In den Astures

  • Der kalte Wind ließ Numerius Dossenius Celsus erschauern. Oder war es der Gedanke an seine Aufgabe? Seines Zeichens Steuereintreiber wurde er ausgesandt um in Uttarae Steuerschätzungen durchzuführen. Eine undankbare Arbeit, war es doch allgemein bekannt, daß es nach dem heißen und langen Sommer dort gerade soviel gab um die Einwohner am Leben zu erhalten. Er konnte nicht damit rechnen herzlich empfangen zu werden. Fröstelnd zog er sich die Kapuze seiner Palla tiefer ins Gesicht. Bald würden er und sein Gefolge am Ziel sein.


    Er hatte natürlich Recht, die Bauern waren alles andere als erfreut über seinen Besuch. Die Ernte war wirklich so schlecht wie er befürchtet hatte, die Menschen hatten keine einzige Münze die sie an Steuern hätten zahlen können. Celsus wähnte sich in der Zwickmühle, er konnte doch nicht mit leeren Händen abziehen. Seinen Posten wäre er damit los. Nach kurzem Überlegen wies er seine Gehilfen an alles Wertvolle zu pfänden. Die Bauern aber wehrten sich dagegen, zuerst mit Worten, dann mit ihren Fäusten.


    Mit allem hatte Celsus gerechnet, aber nicht mit einem organisierten gewaltsamen Widerstand. Einzelne die gewalttätig werden, ja; für solche Fälle hatte er sein Gefolge. Eine so große Gruppe die sich ihnen entgegenstellte überraschte ihn allerdings. Einer seiner Männer schrie vor Schmerzen auf, einer der Bauern hielt einen blutgetränkten Dolch mit ausgestrecktem Arm in die Höhe und brüllte aus Leibeskräften. Erschrocken ergriff Celsus die Flucht und rannte so schnell er konnte fort. Jene aus seinem Gefolge welche es noch konnten taten es ihm gleich. Die aufgebrachte Meute hetzte sie durch die Stadt. Celsus rannte zum Haus des hiesigen Duumvirs, in der Hoffnung dort in Sicherheit zu sein.


    Die meisten seiner Männer schafften es nicht mehr bis in das sichere Anwesen des Duumvirs. Celsus indes konnte sich vorerst sicher wähnen, ihm wurde Einlaß gewährt und versichert, daß alles getan werde um sein Leben zu schützen. Allmählich beruhigte er sich, auch der Trubel auf den Straßen schien abzuebben. Wenig später aber schwellte der Lärm wieder an, noch mehr bewaffnete Bauern scharten sich um das Haus und hämmerten unablässig gegen die Eingangstür…


    Für die Wachen des städtischen Finanzamtes war es kein Tag wie jeder andere. Die Ankunft der Steuereintreiber von außerhalb verhieß nichts Gutes und nun drang aus dem Stadtkern Kampfeslärm bis zu ihnen. Allmählich begann sich abzuzeichnen, daß sich eine bewaffnete Menge dem Amt näherte, die es wohl auf die Karteien abgesehen hatte. Die Verwüstung des Finanzamtes war nicht mehr aufzuhalten.


    Die wenigen Truppen die in Uttarae stationiert waren, waren nicht ausgebildet für solche Situationen. Sie wurden meist zur Bewachung von öffentlichen Gebäuden gebraucht, seltener für kleinere Auseinandersetzungen. Mit einem ausgewachsenen Aufstand aber kamen sie nicht klar. Als sie unter der Führung des ehemaligen Optios Tadius Mutus am zerstörten Finanzamt eintrafen, waren sie den Bauern nicht nur zahlenmäßig unterlegen. Deren Kampfeswille war stark und brach die Verteidigung der sich ihnen entgegenstellenden Soldaten innerhalb kürzester Zeit.


    Der Aufruhr in Uttarae klang nicht ab, vielmehr ergriff er immer mehr Besitz von der einst so friedlichen Stadt.

