• Ich blickte ihn immer noch ernst an, aber so richtig abnehmen konnte er es mir sowieso nicht. Er wusste nur zu genau, dass er das Nesthäkchen in der Familie war. Schon seit seiner Geburt. Der Tod seiner Mutter hatte seinen Vater überaus besorgt um sein Wohl sein lassen.


    "Meintewegen. Hol Dir was in der Küche. Wenn überhaupt ist zur Zeit nur Nyla anwesend. Falls sie Dich erwischt, sag ihr, dass ich es erlaubt habe. Dann aber wieder fluggs an die Arbeit. Und keine Widerrede!"


    Ich hob den Zeigefinger.

  • Das Gesicht des Jungen hellte sich auf und er strahlte Gallus an. Dann aber machte er schnell wieder ein zumindest halbwegs ernstes Gesicht um Gallus zu verstehen zu geben, dass er verstanden hatte.


    Danke, Gallus. Ich werde mir Mühe geben.


    Romanus versuchte so aufrichtig wie möglich zu klingen, auch wenn ihn alleine der Gedanke an die Aufzeichnungen grauste. Er würde sicherlich den ganzen Tag brauchen und konnte somit nicht mehr draußen irgendwas unternehmen, eine Tatsache, die ihn nicht sehr fröhlich stimmte. Aber es half ja nichts, er konnte schließlich nicht verhindern, dass Gallus ihn erneut nach den Hausarbeiten fragte und ewig konnte er ihn nicht hinhalten.


    Bevor es sich der Haussklave seines Onkels möglicherweise anders überlegen würde, trollte sich der Junge Richtung Küche.

  • Ich blickte ihm noch kopfschüttelnd hinterher und machte mich dann an die Arbeit. Allein die Götter wussten, was aus dem Burschen mal werden würde. Seine Mutter jedenfalls hätte es mit dem kleinen Träumer nicht einfach gehabt. Dass sie auch in so jungen Jahren sterben musste...

  • Romanus kam kauend mit dem in der Küche erbeuteten Essen zurück ins Atrium und überlegte, während er sich dem arbeitenden Gallus, näherte, wie er ihn in ein Gespräch verwickeln konnte, um so noch etwas Zeit außerhalb seines Zimmers verbringen zu können. Seine unvollständigen Aufzeichnungen hingen wie ein Damokles-Schwert über ihm und er wäre dem gerne noch eine Weile entflohen.


    Er sah Gallus einen Moment zu, während er von dem Brot abbiss und eine Olive hinterher schob. "Weißt du, wann mein Onkel heute nach Hause kommt?", fragte er schließlich, da ihm auf die Schnelle kein besseres Thema einfiel.

  • Ich blickte auf und fragte mich, wo der Kleine schon wieder her kam. Dann jedoch sah ich, dass er gerade ass, und ich lächelte.


    "Ich weiß es nicht. Dein Onkel Decius ist bei der Arbeit.
    Vielleicht nachher, oder später..."


    Mit dem Besen fegte ich gleichmäßig weiter.


    "Wie weit bist Du mit Deiner Hausarbeit?"

  • Romanus verzog das Gesicht und seufzte leise. Einen Moment sagte er nichts und kaute schweigend auf dem Brot herum, während er den Besen fixierte. Es half nichts, er konnte Gallus einfach nichts vormachen, dafür kannte dieser den Jungen einfach zu gut.


    "Ach Gallus, du bist ein Spielverderber", sagte Romanus schmollend und zog eine Schnute. Je länger er darüber nachdachte, umso mehr sah er sich außerstande die Hausarbeit heute fertigzustellen. Das musste Gallus doch einfach einsehen. Das Wetter war viel zu schön und Romanus viel zu müde, um sich mit irgendwelchen griechischen Texten herumzuquälen.


    "Kann ich das nicht morgen machen? Heute ist kein guter Tag...bitte Gallus." Der Junge sah den Haussklaven mit einem flehenden Blick aus seinen blauen Augen an und hoffte, dass er ihm das nicht abschlagen konnte.

  • Ich hielt in meiner Arbeit inne.


    "Lucius Decimus Romanus. Ein Decimus bettelt niemals. Dein Vater würde das gar nicht gerne sehen. Und Deine Mutter - mögen die Götter ihr Andenken bewahren - hätte es auch nicht gerne gesehen."


    Ich ging auf den kleinen Kerl zu und beugte mich ein wenig zu ihm hinunter. Ich konnte ihn ja verstehen, aber es half alles nichts.


    "Also, wie sieht es aus? Wie weit bist Du?"

  • Romanus biss sich auf die Unterlippe und schob diese nach vorne, wie er es als kleiner Junge immer getan hatte, wenn er etwas nicht bekommen hatte. Selten hatte man dem Jungen mit den blauen Augen und den blonden Locken etwas abschlagen können. Doch Gallus holte ihn recht schnell zurück in die Realität und schließlich wurde er in wenigen Monaten vierzehn und somit ein Mann.


