Tiberius Decimus Proximus

  • Mattiacus setzte sich zum Bett von Proximus. Er schien zu schlafen.


    "Onkel Proximus, ich muss für einige Tage nach Rom reisen. Gallus wird sich um dich kümmern. Er weiss bescheid, es soll dir an nichts mangeln."


    Mattiacus ging wieder ausdem Zimmer, blickte sich aber nochmal zu seinem kranken Onkel um.

  • Gleich nachdem Lucilla von ihrer Reise nach Rom zurückgekehrt ist, schaut sie bei ihrem Onkel vorbei. Gallus hatte ihr mitgeteilt, dass dessen Zustand unverändert war. Er isst wenig, kann sich kaum bewegen und dämmert meist zwischen Schlaf und Wachsein vor sich hin. Und immer wieder verkrampft sich sein Körper.


    "Salve Onkel Proximus."


    Lucilla setzt sich zu ihm ans Bett und nimmt seine Hand. Proximus hat die Augen geschlossen und sie ist sich nicht sicher, ob er wach ist.


    "Ich bringe dir Grüße aus Rom. Von Mercator und Meridius, Lucidus, Martinus, Livianus, Tertia und Maximian. Weißt du eigentlich schon, dass wir jetzt in Rom ein großes Haus haben. Lucidus hat es gekauft und dein Bruder ist nun der Hausherr. Es ist sogar größer als unsere Casa hier und für jeden Decima gibt es ein Cubiculum. So können wir jederzeit nach Rom reisen, ohne uns sorgen zu müssen, wo wir unterkommen. Wenn du wieder gesund bist, dann musst du unbedingt einmal mitkommen."


    Sie blickt ihn sorgenvoll an. Er sieht nicht aus, als würde er in seinem Leben noch einmal nach Rom kommen. Doch sie vertreibt alle Sorge aus ihrer Stimme, als sie weiterfährt.


    "Das Atrium ist groß und eignet sich wunderbar für Empfänge. Meridius hat das natürlich gleich ausgenutzt und einen Empfang zum Wahlsieg von Livianus und ihm gegeben. Ach ja, Livianus..."


    Lucilla schmunzelt.


    "Livianus hat sich verliebt. Didia Aemilia heißt die Glückliche, eine sehr nette Person. Sie kommt mich vielleicht bald mal besuchen und wir schauen uns die neue Gladiatorenschule in Tarraco an. Dort gibt es nämlich so einen Gladiator, Spartacus, und ich will versuchen, ihn für die nächsten Spiele für die Aurata zu gewinnen. Und Aemilia kennt sich mit Gladiatoren und Spielen recht gut aus."


    Sie steht auf und streicht Proximus noch einmal über die Hand. "So, Onkel Proximus. Nun muss ich leider zur Arbeit, du weißt ja, der Cursus Publicus schläft nie. Ich schaue heute abend wieder vorbei und wenn du etwas brauchst, dann ist ja Gallus da."


    Mit einem letzten sorgenvollen Blick auf ihren Onkel verlässt Lucilla das Zimmer.

  • Der Alte hatte jedes einzelne Wort in sich aufgesogen. In seinem Innersten lächelte er, nach aussen konnte er es jedoch nicht zeigen. Nachdem Lucilla das Zimmer wieder verlassen hatte, wollte er aufstehen. Doch sein Körper gehorchte seinen Befehlen längst nicht mehr. Er schien ihm den Gehorsam zu verweigern. Dann schlief er ein.


    Er ging durch die Strassen von Tarraco. Der Tempel des Mars lag vor ihm . Auf den Stufen saßen Proximus und seine Alessa. Lächelnd trat er herzu. Seine Tochter fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Sein Sohn blickte zu ihm auf.


    "Wart ihr unten in der Strasse spielen?
    Wo habt ihr Mutter gelassen?"


    Der kleines Decimus lachte und sprang auf.


    "Mama ist noch in der Casa. Sie hat gesagt, dass sie später kommen wird... Du, Papa..."


    "Ja, mein Sohn."


    "Wenn ich groß bin, dann werde ich wie Mars...
    Achilles wird in meinem Schatten stehen und weinen..."


    "Tu das, mein Sohn."


    "Ich will auch Soldat werden, Papa?"


    gengelte die Kleine.


    "Das geht nicht, Liebes.
    Aber Du kannst so werden wie Mama..."


    "Auja... ich will wie Mama werden..."


    ...


    Der Alte erwachte wieder und hatte Tränen in den Augen.

  • Irgendetwas musste den alten Herrn beschäftigen. Ich trat an sein Bett und wischte ihm die Tränen aus den Augen, welche mich hilfesuchend ansahen. Seine Pupille erschien glasig und es schien mir, als würde er Fieber haben. Langsam legte ich meine Hand auf seine Stirn und in der Tat, sie brannte heiß wie die Sonne. Ich musste kalte Umschläge machen, und das Zimmer verdunkeln. Mit schnellen Schritten verließ ich das Zimmer.

