• Nachdem wir die Südprovinz des Reiches Hàn verlassen hatten, segelten wir weiter südwärts bis wir in das Land Fúnán kamen. Das Volk dort nannte sich Khmer und die Stadt, in der wir anlegten, hieß Oc Eo. Es handelte sich dabei um einen Ort, der im Wesentlichen aus hölzernen Pfahlbauten bestand um im Delta eines großen Flusses lag. Um den Stadt herum befanden sich Reisfelder und auf dem Markt gab es frischen Fisch, der von zahllosen Fischern vor Ort zum Verkauf angeboten wurde. Oc Eo schien ein Handelsplatz zu sein, denn man sprach Serisch - wenngleich vor allem in der südlichen Variante, die ich nur schwer verstand. Auch schien man zu erkennen, dass ich ein hoher Beamter des Reichs Hàn war. Das war zwar nützlich, aber nicht in dem Maß, in dem es mir in den Reichsprovinzen nutzte. Das Land Fúnán schien sich von hier aus nach Westen auszubreiten und war wohl eher ein Verbund von Stadtstaaten, als ein geeintes Reich.


    Arpan fiel auf, dass hier in Sanskrit geschrieben wurden. Auch sprach man diese Sprache, die Arpan von den buddhistischen Mönchen gelernt hatte. So war es, wie bei der Reise nach Hàn auf dem Landweg, wieder Arpan, der mir bei der Verständigung half. Zu Beginn der Reise hatte ich nicht damit gerechnet, dass es dieser - inzwischen ehemalige - Sklave sein würde, den ich als Leibwächter gekauft hatte, der mir die besten Dienste als Dolmetscher leistete. Er erkannte, dass nicht nur die Sprache, sondern auch die indische Religion hier großen Einfluss hatte. Da ich mich hierfür interessierte, besuchten wir einen Tempel, in dem ein Gott mit dem Körper eines Menschen und dem Kopf eines Elefanten verehrt wurde. Das erinnerte mich an Ägypten und seine Götter. Die Verehrung selbst war aber anders. Vor allem war die Götterstatue mit bunten Blumenketten geschmückt und überall rauchten Holzstäbchen, die einen Wohlgeruch verströmten. Nachdem ich eine Weile im Tempel verweilt hatte, gingen wir wieder zurück zu unserem Schiff. Der Kapitän hatte frisches Wasser und Reis gebunkert, damit wir bei unserer weiteren Reise versorgt sein würden.


    Mit guten Winden segelten wir weiter südwärts über ein Stück offene See, in der sich immer wieder kleine Inseln befanden. Schließlich segelten wir an der Küste einer großen, von dichten Wäldern bewachsenen Insel oder Halbinsel vorbei, die westlich von uns lag. Inzwischen ließ sich das Wetter kaum noch aushalten. Es war warm, drückend und selbst der Wind brachte nur wenig Abkühlung. Lediglich die Nächte waren halbwegs angenehm, wobei wir an Deck schliefen, selbst wenn es regnete. Denn unter Deck konnte man es wirklich nicht mehr aushalten. Doch auch hier war ich stets so gekleidet, wie man es von einem Gelehrten im fernen Luòyáng erwartete. 'Immer die Würde bewahren' sagte ich mir immer wieder in meinem Geist.


