[Imperium Cossanum] Durch Transoxanien

  • Die Reise führte uns durch Steppen und Flussläufe, durch Karawansereien und an kleineren Städten vorbei. Die Landschaft war karg und vereinzelt sahen wir Viehherden, vor allem Schafe und Ziegen. Schließlich erreichten wir den Oxus. Der Fluss führte gerade wenig Wasser, so dass wir leicht durch eine Furt kamen. Eine Gruppe Räuber wollte bei der Querung des Flusses einen Überfall versuchen, wurde jedoch durch unser entschlossenes Entgegenreiten in die Flucht geschlagen. Sie wollten wohl kein Risiko eingehen.


    Man sprach in dieser Gegend häufig Griechisch, aber dominant war eine andere Sprache, die mein Sklave Arpan gut zu verstehen schien. Er erklärte mir, dass es sich um einen skythischen Dialekt handelte. Zwar gab es Unterschiede zur Sprache seiner Kindheit, doch waren diese nicht gravierend genug, um ihn an der Verständigung zu hindern.


    Wir erreichten eine weitere Stadt, die nach der Karte, die ich mit mir führte, Marakanda hieß. Die Einheimischen nannten sie aber samar kand, was wohl 'steinerne Stadt' hieß. Die Stadt war gut befestigt, womit sie ihrem einheimischen Namen Ehre machte. Auch war sie weniger aus Ziegeln, als aus Stein erbaut. Doch vor allem war es eine Handelsstadt, die an dem Handelsweg zwischen den Serern und unserem Imperium lag. Der Flusslauf, der die Stadt nördlich umfloss, war zugleich die Wasserquelle für die Stadt und die sie umgebenden Felder. Die Größe dieser Stadt war recht ansehnlich.


    Ich besuchte zusammen mit einem Serer namens Jì Dé das Forum dieser Stadt, um ein paar meiner Waren zu verkaufen. Die Serer hatten Haut, deren Farbe mich an Bronze erinnerte. Ihre Haare waren tiefschwarz, wenngleich Jì Dé auch graue Strähnen hatte. Ihre Augen waren dunkel und mandelförmig. Jì Dé trug auch einen Bart, der sauber gestutzt war. Er war ein Händler, der in unserer Karawane reiste. Wir hatten uns ein wenig angefreundet. Praktischerweise sprach er ein wenig Koiné, was die Verständigung erleichterte. Er nutzte diese Sprache, um sich mit alteingesessenen und wohlhabenden Bürgern der hiesigen Städte zu verständigen, bei denen es sich wohl um Nachfahren der Soldaten Alexanders des Großen handelte. Wir hatten die Vereinbarung getroffen, dass ich Jì Dé und seinen Sohn Jì Mǐn in Koiné unterrichtete und im Gegenzug von ihnen die serische Sprache lernte. Das gesprochene Wort ihrer Sprache war einfach, doch die Schrift war ausgesprochen schwierig. Immerhin schrieben sie nicht in Buchstaben, sondern in Silben. Ich fragte mich, ob ich jemals diese Sprache gut beherrschen würde.


    Jì Dé half mir, einen guten Preis für einige meiner Waren auszuhandeln, bevor wir uns wieder zu unserer Karawane begaben. Auch riet er mir dazu, warme Kleidung zu kaufen. Dieses tat ich auch. Die Hosen waren ungewohnt und mit einem Mantel aus Fell war ich auch noch nie unterwegs gewesen, doch vertraute ich dem Urteil meines neuen Freundes.


    Wir verbrachten dort noch zwei Tage, bevor es weiter ging. Der Weg führte uns zunächst kaum merklich, dann doch bemerkbar bergaufwärts. Wir zogen über ein Mittelgebirge in ein weites Tal, dessen Verlauf wir nach Osten folgten. Je weiter uns der Weg führte, umso höher wurden die Berge, die sich auf beiden Seiten des Tals mit schneebedeckten Gipfeln abzeichneten. Schließlich erreichten wir eine Stadt, bei der es sich wohl um Alexandria Eschate handeln musste. Meine Karte endete hier mit einem hohen Gebirgszug im Osten, den ich aber so nicht ausmachen konnte. Eher lag das hohe Gebirge süd-südöstlich von hier. Das Tal war in Alexandria Eschate aber auch noch nicht zu Ende.


    Zu einem gewissen Grad erfüllte mich Stolz. Ich hatte den äußersten Punkt des Reiches Alexanders des Großen erreicht. Weiter als hierher war noch nie ein Bewohner des Mittelmeerraums gekommen. Zumindest niemand, von dem ich wusste.


    Sim-Off:

    "Imperium Cossanum" ist der lateinische Begriff für das Reich Kuschana; der "skythische Dialekt" ist das Baktrische; "Serer" ist der Begriff, mit dem die Römer und Griechen die Chinesen bezeichneten.