  • Als Lucilla wiederkommt und nach Proximus sehen will, kommt ihr Gallus eilig aus dem Zimmer entgegen. Sie versteht in seinem Gerede nur 'Fieber' und 'kalte Umschläge' und betritt voller Sorge das Cubiculum.


    Am Bett ihres Onkels erkennt sie, dass kleine Schweißperlen seine Stirn bedecken. Sie setzt sich zu ihm und streicht über seine Wange.


    "Es wird gleich besser, Onkel Proximus. Gallus holt schon etwas zum Kühlen."


    Sie zwingt sich zu einem Lächeln, auch wenn sie nicht weiß, ob dieser Blick überhaupt vor ihr halt macht oder nicht einfach durch sie hindurchgeht. Mit jedem Atemzug, den Proximus Körper mühsam tut, verkrampft sich Lucillas Herz mehr und mehr. Sie ist sich sicher, dass die Götter einen Grund für das haben, was sie tun, doch Lucilla kann diesen Sinn in Proximus Leid nicht erkennen, so sehr sie sich auch anstengt. Nichts ist mehr geblieben von dem lebensfrohen, kraftvollen Mann, der einst ihr Onkel war, nur eine eingefallene Hülle, in der vielleicht noch irgendwo sein Geist steckt, vielleicht aber auch nicht.


    Obwohl alles in ihr danach schreit das Zimmer zu verlassen, ihren Onkel so in Erinnerung zu behalten, wie er einst war, bleibt sie sitzen und nimmt seine Hand in ihre Hände.


    "Ich war heute bei der Sacerdos Tiberia Claudia. Kennst du sie? Sie ist noch nicht ganz so lange in Hispania, aber vielleicht hast du sie ja schon gesehen. Sie dient dem Merkur und hat momentan die Aufgaben des Pontifex Hispania übernommen, da dieser nicht in Tarraco weilt. Wir haben die Einweihung des Merkur-Tempels und der neuen Bibliothek besprochen. Ich glaube, sie ist eine ziemlich gute Priesterin. Sie wird die Weihe des Tempels selbst ausführen. Für die Bibliothek wird ein Apollo-Priester kommen. Ich bin schon so aufgeregt, hoffentlich geht das alles gut. Du weißt ja, dass ich momentan für die Bibliothek verantwortlich bin, weil es immer noch keine neuen Magisträte gibt. Und nun muss ich mich auch noch um den Tempel kümmern, sozusagen als offizielle Vertreterin der Aurata. Siehst du, da ist doch noch was aus mir geworden."


    Sie lächelt weiter, obwohl sie viel lieber weinen würde. Wo bleibt nur Gallus mit den Umschlägen...

  • Auch Calliope betritt den Raum. Sie mochte ihre Herren sehr und es machte sie traurig ihn so leiden zu sehen. Täglich war sie gekommen und hatte nach ihm gesehen, wenn keiner bei ihm war. So war er eigentlich fast nie alleine gewesen. Sie dachte das wäre ein guter Trost für ihn, da ja seine Kinder nicht bei ihm waren.


    Sie ging an die Seite ihrer Herrin, dann um das Bett herum, seufzte und streckte dann ihre Hand aus, um über Proximo's Kopf zu streicheln. Sie fühlte, dass er Fieber hatte und schluchzte kurz auf. Ihr Kopf war gesenkt, ihr Gesichtsausdruck voll Trauer.
    "Kümmert sich Gallus gut um ihn Herrin?" sprach sie Lucilla an.

  • Lucilla blickt zu Calliope auf.


    "Ja, er tut, was er kann. Ich wüsste nicht, was wir ohne ihn tun würden."


    'Und doch ist es zu wenig, so wie es aussieht.' Doch Lucilla spricht es nicht aus. Niemand könnte noch mehr tun, nur die Götter.


    "Nicht wahr, Onkel Proximus?" sie drückt die Hand ihres Onkels ein wenig und schaut ihn an.


    Dann blickt sie wieder traurig zu Calliope.

  • Ich betrat das Cubiculum mit einer Schale kalten Wassers und einigen Tüchern, die ich mir über die Schulter geworfen hatte. Ich steuerte auf das Bett zu, grüsste die Herrin, tunkte ein Tuch in das Nass und legte es behutsam auf die Stirn des Alten. Dann erst sah ich Calliope. Ich lächelte ihr kurz zu und wandte mich dann wieder an die Herrin.


    "Er hat Fieber bekommen. Aber ich denke, dass es wieder vorbeigehen wird. Er ist trotz allem zäh, ein echter Decima..."

