[Collis Quirinalis] Insula Ducciulla

  • Da dieses Thema damit abgeschlossen schien, wandte sich Eila mit einer anderen Frage an ihren Besucher. "Wenn du planst, hier ein Gasthaus zu eröffnen, so wirst du wohl noch geraume Zeit in Roma bleiben,oder? Das würde mich wirklich freuen. Wir sollten diese Gelegenheit nutzen, uns öfter zu besuchen. Ich werde ja auch nicht auf Dauer hier bleiben."
    Und das stimmte. Es wurde langsam Zeit, die Rückreise nach Mogontiacum näher ins Auge zu fassen. Sie war nach Rom gekommen um Abstand zu gewinnen. Sie hatte zwar manchen Schmerz noch immer nicht hinter sich gebracht, aber das würde wohl auch noch eine Weile dauern...
    "Du bist mir hier auf jeden Fall jederzeit willkommen. Vielleicht könnten wir uns ja auch mal irgendwann treffen, um gemeinsam einen Ausflug oder derartiges zu unternehmen. Was meinst du?"

  • "Ja, eine Weile bleibe ich sicherlich noch in Rom.", sagte Glabrio. "Natürlich freue auch ich mich immer über Besuch!" Dann überlegte er, wo man sich treffen könnte. Ihm fiel allerdings nicht sofort etwas ein.
    "Gerne können wir mal einen Ausflug machen. Ich habe ja auch ein Pferd hier, kannst Du reiten?", Glabrio war sich fast sicher, dass sie konnte. Sie war immerhin eine Germanin. Oder ritten in Germanien etwa auch nur Männer?

  • Nicht auf Dauer hierbleiben? Silko war hin und her gerissen: Einerseits hasste er es hier in Rom zu sein. Es war furchtbar langweilig, er hatte keine richtige Möglichkeit zu trainieren und auch die Sache mit dem Praefekten der Praetorianer steckte ihm noch in den Knochen. Das waren alles Gründe warum er es begrüßen würde so schnell wie möglich hier zu verschwinden. Wenn es nicht Amneris gäbe. Gut, er hatte die Nubierin jetzt schon einige Wochen nicht mehr gesehen und doch war sie in seinen Gedanken ständig präsent. Aber auch die Frage wohin Eila dann wohl gehen würde beschäftigte den dunkelhäutigen Hünen. Würden sie wieder nach Mogontiacum gehen? Das würde ihm sehr gefallen. Zwar war Germanien gerade jetzt im herbst ein äußert unwirtliches Land, aber Silko hatte die Zeit in der Casa Duccia sehr genossen. Er würde sich freuen dorthin zurück zu kehren. Aber es war ja noch lange nicht gesagt, dass sein Schützling das auch wollte. Vielleicht wollte sie ja der Familie gänzlich den Rücken kehren und nach Gallien, Hispanien oder Ägypten abhauen... Silko beschloss wachsam zu sein und sie nicht einfach verschwinden zu lassen, wenn sie das denn wirklich vorhatte.


    Sein Gesicht nahm einen grüblerischen Ausdruck an, der leider seinem "ich schaue böse"-Gesichtsausdruck frappierend ähnelte.


    Die Idee mit dem Ausritt gefiel ihm aber sehr gut- Endlich mal raus aus der Stadt! Das sie das vielleicht ohne ihn machen wollen würde, war für ihn völlig abwegig.

  • "Ich werde darauf zurückkommen."meinte Eila lächelnd, als Glabrio davon sprach, sich ebenfalls über Besuch zu freuen. Sie war gespannt darauf, wie ihr alter Freund hier in Rom so lebte. Und davon abgesehen, hatte sie hier ja ansonsten auch nicht allzu viel zu tun.
    Dann lachte Eila aus einem Impuls heraus auf Glabrios Frage hin kurz auf. Allerdings bremste sie sich schnell und nahm ein ernsteres Gesicht an, da, so abwegig die Frage für sie auch schien, Glabrio ja nichts von ihren Reitkünsten wissen konnte.
    "Ich bin Germanin." meinte sie daher zunächst. "Viele Frauen können bei uns reiten. Aber kaum eine so gut wie ich. Ich reite sogar besser als mein Bruder, und das heißt schon etwas." meinte sie dann grinsend. Es stimmte nämlich, dass sie ihren Bruder seit je her bei fast jedem Wettrennen zu Pferd geschlagen hatte.
    "Wie wäre es denn, wenn wir mal einen Ausflug nach Ostia machen. Ich habe es bisher immer noch nicht geschafft, mir den Hafen dort anzusehen und das, obwohl ich schon so viel davon gelesen habe."

  • Auch Phelan schmunzelte ein wenig über Glabrios Frage.
    "Eila hat Recht, die meisten unserer Frauen reiten besser, als manche Männer hier in Rom." dabei musste er an das Wagenrennen auf dem Marsfeld denken, dass bald stattfinden würde, auf welches er sich schon sehr freute, eigentlich freute er sich mehr auf das Opfer danach, da er dabei aktiv mitwirken durfte.


    Einen Ausflug? Langsam wurde es dem jungen Duccier zu heikel, einen Ausflug und das direkt nach Ostia?
    Er schaute Eila mit einem 'so geht das aber nicht' Blick an "Eine gute Idee.. und Silko wird euch dann begleiten." Er grinste schelmisch und schaute dann zu Silko, Phelan wusste, dass Silko sich sicher darüber freuen würde etwas zu tun zu haben, auch wenn er vielleicht noch etwas von der Lesestunde mit dem Praetorianer Praefekten genervt war.

