• Lucius hatte nach dem Besuch in der Therme noch kurz beim hiesigen Barbier und in seiner Conclave vorbeigeschaut um sich neu einzukleiden. Er war nicht mehr wiederzuerkennen, sein Bart, der ihn in den letzten Monate vor der Kälte in der Nacht geschützt hatte war weg, sein Haar war gestutzt, auch wenn es immer noch widerwillig auf seinem Haupte lag. Er fühlte sich wie neugeboren und endlos glücklich, dass seine Reise nun hier wieder zu Ende ging, wo alles angefangen hatte ...


    Er mochte nicht mehr daran zurückdenken, was passiert war, wie es angefangen hatte und wie es schlussendlich geendet hatte. Zu tief war der Schmerz, zu dunkel die Erinnerung. Vielleicht irgendwann würde er die ganze Geschichte jemandem offenbaren warum er abgetaucht war, wer ihn verfolgt hatte, warum er die Cassis verlassen musste und warum er nun wieder in Sicherheit leben konnte ...


    Doch nun galt es, die Gegenwart zu entdecken. Moganticum hatte sich verändert. Mit Hilfe und Güte des Imperators hatte seine Gens Mogantiacum wahrlich zum Mittelpunkt Germaniens gemacht. Mächtige und edle Gebäude, zivile wie militärische gab es zu entdecken. Der Markt war umgeben von einem emsiges Treiben, die Tavernen gefüllt mit Soldaten, die die Zeiten genossen, in denen Sie nicht an vorderster Front gegen die Ungläubigen kämpfen mussten. Ein Theater entstand und bald würde auch Mogantiacum kulturellen Ansprüchen genügen können ...


    Lucius genoss den Wind, der den Rhein hinterunterzog, schmeckte die leckeren Düfte, die hinter verschlossenen Türen zubereitet wurden und lief ziemlich wahllos durch die Strassen bis er an einem Brunnen einen alten Holzbank erspähte und sich niedersetzte. Er hatte viel Zeit um nachzudenken, doch vielleicht würde sich ja jemand neben ihn setzen um ein wenig zu plaudern ...

  • Lucius war in seinen Gedanken entschwunden. So nahm er weder die vorbeieilenden Passanten, noch den stärker werdenden Wind wahr. Er schreckte erst hoch, als ein Landstreicher nach einer kleinen Spende fragte. Lucius streckte ihm eine Sesterze hin und sah ihm nach. Er war zerrissen, einerseits freute er sich, daheim zu sein, auf der anderen Seite fehlten ihm die Abenteuer, das Risiko, dass das Leben eines Heimatlosen prägte. Er war nicht der Mensch, der zum Nichtstun geboren war ...


    Er hatte zuviel Zeit um Nachzudenken, vorallem über seine Familie. Sein Sohn war vermisst, niemand wusste wo er war, was geschehen war, für einen kurzen Gedankengang überlegte er sich, ob sie anstelle bei ihm Rache an seinem Sohn begangen hatte ... er dachte an die Mutter seines Sohnes, schmerzhafte Gedanken, die er alsgleich beiseite schob ...


    Lucius stand auf und lief durch die Gassen, auf der Suche nach einem bekannte Gesicht, auf der Suche nach Freunden, doch er fand keine ...


    Hatte sich Moganticum oder das Imperium geändert oder war es doch Lucius selber? ...

  • Ein junger Mann kam des Weges. Unschwer war zu erkennen, dass er der hiesigen Legion angehörte, auch wenn er die festen Militärstiefel gegen ein paar bequeme, leichte Sandalen eingetauscht hatte und weder Helm, noch Brustpanzer trug.


    Er ging zum Brunnen und schöpfte mit den Händen einen Schluck Wasser aus der umlaufenden Rinne. Dann benetzte er sich das Gesicht.
    So erfrischt sah er sich um und entdeckte den still dasitzenden Mann auf der Holzbank. Gerade wollte er sich abwenden und weiter gehen, da hielt er abrupt inne. Dieser Fremde…, irgendetwas, dass tief in der Vergangenheit ruhte, begann sich zu regen und neugierig sprach er ihn an:
    Ich grüße Dich. Mein Name ist Decius Germanicus Corvus. Sag, sollten wir uns kennen? Mir ist, als sollte dem so sein und doch könnt ich nicht sagen, woher.