    Es ging wieder über See und an einigen kleineren und einer großen Insel vorbei, bis wir auf eine lange Küste trafen. Man erklärte mir, dass sie zu einer riesigen Insel gehörte, die unser Kapitän Sūméntālā nannte. Die Einheimischen nannten sie Svarṇadvīpa, was laut Arpan etwas in der Art wie 'Goldinsel' bedeutete. Wir segelten in das Delta eines Flusses, das von Bäumen, die im Wasser wuchsen, gesäumt war und hinter dem sich tiefgrüner, dichter Regenwald befand. Am Ende des Deltas befand sich eine Stadt, die unser Kapitän Jùgǎng nannte, während die Einheimischen sie Pelémbang nannten. Auch diese Stadt bestand aus Häusern auf Pfählen. Sie bestanden aus Holz und hatten hohe, geschwungene Dächer. Die Männer hier trugen Wickelröcke aus leichtem Stoff, die bei der Hitze wohl gar nicht schlecht waren. An ihren Blicken erkannte ich, dass sie nicht verstanden, warum ich mich mit so viel Stoff bedeckte, dass nur mein Gesicht frei blieb. Meine Hände hatte ich vor meinem Bauch aufeinander gelegt, so dass sie in den Ärmeln verschwanden. Auf dem Markt sah ich wertvollen Goldschmuck, der wohl aus der Gegend kam. Ich überlegte, mir etwas davon zu kaufen. Da ich mit den serischen Münzen wohl bald nichts mehr anfangen konnte, war das eine gute Gelegenheit, den Wert zu erhalten. So gab ich - bis auf eine handvoll Münzen - alles für Goldschmuck aus. Die übrig gebliebenen Münzen wollte ich als Andenken behalten. Neben Tempeln für die indischen Götter fand ich hier auch einen Tempel der Buddhisten. Das teile ich Arpan natürlich mit, damit er dort meditieren und sich austauschen konnte.


    Nach drei Tagen im Hafen, in denen auch unser Kapitän Handel getrieben hatte, segelten wir wieder den Fluss hinab, wobei wir zuvor noch einmal frisches Wasser gebunkert hatten. Nach der Mündung ging es nordwestwärts, immer der Küste von Sūméntālā entlang, mit raumem Wind aus Nordost. Dabei wurden stets Wachen aufgestellt, da es hier wohl häufiger Piraten gab. Da ich wenig Lust hatte, als Geisel von Piraten zu enden, beteiligte ich mich an den Wachen. Meine Freizeit hingegen verbrachte ich mit Schwertübungen und damit, Kopien der mitgebrachten Bücher und Aufzeichnungen anzufertigen.


    Schließlich erreichten wir nach einigen Tagen das Ende der Insel und segelten aufs offene Meer. Wir behielten unseren Kurs bei und passierten noch eine Insel, die westlich von uns lag, um nach dieser den Kurs in Richtung Westen zu ändern. Nun gab es für die nächsten zwei Wochen nur noch offene See. Hin und wieder gelang es der Mannschaft, ein paar Fische zu fangen, doch ansonsten gab es vor allem Reis zu essen. Wir machten zwar gute Fahrt, doch war es nun ziemlich eintönig. Zweimal begegneten wir anderen Schiffen, doch war das eine schneller, als unseres, und das andere war langsamer. Ich nutze die Zeit für Schwertübungen und um weiterhin Bücher zu kopieren.


    Wir erreichten schließlich eine große Insel, deren Küsten ich nicht auf voller Länge sehen konnte. An der Küste erstreckte sich eine weite, weitestgehend bewaldete Ebene. Im Inneren der Insel konnte ich bewaldete Berge erkennen. Als wir uns dem Land näherten, wurde das Klima ähnlich unerträglich, wie es auf Sūméntālā war. Unser Kapitän nannte diese Insel Lánkă. Wir folgten der Südküste dieser Insel, bis wir eine Stadt erreichten. Der Kapitän sagte, dies wäre Gimhathitha, während die Einheimischen den Ort Gaalla nannten. Die Stadt lag an der Mündung eines Flusses und schien recht wohlhabend zu sein. Unser Kapitän wollte hier eine Woche Landgang gewähren, damit seine Mannschaft bei Laune blieb. So konnte ich den Ort auch gemeinsam mit Arpan erkunden. Die Blicke der Einheimischen waren mir sicher, denn bis hierhin schien nur äußerst selten ein serischer Gelehrter zu kommen. Da ich komplett in Seide gekleidet war, nahm man wohl an, dass ich adlig war. Das serische Schwert in meinem Gürtel trug zu dieser Wahrnehmung sicher bei. Bedachte man den Status, den ich als Beamter in Hàn hatte, war das noch einmal allzu falsch - obwohl es auch nicht richtig war. Als ich von Arpan schließlich erfuhr, dass die Insel auf Sanksrit Tāmraparnī genannt wurde, stellte ich sehr schnell die Verbindung zu etwas her, das ich am Museion gehört hatte. Damals hatte ich gelernt, dass es an der Südspitze von Indien eine Insel namens Taprobana gab. Das klang doch ziemlich ähnlich. In weiteren Gesprächen fand Arpan heraus, dass Indien in der Tat nicht allzu weit weg und nordwestlich von hier lag.