  • Silko zwinkerte Phelan kurz zu, verzog dabei aber keine Miene. Da er schräg hinter Eila stand konnte sie es nicht sehen.


    Er war froh, dass der angehende Priester hier ein Machtwort sprach. Schließlich war dieser der Mann hier in der Casa und so hatte sein Wort hier doch ein nicht zu unterschätzendes Gewicht, auch wenn in Mogontiacum wohl niemand auf ihn gehört hätte.


    Natürlich war es aber unerlässlich, dass er mitkam. Zum Einen war es sicher nicht ganz ungefährlich und zum Anderen gebot es einfach der Anstand, dass eine junge Dame im heiratsfähigem Alter nicht alleine mit einem Mann Ausflüge unternahm.

  • Als Silko vom Palast zurückkam, fand er Phelan im Kaminzimmer wieder. "So, da bin ich wieder. Ich war ganz schön überrascht, dass Arbjons Vorgesetzter Prudentius Balbus Procurator ist. Hier ist sein Antwortbrief." Er reichte dem Duccier die Schriftrolle.


    D Duccius Verus


    Ich habe deine Nachricht erhalten und da ich recht neugierig bin, was ich für dich und die deinen tun kann, lade ich dich hierher in mein Officium ein.
    Komme in den nächsten Tagen hierher und zeige diese Einladung den Milites der Torwache um passieren zu können.



    Tiberius Prudentius Balbus
    ~~Procurator a libellis~~


  • Das war ein hervorragender Vorschlag. Ostia hatte Glabrio zwar schon ein paar Mal gesehen, aber es war durchaus einen Ausflug wert.
    So stimmte er gleich zu. Der Germane betonte, dass der Leibwächter mitsollte. Erst war Glabrio etwas überrascht. Wurde Eila hier kontrolliert? War der Mann besorgt, Glabrio würde sich nicht anständig verhalten? Doch dann wurde es ihm klar: Der Mann war nur um Eilas Wohl besorgt und wollte sie nicht vor ihm sondern vielmehr vor irgendwelchen frechen Gaunern beschützen. Im Nachhinein wunderte sich Glabrio über seine Gedanken und lachte mit über die Behauptung Eilas, sie könne besser reiten, als Loki.
    "Dann reitest du auf jeden Fall besser als ich! Ich bin zwar mit knapper Not von Germanien hier nach Rom geritten, doch seitdem habe ich fast nicht mehr geübt. Aber nach Ostia zu reiten ist eine sehr sehr gute Idee, finde ich!"
    Zurückkommend auf das angenommene Angebot eines Besuches bei ihm, sagte Glabrio schliesslich noch: "Ich freue mich also auf einen Besuch deinerseits!" Das tat er wirklich! Wie schön, dass Eila in Rom war!
    "Doch nun muss ich wirklich aufbrechen!"
    Mit diesen Worten verabschiedete er sich von Eila, ihrem Verwandten und dem nach wie vor grimmig dreinschauenden schwarzen Sklaven.
    Er machte sich auf den Weg in sein neues Zuhause, vorher schaute er wie er es sich schon überlegt hatte noch einmal auf dem Markt nach Büchern nach.

  • Zufrieden nickte Phelan dem Gast zu, der wohl erst ein wenig überrascht über seinen Vorschlag war, ihn aber dennoch annahm.
    "Nun gut Glabrio, ich muss mich auch mal wieder meinen Büchern widmen. Es war eine Ehre dich als Gast hier gehabt zu haben. Vale!." Und schon drehte er sich um und ging auf Silko zu und flüsterte "Ich hoffe es war in deinem Sinne, dass du mit den beiden gehst, ich dachte du brauchst mal wieder ein wenig Spannung."

  • Völlig fertig und mit verweinten Augen erreichte er die Casa Duccia in Rom. Eila und Silko warteten schon vor der Porta mit Lysander.
    Es waren die letzten Schritte die er zu jener Bruchbude machte, die ein paar Monate sein Heim waren. Viel reonviert war noch nicht, jediglich nur ein paar Reperaturen waren vorgenommen worden. Das letzte mal, das er hier stehen würde, war es sicher nicht. Zum einen würde er in Zukunft sicher hierher kommen, um Flava wieder zu sehen. Außerdem verlangte der Cultus bestimmt des öfeteren seine Anwesenheit, wenn es um höhere Sachen in der Organisation gingen, die zu kompliziert über Briefe zu regeln wären und letzten Endes auch, weil die Casa Duccia in Rom noch nicht fertig aufpoliert war. Aber alles zu seiner Zeit. Jetzt galt es erstmal Lysander zu verabschieden.
    Der Mann, wessen Haar an grau in der letzten Zeit schon sichtbar zugenommen hatte, stand mit den Händen hinter dem Rücken in der Türe und Phelans Verwandnten standen direkt daneben.