  • Da ich nun das Ende der Welt, die mir die Karte zeigte, erreicht hatte, beschloss ich, meinen Verwandten eine Mitteilung zu schicken. Also schrieb ich einen Brief.


    Ad

    Iunia Matidia

    Domus Iunia

    Mogontiacum

    Provincia Germania Superior

    Imperium Romanum


    Liebstes Schwesterchen,


    weder habe ich Ahnung, ob dich dieser Brief erreichen wird, noch weiß ich, wo ich sein werde, wenn dich dieser Brief erreicht. Dennoch schreibe ich, weil zumindest eine geringe Chance besteht, dass dieser Brief dich erreicht.


    Ich bitte um Verzeihung, dass ich abgereist bin, ohne mich von dir zu verabschieden. Aber diese Reise ist wichtig und ich wollte niemandem die Möglichkeit geben, mich umzustimmen. Wenn einem Apollo, Minerva und Mercurius einen Wink geben, dann sollte man das nutzen. Ich habe es genutzt und bin nun auf dem Weg nach Serica, wo die Seide herkommt. Ich muss dieses Land einfach sehen.


    Die Überfahrt über das Mare Nostrum war ereignislos, ebenso die Reise durch Parthien. Parthien ist oft sehr trocken, nur in Mesopotamien, in den Oasen und in den Bergen ist es grün. Doch die Wüste hat auch ihre Schönheit, die mir erst auf dieser Reise bewusst wurde. Doch bin ich nicht mehr in Parthien, sondern in Baktrien. Genauer gesagt bin ich, während ich diese Zeilen schreibe, in Alexandria Eschate, dem von Makedonien am weitesten entfernten aller Alexandrias. Hier endete das Reich Alexanders des Großen. Die Stadt liegt in einem Tal. Am Horizont erkenne ich rundherum hohe Berge. Wenn ich richtig trianguliere, sind diese mindestens so hoch wie die Alpen. Die Bevölkerung hier scheint einen skythischen Dialekt zu sprechen, doch ist Griechisch in Oberschicht und Verwaltung immer noch verbreitet.


    Ich habe mich mit einem Serer angefreundet, der als Händler bis an die parthische Grenze reist. Wir wollen gemeinsam bis in seine Heimat reisen. Es geht weiter nach Osten, über einen hohen Gebirgszug. Dahinter kommt laut meinem Freund noch eine große Wüste, und danach ein weiteres Gebirge, bevor Serica beginnt. Das klingt strapaziös, aber ich werde nicht umkehren, wo das Ziel zum greifen nah ist.


    Die Verpflegung ist leider nicht allzu üppig und die Strapazen zeigen auch bei mir Wirkung. Ich habe abgenommen, werde aber auch kräftiger. Außerdem übe ich täglich mit der Spatha, um den möglichen Gefahren gewachsen zu sein. Inzwischen bin ich recht gut in Übung, was das anbetrifft. Wer hätte das gedacht? Dein Bruder, der Jurist und Philosoph, ist nun auch ein Schwertkämpfer. Mit einem Gladiator würde ich mich dennoch nicht messen wollen, aber für die normalen Räuber reicht es, denke ich. Du musst dir aber keine Sorgen um mich machen. Ich reise in einer großen Karawane. Das allein schützt mich bereits gut vor Überfällen.


    Falls dich dieser Brief erreicht, bitte ich dich, auch unsere Mutter und Scato und Stilo herzlich von mir zu grüßen. Ich werde wohl noch lange unterwegs sein, aber ich verspreche, euch allen Geschenke mitzubringen. Wenn ich in Serica bin, werde ich versuchen, euch einen weiteren Brief zu schicken.


    Vale bene, liebe Schwester


    Siegel Aulus Iunius Tacitus Advocatus


    Während ich schrieb, fiel mir auf, wie sehr ich meine Schwester vermisste. Außerdem vermisste ich meine anderen Verwandten. Die Thermen und die römische Lebensart vermisste ich auch, wenngleich in geringerem Maße. Doch ich konnte jetzt nicht umkehren. Ich musste weiter. Es war ein Drang in mir, den ich nicht kontrollieren konnte.


    Den Brief gab ich einem Händler, der vertrauenswürdig schien und aus Indien kam. Dort wollte er ihn an andere Händler weitergeben, die in in einen Hafen bringen würden. Von dort aus sollte der Brief per Schiff nach Ägypten geschickt kommen und von dort aus mit dem Cursus Publicus weiter. Ich selbst war nun länger als ein Vierteljahr unterwegs und schon bald wäre ein halbes Jahr ins Land gezogen. Ich ging davon aus, dass der Brief ähnlich lange unterwegs sein würde. Wenn er in Germanien eintreffen würde, wäre ich wahrscheinlich schon in Serica.

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