  • "Decius Germanicus Corvus, sagtet ihr?" sprach Lucius, auf einmal hellwach, zu dem stämmigen Mann, der sich vor seiner Bank aufgestellt hatte. Doch es war eine rhetorische Frage, Lucius wusste, dass er sich nicht verhört hatte ..


    Er sah ihn an und langsam kam auch bei ihm die Erinnerung hoch. "Decius Germanicus Corvus" wiederholte er zu sich selber, als sich plötzlich ein lächeln seine Mundwinkel umspielte und er dem, nunmehr nicht mehr Fremden, direkt in die Augen sah.


    "Du hast schon Recht, wir kennen uns, auch wenn es schon sehr lange her ist und wir uns beide wohl verändert haben. Doch die Vermächtnisse unseres Vaters lässt auch die Zeichen der Zeit nicht verschwinden, so sehe ich ihn in deinem Gesicht, wie ich es morgens in meinem Spiegel sehe ..."


    Lucius stand auf, schliesslich war dies der Höflichkeit angebracht, streckte seine Hand aus und sprach "Sei gegrüsst Corvus, ich bin Lucius Germanicus Proeliator, seines Zeichens Sohn des Sextus Germanicus Ursus. Mögen zwar unsere Mütter unterschiedlich sein, so sind wir doch Brüder und aus dem gleichen Blute."

  • Zuerst war Decius sprachlos, dann ergriff er die Hand des anderen und es sprudelte förmlich aus ihm heraus:
    Lucius!
    Welch eine Freude. Den Göttern sei dank! Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Wir waren noch Kinder als unsere Wege sich trennten. Erst kürzlich habe ich unseren Bruder hier in Moguntiacum getroffen und nun Dich.
    Das muss gefeiert werden. Lass uns die nächste Taverne aufsuchen, dieses glückliche Ereignis verlangt nach einem guten Tropfen!

  • Lucius lies die Hand seines Bruder kaum mehr los, so freudig war auch seine Überraschung. "Du hast Recht, es gibt viel zu erzählen seit wir uns aus den Augen verloren haben und wo wäre dies passender als in der Taverne. Wollen wir bei Medicus einkehren? Unser Vetter wird sich zwar wundern, dass ich schon wieder Wein aufnehmen kann, aber wir Germanicus sind ja bekannt für unseren Durst. Und bei diesem rauhen Klima ist man ja auch hart im nehmen." Er klopfte Decius auf die Schultern, und gemeinsam liefen Sie durch die Gassen in Richtung der Taverne, die böse Zungen auch als wirkliche Casa der Germanicas bezeichneten ...


    Der sonst eher wortkarge und nachdenkliche Lucius sprudelte förmlich:"Ich sehe Du bist in der Legion, erzähle mir was treibst Du und wie ergeht es Dir?"

  • Die Fragen schienen sich förmlich im Kreise zu drehen, wie ein Boot im schlimmsten Sturm auf dem Nil, wie Adler, die den Auftrieb nutztzen um Ihre Beute besser erkennen zu können und wie Wasser, dass in den Bädehäusern die Abflüsse hinunterspülte...


    Sein Kopf schmerzte, seinen rechten Arm spürte er schon gar nicht mehr, doch die viel wichtigere Frage war: Wer war er überhaupt?


    Den Kopf ein paar Mal hin und hergeschwungen, den Arm endlich vom Gewicht des eigenen Körpers befreit und schon sah die Welt viel besser aus, nachdem man es endlich auch geschafft hatte, die Augen zu öffnen ...


    Langsam kam auch wieder die Erinnerung hoch, wobei das langsam stark untertrieben war ... die Bilder und Gedanken schossen nur so durch seinen Kopf, dass er sogleich wieder Kopfweh hatte und sich nichts lieber gewünscht hätte als wieder einzuschlafen ...


    Doch dieser Platz hier war eigentlich gar nicht zum schlafen gedacht. Ein schöner Baum war es sicherlich, aber ob die hervorstehenden mit Moos bedeckten Wurzeln ein Bett ersetzen könnten ... wohl kaum ... was tat er eigentlich hier ... und wo um der Götter Willen war denn hier?


    Ja, er erinnerte sich an Wein und Weib, doch das war es auch schon, schnell den Griff zum Geldbeutel ... doch da herrschte nur gähnende leere, welche durchaus mit seinem Kopf zu vergleichen war. Das haste nun davon, hat dich das Weibsstück auch noch deinen letzten Ersparnissen beraubt ... Wenn Du Dich erinnern würdest du Tolpatsch, wüsstest du wenigstens ob es sich gelohnt hat! Auf der anderen Seite, wenn er sich erinnern würde, würde er vielleicht enttäuscht sein ... aber egal, es gab immer noch zu klären, wo er denn überhaupt war!