    Etwas beschämt senkte der Junge den Blick und starrte auf seine Füße. Seine Mutter kannte er nur aus den spärlichen Erzählungen seines Vater oder der anderen Familienmitglieder. Über Tote wurde schließlich nicht gerne gesprochen, auch wenn sie in Ehren gehalten wurden. Er wusste nur, dass er wohl sehr seiner Mutter glich, was das Aussehen betraf.


    "Ich...", begann Romanus zögernd und suchte nach den richtigen Worten, um seinen Lehrer nicht zu erzürnen. Gallus war zwar immer freundlich zu ihm, doch duldete er keine Nachlässigkeit, soweit Romanus das beurteilen konnte. "Ich hatte es fast fertig, bis...es war ein Unfall..."

  • "So, ein Unfall."


    Ich spielte den Überraschten und blickten den kleinen Spitzbub an.


    "Was ist passiert? Hat der Hund Dein Pergament gefressen? Das kann kaum sein, denn er befindet sich im Zwinger. Oder kam gar ein Vogel und hat es mitgenommen? Ja, das wäre möglich. Die Götter haben einen Vogel geschickt, der das Pergament geklaut hat."


    Ich zwinkerte ihm zu und strich ihm mit der Hand über den Kopf.


    "Also, was ist?"

  • Der Junge sah wieder auf als Gallus absurde Theorien über sein Pergament aufstellte und er schließlich eine Hand auf seinem Kopf spürte. Er hatte das Gefühl, dass er ihn auf den Arm nehmen wollte, so dass er letztendlich doch mit der Wahrheit herausrückte.


    "Ja ein Unfall...ich habe aus Versehen mein Tintenfass umgeworfen, als ich geschrieben habe." Dass er am Tisch eingeschlafen war, musste Gallus ja nicht erfahren. Er nannte ihn oft genug einen Träumer und er hatte das Gefühl, dass sein Vater und sein Onkel sich wohl schon so einige Gedanken darüber machten, was aus dem Jungen wohl werden würde. Romanus war nicht dumm oder faul, nur fand er viel mehr Gefallen daran, im Garten zu sitzen und die Vögel zu beobachten oder den Klang der Lyra zu lauschen als über trockenen griechischen Texten zu brüten. Und auch dem Kampf war der Junge nicht sonderlich zugetan.

  • "Mmm, das mit dem Tintenfass ist natürlich ein Problem..."


    pflichtete ich ihm bei.


    "Es war nämlich das letzte, das wir im Hause hatten. Wir werden erst ein neues kaufen müssen..."


    Die Augen des Kleinen begannen zu leuchten, als er erkannte, dass er damit für heute von den Hausaufgaben befreit wäre.


    "Ich werde gleich morgen auf dem Markt ein neues Tintenfass besorgen. Du solltest jedoch in Zukunft sorgsamer damit umgehen. Tinte ist teuer, musst Du wissen, und auch wenn Dein Onkel ein reicher Mann ist, so reich ist er nun auch wieder nicht, dass er jeden Tag ein neues Fässchen kaufen kann..."

  • Der Junge wäre seinem Lehrer am liebsten um den Hals gefallen, so erleichtert war er darüber, dass er den grässlichen Texte zumindest für heute entfliehen konnte.


    "Kann ich mitkommen, wenn du auf den Markt gehst, Gallus?", fragte Romanus aufgeregt, denn der Markt war immer besonders spannend. "Ich verspreche auch brav meine Hausarbeit zu erledigen und nie wieder einzuschlafen...ähm ich meine das Tintenfass umzuwerfen." Der Junge wurde erneut rot, als er sich verplapperte und hoffte, dass Gallus, das nicht registrierte.

  • Ich hatte mir schon gedacht, dass das Tintenfass nicht einfach so umgestürzt war und tätschelte dem Kleinen den Kopf.


    "Sicher. Ich nehme Dich morgen auf den Markt mit. Ist versprochen. Allerdings nur, wenn Du dann heute auch rechtzeitig ins Bett gehst. Vom langen wachbleiben und Sternezählen wird man müde, vor allem am Tag danach und dann, dann schläft man mitten im Laufen ein und rennt gegen andere Menschen..."


    Ich lachte und gab dem Jungen einen Klaps.


    "Was machst Du heute Mittag noch? Gehst Du in den Garten? Sag mir auf alle Fälle Bescheid, wenn Du die Casa verlassen möchtest. Ich habe keine Lust die halbe Stadt abzusuchen..."

  • "Ich verspreche es bei den Göttern", sagte Romanus ernst und sah seinen Lehrer an. Dieser Spruch erschien ihm im Nachhinein doch etwas absurd, da die Götter auf die er schwor nicht dieselben waren, an die Gallus glaubte.