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    "So junger Sacerdos, es gibt wohl wieder ab nach Germania richtig?" der Bedienstete des Hauses, den man eigentlich schon fast Wart der Casa nennen konnte, kaute auf iregendetwas und grinste freundlich.
    "Ich werde schon gut auf die Bude aufpassen, aber lasst mich ja nicht zu lange alleine, ich habe mich durch euch doch schon an etwas Gesellschaft gewöhnt, auch wenn es nicht immer so leicht war mit euch" er schaute gezielt Eila mit einem scharfen Blick an, welchser sich aber wieder in ein kauendes Grinsen verflüchtigte.
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    "Ich danke dir Lysander, das macht meine Bitte an dich unnötig. Der Aufenthalt war außer der äußeren Umstände sehr genehm und ich versichere dir, dass du wirklich nicht all zu lang alleine sein wirst."
    Phelan griff beispielhaft nach dem Gepäck und gab Silko das Zeichen, dass sie nun abreisen würden und er somit auch ein wenig zu tragen hätte.
    "Ich wünsche dir bis dahin alles gute Lysander, pass auf dich auf, nicht das dir die Bude auf den Kopf fällt oder dir die Tiere das letzte Essen vom Teller holen."


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    "Keine Sorge junger Mann, ich komme schon über die Runden." sprach er und trat ein wenig zurück, um Silko und Phelan etwas Platz zum rangieren zu lassen.
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    Eila, Silko und Phelan machte sich also auf zur Straße, um die Rückreise ins geliebte, inwzischen schon weiße, Germania anzutreten.
    Nach einigen Schritten drehten sie sich um und wunken Lysander noch einmal zu, der dies ebenfalls tat und nachdem sie sich wieder umgedreht hatten, leicht mit dem Kopf schüttelte und letzt endlich zurück ins Haus ging.
    "Die Jugend die Jugend .."

  • Es war einer der seltenen Tage, an denen Quintus einmal Dienstfrei hatte. Nur auf Umwegen hatte er von der Abreise seiner Familie aus der Stadt erfahren. Also hatte der Duccier beschlossen, einmal beim Haus der Sippe nach dem Rechten zu schauen. Bislang war er erst einmal dort gewesen, und dann auch noch unter eher unglücklichen Umständen...


    Er fand das Haus nicht auf Anhieb und irrte zunächst ein paar mal durch Seitenstraßen, bis er dann doch davor stand. Ein Gerüst stand vor einer Seite der Fassade und ein Arbeiter schlug gerade im Obergeschoss ein paar Steine aus der Wand, die er sogleich durch neue, getrocknete Lehmziegel ersetzte. Ein wenig wehmütig musste Quintus an die prächtige Casa in Mogontiacum denken.
    Langsam ging er auf die Tür zu, die mittlerweile immerhin schon erneuert worden war und klopfte an. Nach einer kurzen Weile öffnete ein Mann, den er als Lysander, den Verwalter und wahrscheinlich einzigen Bediensteten des Hauses in Erinnerung hatte.


    Ja, bitte? Was kann ich für dich tun?


    Der Duccier wollte gerade etwas sagen, als Lysander ihn plötzlich scharf ansah und ruckartig den linken Zeige finger vor die Nase des Germanen reckte.


    Ich kenne dich! Du bist doch einer von den Praetorianern, die meinen Herren nachgestellt haben und hier alles durchwühlten und sogar das kostbare glasierte Geschirr zerschlugen. Was willst du? Es ist niemand hier! Die Duccier sind abgereist und Verräter hat es hier nie gegeben!


    Beschwichtigend hob Quintus die hände und sprach langsam und ruhig.


    Ich bin Quintus Duccius Eburnus. Du hast Recht damit, dass ich zu den Praetorianern gehörte, die dieses Haus durchsuchen mussten. Dies geschah allerdings auf Anweisung des Praefecten und nicht aus Willkür. Ebenso solltest du eigentlich Wissen, dass dieser bedauerliche Zwischenfall keinerlei Folgen hatte. Ich werde dir jetzt das Siegel der Familie zeigen, damit du weißt, dass ich die Wahrheit sage.


    Der Germane zog das Siegel mit dem Wolfskopf langsam hervor und hielt es dem Verwalter hin, der es misstrauisch beäugte.


    Siehst du? Ist dir das Beweis genug? Oder sollen wir erst einen Brief an Duccius Verus und Duccia Flamma schreiben, damit sie meine Identität bezeugen?


    Das wird wohl nicht nötig sein, auch wenn ich nicht gänzlich überzeugt bin. Verzeih, aber ich werde dich nicht Herr dieses Hauses nennen, wenn mir kein anderer Duccier leibhaftig sagt, dass du bist, wer du vorgibst zu sein.


    Gut, Lysander... das ist doch dein Name, oder? Ich sehe, dass du zu den Ducciern stehst und sie verteidigst. Das ist gut. Ich bin heute nur hergekommen, um zu sehen wie es um das Haus und seine Bewohner steht. Wenn es dir an etwas fehlt, oder wenn du Geld für weitere Arbeiten am Haus benötigst, dann schicke mir eine Botschaft in die Castra der Praetorianer. Mein Name ist Quintus Duccius Eburnus, merke ihn dir! Und zögere nicht, solltest du etwas benötigen. Ich besitze nicht viel, aber als einziger Duccier in Rom liegt es nun einmal an mir, dieses Haus zu erhalten und seine Bewohner zu schützen und zu versorgen.


    Quintus griff an seinen Gürtel und löste einen Lederbeutel, den er dem Verwalter in die Hand drückte.


    Hier, 100 Sesterzen. Nimm sie und bewahre damit Haus und Hof der Duccier.


    Er nickte dem Mann noch einmal zu und machte sich dann wieder auf den Weg...