  • Als Gallus hereinkam, trat Calliope beiseite. Er war ganz in Gedanken und hatte sie erst gar nicht gesehen.
    Das Wohl des alten Herren lag auch ihm sehr am Herzen. Seine Trauer und das Mitleid für den armen Mann stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.


    Calliope lächelte zurück als sie von Gallus bemerkt wurde, dann nahm sie ein weiteres Tuch, tränkte es im kühlen Wasser und reichte es Gallus, damit er es mit dem bereits schon erhitzten Tuch auf der Stirn des Herren, wechseln konnte.

  • "Danke."


    Ich nahm ihr das Tuch ab und tupfte dem Alten damit das Gesicht ab. Dann tauschte ich das Tuch auf der Stirn aus.


    "Sollten wir dem Wasser noch irgendwelche Essenzen zugeben?
    Was täte ihm gut? Was befreit den Atem?
    Ich kenne mich nicht aus..."

  • Erst blickte Calliope zu ihrer Herrin, ob diese auf Gallus' Frage antworten würde, doch dann sprach sie.
    "Mit Verlaub, ich denke ein wenig Eukalyptus oder Minze würde seine Atemwege gut befreien und ihm das Atmen erleichtern."

  • Lucilla beobachtet die beiden Sklaven bei ihrem Tun, weicht jedoch nicht von Proximus Seite und hält weiterhin seine Hand fest. Es mag sein, dass sie ihnen bei ihrem Tun nur im Weg ist, doch damit müssen sie eben fertig werden.

  • Ich nickte mit dem Kopf. Es erschien mir plausibel.


    "Könntest Du welchen besorgen? Frag am besten in der Küche nach. Nyla müsste was auf Lager haben. Wenn nicht, auf dem Markt gibt es oft frische Sachen. Aber besorg nur frische Sachen..."

  • Sie nickte Gallus zustimmend zu und lächelte ihn an, dann blickte sie noch einmal zu ihrem Herren und streichelte seinen Kopf. Daraufhin verlies sie das Zimmer um die Pflanzen für die Essenz zu besorgen.

  • Proximus öffnete kurz seine Augen. Er spürte die Hände auf seiner Stirn und wollte sich bedanken. Ausser einem Glucksen seiner schweren Zunge brachte er jedoch keine Laute hervor.


    Dann nickte er wieder weg.


    ...


    "Papa..."


    "Ja, was gibt es mein Sohn?"


    "Ich habe vorhin Mars gesehen..."


    "So, hast Du? Wo war er denn?"


    Der Kleine druckste etwas herum.


    "Er hat sich versteckt, du musst raten wo..."


    Proximus lachte und tätschelte seinem Sohn den Kopf.


    "Was Du Dir immer für Sachen ausdenkst..."



    ...

  • Der Herr schien wieder zu schlafen. Ich lächelte und hoffte, dass er so wenigstens keine allzu großen Schmerzen haben würde. Nachdenklich betrachtete ich die Herrin, welcher an seiner Seite ausharrte. Ich musste ihr Respekt zollen. Sie saß oft an seiner Seite und erzählte ihm Geschichten, machte ihm das Leben so angenehm wie möglich.

  • Genau in diesem Moment erlosch das Leben in dem alten Priester. Der Atem wurde flacher und ruhiger, der Herzschlag langsamer, bis er plötzlich ganz aufhörte. Als wollten die Götter ein Einsehen haben und sich ihrem alten und treuen Diener gefällig erzeigen.


    Er starb friedlich und ging zu seinen Vätern Heim.

  • Ich blickte in das Gesicht des Alten und spürte, dass sich etwas verändert hatte. Langsam streckte ich meinen Arm aus um den Atem seiner Nase zu spüren, doch es war keiner mehr da. Dann tastete ich nach seinem Handgelenk. Kein Puls mehr...


    Ich legte den Arm zurück und zog die Decke etwas höher.


    "Herrin..."

  • Lucilla hält Proximus' Hand fest und schaut ihn an. Tränen rollen ihre Wangen hinab, sie ignoriert Gallus einfach.


    "Onkel Proximus?" fragt sie mit erstickter Stimme. "Onkel Proximus, sag doch etwas. Drück meine Hand."


    Doch nichts geschieht. Die Tränen rollen weiter über Lucillas Wangen, trüben ihren Blick.


    "Warum? Warum?" schluchzt sie leise und blickt zu Gallus, doch in seinem Gesicht ist keine Antwort zu finden.


    Lucilla lässt ihren Tränen freien Lauf und gibt Proximus den Abschiedskuss. Sie weint wie ein kleines Kind, während sie noch immer Proximus Hand hält, nicht loslässt.



    /edit: Detail vergessen

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