    Nun, Bäume wie diesen gab es zu Tausenden in Moganticum, das war ihm also nicht wirklich eine Hilfe. Nun denn, was hatte er sonst schon zu tun, nicht einmal einkaufen könnnte er ja! So lass uns noch ein wenig schlafen. Kaum war der Gedanke zu Ende, schlief er wieder auf den Wurzeln des Baumes, der überall sein konnte.


    Vorbeieileinde Gestalten hätten wohl nicht mehr als einen Landstreicher erkennt, der seinen Rausch auschlafen würde ... wie weit oder wie nah das an der Wahrheit war, wüssten wohl die wenigsten ...

  • Es war mehr ein Kitzeln denn ein Stechen, doch es reichte um Lucius aufzuwecken. Mit einer grummigen Handbewegung scheuchte er das Ungeziefer weg, welches sich gerade an ihm verköstigen wollte ... "Auch wenn einige es glauben mögen, noch ist nicht der Moment gekommen an welchem ihr an mir zehren mögt", sprach er, von Husten unterbrochen, in Richtung des Baumes, als ob dieser sein ärgster Feind sei ....


    Germanien, er konnte es nicht mehr sehen! Diese Kälte, diese Winde, ach wie schön war es dagegen in Afrika, als er als Vagabund und Gejagter durch die Ländereien zog. Doch dies war nunmal seine Heimat, auch wenn er sich längstens gedanklich schon längst davon entfernt hatte ...


    Sein Sohn und sein Vater vermisst, seine Vettern immer nur mit der Arbeit und Ihrer Karriere beschäftigt. Natürlich läge es an ihm, etwas ehrenhaftes zu tun, doch wollte er das wirklich? Nur um des Zwanges wegen?


    Vielleicht sollte er sich wirklich das nächstbeste Schiff nach Süden nehmen und dort sein Glück versuchen, das ihm solange schon verwehrt blieb. Er würde es ganz einfach dem Schicksal überlassen, welches ja nicht mit den Göttern verglichen werden durfte, denn mit diesen hatte er schon lange abgeschlossen.


    Die Zeit würde sicherlich zeigen, was er tun sollte und er würde einfach warten, bis ihm ein Wink den Weg zeigen wird ...

  • Er beschloss, seinen liebgewordenen Platz zu verlassen und endlich rauszufinden wo er eigentlich war. Schnell packte er seine wenigen Sachen, die er bei sich hatte und lief gen Norden. Norden ist genausogut wie Süden, Westen und Osten. Er kannte diese Gassen nicht, aber schliesslich war Moganticum nicht so gross, als dass er nicht bald einen bekannten Punkt finden würde ...


    Er bog um ein besonders erbärmliches Haus, dass den Namen kaum verdiente und sah vor sich den Rhein, vollgepackt mit Handels- und Militärschiffen, auf der anderen Seite ragte das Castellum und der Hafen hoch über dem Fluss ... den Hafen, bei dessen Erbauung er sogar noch die Grundsteine gelegt hatte ...


    Ja, er hatte schon einiges erreicht, doch er war immer wieder tief gefallen. Er schnappte ein kurzes Gespräch auf, indem sich 2 Soldaten fragten, wo denn der LAPP sei, er sei nun schon etliche Tage nicht mehr gesehen worden. Gerüchten zufolge sei er von den Germanen entführt und geköpft worden!


    Dies schreckte nun Lucius auf. Sein Vetter Sedulus in Gefahr, vielleicht schon tot? Sedulus war das einzige was in noch in Germanien hielt. Auf einen Schlag war er hellwach. Sollte er nun, wie das Schicksal im mitteilen wollte, das Schiff nehmen oder sollte er sich vielleicht sogar auf die Suche nach seinem Vetter machen. Er hatte ja schliesslich nichts zu verlieren ...


    Lucius tat das was er am liebsten tat. Er setzte sich an das Ufer des Rhenus und überlegte sich, was er tun sollte ...

  • Wie so oft, hatte ihm das Schicksal keinen Wink gegeben, die Götter hatten ihn wohl wirklich schon vergessen, doch jeder war seines eigenen Glückes Schmied!


    Lucius öffnete einen seiner beiden Beutel mit den Habseligkeiten und machte sich daran, einen Brief zu schreiben ...

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