  • Lange hatte es gedauert, bis Vala das römische Heim seiner Familie gefunden hatte, was erstens daran lag, dass er sich zwar in der freien Natur perfekt orientieren konnte, in der Stadt aber voll aufgeschmissen war. Noch. Irgendwie hatte er zwar immer das Gefühl, in eine gewisse Richtung unterwegs zu sein, aber durch die ganzen schrägen, halbgeraden und gebogenen Straßen wurde das mehr als einmal auf die Probe gestellt.


    Und dann die Suche nach dem richtigen Haus. Lando konnte ihm nicht beschreiben wie es aussah, schließlich war er noch nie hier gewesen, und Phelan hatte ihm das Haus als sehr schlicht beschrieben, was auch immer das heißen mochte.


    Auf dem Collis Quirinalis war er nun einige Zeit lang umhergewandert, und hatte sich gefragt, ob seine Familie SO reich war, sich eine der teuren Herrschaftshäuser hier leisten zu können.
    Als er die Casa Duccia Roma fand, begriff er, dass sie es nicht war. Alles andere als das. Weit entfernt davon, es zu sein.
    Das Haus seiner Familie war in einem Zustand, der mit 'Bruchbude' noch untertrieben war. Eigentlich war das klar, die letzten zwei Straßen die er genommen hatte stellten einen rapiden Abbruch des Wohlstands dar, von herrschaftlicher Villa über edle Insula zu weniger edler Insula zu absoluter Bruchbude. Und vor der stand er jetzt. Auf der einen Seite schien man notdürftig etwas ausgebessert zu haben, frischer Putz prangte in dem dreckigen alten wie als Mahnmal. Die andere Seite des kleinen Hauses sah dafür umso schlimmer aus. Der Putz blätterte ab, die Graffiti waren so zahlreich, dass sie schon fast als bunter Anstrich durchgehen konnten, vor der Mauer lagen zahlreiche herabgestürzte Ziegeln, und alles in allem war die Casa Duccia Mitleiderregend. Wäre das Haus ein Pferd, würde man ihm die Adern öffnen, um ihm das Leid zu ersparen.


    Als er schließlich anklopfte, hatte er Angst, die Tür (die ebenfalls verdächtig nach Exkrement und Urin roch) würde hereinfallen, doch sie hielt. Vorerst.


    "Du bist dann wohl Lysander.", eröffnete Vala das Gespräch als die Tür geöffnet wurde und ein alter Mann ihm entgegenblickte. Die aufopferungsvolle Herrschaftlichkeit eines Albin ließ er ohne Zweifel vermissen, allerdings war die Aufgabe hier in Rom das Heim einer Familie zu bewachen, die sich kaum aus ihrer Provinz herausbewegte wohl eine durchaus undankbare.


    "Der bin ich. Und wer bist du, der du so forsch hier erscheinst?", giftete ihm der Wart entgegen.


    "Ich bin Titus Duccius Vala, Sohn des Flavius Duccius Germanicus, und du hast mir in Treue zu dienen, wie du es denen vor mir getan hast.", polterte Vala mit frostiger Stimme zurück, schob sich ohne die Antwort abzuwarten an dem alten Mann vorbei in das kleine Haus vorbei, und begann die Räumlichkeiten zu durchsuchen, die in besseren Zustand waren als es das Äussere des Hauses erwarten ließ. Und dennoch, Vala war bitter enttäuscht.


    "Ich werde mich jetzt zur Ruhe legen. Ich will morgen mit dem ersten Sonnenstrahl aufstehen, du wirst mich wecken.", befahl Vala, ging die knarzende Treppe hinauf und warf sich in das erstbeste Schlafzimmer, das sich ihm erbot.
    Er war in Rom, und gleich am ersten Tag eröffnete sich ihm viel Arbeit, die vor ihm liegen würde. Diese Bruchbude stand seinen Plänen im Weg, zumindest in diesem Zustand. Das würde sich ändern müssen.. doch bevor er zu konkreten Plänen kam, forderte die anstrengende Reise ihren Tribut, und Vala fiel in einen tiefen Schlaf.

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    Für die Casa Duccia hatte das letzte Stündlein geschlagen. Der neue Boss im Haus, mit Namen Vala, hatte sich kaum zwei Wochen nach seiner Ankunft in Rom entschlossen, den Zustand des Gemäuers als unerträglich zu betrachten, und die Renovierung bei einem kostengünstigen wie auch versierten Architekten, der sich auch um die Abwicklung der zu erbringenden Handwerksleistungen kümmerte. Alles in allem ein verdammt aufwendiges Geschäft, und Vala musste sich Geld leihen, um das Projekt realisieren zu können.


    Zudem hatte er vor, hier in Rom einen kompletten Neustart hinzulegen, was auch das Ende des Beschäftigungsverhältnisses von Lysander bedeutete. Vala hatte dem alten Mann eine großzügige (für seine eigene Meinung nach absolut übertriebene) abfindung zukommen lassen, und ihn mit höflichen aber klaren Worten herauskomplimentiert.
    In der kleinen Wohnung, die er für sich behalten wollte, würde ein Haushälter nicht vonnöten sein.


    Als die Handwerker anrückten, war das Haus leer. Vala hatte sämtliche alte Möbel einfach auf die Straße gestellt und sie lange genug unbeaufsichtigt gelassen, damit sie von gierigen Gestalten entfernt worden waren. Was den Zimmermännern, Maurern und ihrem vorgesetzten Architekten die Möglichkeit gab, ohne Rücksicht in dem alten Haus zu wirken.