    Da es sich bei der hiesigen Bevölkerung, in der Wickelröcke von Männern und eine Art Stola, die Sari genannt wurde, von Frauen getragen wurde, um Buddhisten handelte, quartierte sich Arpan in einem buddhistischen Kloster ein. Vormittags nahm er sich jeweils Zeit für mich, damit ich mich verständigen konnte. Allerdings fand ich schnell Händler aus anderen Ländern, unter anderem aus Parthien und auch Griechen. Mit den Griechen traf ich mich abends im Hafen, um gemeinsam zu essen und seit langem mal wieder Kioné zu sprechen. Die Händler kamen aus den Häfen von Myos Hormos und Berenike. Sie wunderten sich, dass ich Koiné sprach, auch wenn es mangels Übung ein wenig eingerostet war, und fragten mich natürlich, woher ich käme. Als ich erwähnte, dass ich Römer sei, wollten sie mir erst nicht glauben, bis ich ihnen von meiner Reise erzählte. Von den wertvollen Waren in meinem Gepäck erzählte ich ihnen sicherheitshalber nichts, wobei ihnen meine Seidenkleidung ganz sicher nicht entfallen war. Schließlich luden sie mich ein, mit ihnen zu fahren, doch lehnte ich ab. Ich hatte meine Passage bis zum Ende der Fahrt des Kapitäns bezahlt und wollte sie auch nicht vorher abbrechen. Außerdem schien mir nach meinen Erfahrungen auf der Überfahrt das serische Schiff sicherer als die griechischen Bauarten. Dabei konnte ich mich aber auch irren. So trennten wir uns schließlich mit guten Wünschen für die Weiterfahrt, als die Griechen die Rückfahrt antraten.


    Auf dem Markt fand ich Kurkuma, Ingwer, Zimt und Kokosnüsse zu fast schon unverschämt günstigen Preisen. So gab ich fast den Goldschmuck, den ich mir in Jùgǎng gekauft hatte, wieder ab, um mir die getrockneten Gewürze und vollständige Kokosnüsse zu kaufen. Die Gewürze erhielt ich in Amphoren und die Kokosnüsse stapelte ich in einer leeren Kajüte, die ich dafür vom Kapitän mietete. Außerdem aß ich noch einmal gut, bevor wir schließlich zur Weiterfahrt ablegten. Als Arpan zu diesem Anlass in einen einfachen, ungefärbten Wickelrock gekleidet zu uns stieß, wunderte ich mich kurz. Dann erklärte er mir, dass er sich so darauf vorbereiten wollte, Mönch in einem buddhistischen Kloster zu werden. Ich entschied, seine Entscheidung nicht in Frage zu stellen. Wenn wir das indische Festland erreichen würden, wollte er diesen Plan in die Tat umsetzen.


    Am nächsten Morgen wurden beim ersten Sonnenlicht die Leinen gelöst und wir stachen wieder in See.



    Sim-Off:

    Fúnán war ein Gebiet vom Mekong-Delta bis ins südliche Thailand, welches von dem Volk bewohnt wurde, das einmal die Khmer werden würde, Sūméntālā ist die Insel Sumatra, bei Lánkă handelt es sich um Sri Lanka

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