  • Er ritt Tag und Nacht, weit weg von Uttarae, von dem Grauen das er dort erlebt hatte. Sein Herr, der Steuereintreiber Dossenius Celsus war tot. Seine Kameraden, alle tot.


    Während des langen Rittes musste er daran denken wie Celsus vom aufgebrachten Mob gelyncht wurde.
    Wie sein Leichnam an ein Pferd gefesselt durch die Stadt getrieben wurde.
    Diese Barbaren zerstörten alles was Rom und seine Macht in diesem sonst so friedlichen Städtchen repräsentierte.


    Er musste sich beeilen, schnellstens von den Vorfällen berichten, auf daß Gerechtigkeit geübt werden konnte. So trieb er sein Pferd nach Tarraco, um dem Statthalter zu berichten. Er würde schon dafür sorgen, daß dieser Aufstand niedergeschlagen wird.


    Sein Gesicht verzog sich zu einem grimmigen Lächeln.



    --> Der Bote

  • Es war sehr früh am Morgen, als sich ein römischer Magistat entschloss, seine Reise von Bergidum - gleich in der Nähe von Uttarae - nach Numantia fortzusetzen. Er bezahlte beim Wirt der Poststation seine ausstehenden Rechnungen und die Übernachtung, ließ seinen Reisewagen bereitmachen und fuhr in Begleitung einiger bewaffneter Haussklaven davon. Er wusste von den Ereignissen in Uttarae und hatte beschlossen die größten Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Wenn der Wagen schnell vorankäme, würde er bereits morgen in Numantia sein und damit weit genug weg...


    Er hatte seinen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als sein Wagen abrupt stoppte. Er hörte ein Geräusch, dann noch eines, einen Aufschrei und mehrere dumpfe Schläge. Was konnte das sein? Er umschloss mit seiner Hand den Griff eines Dolche, welchen er unter seiner Toga hervorzog und zog vorsichtig den Seitenvorhang zur Seite um nach draussen zu spähen. Er sah nichts.


    "Verdammt, Syrius, was ist da draussen los..."


    Er öffnete die Türe und machte einen Schritt nach draussen, raffte seine Toga zusammen um besser gehen zu können. Vor dem Wagen hatten sich...


    Die auf seinen Hinterkopf herabsausende Axt konnte er nicht sehen und Bruchteile später lag er in einer Lache Blut auf der Strasse.

  • Die Botschaft von den Unruhen hatte auch die kleine Stadt Bergidum erreicht. Die Honoratoren waren beunruhigt. Waren in Uttarae nicht der römische Duumvir und der Steuereintreiber getötet worden? Die Stadtgarden konnten die Übergriffe offensichtlich nicht verhindern. Und dann der Magistrat aus Numantia. Seine Leiche und die seiner Sklaven hatte man blutüberströmt auf der Straße gefunden. Das konnte nichts gutes heißen.


    Als ein Bote die Meldung überbrachte, die Magistrate und der Duumvir würden sich in der Curia treffen, beschloss auch Senator a.D. P. Bruccius dort zu erscheinen und seinen Rat anzubieten. Er rief seine Sklaven, drückte seiner treuen Gemahlin zum Abschied die Hand und verließ das Haus in Richtung Forum.


    Er kam jedoch keine zwei Häuserblocks weit, als er aus seiner Sänfte gezerrt und unter dem Beifall des aufgebrachten Pöbels am nächsten Balken aufgeknüpft wurde. Seine Toga und den Ring, welchen er vom Imperator vor langer Zeit erhalten hatte, rissen die Täter an sich und verteilten die Beute mit einem breiten Grinsen.


    Die Unruhen hatten also auch schon Bergidum erreicht.

  • Bruccius war ein Narr. Hatte er tatsächlich geglaubt, er hätte noch etwas ändern können? Hatte er geglaubt er könnte in seiner Toga - mit dem Ring des Imperators am Finger - in die Curie marschieren und die Macht des Imperiums in Hispania retten? Er hätte es besser wissen müssen. Doch der alte Narr war so berechenbar. Und folglich warteten die Schergen vor seinem Haus und mussten ihm nur folgen.