    In den ersten Tagen wurde das komplette Haus entkernt. Der alte Boden im Keller wurde zwei Fuß tief abgetragen, sämtliche Holzzwischenböden herausgerissen und alles für die Statik nicht weiter wichtige komplett herausgeschlagen.
    Das Ergebnis war ein Haus, das nunmehr eine leere Schale war. Man konnte vom Keller bis zum Dach schauen, beste Vorraussetzungen für eine komplette Neueinteilung der Wohnfläche.


    Doch das würde erst in der nächsten Woche kommen, schließlich konnte nicht alles in wenigen Tagen erledigt werden.

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    Eine Woche später war das Mauerwerk dran. Der komplette Putz wurde abgeklopft, fiel teilweise schon von selbst von den Wänden wenn man ihn nur leicht mit dem Hammer berührte, und insgesamt wurde die Arbeit binnen zweier Tage erledigt, nicht in den geplanten vier. Was dazu führte, dass man auch früher mit dem Neuverputz beginnen konnte. Das Mauerwerk wurde schmucklos und absolut funktional in einem leichten Braunton, der mit roter Erde kreiert wurde, versehen. Hell genug um die Hitze fernzuhalten, aber auch dunkel genug, um den Dreck der Straße, der sich unweigerlich auch an den Wänden einfinden würde, nicht allzu auffallend zu machen.


    Als dies geschehen war, musste der Bau zwei Tage lang ruhen, damit der Innen- und Außenputz vernünftig trocknen konnte.

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    Als der Putz getrocknet war, ging es daran dem Innenhaus wieder eine bewohnbare Struktur zu geben. Der Architekt hatte genau errechnet an welcher Stelle welcher tragende Balken angebracht werden, wo welche Bohle stehen und wo welche Querung festgeschlagen werden musste, damit die Bude nicht nach einer Woche in sich zusammenfiel und Valas Mieter unter sich begrub.
    Dem Plan folgend wurden Löcher in die Wand geschlagen, zwei große (und verdammt teure) Standpfähle wurden in verstärkte schon vorhandene Löcher eingelassen, daran entlang die nachher den Fussboden tragende Balken in Mauerlöcher gelegt, und schließlich wurde das ganze mit massiven Querungen festgehalten. Aus Kostengründen musste Vala auf Eisenfangen und Bolzen aus Bronze verzichten, was die Lebenszeit der Holzkonstruktion massiv minderte, aber dennoch für zwei Generationen von Menschen reichen würde. Wenn es denn gut lief.


    Dieses Werk dauerte weitere vier Tage. Danach ging es daran die Fussböden zu legen, wofür man einfaches Nadelholz nahm, das man dafür doppelt über Kreuz legte, durch schmale Holzbohlen für einen Zwischenraum gesorgt wurde dieser mit einer Mischung aus Holzspan, Reisig und dünnem Lehm zur Geräuschdämpfung gefüllt. Als das Werk getan wurde, würde der nächste Schritt das Dach betreffen. Doch dies würde an einem anderen Tag geschehen.

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    Das Dach war so eine Sache. Die Sicherheit der Arbeiter stand hier im Vordergrund, und so dauerte die Konstruktion der Gerüste in etwa doppelt so lang wie das Abdecken des Daches und die Errichtung eines neuen, stabileren Dachstuhls. Es war selbstverständlich keine italienische Eiche, die hier verwendet wurde, das würde das Budget sprengen, ein Budget, über das Vala sich bisher sowieso sträflich wenige Gedanken gemacht hatte.
    Aus eben diesen Kostengründen wurden nur die wichtigen Punkte in der Statik mit Eichenholz gestützt, während die Sparren und Fetten mit Nadelholz ausgestattet waren.
    Das Decken des Dachs wurde großteils mit neuen Ziegeln bewerkstelligt, die alten hatten die Angewohnheit den Regen und die Hitze eher ins Haus zu lassen, als sie auszuschließen.


    Sie hatten Glück mit dem Wetter, es regnete nicht, und so war die Arbeit in bequemen fünf Tagen geschehen. Das Haus sah schon wieder viel ansehlicher aus, es fehlten nurnoch kleine Praxis-Korrekturen (von Schönheit konnte hier kaum die Rede sein), dann würde Vala die ersten Mieter werben können. Und dann würde er sich unweigerlich auch Gedanken um Geld machen müssen.

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    Ganze fünf Wochen nachdem Vala das Projekt angegangen war, war die Casa renoviert. Aus einer heruntergekommenen und nur notdürftig ausgebesserten Bruchbude war eine schmucklose und absolut funktionale Casa geworden, die zwei kleine Familien in noch kleineren Wohnungen und eine Anspruchslose Einzelperson unterbringen konnte.
    Mit dem Ende der Bauarbeiten allerdings nagte ein Problem an Vala, dass er so leicht nicht ausblenden konnte: seine finanziellen Reserven waren aufgebraucht. Zwar hatte Lando ihn ausreichend mit Geldmitteln ausgestattet, nur sollten diese vornehmlich dafür sein, Vala ein Leben zu ermöglichen bis er sich selbst ein kleines Salär verdiente. Von einer Komplettrenovierung war niemals die Rede gewesen.


