend Sesterze zu holen. Eine solche Summe trug man nicht einfach mit sich herum. Er lieh sich zwei Sklaven von Ravilla, die ihn mit Knüppeln begleiteten, als er das Geldsäckchen transportierte, aber eigentlich machte Stilo sich keine Sorgen. Er war dienstlich so oft auf den Straßen Roms unterwegs, dass er genau sagen konnte, welche Straßen und Gassen sicher waren - und um welche Uhrzeit. So kam er ohne Zwischenfälle wieder beim Markt an. Titus Tranquilius erhielt seine elftausend Sesterzen. Und Stilo erhielt seinen neuen Sklaven.


    "Na dann ... Sporus." Stilo wies mit dem Kopf in die Richtung, in die sie gehen würden. Ketten trug Sporus nun keine mehr. Ein Sklave, den man in Ketten transportieren musste, taugte bloß für einen einzigen Weg. Den in die Arena.

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