    Als er an dem Balken hing und seine Füsse in der Luft baumelten konnte ich eine gewisse Wehmut nicht leugnen. Doch er hatte es so gewollt. Und er hatte die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Die Ernte war bereit eingeholt zu werden. Das Imperium hatte sich überdehnt. Die Herrschaft der der römischen Besatzer, der reichen Geldsäcke aus Rom neigte sich dem Ende zu. Jetzt war die Zeit gekommen zu zuschlagen.

  • Der Winter hatte in Hispania begonnen. Die Regenfälle setzten dabei früher ein als erwartet und warfen die Feldzugsplanungen der II. Cohorte über den Haufen. Bei Celsa, wo der Fluss eigentlich hätte überquert werden sollen fand sie eine einzige Kathastrophe vor. Der Fluss war über seine Ufer getreten, hatte die Brücke zum Einsturz gebracht, Felder und Höfe überflutet und auch die Stadt stellenweise unter Wasser gesetzt. Lediglich der Tempelplatz - welcher sich auf einer kleinen Anhöhe befand - war verschont geblieben. Die Menschen indess flüchteten mit ihren wenigen Habseeligkeiten in die höhere Umgebung...>>

  • Nachdem Bruccius aus dem Weg geräumt war, konnten wir vorerst aufatmen. Uttarae und Bergidum schlossen sich der Bewegung sofort an. Es hatte nicht viel Überredung gebraucht und auch nicht viele Sesterzen gekostet, denn in den Astures war die Staatsmacht aus Rom nur spärlich vertreten und die Legion lag in Tarraco weitgenug weg, um die Notabeln der Stadt und große Teile der kelto-iberischen Bevölkerung auf unsere Seite zu ziehen. Mit dem bisherigen Ablauf der Ereignisse konnte ich also durchaus zufrieden sein.


    Dass die Unruhen um den Steuerzahler wegen angeblich schlechter Ernten nur ein Vorwand war, konnte in der Provinzverwaltung mit Sicherheit niemand ahnen, und so kalkulierte ich damit, dass die Legion höchstens einen Teil ihrer Truppen mobilisieren würde. Roms Legaten waren diesbezüglich zu berrechenbar. Die Strategie erfolgte immer nach dem Schema X und nur wenige der Feldherren waren in der Lage vorrausschauend die Züge ihrer Gegner zu berechnen.


    Diesen Meridius selbst, hielt ich für keinen schlechten Kommandeur, auch wenn ich ihn bisher nie kennengelernt hatte, aber es hieß, er sei einer der am besten ausgebildeten Kommandeure der Academie, und die Tatsache, dass er ein Römer iberischen Ursprungs war, machte die Sache für uns nicht leichter. Ein römischer Kommandeur, der sich hier in Hispania auskannte, war das letzte was wir gebrauchen konnten. Ich beschloss daher, die Maßnahmen zu beschleunigen und die weiteren Schritte der Erhebung in die Wege zu leiten.


    Zum Glück spielte uns das Wetter in die Karten und die Überschwemmung bei Celsa würde die Römer lange aufhalten. Wenn wir Glück hatten, würden sie vor Wintereinbruch die Gegend der Erhebung nicht erreichen und wir gewännen Zeit, Zeit um weitere Städte im Norden auf unsere Seite zu ziehen, Zeit um mit Hilfe der Silber und Goldminen in den Bergen eine eigene Armee auszuheben und über die Wintermonate zu trainieren.


    Und Zeit - um den Umsturz in Rom voranzubringen.


    Ich wusste nicht, wei weit die Vorbereitungen in Rom getroffen waren, doch wusste ich, dass die Hintermänner aus dem Adel und der Senatorenschicht mehr als gerissen waren. Wie hieß noch einmal dieser Typ, der für sie den Mittelsmann spielte? Mirror, oder so ähnlich...


    Wie auch immer, ich sattelte mein Pferd und begab mich auf schnellstem Wege Richtung Numantia.


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