    In seinem Stolz hatte Vala daher darauf verzichtet, auswärts zu essen, wurde er doch sowieso meist im Haushalt der Prudentier zum Essen eingeladen. Andere Ausgaben waren auch gestoppt, aber der unbeholfene Umgang mit Geld zeigte sich erst, als der Architekt, der wohlhabend genug gewesen war um die Arbeiter zwei Wochen im Vorraus zu bezahlen, schließlich die erste Rate wollte. Immerhin zweitausend Sesterzen.
    Zweitausend Sesterzen waren weit mehr als das, was Vala aus Germania mitbekommen hatte. Und jetzt stand er da, der Tor, und war so schlau als wie zuvor.


    Seinem rhetorischen Geschick war es zu verdanken, dass die Arbeit nicht einfach mitten drin beendet wurden, und es brauchte zwei satte Überredungsmanöver, die Casa bis zum Ende fertiggestellt zu bekommen. Jetzt aber war es unumwunden kritisch: es gab keinen Grund mehr, das Geld zurück zu behalten.


    Was Vala vor ein immenses Problem stellte: aus Germania war noch keine Post gekommen, und er war zu stolz, um schon so kurz nach seiner Ankunft um Geld zu betteln. Andererseits war die Casa eh Familieneigentum, also musste sich die Zentrale in Mogontiacum auch um dieses Bauwerk kümmern. Bis es allerdings soweit war, hätten die Bauarbeiter ihn gelyncht.
    Er brauchte Geld, allerdings: woher nehmen, wenn nicht stehlen?


    Seinen neuen Oheim, den Procurator Prudentius, hatte er schon fragen wollen, allerdings war dann urplötzlich dessen Sohn gestorben. Was Vala aus pietätsgründen dazu veranlasste, doch noch damit zu warten. Und sein Patron? Würde sich wohl ins Fäustchen lachen, wenn ein neuer Klient einfach mal so fünftausend Sesterzen erbittet. Oder gar bei seinem Bruder. Nein, das ging wirklich nicht.


    Was also machte Vala? Er ließ sich erst einmal bei der Baustelle nicht blicken... die dann prompt von den Bauarbeitern besetzt wurde. Und an Volk weitervermietet, das Vala im Leben nicht in sein Haus gelassen hätte.


    Die Casa Duccia war bis auf weiteres besetzt. Ohne Pause bis jetzt. Denn die Maurer kamen zuerst. Und gehen wahrscheinlich auch zuletzt. Buenos Dias, Valeas, du bist nur Gast hier, du faßt hier nichts an.


    Irgendwie hatte Vala sich das anders vorgestellt.

  • Symbolisch mit einer weißen Flagge bewaffnet (beim letzten Mal hatten ihn die Frauen der Handwerker mit altem Gemüse und Obst beworfen, und Vala hatte die Flucht antreten müssen) näherte Vala sich einige Tage nach der Besetzung der Insula, die mal die Casa Duccia gewesen war. Er spürte die mürrischen Blicke der Besetzer auf sich, und fühlte ihren gerechten Zorn.


    Der Vorarbeiter, der sich zum Oberhaupt des besetzten Hauses ernannt hatte, kam heraus, und stellte sich selbstbewusst vor Vala auf. Er war ebenso breit wie er, aber einen guten Kopf kleiner, und Vala schaute mit einer Mischung aus Scham und Trotz auf den sehr viel älteren Mann herab.
    Es brauchte keine Worte, nur das Hervorzücken eines Beutels und das Abzählen von genau 20 goldenen Münzen um dem Vorarbeiter ein dreckiges Grinsen zu entlocken. Viele Worte mussten nicht gewechselt werden, der ältere Mann nickte zufrieden, machte kehrt und schrie beim Eintreten irgendwas in das Haus, das Vala nicht verstand, oder wegen dem "Barbarenbubi" nicht verstehen wollte.


    Vala entschied, dass es überflüssig war zu erwähnen, dass er das Haus am nächsten Tag verlassen vorfinden wollte, die Handwerker waren schließlich keine Verbrecher, sondern sich nur ihrer Rechte überaus bewusst. Waren sie eigentlich römische Bürger? Er wusste es nicht... er hatte sich für diese Leute nicht interessiert, solange sie ihre Arbeit gut gemacht hatten. Jetzt, wo sein Interesse für das Funktionieren des römischen Staates wuchs, fragte er sich, wie eigentlich die peregrine Bevölkerung, aus der auch seine Familie stammte, verwaltet und legalisiert wurde. Er würde sich darüber später noch Gedanken machen müssen.


    Dass das Haus am nächsten Tag auf allen Ebenen als quasi-Rache total verdreckt war, mit dem schlimmsten was Menschen sich so an Unrat einfallen lassen konnte, hatte er irgendwie schon erwartet, und dafür ein paar Sesterzen mehr investieren müssen, um das Haus vorzeigbar reinigen zu lassen. Am nächsten Tag würde es darum gehen, Mieter zu werben...

  • Wieder einmal hatte Vala Rom unterschätzt. Um genau zu sein: er hatte unterschätzt was für einen Andrang eine frisch renovierte (und vor allem: saubere!!!) Insula erwecken würde. Das vollkommene Fehlen von Kündigungsfrist und ausgefeiltem Vermieter-Mieterrecht machte es einfach von einem Tag auf den anderen die Behausung zu wechseln.
    Was dazu führte, dass sich Vala, der einen kleinen Tisch, einen Hocker, eine Tabula mitsamt Griffel vor dem Treppenaufgang positioniert hatte, sich mit einer schieren Masse von einzugswilligen Menschen konfrontiert sah. Gut fünf Dutzend Menschen, einige davon in Vertretung ganzer Familien, andere MIT ihren ganzen Familien hatten sich vor der neuen Insula versammelt, die in den letzten Tagen durch die Meuterei, die Besetzung und die großangelegte Reinigungsaktion für Aufsehen gesorgt hatte.