    "Ja, vielleicht gehe ich noch in den Garten...", meinte der Junge schließlich und überlegte einen Moment. "Ich kann dir auch Gesellschaft leisten und du erzählst mir etwas über Gallien"


    Romanus sah Gallus erwartungsvoll an, interessierte ihn die Heimat des Haussklaven doch brennend, so wie ihn alles interessierte was außerhalb Tarracos lag.

  • Gallien. Was sollte ich über Gallien erzählen?


    "Gallien ist schon lange eine römische Provinz, kleiner Mann. Schon mein Großvater lebte unter der Herrschaft der Römer und die Zeiten, wo wir noch ein eigenständiges, tapferes, freies Volk waren, sind lange her. Wenn es Dich interessiert, musst Du nur in den Büchern nachschlagen. Auch wenn ich gestehen muss, dass vieles von dem was Caesar schreibt, übertrieben ist."


    Ich packte wieder den Besen und fegte weiter.


    "Willst Du mir beim Arbeiten zusehen? Geh lieber in den Garten und spiel ein bisschen. Oder fütter die Goldfische im Basin..."

  • Etwas enttäuscht sah Romanus, wie Gallus wieder anfing zu fegen und steckte sich die letzte Olive in den Mund. Er hatte das Gefühl, dass der Gallier nicht über seine Heimat reden wollte, ja irgendwie hatte es den Anschein als wolle er den Jungen loswerden. Doch war der junge Römer nun mal recht wissbegierig, was für ihn fremde Länder betraf und ließ sich deshalb nicht so leicht abwimmeln.


    Er lehnte sich gegen eine Säule und beobachtete Gallus. Er kannte ihn schon sein ganzes Leben, so lange war er schon im Hause der Familia Decima und erst jetzt wurde dem Jungen bewusst, dass er recht wenig über die Herkunft und die Familie des Galliers wusste. Die Aufforderung in den Garten zu gehen oder die Fische zu füttern , überhörte der Junge und platzte stattdessen mit der nächsten Frage heraus


    "Was ist mit deiner Familie? Leben sie noch? Hast du eine Frau und Kinder?"


    Sim-Off:

    wenn ich irgendwas Falsches deinen Chara betreffend schreibe, bitte bescheid sagen, ok?

  • Wieder hielt ich mit dem Fegen inne.


    "Du weißt es vielleicht nicht, mein kleiner Freund, aber nicht alle Menschen werden frei geboren. Ich kam bereits als Sklave zur Welt. In Massilia. Meinen Vater habe ich nie gekannt und nachdem ich zwei Jahre alt war, wurden meine Mutter und ich nach Tarraco verkauft. Dort geriet ich schon bald in den Besitz Deiner Familie. Dein Großvater erwarb mich, als Dein Onkel und Dein Vater noch nicht einmal geboren waren."


    Ich lächelte.


    "Ich kann Dir daher leider nichts über Gallien erzählen."

  • Etwas erstaunt sah der Junge den Sklaven an, während er über dessen Worte nachdachte. So lange war Gallus also schon in der Familia Decima? Irgendwie war es dadurch nicht verwunderlich, dass Romanus ihn als Familienmitglied ansah und bisher auch nicht daran gedacht hatte, ihn nach seiner Herkunft zu fragen. Doch jetzt da er das Thema für sich entdeckt hatte, war es umso interessanter.


    "Wenn du so lange schon bei uns bist, dann wird dich mein Onkel sicherlich bald freilassen", mutmaßte Romanus altklug und dachte im nächsten Moment erschrocken über die Folgen seiner Behauptung nach. "Du gehst doch dann nicht fort?"

  • Ich musste lachen.


    "Fortgehen?"


    Ich fegte weiter.


    "Die Casa Decima ist mein Heimat. Und ausserdem..."


    ich zwinkerte ihm zu


    "... lebt Nyla hier. Und Nyla ist meine Freundin mit der ich am liebsten spiele."


    Ja, so war es. Mit ihr spielte ich am liebsten. Dass sie wie keine andere die Beine um mich schlang, konnte ich dem Kleinen aber schwer vermitteln.

  • Das Gesicht des Jungen hellte sich auf, als Gallus die Casa Decima als seine Heimat bezeichnete und ihm somit die Gewissheit gab, dass er niemals von hier fortgehen würde. Im nächsten Moment erschienen zwei steile Falten auf der Stirn von Romanus, als er darüber nachgrübelte, wie es wohl sein würde als Sklave geboren und niemals frei zu sein.


    "Wünscht du dir nicht manchmal auch frei zu sein wie...naja wie wir", fragte Romanus und sah den Gallier etwas beschämt an, hatte er ihn doch bisher nicht als unfreien Mann angesehen, da Gallus eben doch für ihn zur Familie gehörte.


    Die Bemerkung über Nyla ließ den Jungen einen Moment stutzen und dann nickte er langsam "Ich weiß schon, was du und Nyla tut" Dann wurde er rot und spielte verlegen mit dem Amulett um seinen Hals.

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