    Und alle wollten mit ihm reden.
    Fünf Dutzend Menschen.
    Auf einmal.
    Quasi gleichzeitig.
    Und das sofort.


    Vala fühlte sich in diesen Moment als wäre das komplette Theatrum Flavium ausverkauft, und er der einzige arme Wicht der Otternasen verkaufte.
    Allerdings hatte Vala auch die Schnauze voll, dauernd vor den enormen Extremen und den extremen Enormen dieser Stadt kapitulieren zu müssen, und begriff auf einmal, wie Rom es schaffte Rom zu bewältigen: Organisation!
    Er stellte sich auf seinen Hocker, und brüllte die Masse (die natürlich zuerst zurück brüllte, denn wie hieß das Sprichwort noch: so wie du die Römer anbrüllst so brüllen sie zurück, oder so) zur Ruhe. Was folgte, war ein penibler Verwaltungsplan um der tatsächlich noch wachsende Aspirantenmenge noch Herr zu werden, dazu führte Vala eine Strichliste ein, in der er erst einmal alle ausschloss, die seiner Meinung nach nicht das richtige Mieterpublikum für die Insula waren:



    Arbeitslose
    Huren
    Arbeitslose Huren
    Hurende Arbeitslose
    Trinker
    Trinkende Arbeitslose
    Arbeitslose Trinker
    Trinkende Huren
    Hurende Trinker
    Arbeitslose hurende Trinker
    Hurende trinkende Arbeitslose
    Arbeitslose trinkende Huren
    Vorbestrafte
    Vorbestrafte Arbeitslose
    Vorbestrafte Huren
    Vorbestrafte Trinker
    Arbeitslose Vorbestrafte
    Hurende Vorbestrafte
    Trinkende Vorbestrafte
    Arbeitslose hurende Vorbestrafte
    Hurende trinkende Vorbestrafte
    Trinkende arbeitslose Vorbestrafte
    Hurende arbeitslose Vorbestrafte
    Verrückte
    Arbeitslose Verrückte
    Hurende Verrückte
    Trinkende Verrückte
    Vorbestrafte Verrückte
    Arbeitslose hurende Verrückte
    Hurende Trinkende Verrückte
    Trinkende Vorbestrafte Verrückte
    Vorbestrafte arbeitslose Verrückte
    Arbeitslose Trinkende Verrückte
    Hurende Vorbestrafte Verrückte
    Vorbestrafte Arbeitslose Verrückte
    Griechen
    Arbeitslose Griechen
    Hurende Griechen
    Trinkende Griechen
    Vorbestrafte Griechen
    Verrückte Griechen
    Arbeitslose hurende Griechen
    Hurende Trinkende Griechen
    Trinkende Vorbestrafte Griechen
    Vorbestrafte Verrückte Griechen
    Verrückte arbeitslose Griechen
    Arbeitslose Trinkende Griechen
    Hurende Vorbestrafte Griechen
    Verrückte Arbeitslose Griechen


    Als er diese Liste unerbittlich durchgesetzt hatte, standen noch genau 2 Männer vor ihm: ein Bildhauer und ein Tischler, die mit ihren kleinen Familien einziehen wollten.


    Damit hatte er kein Problem.

  • "Du hast es dir also anders überlegt.", sagte Vala als er sich der Casa seiner Familie näherte, und den auf einem Sims hockenden Mann entdeckte. Das siegessichere Grinsen konnte er sich mit Mühe und Not verkneifen, wusste er doch, wie wichtig es war, sich jetzt nicht überheblich zu geben und dem Mann seinen Stolz zu lassen, egal wie tief dieser schon gesunken sein mochte.


    Linus von Patrae
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    "Das könnte man so nennen, ja.", raunte der alte Grieche Linus von Patrae, als der junge Germane sich näherte, "Du hast mein Schreiben also erhalten?"


    "Selbstverständlich. Allerdings musste ich mir das griechisch übersetzen lassen.", gab Vala freimütig zu. Dass er griechisch lernen musste hatte ihm schon sein Patron nahegelegt, und er machte kein Geheimnis daraus, dass das noch einer der Punkte war, die er abarbeiten musste, "Liege ich richtig in der Annahme, dass das ein Wink mit dem Zaunpfahl war?"


    "War es.", raunte der Mann kaum hörbar und mit einer Stimme, die nach Plattentektonik klang. Er ließ sich von dem Sims rutschen, und erst jetzt sah Vala, dass der Mann am Stock ging. Nicht wie ein gebrechlicher Greis, schließlich war Linus einer jener Griechen, die es mit Askese hatten. Wie hatte Balbus ihn noch genannt? Stoiker. Vala konnte nicht wirklich viel damit anfangen, aber dass dieser Mann am Stock ging, passte nicht wirklich in das Bild. Und Linus bewegte sich auch kaum so, als würde er den dunkelbraunen und seltsam gepflegten (er würde später erfahren, dass Linus das Ding regelmäßig mit Öl einrieb) Stock kaum als Stütze benutzen. Und dann begriff er: der alte Grieche spielte ein Spiel.


    "Gehört dieses gebrechliche zu deinen Tricks, die du aufführst, um andere zu täuschen, Linus?", fragte Vala gerade heraus, und fühlte sich beinahe sofort ziemlich dumm, eine so offensichtliche Antwort auch noch erfragt zu haben.


    "Ist das so auffällig?", entgegnete Linus, der sich überrascht und enttäuscht gab, und sah seinen Stab kritisch an, "Dann bin ich wohl tatsächlich aus der Übung. Aber um deine Frage zu beantworten: ja, das ist einer meiner Tricks. Warum denkst du, funktioniert dieser Trick?"


    Vala stutzte, wollte der Mann ihn verarschen? Das war nichts weiter als ein billiger Straßentrick, um in den manchmal unmenschlich dicht gedrängten Straßen freier voran zu kommen, und um sich Zugang durch Mitleid zu erheischen. Er blickte den Griechen kritisch an, als er ihm seine Gedanken auch so mitteilte. Doch sein Gegenüber schüttelte nur ruhig den Kopf, und ging ein paar Schritte die Straße hinab, darauf wartend, dass Vala zu ihm aufschloss: "Das ist mehr als ein billiger Straßentrick. Wenn es auffällt, ist es das. Aber es geht nicht darum, deinen Gegner glauben zu machen, er sei dir Mitleid schuldig. Es geht schließlich nicht darum, eine Sesterze zu erbetteln. Dort wo du hinwillst wird man sich einen Dreck um Mitleid scheren, und dort wird man dir kaum eine Sesterze als einen Tritt in deinen barbarischen Hintern gegeben. Es geht darum, deine Gegner, und wahrscheinlich auch deine Freunde im Unklaren darüber zu lassen, wozu du wirklich im Stande bist."


    "Aaaaahja...", überlegte Vala laut, und kam nicht umhin eingestehen zu müssen, dass da etwas dran war, "Und deshalb gehst du am Stock, um die Leute über deine Stärke im Unklaren zu lassen?"


    "Deshalb geh ich am Stock.", erwiderte der alte Mann trocken, und trabte betont gebrechlich durch die Seitengassen des Collis Quirinalis, "Was hat man dir geraten, junger Barbar, was du als nächstes in deiner Laufbahn erreichen sollst? Oder noch besser, aber vielleicht auch abstrakter: was willst du eigentlich erreichen, Barbaros?"


    "Gute Frage...", überlegte Vala laut, und kam so schnell nicht zu einem schlüssigen Ergebnis. Einige Minuten, in denen sie schweigend nebeneinander hergingen, und Vala immer wieder Passanten ausweichen mussten, während diesselben immer Linus auswichen, verstrichen, bevor Vala sich zu einem waghalsigen, aber vielleicht deshalb um so ehrlicheren Geständnis durchrang: "Ich will Legat der Provinz Germania werden!"


    Bei dieser Antwort lächelte der alte Grieche süffisant, und deutete einen Moment lang mit seinem Stock auf das Gesicht des jungen Mannes: "Jetzt sind wir schon einmal einen Schritt weiter. Und warum willst du das werden, Junge?"


    "Weil ich...", begann Vala, der sich in dieser Art des Gesprächs immer unwohler fühlte, weil er spürte, dass nicht er den dominanten Part in diesem Dialog stellte, "...dem Reich dienen will?"


    Linus schüttelte verächtlich den Kopf, und sah Vala vorwurfsvoll an: "So sprechen blindwütige Soldaten! So verdreht man einem Idealisten den Kopf! So sprechen Menschen, die noch an die alten Heldensagen glauben. Wenn du willst, dass ich dir helfe dein Ziel zu erreichen, dann sei ehrlich. Also... warum willst du Legat Germanias werden?"


    Weiter ging ihr Weg, und wieder kehrten einige Minuten Stille ein, bevor Vala zu einer neuen Antwort ansetzte: "Weil... ich soviel Macht in Händen halten will, wie nur irgend möglich?"


    Linus zog eine Augenbraue hoch, der tadelnde Blick blieb: "Na na na... wir kommen der Sache näher, aber wir sind noch nicht da. Sei ehrlich, junger Barbaros, sei ehrlich, und sage mir: warum willst du Germania regieren?"


    So zum Nachdenken getrieben dauerte die Stille noch ein gutes Stück länger, und Vala vergaß, wo sie eigentlich waren. Alles in ihm drehte sich nurnoch um diese eine Frage, und auf die Tatsache, dass er sich das selbst wohl noch nie wirklich eingestanden hatte: "Ich will es besser machen. Ich will weiter kommen, als je einer in meiner Sippe. Ich will es besser machen... nein, ich will es wieder gut machen! Ich will meine Familie wieder dorthin führen, wo sie vor Dekaden einmal gewesen ist. Ich will die Fehler Wolfriks ausmerzen! Ich will meine Sippe der Scheiterer in eine der Sieger wandeln! Ich will den Namen Duccia so tief in das römische Reich einbrennen, dass ihn nie wieder jemand vergisst!"


    Dieses Mal lächelte Linus auf eine sehr gewinnende Art und Weise: "Nun, junger Duccius, jetzt sind wir da, wo wir hingehören: an den Anfang. Und irgendwann, irgendwann wirst du dein Ziel erreicht haben... und das hier..", er hob den Stock und deutete auf ein Gebäude. Vala stockte der Atem, als er erkannte wie weit sie eigentlich im Laufe des Gesprächs gekommen waren. Sie standen vor der Curia Iulia: "Das hier ist nur eine Etappe von vielen."

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